Cover

In ihrem neuen Buch legen die Bestsellerautorinnen Jeannine Mik und Sandra Teml-Jetter den Fokus auf weit verbreitete Ängste und Sorgen von Eltern: vor Verletzungen, vor Fehlern, vor der Zukunft. Wer ihnen auf den Grund geht, kann sein Leben und seine Beziehungen bewusst gestalten, klar handeln, Kinder achtsam begleiten und ihnen Sicherheit geben. Mit zahlreichen Fallbeispielen, Übungen und Soforthilfen können Eltern lernen, sich ihren Ängsten zu stellen und so wahre Verbundenheit erleben.

Jeannine Mik ist als Mentorin und diplomierte Kommunikationstrainerin in der Erwachsenenbildung tätig und Gründerin des »Zentrums für bewusste Elternschaft« in Wien. Sie bloggt seit 2014 auf Mini and Me, einem der erfolgreichsten Eltern-Blogs in Deutschland und Österreich.

www.mini-and-me.com

Sandra Teml-Jetter ist Einzel- und Paarcoach sowie Eltern- und Familienberaterin mit zahlreichen Weiterbildungen. Sie arbeitet in ihrer eigenen Beratungspraxis, der »Wertschätzungszone«, und tritt nachhaltig für den emotionalen Klimawandel in Familien ein.

www.wertschaetzungszone.at

Jeannine Mik, Sandra Teml-Jetter

Keine Angst, Mama!

Wie Eltern Ängste und Sorgen überwinden und Kinder selbstbewusst begleiten

Kösel

Hinweis: Dieses Buch bietet Orientierungshilfen und Reflexionsimpulse für den Umgang mit weit verbreiteten Ängsten und Sorgen im Erziehungsalltag. Dennoch kann es eine Psychotherapie oder auch die Dienste eines psychologischen Beraters nicht ersetzen. Gerade bei Angst- und Panikattacken kann es notwendig sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Alle im Buch vorkommenden Personen sind verfremdet bzw. frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig und in keiner Weise beabsichtigt.

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Copyright © 2021 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81 673 München

Umschlag: Weiss Werkstatt München

Umschlagmotiv: © galina_kovalenko/stock. adobe.com

Redaktion: Ralf Lay

E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-27187-9
V002

www.koesel.de

Inhalt

Einleitung: Ein Eltern-Ermutigungsbuch

Einladung zum Innehalten

On a Personal Note: Warum wir über Angst und Integrität schreiben

Jeannine: Aufgebrochen, um zu heilen

Sandra: Lernen, das Gute zu halten

Wie du dieses Buch verwenden kannst

I. Angst: Ein Geschenk, das keiner will

Deine Angstbilder: Wovor fürchtest du dich?

Einführung in die Angst: Jenseits deines vollen Potenzials

Warum ich wünschte, ich wäre ein Zebra

Alltagsangst: Das Korsett, das wir selbst schnüren

Angst, warum bist du da?

Ein neuer Blick auf die Angst: Aufruf zu einem Leben in Integrität

Der Angstkörper: Zustände erkennen und Verbindung ermöglichen

Emotionen als interpretierte Körperempfindungen

Meine Nerven: Sicher sein und Sicherheit spenden

Panikattacken: Stresstoleranz und Körperweisheit im Extremfall

Troubleshooting: Übungen für den Umgang mit Angst

Die Schmetterlingsübung

Die 5–4–3–2–1-Übung

Nervennahrung für dein Regulationsmenü

Tonglen: Angst aufsaugen, Verbundenheit aussenden

Angst erlauben nach der Grinberg-Methode

II. Selbstbewusst begleiten: Orientierung beginnt in dir

Kinder lesen in ihren Eltern

Das Beste in uns leben

Ein erfülltes Leben im Paradigma der Differenzierung

Wie wir Kinder durch Emotionen begleiten

Zwischen »O mein Gott!« und »Alles fein!«

Sicherheit durch emotionale Distanz

HALT: Wie du dich selbst stoppen kannst

Wie du in zwölf Schritten dein Kind traumatisierst

Ein fruchtbarer Boden für allerlei Traumata

Zwölf Orientierungswerte für meine Familie

Durch die Angst gehen: Sehen, was war, und gestalten, was ist

Inneres Wissen: Ich kenne dich, und du kennst mich

Fehlersuchbilder: Was Kindergehirne kollabieren lässt

Absichtsbewusstsein: Was hast du im Sinn?

Stopp, jetzt! Effektbewusstsein und kindliche Grenzen

Kränkungen und No-Gos: Davor habe ich zu Recht Angst

Unsere Kinder leben in unseren Angstbegrenzungen

Aus der Spirale aussteigen

Grenzen, Regeln und Verbote reflektieren

Liebe Mama, lieber Papa: Was ich euch sagen will

III. Dein Conscious Mindset: Die Macht der inneren Bilder

Denkschablonen entlarven: Weißt du, was du glaubst?

Wie persönliche Werte (un)glücklich machen

Das Maß aller Dinge: Schlechte Werte gegen bessere tauschen

Wie du gute von schlechten Werten unterscheidest

Neue Werte finden

Schuld, Verantwortung und dein erwachsenes Ich

Fantasiereise zu deiner inneren Erwachsenen

Die Reise vertiefen

Gute Erfahrungen mit deiner Erwachsenen machen

Aufrichtig leben: Nötiges Wachstum und Entscheidungen

Veränderung in Beziehungen und die Angst vor Trennung

Wachstumskreise

Zeit aufzuräumen: Ich lebe meine Integrität

Dazugehören: Der Verrat an deinem Wesenskern

Lauschen lernen: Wie deine innere Stimme zu dir spricht

Dein Ja und dein Nein aus vollem Herzen

Beziehungen gestalten mit meiner Integrität als Kompass

Mein neuer Tanz und die anderen: Inspiration oder Gefahr?

Seit ich integer bin …

Motivwerkstatt: Auf dem Weg zur gelebten Vision

Dein Motiv: Starte mit »Warum?«

Vision Board: Dein Herzens-Warum in Bildern

Das Ego: Warum so viele Menschen Angst vor Veränderung haben

Gut reguliert ist halb gewonnen

Ein Geschenk an dich: Der Brief deines Wunsch-Future-Self

Nachwort: Selbstbewusst durch die Angst in Verbundenheit

Anhang

Übungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Anmerkungen

Einleitung: Ein Eltern-Ermutigungsbuch

Einladung zum Innehalten

»Was ist eigentlich das Problem mit Angst? Warum muss man darüber ein Buch schreiben?« Juni 2020. Ich sitze Sandra in ihrer gemütlichen Küche gegenüber, meinen Kopf in den Laptop versenkt, während ich ihr diese Fragen stelle. Dann lehne ich mich zurück, streiche mit der Hand über meinen Bauch – ich bin im sechsten Monat schwanger mit meinem zweiten Kind – und sehe sie erwartungsvoll an. Bis eben befanden wir uns noch mitten im Schreiben. Nun aber stutzt sie: »Wie jetzt?«

Nachdem wir bereits Stunden um Stunden in die Thematik investiert, recherchiert, diskutiert und massenweise Zettel vollgeschrieben haben, verstehe ich ihre Verwunderung: seltsame Frage. »Ich meine es ernst. Wo ist denn bitte das Problem?«, frage ich weiter. Mit Fragen kann man Sandra herrlich aus der Reserve locken. Das durfte ich erfahren, als wir uns diesem Prozess zum ersten Mal gemeinsam stellten und Mama, nicht schreien!1 schrieben. Es klappt. Sandra holt Luft, richtet sich auf und sagt: »Ich kann dir sagen, wieso ich dieses Buch schreibe! Weißt du, wie viele Eltern bei mir in den Beratungen sitzen und mir seufzend sagen: ›Ich habe Angst, etwas falsch zu machen, und mein Kind erleidet dadurch einen Schaden‹?« Ich sehe sie an, sage nichts. Ich weiß, da kommt noch etwas. Sie fährt fort: »Das ist Angst! Angst vor der Zukunft, vor Fehlern. Deshalb will ich das hier schreiben. Weil uns die Zukunftsangst die Gegenwart verpassen lässt. Elternschaft ist ein Teil der Schule des Lebens, den es zu bewältigen gilt.«

O ja, denke ich mir und lasse ihre Worte in meinem Kopf widerhallen. Ich nicke. Dann schweift Sandra ab: »Es ist ja schließlich der Fluss des Lebens. Und nicht der Stausee des Lebens! Wobei auch ein Stausee reguliert werden muss …« Und während sie weiter über Flüsse, Seen und Autobahnen philosophiert, habe ich bereits, was ich wollte: ein klares Warum. Eines, das mich unendlich berührt, und eines, auf das noch viele weitere folgen sollen.

Ich kenne sie, die Angst, und ich weiß, dass ich damit alles andere als allein bin. Öfter, als mir lieb war, habe ich am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt, wie in Trance am Jetzt vorbeizugehen; wie festgeklebt an zermürbenden, belastenden Gedanken an eine unsichere, womöglich furchtbare Zukunft. Viel zu oft habe ich den wertvollen Moment direkt vor meiner Nase verpasst.

Ja, mit Ängsten kenne ich mich mittlerweile aus. Nicht nur in der Theorie. Manchmal wünschte ich mir, dem wäre nicht so. Dann werde ich daran erinnert, dass die teilweise sehr intensiven Erfahrungen und Erlebnisse der letzten Jahre mich zwar aufgebrochen und auf meine Knie gebracht haben, zugleich aber auch die größten Wachstumseinladungen meines bisherigen Lebens waren. Und dass ich – auch dank ihnen – heute besser als jemals zuvor weiß, wer ich bin.

Wir können nur die Menschen und Eltern sein, die wir sein wollen, wenn wir wissen, welche inneren Bilder und Überzeugungen uns jeden Tag leiten.

Unreflektierte Angst beeinflusst unsere Gedanken und entsprechend auch unser Verhalten in allen Lebenssituationen maßgeblich. Wir können nur die Menschen und Eltern sein, die wir sein wollen, wenn wir wissen, welche inneren Bilder und Überzeugungen uns jeden Tag leiten.

Das, was nach unserer Erfahrung wirklich relevant ist für den bewussten Umgang mit Ängsten und was es zu erforschen gilt, um Kinder selbstbewusst zu begleiten, wirst du in diesem Buch lesen. Wo du hinsehen und was du anpacken musst, um wahrhaftig in deine Kraft zu kommen – das ist es, was uns interessiert. Diese Dinge sind wahrlich bunt und manchmal nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Aufgrund der Vielfalt der Themen und weil wir wissen, dass Zeit zum Lesen als Elternteil oft ein rares Gut ist, haben wir dieses Buch in drei Teile unterteilt. Klar, sie hängen zusammen. Aber du kannst frei wählen, womit du starten möchtest. Und es wird hoffentlich immer noch einen Sinn ergeben, wenn du mit Teil II oder III beginnst und wild herumhüpfst. Wir haben uns bemüht, jeden dieser Abschnitte in sich rund zu machen, mit Anfang und Ende. Damit du nicht erst nach der Lektüre des gesamten Buchs etwas Greifbares in Händen hältst, sondern jetzt gleich das, was dir etwas für deinen Umgang mit Ängsten und Sorgen oder fürs bewusste Begleiten deines Kindes bringt.

Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit Ängsten, deinem Körper und deinem Nervensystem. Angst hat so viele Gesichter. »Alltagssorgen« können uns enorm ängstigen und einschränken. Mehr, als vielen bewusst ist. Darüber wollen wir sprechen. Und auch einen mutigen Blick auf Zustände werfen, die so intensiv sind, dass sie weitreichende Folgen für unser Leben und Wohlbefinden haben. Wir schaffen ein allgemeines Verständnis für Ängste und sehen uns die Vorgänge an, die sich in deinem Körper abspielen, wenn du Angst hast. Wieso fürchtest du dich eigentlich? Woher kommt die Angst, was löst sie aus? Was treibt dein Gehirn? Warum hast du diese körperlichen Empfindungen? Und was hat dein Nervensystem mit alldem zu tun? Wissen ist Macht und kann dich direkt in angsterfüllten Situationen beruhigen. Gleichzeitig wird für dich sichtbar, in welchen Zustand du kommen musst, um in deinem Leben Raum für Neues zu schaffen, das dir und deiner Familie guttut.

Praktische Übungen, die dich zum Spüren, Erkennen und Verändern einladen, findest du auch im ersten Teil. Du bist nicht ausgeliefert, sondern kannst etwas tun! Nach unserer Erfahrung ist diese Gewissheit gerade bei der Angst, bei der wir uns auch in Bereichen wie Kontrolle und Kontrollverlust bewegen, wichtig, um die Füße halbwegs wieder auf den Boden zu bekommen. Damit die Spannung nach und nach der Entspannung weichen kann.

Im zweiten Teil geht es primär darum, wie wir Kindern Sicherheit geben und sie selbstbewusst begleiten können. Unser Vorbild prägt und beeinflusst. Was wir in verschiedenen Lebensbereichen vormachen, wird zur Schablone für unsere Kinder, an der sie sich orientieren. Eine essenzielle Frage, die uns begleiten wird, ist: Was erzieht wirklich? »Erziehen« verstehen wir hier im Sinne von »prägen«, das ist wichtig. Was hinterlässt also einen bleibenden Eindruck bei deinem Kind? Die Antworten darauf werden dich vielleicht überraschen. Wollen wir Elternschaft bewusst leben, sind wir eingeladen, uns mutig unterschiedliche Forschungsfragen zu stellen und mit dem umzugehen, was sich offenbart. Wer und was hat dich geprägt? Wie haben deine Eltern dich erzogen, und wie haben sie sich auf dich und aufeinander bezogen? War ihnen die Beziehung zu dir wichtiger als ihre Vorstellungen davon, wie du sein solltest? Haben sie Verantwortung übernommen für ihre Entscheidungen, ihre Haltung und ihre Handlungen? Jeder Mensch, dem du jemals begegnen wirst, macht eines von zwei Dingen: Entweder er gibt seine Muster blind an die nächste Generation weiter. Oder er konfrontiert sich selbst auf der Suche nach etwas, das nach seiner persönlichen Einschätzung »besser« ist als das, was er selbst erfahren hat. Irgendjemand muss irgendwann einmal den Anfang machen. Wir dürfen auf unserem Weg durch die Elternschaft das belastende Alte erkennen, benennen und verändern: Wie bist du heute selbst als Elternteil in der Welt? Erkennst du an, wo du stehst, und konfrontierst du dich mutig selbst, damit es dir und deinen Kindern gut gehen kann?

Und im dritten Teil widmen wir uns der »Brille«, durch die du die Welt siehst. Wir laden dich ein, deine inneren Bilder zu hinterfragen und – sofern du das möchtest – so einiges neu zu gestalten. Die bewusste Auseinandersetzung mit deinen Gedanken, Werten und Überzeugungen als Ursprung für deine Handlungen ist eine der sinn- und kraftvollsten Beschäftigungen, denen du in deinem Leben nachgehen wirst. Deine inneren Bilder sind maßgeblich für alles, was dich betrifft. Dazu zählt natürlich auch, wie du dich selbst siehst, deine Kinder und deine Beziehungen. Es bestimmt, was du dir zutraust und was du verdient oder nicht verdient zu haben meinst. Bist du gut genug? Wie darfst du leben? Darfst du Grenzen haben und dich gut um dich selbst kümmern? Bist du es wert, geliebt zu werden? Wovor fürchtest du dich? Gibt es jemanden, dem du nicht widersprechen darfst? Wir könnten endlos weiterschreiben. Was deutlich wird, ist die allumfassende Bedeutung deines »Mindsets« für dein gesamtes Leben2 – also auch dein Wohlbefinden und Elternsein.

Angst verhindert Kontakt.

Spätestens jetzt wird wahrscheinlich schon deutlich, dass die Themen des Buches natürlich alle zusammenhängen – auch wenn du ganz frei entscheiden kannst, wo du starten willst, und die Inhalte dann idealerweise genauso einen Sinn ergeben: Wenn ich ängstlich und dauerbesorgt bin, kann ich nicht gleichzeitig Leuchtturm sein und Sicherheit spenden. Angst verhindert Kontakt.

Wenn die Welt durch die Brille, die ich permanent trage, ein gefährlicher und feindsinniger Ort ist, ebenso wenig. Umgekehrt liegen oft genau bei jenen Themen, denen wir uns hauptsächlich in Teil II widmen, die Wurzeln von zermürbenden Sorgen und Ängsten bis hin zu ausgewachsener Panik im Erwachsenenalter verborgen.

Dies soll ein Ermutigungsbuch für Eltern sein. Ja, wir wollen dir Mut machen. Mut, in deine Größe und Kraft zu kommen. Mut, dein Leben zu gestalten und dein »Ich will« laut werden zu lassen. Unser Ziel ist es nicht, mit dir ins Drama zu gehen und dort steckenzubleiben. Das mag sich zwar wie Lebendigkeit anfühlen, ist es aber nicht. Wir sprechen zu deinen gesunden Anteilen – zu jenen, die heil und integer geblieben sind. Damit du, davon ausgehend, aus deinem Besten handeln kannst. An einem Ort, an dem du dich sicher fühlst, Balance empfindest und Stress als etwas erlebst, von dem du weißt, dass du es managen kannst. Für uns essenziell ist dein reflektiertes, selbstbewusstes Standing im Hier und Jetzt. Deine Kinder brauchen dich als differenzierte, aufrichtige Erwachsene.3 Auch und gerade dann, wenn es schwierig wird! Deine Gedanken und inneren Bilder schaffen deine Realität. Die Frage ist: Unterstützen sie dich dabei, der Mensch zu sein, der du sein willst? Oder hindern sie dich in Wahrheit daran? Welches Vorbild bist du für deine Kinder wirklich?

Wenn du dich mit deiner Integrität und deinem erwachsenen Ich beschäftigst und entdeckst, wie es sich anfühlt, gemäß deinen eigenen Werten zu handeln, arbeitest du so gleichermaßen auch deine Vergangenheit auf. Aber mit einem Fokus, der im Heute sinnvoll und lösungsorientiert ist. Wenn wir uns trauen zu sehen, was war, erhebt sich etwas in unserem Inneren, und wir gehen aufrichtig weiter. Niemals könnten wir ein Buch über Angst, Selbstbewusstsein und Integrität schreiben, ohne uns dem zu widmen.

Wir sind davon überzeugt, dass man für niemanden schreibt, wenn man versucht, für alle zu schreiben. Deshalb ist dieses Buch nicht für alle. Dieses Buch ist für dich, wenn du bereit bist, dich auf neue, innere Prozesse einzulassen und dich selbst zu reflektieren. Du kannst nur nach innen gehen, wenn du innehältst.

Wir schreiben für diejenigen, die bereit sind, alles zu tun, um notwendige Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen. Für diejenigen, die entschieden sind zu wachsen und auch bei Gegenwind dranbleiben. Menschen, die final an einen Punkt kommen wollen, an dem sie stolz auf sich selbst sind: stolz auf die Prozesse, denen sie sich gestellt haben, und stolz darauf, dass sie immer wieder durch ihre Angst durchgehen. Wir schreiben für Menschen, die wissen, dass nicht Fehler das Problem sind, sondern Stillstand an einem Ort, an dem es schmerzt – egal, ob sie selbst leiden oder ihre Kinder, für die sie verantwortlich sind. Dieses Buch ist für dich, wenn du bereit bist, mal langsam zu machen, dich selbst und die Dinge, von denen du meintest, sie seien wahr, zu hinterfragen und dich auf einen neuen Mosaikstein im Bild deines Lebens einzulassen. Mutig gehst du einen Schritt nach dem anderen – mit deiner Vision davon, wie du leben willst, fest im Blick. Du weißt:

Durch die Lektüre dieses Buchs wird sich noch nichts verändern, weil Wissen allein nicht ausreicht. Es geht ums Tun. Um deinen Weg, dein Vorangehen und Weitermachen. Jeder Schritt, den du frei und im Einklang mit dir selbst wagst, lässt dich aufrechter gehen: selbst-bewusster. Als Leitsterne dienen dir Fragen wie »Was will ich wirklich?«, »Will ich so sein?« und »Was ist jetzt das Richtige zu tun?«. Sie helfen dir dabei, dich immer wieder nach deinen eigenen Werten auszurichten.

Wenn du dich bewegst, bewegt sich alles.

Es geht nicht darum, zu einem anderen Menschen zu werden. Es geht darum, endlich wirklich du zu sein. Selbstkonfrontation ist nicht »easy«, und Wachstum braucht vor allem eines immer wieder: dein Commitment. Dein »Ja, ich mache das! Ich ziehe das durch, weil ich weiß, was ich will und was ich nicht (mehr) will. Ich gehe den Weg!«. Alles beginnt mit dir. Wenn du dich bewegst, bewegt sich alles.

Dieses Buch kann ein Teil deines Prozesses und somit einer von zahlreichen kleinen Mosaiksteinen sein. Niemals mehr! Aber viele unterschiedliche Mosaiksteine – gewissenhaft aneinandergereiht – schaffen mitunter die schönsten Gemälde. Wie soll deines aussehen?

Auf nach innen

Es geht nicht um Kinder. Solange wir nur über Kinder reden, schießen wir am Ziel vorbei. Du bist es, auf die wir zuerst blicken. Spüre, fühle hin zu dir und in dich hinein, um in die Verantwortung zu kommen. Verantwortung dafür, wie du bist: Wer bist du? Wer willst du sein? Wie kommst du dorthin? Was oder wer hält dich ab? Wie willst du jetzt sein, hier und heute, in diesem Moment?

Die Qualität der Beziehungen zu deinen Mitmenschen prägt dein Kind mehr als alles andere. In welchem Beziehungsklima wächst dein Kind auf? Deine Beziehung zu dir selbst und jene zu allen anderen dir nahestehenden Menschen beeinflussen dieses Klima. Kannst du darin atmen? Und die anderen?

Wir wollen dich ermutigen: Komm ins Handeln, erforsche und konfrontiere dich. Verändere. Wieder und wieder, bis es sich gut anfühlt. Authentisch. Du. Selbst.

On a Personal Note: Warum wir über Angst und Integrität schreiben

Dieses Buch ist uns ein Herzensanliegen. Nicht zuletzt deshalb, weil wir beide als Frauen, Töchter und Mütter selbst Erfahrungen mit der Angst und ihren Folgen gemacht haben. Jede für sich ganz anders – und doch jede von uns beiden auf sehr intensive Weise.

Jeannine: Aufgebrochen, um zu heilen

Ich schreibe dieses Buch, weil mir meine Reise durch die Angst ein Leben so sehr im Einklang mit mir selbst ermöglicht hat, wie ich es mir früher nie hätte vorstellen können. Weil es eine Zeit gab, in der ich dachte, ich würde verrückt und somit alles verlieren. In diesem Buch werde ich auch von meinen eigenen Erfahrungen mit Angstzuständen berichten. Du wirst lesen, was nötig war, um an den Punkt zu kommen, an dem ich heute bin. Ich bin noch nicht angekommen. Ich wüsste auch nicht, wo. Vielmehr reise ich täglich und schaue, was kommt und wie ich damit umgehen will.

Ich bin ein sehr lebensfroher Mensch – war ich immer schon. Und ich lebte so sehr mit der Angst vor Krankheit und Tod, dass ich von dieser Tatsache keinen Schimmer hatte. Es war mein Normal. Es war mein Normal, das Schlimmste zu befürchten, von angsterfüllten Gedanken in Horrorszenarien zu gleiten und jederzeit mit einem Anruf zu rechnen, der den Tod eines geliebten Menschen bedeuten würde. Es war mein Normal, davon auszugehen, dass mein Körper keinerlei Selbstheilungskräfte hätte, dass ich bei jeder Kleinigkeit Medikamente bräuchte und überhaupt ein extrem schlechtes Immunsystem hätte. Es war mein Normal, mich im Heute zu beschränken aus Angst vor der Zukunft, aus Angst vor dem, was vielleicht / irgendwann / eventuell / unter Umständen – aber in meinem Kopf »auf jeden Fall« – eintreffen würde. Ich war Sonnenschein, Retterin und ein unsagbar gewünschtes Wunschkind. Meine Aufgabe war es, zu strahlen, Freude zu schenken, glücklich zu sein, zusammenzuhalten und zu stützen. Auch wenn mir diese Aufgabe nie jemand bewusst übergestülpt hatte.

Wenn ich einen Raum betrat, schwappten – wusch – die Befindlichkeiten jeder anderen Person auf mich über. Ich wusste immer, wie es wem geht, wer einen Satz wie aufgenommen hat, wer was als Nächstes tun wird und wem wie auf den Schlips getreten wurde. Meine Antennen waren dauerausgefahren und dabei nie auf mich gerichtet. Immer im Außen, wachsam. Hochsensibel, meinen manche; eine Traumafolge und somit Überlebensstrategie, weiß ich heute. Ich war ein exzellenter »People Pleaser«: immer schön nett sein, immer lächeln. Strahl weiter, Sonnenschein! Man mag mich. Ich bin hübsch, schlank, gepflegt: »Na, so ein liebes Mädchen!«

Wer bleibt dabei auf der Strecke? Ich. Immer und immer wieder. Mit allem, was sich in mir drinnen aufbäumt, wenn sich jemand schlecht benimmt und auf meinen Grenzen rumtrampelt. Aber dieses Bauchgefühl, diesen inneren Widerstand, dieses ganz glasklare »Nein!« der Seele – all das habe ich jahrelang ignoriert. Nicht absichtlich. Es war mein Normal. Ich habe gelernt, es zu übergehen. Damit »alles gut« ist. Dieser Druck auf der Brust, dieses Stechen, sie begleiteten mich jahrelang. Ich weiß das noch so gut. Und ich weiß auch noch, wie oft ich mich fragte, warum es wohl da war: »Ist gerade irgendwas falsch? Aber es war ja gar nichts!« Verbiegen tut weh. Nicht nur der Seele, sondern auch körperlich. Mein inneres Selbst, dieser »Kern«, der schrie schon lang. Aber ich hab ihn nicht gehört.

Das klingt jetzt alles so dramatisch – ist es ja auch –, aber zugleich habe ich das Glück, mit liebenden Eltern aufgewachsen zu sein. Mit Menschen in meiner Familie, in der jeder seine Macken hat – eh klar –, doch es war in Ordnung. Ich war echt glücklich, ich beschäftigte mich mit Dingen, die mich ehrlich interessierten, hatte Freunde, Beziehungen, war viel unterwegs, auf Reisen …

Ich glaube, wir dürfen nicht den Fehler machen anzunehmen, dass nur Menschen, die todunglücklich sind, irgendwann Bekanntschaft mit Depression oder Angstzuständen machen. Das stimmt nämlich nicht! Es braucht kein völlig aus der Bahn geworfenes Leben, um an irgendeinem Tag plötzlich Panik zu bekommen und Kreislaufzusammenbrüche zu erleiden. Das anzunehmen wäre weit gefehlt! Aber wenn du nicht auf dein Innerstes hörst, dich zu lange verbiegst, grausame innere Überzeugungen mit dir rumträgst … warum auch immer … und das dein Normal ist, brichst du irgendwann zusammen. Dann braucht es nur ein einzelnes Erlebnis, das dich endgültig aufbricht. Dann hast du Arbeit vor dir, denn dann ist der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr anders geht. So war es bei mir: Ich hatte die Anzeichen so lange ignoriert und beiseitegeschoben, bis der Schrei meines Wesenskerns mich in die Knie zwang. In diesem Moment, in dem es keine Alternativen mehr gab, fand ich mein »Ja« zu meinem Weg. Nach den ersten paar Panikattacken und Episoden, die über mehrere Tage andauerten und die ich wie neben mir erlebte, hatte ich so große Angst, das Allerwichtigste in meinem Leben – meine kleine Familie – zu verlieren, dass ich entschied: »Ich werde wieder zu mir finden. Ich werde durch die Angst gehen. Keine Ahnung, wie, aber ich muss. Koste es, was es wolle.«

Mir war völlig klar, dass ich mit diesen extremen Zuständen nicht die Mutter sein konnte, die mein Kind brauchte. Und ich war ganz sicher nicht die Frau, die ich sein wollte; und die Folge wäre ein Leben gewesen, das ich niemals haben wollte. Solange ich irgendwie in der Lage war, etwas zu tun, würde ich kämpfen. Durch die Angst durchgehen, egal, was es mir abverlangte und wen ich enttäuschen müsste, um endlich gemäß dem zu leben, was wirklich mir selbst entspricht. Entscheidungen, neue Handlungen und neue Gedanken. Nicht gegen jemand anders – sondern nur für mich selbst. Für mein Wohlergehen und meinen Weg. Für mich. Und weil ich genau wusste: Auch das erzieht. Ich werde meiner Verantwortung für mein Kind nachkommen, indem ich durchgehe durch das, was mir das Leben bietet und mich aufrichte. Weil ich ein aufrichtiger Mensch sein will. Einer, der für seine Werte einsteht, der mit dem umgeht, was das Leben ihm zuwirft, und der keine Angst davor hat, das Richtige zu tun. Das ist das Vorbild, das ich sein will.

Ich las Bücher, arbeitete mit Sandra und meiner Psychologin. Ich begann, Leute zu enttäuschen. Darunter auch meine Eltern und andere Menschen, die mir nahestehen. Das zerriss mich fast. Ich atmete mich durch meine Panikattacken, so gut ich es im jeweiligen Moment konnte. Ich grenzte mich ab und fand so mehr zu mir. Ich ertrug nicht mehr stumm, sondern bezog Stellung. In meinem Inneren liefen so viele Prozesse ab, viele davon versuchte ich für mich zu verschriftlichen. Das half mir. Ich riss so vieles nieder, damit etwas Neues entstehen konnte. Ein Schritt nach dem anderen. Atmen, spüren, weitergehen.

Ein knappes Jahr dauerte dieser Prozess in seiner sehr intensiven Phase: von meiner ersten Panikattacke bis zur – aktuell – letzten. Mein Vater, einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, starb in dieser Zeit. Dann kam die Pandemie. Und meine zweite Schwangerschaft. Mein Leben im Schleudergang. Es ruckelt, wenn wir uns entwickeln und das Leben passiert. Es fragt nicht, ob’s dir gerade recht ist. Eine Wachstumseinladung folgt der nächsten, und manchmal hast du das Gefühl, gar nicht mehr hinterherzukommen. Zumindest geht es mir immer wieder so.

Wie ist es heute? Mit dieser Frage komme ich zu meinem Warum für dieses Buch: Alles, was ich durchgemacht habe in diesen vergangenen Monaten, hat mich enorm verändert. Ich bin gewachsen, und das weiß ich. Leicht war es in den wenigsten Momenten, der Weg hat mir vieles abverlangt. Aber nun habe ich auch jede Menge, das ich teilen kann. Ich glaube nicht, dass mein Weg durch die Angst abgeschlossen ist – denn ich lebe ja zum Glück. Und alles Neue kann uns immer mal wieder ängstigen. Jeder neue Entwicklungsschritt vermag das. Das ist auch Leben! Es geht mir gut, ich fühle mich wohl. Ich gestalte aktiv meine Beziehungen. Ich sage nicht mehr »Ja« aus Höflichkeit, sondern nur, wenn ich es meine. Zumindest bemühe ich mich, das so zu machen, und reflektiere, wenn es mir nicht gelingt. Mein »Ja« aus vollem Herzen. Ich sage auch »Nein«: Ich enttäusche andere Menschen, wenn alles andere bedeutet, mich selbst zu verleugnen. Heute weiß ich, dass mein Körper weise und kräftig ist. Ich bin kraftvoll, mein Immunsystem ist ein Wunder, und ich vertraue meinem Bauchgefühl. Ich höre hin und spüre mich. Ich bin verbunden, werde getragen und vertraue auf die Richtigkeit des Lebens.

Meine Gedanken und inneren Bilder haben sich verändert – ich habe sie verändert: Mein Gehirn hat neue Gedankenautobahnen gebaut und alte verlassen. Ich bin stark und fähig, gehe aufrecht und bin vollends gewillt, auch mal zu missfallen. Ich traue mich mehr, ich gestalte mein Leben anders und gemäß dem, was mir entspricht. Mit meiner kleinen Familie, meinen Kindern, habe ich mehr Geduld. Ich kann Sicherheit spenden und Leuchtturm sein. Nicht immer, aber oft. Und ich traue mich, klar Stellung zu beziehen und die Verantwortung zu tragen, wenn meinen Kindern meine Entscheidungen nicht gefallen. Ich bin nicht angekommen: Ich habe nach wie vor Lernfelder und mache Fehler. Kleinere, größere und regelmäßig. Aber ich weiß jetzt, dass das okay ist. Und dass ich meistens das Vorbild bin, das ich in diesem Moment, hier und heute, sein will. Wenn ich strauchle und irre und etwas falsch mache, dann ist das in Ordnung. Denn ich bin Mensch, und ich bemühe mich. Und all das »erzieht«.

Die Angst hatte ich nicht vorm Tod, sondern vorm Leben. Heute lebe ich. Ich will, dass die Geschichte von dem Berg, den ich erklommen habe, jemand anderem Kraft gibt für seine ganz persönliche Wanderung. Und es wäre schön, wenn dieser Mensch du wärst.

Sandra: Lernen, das Gute zu halten

Auch ich kenne sie, die Angst. Ich bin Ende der Sechzigerjahre geboren. Damals ließen Eltern – dem Zeitgeist entsprechend und im Glauben, das Richtige zu tun – ihre Kinder oftmals in ihrer Not allein. So war es zum Beispiel gang und gäbe, Kinder nur zu füttern, wenn es »Zeit war« – und nicht nach Bedarf. Diese Not wurde zu Angst und dann zu Panik: Es wäre gut für die Lungen, gut für den Charakter und schließlich auch gut für die Eltern selbst. Begleitet wurde diese Zeit meines Lebens von einem ausgeprägten Echo der Kriegsgeneration in Form von zwei besorgten, ängstlichen Großmüttern. Meine weiblichen Vorbilder waren selten in ihrer Mitte, bei sich und präsent. Um in unserem Wording zu sprechen: Sie waren nicht in ihrem »Kreis«, sondern sich selbst immer zwei Schritte voraus. Allzeit gewappnet, der Gefahr ein Schnippchen zu schlagen, und stets »vor-sichtig«. Die Männer erschienen mir infolgedessen als das schwache Geschlecht.

All das hat mich geprägt und erzogen. Es war das Normal meiner Kindheit. Über lange Strecken war somit die Angst auch meine ständige, mitunter lästige Begleiterin und Einflüsterin. Ihre Stimme wollte mich klein und brav halten, um nicht aufzufallen und auch gut ins System zu passen. Ich vertraute lange anderen Stimmen und gehorchte ihnen, nicht aber meiner eigenen. Ich habe wenig Sinnvolles riskiert, wenig rebelliert und mich maximal ins Gegenteildenken und -handeln gewagt. Aber nicht in Alternativen und somit hin zu etwas wirklich Neuem. Auch ich war immer wieder eine angepasste Gefallerin: bedacht, es anderen recht zu machen, keinen Staub aufzuwirbeln und mich weitgehend unsichtbar und unauffällig in emotional nahen Beziehungen zu machen.4

Angstfrei und entspannt war ich, wenn kein anderer Erwachsener in der Nähe war. Nur dann konnte ich selbst bei mir sein und dem nachgehen, wozu ich Lust hatte und was ich wollte. So dachte ich. Es ist nicht einfach, mit einem Menschen, der so ist, in Beziehung zu sein: Diese Menschen sind in Gegenwart anderer immer angespannt. Sie wissen nicht, was sie wollen, und nehmen sich dafür auch keine Zeit. Sie stecken immer zurück und investieren sich selbst in andere. Für die Dinge, die sie wirklich wollen, stehen sie dafür wie Beton ein und fahren über ihre Mitmenschen drüber: Da gibt es nur ein »Entweder-oder« und wiederum keine Alternativen. Es ist, als ob du entweder auf den weißen oder auf den schwarzen Tasten eines Klaviers spielst: Es wird eintönig. Es gibt kein Zusammenspiel, und die Melodien sind beschränkt.

In seinem Buch Das Kind in mir ist immer da schrieb der verstorbene dänische Familientherapeut Jesper Juul: »Wenn du mit deinem Leben nicht zufrieden bist, dann verändere es. Denn wenn du es nicht machst, dann wirst du deine eigene Familie damit kontaminieren. Dafür kann ich kein Verständnis aufbringen und keine Geduld. Klienten sagen oft: ›Das ist aber schwer!‹ Und ich sage: ›Ja, das ist es. Aber hat jemals einer versprochen, dass es einfach werden würde? Weißt du, das Leben ist schwierig!‹«5

Vor allem durch meine Elternschaft und meine Berufswahl war ich gezwungen, meine Sicherheitszone zu verlassen und mich auf die Suche nach meinem höchstpersönlichen »Sinnvoll« und »Richtig« zu machen. Ich musste Orientierung in mir suchen und mich auch mit meinen Ergebnissen zeigen. Es war an mir, mich als Orientierungsgebende und ein tatsächliches Gegenüber sichtbar zu machen. Das hatte das Ende meiner Ehe und meines Familiengefüges zur Folge und ermöglichte mir eine neue Chance auf Beziehungen auf Augenhöhe.

Mein Weg »in meinen Kreis«, also zurück in meine Mitte, wäre ohne Einbeziehen des Körpers undenkbar gewesen. In dieser Arbeit mit meinem Körper durfte ich erspüren, dass ich mir selbst immer zwei Schritte voraus gewesen war. Da gab es keine Entspannung und keine Freude an der Berührung. Ich erfasste, in welchem Angstkörper meine Seele gefangen war. Ich hatte stets in banger Erwartung gelebt. Nun musste ich mühselig lernen, die Momente zwischen Schmerzpunkten wirklich zu genießen und dem Schmerz als heilende Antwort des Körpers zu begegnen. Ich musste meine Atmung und Entspannung wiederfinden und den Körper seine Arbeit tun lassen.

Angst ist nicht etwas, was dir wie eine Wand gegenübersteht, sondern eine Welle, durch die du durchgehst. Und du atmest. Immer wieder atmen, ein und länger aus als ein. Es ist ein Prozess. Dieser Prozess heißt Leben.

Wie du dieses Buch verwenden kannst

Unser Vorschlag ist, dieses Buch als dein ganz persönliches Arbeitsbuch zu sehen und keine Scheu davor zu haben, es auch wirklich »zu deinem« zu machen.

Du kannst dich darauf verlassen, dass jeder Impuls und jede Übung in diesem Buch durchdacht und erprobt ist. Wir beabsichtigen, dich – durch die Mischung aus Forschung, Wissenschaft und gelebten Prozessen, Erfahrungen sowie Erkenntnissen – mit reichlich aktuellem, sinnvollem und gewinnbringendem »Vermutungswissen«6 zu versorgen. Was wir mit dir teilen, ist fundiert und belegt. Gleichzeitig wissen wir, dass die absolute Wahrheit etwas ist, das wir als Menschen vergebens suchen. Was bleibt, sind die Erfahrungswerte zahlreicher Eltern, mit denen wir in den letzten Jahren arbeiten durften, und unsere eigenen.

Es liegen für uns Bescheidenheit und Demut in der Einsicht, dass jede Meinung es wert ist, untersucht und hinterfragt zu werden. Wer glaubt, alles zu wissen, der lernt nichts mehr. Und das wäre doch irgendwie schade, oder?

Nun gilt es für dich, dich dem Neuen gegenüber zu öffnen. Dann kannst du das meiste für dich und deinen Prozess aus diesem Buch herausholen. Das ist unsere Einladung an dich: Lass dich auf die Inhalte ein, öffne deinen Geist für neue Inputs.

Wir wünschen dir neue, sinnvolle Erkenntnisse, die für dich genau richtig sind. Und wir hoffen, dass dieses Buch zu deiner treuen Begleiterin wird, bei der du die Antworten findest, die du suchst. Los geht’s!