Zum Buch:
Da ist Musik drin – für alle, die Musik lieben oder sie für sich entdecken wollen
Macht Musik schlau oder gar gesund? Was ist der Soundtrack des Lebens? Wie funktioniert das berühmte Köchelverzeichnis? Christoph Reuter, Pianist, Komponist und Musikkabarettist, erklärt mit einem Augenzwinkern den Unterschied zwischen Klassik, Jazz und Popmusik; bringt uns in zwei Minuten das Klavierspielen bei; verrät die Geheimnisse der Tonleiter; stellt die Zutaten vor, die man für einen Hit braucht, und beantwortet Fragen wie: Was kann Musik, was keine andere Droge schafft? Wie kann Musik eine Beziehung, eine Party und sogar Leben retten? Was treiben Musiker eigentlich tagsüber? Er erzählt von der Macht der Musik, er macht mit uns Musik und zeigt uns, dass wir viel musikalischer sind, als wir denken – garantiert! Ein Buch voller kurioser Geschichten und überraschender Erkenntnisse – unterhaltsam, voller Wortwitz und unerschöpflicher Musikalität.
Mit unzähligen Songs, Melodien und Playlists – ein Ohrwurm in Buchform!
»Mein Lieblingsmusikerklärer!«
Dr. Eckart von Hirschhausen
Zum Autor:
Christoph Reuter studierte an den Musikhochschulen Leipzig und Berlin Jazzpiano und schloss mit Konzertexamen ab. Sein Können zeigt er in seinem Soloprogramm »Klassik improvisiert«, in dem er klassische Kompositionen mit eigenen Improvisationen verschmelzen lässt. Als Komponist schreibt er für Orchester und Chöre. Er ist Gründer des Cristin Claas Trio, mit dem er bislang acht Alben eingespielt hat, u.a. für Sony Classical. Seit 2006 agiert er als musikalischer Sidekick bei den Liveshows des Kabarettisten Dr. Eckart von Hirschhausen und ist als Solokabarettist mit seinen Bühnenprogrammen unter anderem Gewinner des Thüringer Kleinkunstpreises 2017. Christoph Reuter lebt in Berlin.
»Frank Zappa meinte, über Musik zu reden, sei wie über Architektur zu tanzen. Aber er kannte Christoph Reuter nicht. Wenn Christoph über Musik spricht oder schreibt, bekommt jeder einen ganz neuen Zugang zu dieser Welt. Das ging mir auch so, als ich ihn vor über 10 Jahren als genialen Pianisten, Improvisateur und Bühnenkünstler kennenlernte, seitdem begeistert er mich bei jedem Auftritt unser Tour aufs Neue.«
Dr. Eckart von Hirschhausen
Arzt, Kabarettist und Gründer der Stiftung »Gesunde Erde - Gesunde Menschen«
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Im Interesse der Lesbarkeit wurde auf geschlechtsbezogene Formulierungen verzichtet. Selbstverständlich sind immer Frauen und Männer und andere gemeint, auch wenn explizit nur eines der Geschlechter angesprochen wird.
Originalausgabe 2021
Copyright © 2021 by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Angelika Winnen
Illustration und Umschlaggestaltung: Inka Hagen, www.inkahagen.de, unter Verwendung eines Fotos von © Frank Eidel
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN: 978-3-641-26063-7
V001
www.heyne.de
Inhalt
1. Gebrauchsanleitung
2. Alle sind musikalisch!
3. Musik in der Natur
4. Der Soundtrack des Lebens
5. Musikalisches Lexikon
6. Welches Instrument passt zu mir?
7. Die Kunst der Wiederholung
8. Singen macht gesund
9. Fazioli ist keine Nudel
10. Die Aufnahmeprüfungen
11. Perfektion gibt es nicht
12. Die Glasharmonika
13. Der lange Weg zum Publikum
14. Jäger und Sammler
15. Die berühmtesten Geigen der Welt
16. Machen Kopfhörer schwerhörig?
17. Stimmübungen
18. Stimmfächer – Was bist DU?
19. Unpassende Hochzeitsmusik
20. Schnell mal Gitarre lernen
21. Lampenfieber
22. Plagiate, GEMA und Kopien
23. Tanzen ist gesund
24. Weihnachtsliedertexte merken
25. Inspiration für Musik – mir fällt nichts ein
26. Warum gibt es Musik?
27. Der Blues
28. Hintergrundmusik – Muzak
29. Wie kommt man in die Charts?
30. Der unsichtbare Held
31. Was eine schwarze Katze mit Musik zu tun hat
32. Musik ist die beste Medizin
33. Musik rettet Leben
34. Musikgeschmack und Intelligenz
35. Katzenmusik
36. Herr Luther änderte die Musik für immer
37. Wie schreibt man ein Lied?
38. Das Fender Rhodes
39. Musik macht schlau
40. Was die Weinsorte Kerner mit Musik zu tun hat
41. Der DJ
42. Der unsichtbare Großmeister des Disco
43. Die Playlist für Ihre private Party
44. Die Popmusik
45. Der unsichtbare Großmeister des Pop
46. Ordnung in der Musik schaffte Herr K.
47. Auch Käse ist musikalisch!
48. Wie hören Sie Musik?
49. Der Jazz – eine Einstiegsempfehlung
50. Gebrauchsanweisung für den Umgang mit Musikern
51. Indisches Curry – Musik aus Indien
52. 74 Minuten
53. Musiktheorie
54. Noten lesen lernen
55. Ganz- und Halbtonschritte – der Code
56. Die älteste Tonleiter der Welt
57. Intervalle in der Dur-Tonleiter
58. Intervalle – der Rest
59. Der Rhythmus
60. Akkorde
61. Einführung in die Harmonie
62. Die Popformel – der Vier-Akkorde-Trick
63. Die C-Kralle – Klavier spielen lernen in zwei Minuten
64. Die Melodie
65. Das Ende der Melodie
66. Theremin – der Geistermusikklang
67. Die 10.000-Stunden-Regel
68. Kann man davon leben?
69. Die Musikindustrie – Finanzen
70. Rodriguez. Der späte Ruhm
71. Meine kleine Geschichte
72. Auflösung der Rätsel
Gebrauchsanleitung
Was erwartet Sie in diesem Buch? Ein humorvoller Einblick in die unerschöpfliche Welt der Musik und der ultimative Beweis, dass Sie musikalisch sind! Ich gebe zu, das ist gewagt. Aber es wird definitiv Spaß machen! Zumindest meistens. Die einzelnen Geschichten habe ich mit viel Freude zusammengestellt, um Ihnen dieses Thema in überschaubaren Portionen näherzubringen. Lassen Sie sich nicht von der Vielzahl der Kapitel aus dem Takt bringen. Sie können dieses Buch an jeder Stelle zu lesen beginnen und auch springen. Es sind kurze Kapitel, die in sich geschlossen sind. Das Buch folgt keinem klassischen Aufbau, der rote Faden ist meine Begeisterung für die Musik. Im Mittelpunkt stehen Geschichten über die Musik im Allgemeinen, über einzelne Instrumente, Musiker, Erfinder, musikalische Stile, über Kreativität und wie man sie etwas besser koordinieren kann. Im hinteren Teil des Buches finden Sie sogar einige Kapitel über die Musiktheorie. Hier können Sie auf entspannte Art das Notenlesen lernen und bekommen die Bedeutung der Harmonie erklärt. Die Theorie ist ein weites Feld und heißt ja Musiktheorie, weil es eine Theorie ist und nicht ein Musikgesetz, das man mathematisch beweisen kann.
Lesen Sie wild durcheinander oder ordentlich. Wie Sie mögen. Es gibt in der Musik kein »richtig oder falsch«. Am Ende geht es um die ewigen Fragen: War es interessant? Hat es mich erreicht? Habe ich etwas dazugelernt? Und diese Fragen beantwortet der Beethovenliebhaber erwartungsgemäß anders als ein Stefanie-Hertel-Fan. Bleiben Sie neugierig.
Für wen ist dieses Buch? Für Musikliebhaber. Wenn Sie am Abend vor dem Einschlafen noch drei unterhaltsame Seiten lesen wollen und dabei Neues oder Kurioses erfahren möchten, ist das Buch perfekt für Sie. Wenn Sie alles in einem Rutsch durchforsten, natürlich auch. Und wenn Sie normalerweise nur Klassik oder nur Schlager oder nur Jazz hören, werden Sie feststellen, dass es viel mehr Verbindendes zwischen den Musikstilen gibt, als man gemeinhin denkt.
Am Ende jedes Kapitels bekommen Sie einen oder mehrere Ohrwürmer aus den unterschiedlichsten Genres geboten. Die dürfen Sie gerne laut nachsingen und Ihre Umgebung erfreuen. Sie können auch weitere Ohrwürmer hinzufügen, seien Sie aktiv. Seien Sie musikalisch!
Am Ende von einigen Kapiteln können Sie sogar Ihr Wissen testen und eigene Gedanken aufschreiben.
Wenn Sie Fragen haben, schreiben Sie mir eine Mail oder kommen Sie gern zu meinen Livekabarettprogrammen. Willkommen in der großen Welt der Musik!
Alle Sind musikalisch!
(ausser manche) – der ultimative 100-prozentIG geprüfte Test Ihrer Musikalität
Bin ich musikalisch? Diese Frage haben sich fast alle Menschen schon gestellt. Sie sich sicherlich auch, denn wenn Sie dieses Buch in den Händen halten und den Titel aufmerksam gelesen haben, gab es möglicherweise diese kleine Stimme im Kopf, die Sie nicht in Ruhe ließ. Bin ich musikalisch? Nun, wie lautet Ihre Antwort? Ja / Nein / Vielleicht. Jetzt ehrlich. Was würde Ihre Mutter sagen? Ihr Ex-Partner? Warum glauben Sie, dass Sie musikalisch oder unmusikalisch sind? Kurz und knackig in fünf Sekunden? Keine Bange, diese zentrale Frage können Sie nach der ersten Seite zufriedenstellend beantworten.
Wenn Sie denken, oh, ich gehöre sicher zu den »manchen«, dann machen Sie den folgenden Test. Summen Sie ganz leise den Anfang von »Happy Birthday« (jetzt summen). Danke, das reicht. Haben Sie die ersten zwei Töne gesummt? Ja? Gratulation! Dann habe ich eine unglaublich frohe Botschaft für Sie: Jeder Mensch, der zwei Töne unterscheiden kann, ist wissenschaftlich gesehen musikalisch – und umgekehrt. Okay, historisch gab es Ausnahmen, Beethoven hat am Ende gar nichts gehört und war trotzdem sehr musikalisch. Aber Sie sind es auch! Klopfen Sie sich auf die Schulter und freuen Sie sich, egal, was der Musiklehrer in der Schule zu Ihren Fähigkeiten des Satzgesanges gesagt hat. Egal, welcher Herzensmensch meinte, dass Sie das sehr schön auf der Blockflöte gespielt hätten, aber Ruhe sei auch toll und die Musik sollte man doch Profis überlassen. Egal, ob Sie gefragt wurden: »Stimmst du noch oder spielst du schon?« Sie sind musikalisch!
Hören Sie, ob ein Ton tief oder hoch ist? Ja, na klar. Hören Sie, ob ein Ton laut oder leise ist? Ja, na klar. Hören Sie, ob die Musik traurig oder fröhlich ist? Ja, na klar. Hören Sie, ob Musik harmonisch schön oder sehr schräg klingt? Ja klar, Sie denken, was für doofe Fragen. Super, genau deswegen müssen Sie musikalisch sein, weil Sie diese Fragen locker beantworten können.
Sie sind sogar so musikalisch, dass Sie Musik hören, selbst wenn gar kein Instrument erklingt. Ich spiele für Sie nun auf meinem imaginären Flügel. Es ist ein großer schwarzer Flügel von der berühmten Firma Steinway & Sons, der allerdings nur in Ihrem und meinem Kopf existiert und ausnahmsweise auf dieser Buchseite zu sehen ist. Kostet weniger als in echt, klingt aber mindestens genauso gut. Ich spiele für Sie den berühmten Hochzeitsmarsch von Richard Wagner. Genau den, der im Film immer gespielt wird, wenn jemand heiratet. Sie wissen schon: dada dadaa, dada dadaa … Und, hören Sie ihn? Dass Sie auch nur zwei Töne vom Hochzeitsmarsch gehört haben, obwohl keiner um Sie herum etwas hört, beweist: Sie müssen musikalisch sein!
Fast alle Menschen singen unter der Dusche oder im Auto inbrünstig mit, fast alle haben als Kinder vor dem Spiegel mit der Haarbürste als Mikrofon Lieblingslieder geträllert und sich vorgestellt, auf einer großen Bühne zu stehen, fast alle.
Wenn Sie also nicht zu den ganz wenigen amusischen Menschen zählen, die wirklich keine zwei Töne unterscheiden können und für die Musik nur Krach und ein ätzendes Geräusch ist, dann ist dieses Buch eine Einladung, in die wunderbare Welt der Musik einzutreten. Denn Musik macht nicht nur Freude – das sowieso –, wer Musik macht, hat mehr vom Gehirn fürs gleiche Geld. Musik ist eine Art Gehirndoping. Sie hat die Macht, unser Gehirn zu verändern, fast wie Knetmasse. Und das nicht nur in jungen Jahren, sondern bis ins hohe Alter. Vergessen Sie Kreuzworträtsel oder Sudoku. Machen Sie Musik. Singen Sie, spielen Sie ein Instrument. Ihr Gehirn wird es Ihnen danken.
Hier finden Sie nun ein Liste mit den ersten Ohrwürmern, die Sie gerne endlos erweitern können:
Musik in der Natur
oder welches sind die musikalischsten Tiere?
Woher kommt die Musik? Die Wahrheit ist: Wir Menschen haben die Musik nicht erfunden. Wir sind dafür auf dieser Erde schlicht zu spät in Erscheinung getreten. Musik gibt es schon viel länger als uns Menschen. Wir kennen beispielsweise über 4000 Singvogelarten, darunter Amsel oder Lerche. Der Zaunkönig kann zehn verschiedene Lieder singen, das sind schon neun mehr als David Hasselhoff, der dachte, dass er mit seinem Lied »I’ve Been Looking for Freedom« die Berliner Mauer zum Einsturz gebracht hätte. Ich kenne keinen Zaunkönig, der das von sich behauptet.
Warum machen Vögel Musik? Nicht für uns. Die Wahrheit ist: Die Männchen der Vögel singen den Weibchen etwas vor, um sie zu bezirzen. Wenn sie das geschafft haben, dürfen sie sich mit der Vogeldame ihrer Wahl fortpflanzen. Das nennen wir Menschen ja auch umgangssprachlich »vögeln«. Aber im Ernst: Das Männchen gibt sich nur so lange Mühe, bis das Weibchen es ranlässt. Danach ist abrupt Schluss mit Musik und der ganzen Singerei. Das Männchen wird dick, maulfaul, pupst im Bett und schaut den ganzen Tag Fernsehen. Bei den Menschen ist es glücklicherweise anders.
Die Musik der Natur hat unsere Sprache beeinflusst. Sie kennen den Ruf des Kuckucks in dem Lied »Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald«. Und genau mit den ersten beiden Tönen vom Lied rufen wir jemanden zum Essen. »A-dam, Es-sen«, wird wohl Eva zu Beginn der Menschheit gerufen haben. Den Abstand zwischen den beiden Tönen, die auf den Silben des Wortes »Ku-ckuck« liegen, nennen wir in der Musik eine kleine Terz. Wenn Adam nicht zum Essen kam, gab es dagegen großen Terz. So wie eine große Terz klingt der Ruf dann auch. Der Beginn des Auszugs aus dem Paradies.
Es gibt allerdings Tiere, die noch länger auf der Erde sind als die Vögel. Wale gibt es seit ca. 50 Millionen Jahren. Sie haben die längsten und komplexesten Lieder im gesamten Tierreich. Ihre Lieder können über eine Stunde dauern. Wenn ein Wal in eine Wagner-Oper geht, sagen wir Die Walküre, sind das für ihn gefühlt nur vier Lieder. Unter Wasser braucht der Schall elf Stunden, um einmal um die komplette Erde herumzukommen, d.h. der Wal singt eine Stunde, wartet zehn und kann sich dann selbst zuhören.
Auch Haie sind musikalisch. Ein Forscherteam spielte einer Gruppe von Weißen Haien versuchsweise mit einem Unterwasserlautsprecher verschiedene Musik vor. Das Ergebnis: In der Hitliste der Haie lagen laute AC/DC-Rocksongs wie »Back In Black« vorn. Da blieben sie gerne an Ort und Stelle. Der Grund dafür ist, dass der Weiße Hai durch sein Seitenlinienorgan stark auf Musik reagiert. Noch lieber als AC/DC hört er Death Metal. Für den Normalsterblichen klingt diese Musikrichtung wie ein vorbeifahrender Güterzug in 10 Metern Entfernung, aber dieses Musikgenre erzeugt besonders tiefe Vibrationen. Ich glaube, dass der Hai diese starken Vibrationen eher mag, weil sie ihn an eine Beute erinnern, als wegen der Vorliebe für diese Art der Musik, aber lassen wir die Forscher in dem Glauben. Fakt ist, der Hai ist musikalisch und mag Rock und Death Metal!
Springen wir an Land: Musik hat Einfluss auf Kühe. Die Milchleistung wird nachweislich durch klassische Musik um bis zu 3 Prozent gesteigert. Unglaublich. Das heißt für die profitorientierte Massentierhaltung natürlich: 24 Stunden Vivaldi zwecks Ertragssteigerung. Viel Spaß. In der Schweiz gibt es Bergbauern, die ihre Kühe mit selbst gesungenen Liedern rufen. Diese Kommunikation funktioniert. Wenn die Kühe sich gerade etwas entfernt in den Bergen einen schönen Vormittag machen, wissen sie durch die Lieder des Bauern genau, was los ist und welche Wünsche der Meister hat – melken, trinken, nach Hause kommen. Da sieht man wieder: Musik hat einen Sinn – sogar für Kühe. Die sind musikalisch! Denken Sie ganz kurz daran, wenn Sie ins nächste Steak beißen.
Kommen wir zu den Pflanzen. In Pflanzen befinden sich Membrane, die auf Geräusche reagieren. Bei bestimmten Schallwellen öffnen sich die Poren und der Stoffwechsel wird angeregt, das Gegenteil passiert allerdings auch. Der französische Physiker Joël Sternheimer fand heraus, dass Pflanzen sanfte Töne von Beethoven, Verdi und Mozart bevorzugen. Laute Rockmusik lässt sie eingehen. Mit angenehmer Musik beschallte Pflanzen hatten größere Blätter und aromatischere Früchte. Probieren Sie es zu Hause aus! Die meisten Tests wurden an Wildpflanzen durchgeführt. Zierpflanzen seien nicht so empfänglich, heißt es. Aber wer weiß, vielleicht finden Sie die passende Musik für ihre musikalischen Chrysanthemen!
Der Soundtrack des Lebens
oder warum ich ABBA lieben muss
Es gibt Momente in unserem Leben, die sind unauslöschlich eng mit Musik verbunden. Ich habe als Teenager Bands wie Element of Crime und Keimzeit gehört und bin sofort, wenn das Lied »Singapur« von Keimzeit oder »Weißes Papier« von Element of Crime läuft, wieder ein 15-jähriger schlaksiger, leicht pickliger Kerl, der in seinem Zimmer andächtig diese Musik hört und träumt, einmal ein Musiker zu werden und solche Songs zu schreiben. Man kennt die kleinsten Nebengeräusche der Aufnahme, das Knacken oder Knistern. Eingebrannt ins Gedächtnis. Das ist ein Teil vom Soundtrack meines Lebens. Wie sieht es bei Ihnen aus? Welche Musik hat Sie begleitet?
Der Soundtrack des Lebens entsteht zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. In diesem Zeitraum machen wir viele Dinge zum ersten Mal. Im Idealfall beenden wir die Schule, beginnen eine Ausbildung oder ein Studium, verlieben uns, lernen die Freunde für unser Leben kennen, ziehen in eine andere Stadt. Wenn wir in unserem Leben Drogen nehmen, tun wir das zum ersten Mal in dieser Lebensphase. Mit 55 fängt keiner mehr an zu kiffen. Radiosender spielen meistens Musik aus einem ganz bestimmten Jahrzehnt. Wir hören oft den Sender, der das Jahrzehnt unserer Jugend bevorzugt. Das bedeutet: Wenn Sie in Ihrer Jugend Mozarts Klavierkonzert Nr. 1 toll finden, werden Sie das bis ans Ende Ihrer Tage tun. Wenn Sie in Ihrer Jugend ABBA-Fan sind, werden Sie als hochbetagter Greis immer noch die Tanzmoves von »Dancing Queen« kennen und dazu text- und posensicher tanzen. Wenn Sie in Ihrer Jugend liebend gern Heavy Metal hören, werden Sie auch mit zwei künstlichen Hüftgelenken und ohne Haare auf dem Kopf headbangen. Versprochen.
Können Sie sich erinnern, welches Ihre erste selbst gekaufte Platte war, die Sie rauf und runter gehört haben? Und dass Sie sich mit all Ihren Freunden trafen, um sie gemeinsam zu hören und sich stundenlang darüber auszutauschen, was einem daran besonders gut gefiel? Wissen Sie noch, welches das erste Livekonzert war, das Sie tief beeindruckt hat? Oder welche Musik lief, als Sie das erste Mal mit jemandem geknutscht haben? Als die Zeit stehen blieb und Sie sich gewünscht haben, dieses Lied könnte noch 30 Minuten länger dauern? Ja? Gut, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die gleiche Musik, die schon zu Ihrem 18., 20. und 30. Geburtstag lief, zu Ihrem 80. Geburtstag laufen wird. Kinder der 1980er-Jahre sind textsicher bei Nenas »99 Luftballons«. Dieses Lied ist einem heute Zehnjährigen meist völlig unbekannt und löst überhaupt nicht die Reaktionen aus wie bei einer Frau mittleren Alters, die ihre Jugend mit Nenas Musik verbracht hat. Sie wird mit seligem Augenaufschlag von ihrem ersten Freund träumen, auch wenn der inzwischen eine Plauze hat und mit der doofen Jenny aus der 11c verheiratet ist. Beim Sound von Nena ist er wieder der schönste Junge der ganzen Schule, braun gebrannt und durchtrainiert.
Eine Zeit lang dachte man, dass ein Klassik-Gen existiert, das dafür sorgt, dass wir alle ab einem bestimmten Alter klassische Musik bevorzugen. Das hätte bedeutet, dass beispielsweise ein eingefleischter Helene-Fischer-Fan pünktlich zu seinem 60. Geburtstag anfängt, Beethovens Sinfonien zu lieben, und bei den ersten Takten von Chopins Klavierkonzert in e-Moll feuchte Augen bekommt. Dieses Gen haben Wissenschaftler nicht gefunden, aber festgestellt, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen Klassik- und Heavy-Metal-Fans gibt. Beide sind höfliche und nette Menschen, haben nichts mit Drogen am Hut und gehen schwarz gekleidet in Konzerte. Liebe Salzburger Festspielbesucher, denken Sie mal darüber nach.
Schauen wir in die Zukunft. Da wird es keine Polonaise mehr geben: »Jetzt fliegen gleich die Löcher aus dem Käse«. Nein, in 20 Jahren wird bei der Nachmittagstanzveranstaltung in der Seniorenresidenz ein Technobeat laufen. Bum, bum, bum, bum, bum … und zwei werden sich anlächeln und sagen: »Hörst du Schatz, unser Song!«. »How much is the fish?«, »Hyper, Hyper« oder »Eins, zwei, Polizei«. Dann ist die Zeit des Musikantenstadl vorbei. Für immer.
Und die Seniorenresidenzen werden kräftig damit werben. »Kommen Sie zu uns: Wir spielen nur Scooter!«. Und die anderen: »Wir spielen nur Metallica!« Das wird lustig. Mein Tipp: Verfolgen Sie gut, welche Musik Ihre Kinder hören, denn die wählen mal Ihren Heimplatz aus.
Jetzt sind Sie an der Reihe. Welche Lieder gehören zu Ihrem Soundtrack des Lebens? Los geht’s, aufschreiben:
Musikalisches Lexikon
Oder was man sich so alles merkt
Die Zeit der Jäger und Sammler ist für unser Gehirn noch lange nicht vorbei. Wir sammeln täglich Dinge: Ohrenschmalz, Staubflusen und Erfahrungen. Unser Gehirn sammelt mit. Dazu gehört die Musik. Wir sammeln das ganze Leben Musik, ob bewusst oder unbewusst, und so haben wir alle ein riesiges musikalisches Lexikon gespeichert. Jede Musik, die wir hören, ob durch das Küchenradio oder auf Youtube, im Fahrstuhl, Kino oder im Konzert, wird gespeichert. Unser Gehirn wählt nicht aus nach gut oder schlecht. Es speichert einfach jede Musik.
Wenn Sie beim Lesen von »Merci, dass es dich gibt« sofort die Melodie aus der Werbung hören, dann ist es Ihr musikalisches Lexikon, das sich meldet. Oder: »Oh, wie verführerisch sind Choco Crossies«. Der Haken ist: Wir können nichts löschen. Man kann nicht sagen, Verdis Rigoletto – aus dem die Melodie der oben genannten Schokolade stammt – oder Musik von Tony Marschall oder aus Benjamin Blümchen möchte ich nicht speichern. Fehlanzeige.
Es gibt durchaus Lieder, die ich lieber nie gehört hätte, z.B. »GMBH«. Das ist der Text eines Liedes, das ich mal auf einer Party kennengelernt habe. Das Lied hat den sehr geistreichen Text: »Geh mal Bier hol’n, du wirst schon wieder hässlich.« Dieses Lied ist für immer in meinem musikalischen Lexikon gespeichert – vielleicht auch in Ihrem. Keine Angst, man kann diese Songs kurzfristig neutralisieren mit: »Danke, für diesen guten Morgen …« oder »I like to move it, move it, I like to move it, move it, You like to …«
Ich möchte an dieser Stelle auf meinem imaginären schwarzen Flügel, der nur in unserer Vorstellung existiert, Musik spielen. Sie könnten mitsingen, ohne dass ich den Titel ansage, denn Ihr musikalisches Lexikon ergänzt die Musik automatisch: »Sie treffen sich täglich um viertel nach drei … Ohooo, Ojäh …« oder »Always look on the bright side of life«. Sie hören und singen die Musik innerlich mit. Das geht nur, weil Sie sehr musikalisch sind. »Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist …« Super!
Sie sind sogar so musikalisch, dass die Musik fast beliebig verändert werden kann. Sie erkennen sie immer wieder. »Yesterday« von den Beatles ist ein beliebtes Lied zum Covern. Es existieren etwa 3000 unterschiedliche Versionen. Und trotzdem wird die Komposition in allen 3000 Versionen wiedererkannt, auch wenn das Lied im Country-, Western-, Blues-, Pop-, Reggae- oder Barock-Stil arrangiert wurde. Das können Sie wiedererkennen, weil Sie Ihr musikalisches Lexikon mit der originalen Version von »Yesterday« gefüttert haben. Das Lexikon vergleicht das Lied, das es gerade hört, und schickt eine Nachricht ans Gehirn: Ah, kenn ich. Das ist »Yesterday« von den Beatles, das bei Paul McCartney den Arbeitstitel »Scrambled eggs«, also: »Rühreier«, trug. Das stimmt übrigens wirklich. Er wollte »Yesterday« zuerst »Scrambled eggs« nennen. Die Musikgeschichte wäre sicher mit diesem Namen anders verlaufen. Sie würden immer, wenn Sie sich Rühreier machen, an dieses Lied denken. Rekordverdächtig bei Coverversionen ist übrigens das Lied »Summertime« von George Gershwin. Es soll angeblich 40.000 Mal gecovert worden sein. Und wird meistens wiedererkannt.
Musik und Text sind eng verbunden. Unser Gehirn speichert beides zusammen ab. Wenn wir dann nur den Text lesen, singen wir ihn innerlich sofort mit: »Olé, olé, olé, olé, we are the champions« oder »Mit 66 …« oder »99 Luft …« oder »Es fährt ein Zug nach …« Ihr Gehirn setzt sofort die fehlenden Wörter und die Melodie ein. Das ist Ihr musikalisches Lexikon, ein Reflex, Sie müssen nicht darüber nachdenken. Musik und Text findet unser Gehirn sehr wichtig. Wer sie zuerst geschrieben hat, dafür interessiert es sich nicht so sehr. Wissen Sie, wer das Lied »Atemlos« komponiert hat? Nein, googeln Sie nicht. Ich sage es Ihnen: Kristina Bach schrieb es 2013, die 7. Großnichte von Johann Sebastian Bach. Das Lied musste mit einigen Plagiatsvorwürfen kämpfen. Es gibt eine verblüffende Ähnlichkeit zu einem Titel namens »Land of dreams« von Rosanne Cash aus dem Jahr 2012. Frau Bach und Frau Cash sagen einvernehmlich, dass dem Song ein irisches Lied zugrunde liege und daher die Übereinstimmung komme. Jack White, der bekannte Musikproduzent, behauptet hingegen, dass die ersten acht Takte von »Atemlos« von seinem Titel »Ein Festival der Liebe« (1998) stammten. Und falls Sie es sich einmal bei Youtube anhören: Erstaunlicherweise gibt es da wirklich einige Parallelen, die unser musikalisches Lexikon als bekannt einstuft. Aber, geremixt und plagiiert wird halt überall.
Ihr musikalisches Lexikon wird wachsen, je mehr Musik Sie hören. Genießen Sie es – und wählen Sie weise aus, was Sie hören möchten und was nicht.
Welches Instrument passt zu mir?
oder die Suche nach Mr. Perfect
Wir alle treffen täglich Hunderte Entscheidungen. Schnell und ohne große Diskussionen. Will man zum Frühstück lieber süße oder herzhafte Sachen essen, Kaffee oder Tee, Spiegelei oder Rührei. Da sind die Antworten klar. Warum fragen sich dann einige Menschen so lange Zeit, welches Instrument zu ihnen passt? Sie hadern ewig: Ich bin mir noch nicht sicher, ich mag ja Gitarre, oder vielleicht Geige, oder doch lieber Schlagzeug? Endlose Diskussionen. Weil es sich anfühlt wie die Suche nach Mr. Perfect. Aber da wissen wir alle: Je länger man wartet, desto unwahrscheinlicher wird es, einen geeigneten Kandidaten zu finden und nicht nur einen Tagesabschnittsgefährten. Ähnlich scheint es bei der Instrumentenwahl zu sein.
Ein sechsjähriges Kind macht sich wenig Gedanken. Entweder seine Eltern drängen es mit Nachdruck, das verstaubte alte Akkordeon des Großvaters spielen zu lernen, oder es will von selbst einfach Fagott lernen und zwar jetzt und basta. Okay, Fagott ist eher unwahrscheinlich, vielleicht Schlagzeug oder Klavier. In diesem Alter wird noch nicht berechnend überlegt, wie man den schnellsten und größten Erfolg haben kann, um seine Freunde zu beeindrucken. Es soll vor allem Spaß machen. Um der Sache willen. Das macht das Leben klar und einfach. Selig sind die Kinder, die sich nicht zu viele Gedanken machen und Eltern haben, die ihnen einfach ein Instrument in die Hand drücken.
Ab der Pubertät wird die Instrumentenwahl allerdings eine Entscheidung, die monate-, wenn nicht gar jahrelang in Pro- und Contra-Tabellen analysiert und mit allen Freunden, Ex-Freunden und der Familie in allen Facetten nächtelang diskutiert wird. In dieser ewigen Phase der Entscheidung hätte man locker die ersten Fortschritte auf irgendeinem Instrument gemacht und ein schönes Stück erlernt. Aber nein.
Es gab vor ein paar Jahren ein Videospiel mit dem Namen Guitar Hero. Das war kompliziert zu lernen. Ich bin der Meinung, dass die Spieler in der gleichen Zeit bei einem netten Gitarrenlehrer in der Nähe die Grundlagen des Gitarrenspiels hätten erlernen können. So konnten sie nach ein paar Monaten zwar das Computerspiel gut spielen, das heute übrigens fast keiner mehr kennt, aber für das Spielen einer echten Gitarre nutzte es nichts. Gar nichts.
Alles muss natürlich wohlüberlegt sein. Ob man als 15-jähriges Mädchen den gut aussehenden Mittelstürmer der Schulsportmannschaft aus der 10b mit einer Blockflöte bezirzen kann, ist fraglich. Übrigens ist mein Eindruck, dass Mädchen in der Pubertät öfter mit dem Musizieren aufhören, wenn das andere Geschlecht interessanter wird. Jungen dagegen sind Spätzünder, bis die realisiert haben, dass es noch etwas anderes außer ihrer Playstation gibt, haben sie (in elterlich verordneten Medienzeitpausen) die entscheidenden zwei Jahre mehr auf ihrem Instrument geübt und sind dadurch an Musikhochschulen etwas überrepräsentiert. Okay, einige meinen, das sehe man dem typischen klassischen Musikstudenten auch an. In jungen Jahren nicht immer auf die Mädels zu schielen, ist zusammenfassend förderlich für die männliche klassische Musikerkarriere. Für den Berufswunsch Rockmusiker wiederum muss man dieses Themengebiet schon früh belegt haben. Also – was hilft, sich für ein Instrument zu entscheiden?
Erst mal einen Tee trinken und sich klarmachen, dass die meisten Entscheidungen nicht besser werden, wenn man lange darüber nachdenkt. Als Entscheidungshilfe gibt es an fast jeder Musikschule die Möglichkeit, bei einem sogenannten »Instrumentenkarussell« mitzumachen. Das ist kein besonderer Kick auf der städtischen Kirmes, es bedeutet nicht, auf einer Tuba sitzend im Kreis zu fahren oder sich so schnell zu drehen, dass man nur noch Trompeten hört, nein, das ist die Möglichkeit, jede Woche ein neues Instrument kennenzulernen. Dadurch bekommt man eine Übersicht über die sich zum Erlernen anbietenden Instrumente. Und mögliche diffuse Gefühle wie: »Zu mir müsste eigentlich eine Querflöte passen«, verfliegen, wenn man seine Lippen zum ersten Mal auf diese Messingröhre gelegt hat, nichts als ein pffffft entweicht, und einem der Gedanke durch den Kopf schießt: »Nun ja, Gitarre ist auch schön.« Das spart einem ein paar Lebensjahre, viele Nerven und das gute Verhältnis zur Nachbarschaft. Außerdem bekommen so auch mal Instrumente eine Chance, die nicht auf Platz 1 bis 3 der Lieblingsliste stehen wie Klavier, Gitarre und Violine. In den Top Ten der am meisten unterrichteten Instrumente in Deutschland folgen Blockflöte, Schlagzeug, Querflöte, Keyboard, Klarinette, Trompete und Saxofon. Alle anderen Instrumente hätten es ohne ein Instrumentenkarussell sicher noch schwerer, denn wer brüllt schon als 6-Jähriger seine Mama mit dem Satz an: »Ich will unbedingt Fagott lernen. Fagott, Fagott, Fagott!!« Und mal Hand aufs Herz, fällt Ihnen ein bekannter Fagottspieler ein, dem Sie gerne nacheifern würden? Googeln Sie nicht. Einige werden sich erinnern: Das ist doch das Instrument, durch das bei Peter und der Wolf der Großvater dargestellt wird. Ja, richtig, aber kennen Sie den Namen eines Fagottspielers? Ich nicht.
Sie können sich selbst nach gründlichem Ausprobieren beim besten Willen nicht zwischen Gitarre, Bass, Klavier, Horn, Geige, Bratsche, Cello, Keyboard oder Schlagzeug entscheiden? Machen Sie es sich nicht zu schwer. Oftmals entscheiden die Instrumentenwahl ganz banale Dinge. Die Sympathie zwischen Lehrer und Schüler ist wichtiger, als man denkt. Wenn der Lehrer gelangweilt Zeitung lesend am Schreibtisch sitzt und ohne aufzuschauen die Frage durch den Unterrichtsraum brüllt, wie viel man denn diese Woche geübt habe, wird das kaum zu einem entspannten, liebevollen Verhältnis zum Instrument beitragen. Die Grundfrage ist: Liebt der Lehrer sein Instrument? Liebt er es zu unterrichten? Dann gehen Sie gerne hin. Auf der anderen Seite ist es für einen Lehrer aber ebenfalls unmöglich, einen vollkommen desinteressierten Schüler in einen begeisterten zu verzaubern, wenn der lieber FIFA auf dem Computer zockt. Man kann einen Jäger nicht zum Jagen tragen.
Meistens ist der Instrumentalunterricht der einzige Unterricht eines Schülers im Laufe seines Schullebens, in dem er nur zu zweit mit dem Lehrer ist. Daraus kann im Idealfall eine lebenslange positive Bindung entstehen. Ich treffe meine erste Klavierlehrerin immer noch. Sie hat mir ihre Liebe zur Musik vorgelebt und vehement abgeraten, klassischer Pianist zu werden. So viel zu den guten Ratschlägen. Sie meinte, dass es in diesem Bereich einem Lottogewinn gleiche, von der Musik leben zu können. Und statistisch hat sie absolut recht. Es gab eine Erhebung unter klassischen Pianisten, die an einer deutschen Hochschule studiert haben: In den letzten zehn Jahren hat es kein einziger Absolvent einer deutschen Klavierfakultät geschafft, allein vom Konzertieren zu leben. Da ist ein Lottogewinn wahrscheinlicher. Andererseits gilt aber auch: Wenn jemand unbedingt klassischer Pianist werden will, dann muss er das machen. Auf jeden Fall nicht auf weise Ratschläge von anderen hören, die es gerne geworden wären. Also, weniger fragen, mehr wagen.
Das gilt auch für Sie: Finden Sie Ihr Instrument und fangen Sie einfach an. Egal, in welchem Alter Sie sind. Es gibt nichts Spannenderes, als neue Sachen auszuprobieren und zu erlernen. Die meisten Menschen haben alle grundlegenden Dinge wie Essen, Trinken, ein Zuhause, nette Kleidung und Accessoires am Start. Auf zu neuen Ufern! Wünschen Sie sich doch zum nächsten Geburtstag mal eine Unterrichtsstunde in der nächstgelegenen Musikschule oder verschenken diese. Zum Beispiel am Fagott. Sie sind schließlich musikalischer, als Sie denken!
Die Kunst der Wiederholung
und warum Sie lieber zur 4. Vorstellung als zur Premiere gehen sollten
Manche Dinge muss man oft wiederholen, bevor sie in Fleisch und Blut übergehen. Zähneputzen, Fahrrad fahren oder popeln. Das erste Mal auf den eigenen Beinen zu stehen, war ein großes Abenteuer. Nur durch ständige Wiederholung und Üben waren Sie in der Lage, aufrecht zu gehen. Welch Glück, sonst hätten Sie heute zur Arbeit krabbeln müssen. Ein nettes Wort dem Liebsten sagen oder die Nachttischlampe ausknipsen tun wir öfter als einmal im Leben. Ohne die ständige Wiederholung von Einatmen und Ausatmen wäre Ihr Leben schnell zu Ende. Und zwar ziemlich genau JETZT.
In der Musik gibt es wichtige Wiederholungen, die man gerne hört oder gerne spielt. Andere sind einfach lebensnotwendig. Manche Parts von Stücken müssen Tausende Male wiederholt werden, bis sie sitzen, wobei der Spieler selbst dann nie hundertprozentig sicher sein kann, dass sie klappen. Es bleibt bei schwierigen Passagen spannend. Manche Bewegungsabläufe übt man jahrelang, bis sie locker und entspannt wirken. Um auf einer Geige die richtigen Töne zu treffen, braucht es unzählige Wiederholungen einfacher Übungen. Da heißt es Geduld haben. Bisweilen ist es hart, aber manchmal kann die Übung und Wiederholung sehr erfüllend sein.
Tägliche Rituale und Wiederholungen kennt jeder Musiker. Man spielt sich ein. Man wiederholt. Beim Sport muss man sich auch aufwärmen, bevor man 100 Kilogramm Gewicht heben will, ansonsten bricht mal schnell ein Arm. Knacks. In der Musik können die wenigsten Musiker 100 Kilo heben, aber dafür ganz präzise Bewegungen mit den Fingern ausführen. Wiederholungen sind der Schlüssel zum Erfolg. Ich spiele am liebsten einige Stücke aus dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach zum Aufwärmen. Hier verbinden sich wundervolle Musik und anspruchsvolle Fingerübungen auf meisterhafte Art und Weise. Diese Übungen gehen in Fleisch und Blut über wie Duschen oder Socken anziehen. Trotzdem kann ich sie nach Jahren der Wiederholung noch nicht hundertprozentig spielen. Das wird sich bei mir bis zum Lebensende wohl nicht ändern.
Warum gehen Menschen in Konzerte mit echten Musikern, die Lieder präsentieren, die man in einer perfekten Version auf Platte zu Hause doch auch hören kann? Wegen der Wiederholung. Von den Rolling Stones wollen die Fans immer »I can’t get no satisfaction« im Stadion hören, und das bei jedem Konzert der Band. Sie gehen zum Konzert, um dieses eine Lied zu hören. Eine ständige Wiederholung. Sie lieben diese Wiederholung. Ich will »Roxanne« beim Sting-Konzert hören, selbst wenn ich das Lied schon tausendmal gehört habe. So ist das nun mal.
Warum gefällt uns beim zweiten Konzert der gleichen Band der Lieblingssong besser als beim ersten Mal? Die Band hat die gleiche Besetzung. Die Instrumente sind gleich gestimmt, die Jungs sind etwa im gleichen Bewusstseinszustand wie beim letzten Mal, es ist der gleiche Sound und doch ist es anders. Warum? Es ist die Kunst der Wiederholung.
Ich kann nur empfehlen, nicht immer nur zu den Premieren zu gehen. Da ist es wahrscheinlich, dass noch nicht alles eingespielt ist. Da ist noch keine Routine eingekehrt. Erst durch die Kunst der Wiederholung hat man während der Vorstellung als Künstler Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Gehen Sie einfach zur vierten Vorstellung, da wissen alle, was zu tun ist. Bei Bands dauert es noch etwas länger. Dann, wenn man die Noten kennt, beginnt die Musik zu leben. Dann kann man als Musiker in diese oft gespielten Lieder etwas hineingeben, was man nicht mit Worten beschreiben kann. Erkennen wir die Kunst der Wiederholung an. Erkennen wir die Kunst der Wiederholung an. Erkennen wir die Kunst der Wiederholung an.
Singen macht gesund
und ist gut für einsame Herzen
Seit Jahrtausenden singen Menschen. Heute schon gesungen? Nein? Dann legen Sie mal los: »Mein kleiner grüner Kaktus, steht draußen am Balkon.« Menschen singen aus Freude, Trauer und einfach so. Sie singen zu Ritualen, religiösen Zeremonien, unter der Dusche, für Angebetete und danach am Kinderbett. Der evolutionsliebende, wissenschaftlich interessierte Singmuffel fragt vielleicht skeptisch: »Was soll das bringen?« Viel, warten Sie ab. Erstens: Sie lernen Leute kennen. Die Einsamkeit ist vorbei. Ob gewollt oder ungewollt. Chorsingen klingt auf den ersten Blick nach einer kleinen Gruppe älterer Menschen, die sich mit christlichen Chorälen und altem Liedgut am Montagabend in der ungeheizten Dorfkirche die Zeit mit ihrer pensionierten Kantorin vertreiben. Das gibt es auch, aber da hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Deutschland singt! In Deutschland gibt es über 5 Millionen Sänger in 180.000 registrierten Chören.
Denn Chorsingen macht nachweislich glücklich. Keine Psychotherapie ist so erfolgreich wie ein guter Chor. Das Singen in Gruppen stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Man singt zusammen, freut sich auf Konzerte, isst zusammen, reist zusammen und lernt sich kennen. Das verbindet und ist eine gute Grundlage für eine Beziehung, egal welcher Art. Ja, auch in der Richtung, in die Sie gerade gedacht haben. Chöre sind exzellente Partnerbörsen.
Und zweitens: Chorsingen ist gesund. Als Musiker kennt man die positive Wirkung von Musik auf den Körper, wenn es nicht gerade eine Mischung aus Zwölftonmusik und Rammstein ist. Vor ein paar Jahren erschien eine Studie der schwedischen Universität Göteborg im Fachjournal Frontiers in Neuroscience, was wirklich ein schön intellektuell klingender Name für eine Zeitung ist. Die Studie bewies, dass Singen gesundheitsfördernd ist. Die entscheidende Botschaft lautete, dass das kontrollierte Ein- und Ausatmen beim Singen wie Yoga wirken würde. Nun, da hätte ich einzuwenden, dass die Körperfiguren einiger älterer Chorsänger eher an russische Matroschkas erinnern, die, und da will ich wirklich keinem zu nahe treten, doch relativ weit von einer Yogafigur entfernt sind. Und was sollen da die Wildecker Herzbuben sagen, die singen schon ihr ganzes Leben. Jedenfalls wurde in dieser Studie der Beweis erbracht, dass gemeinsames Singen im Chor gut für das Herz ist, da Chorsingen die Bewegungen der Muskeln in großen Teilen des Körpers synchronisiert. Das gilt auch für das Herz. Vergessen Sie Herztabletten, gehen Sie am Dienstagabend lieber zur Chorprobe. Haben Sie schon Lust, sich von Ihrem Arzt Chorsingen verschreiben zu lassen? 1 x wöchentlich Chorsingen. Ist fürs Herz. Herrlich. Da bekommt der Spruch »Diese Musik geht ans Herz« eine ganz neue Bedeutung.
Ich frage mich bei solchen Studien immer: Wie sind die durchgeführt worden? Wie viele Probanden waren denn dabei und wie gemischt war die Gruppe? Ich habe nachgeforscht: Diese schwedische Studie mit der Erkenntnis, dass Singen wie Yoga wirkt, wurde, und ich hoffe, Sie sitzen gerade, an 15 Jugendlichen (!) durchgeführt. ’Ne halbe Schulklasse soll für acht Milliarden Menschen der Beweis sein? Ein Hoch auf die Statistik. Diese Jugendlichen mussten im Chor üben, summen und ein langsames Mantra singen. Dabei kontrollierten die Spezialisten die Herzschläge und stellten fest, dass der Aufbau des Liedes sich in der Herzaktivität widerspiegelte. Das ist genau der Grund, weswegen niemand beim Joggen Balladen hören will. Schnelle Musik – schneller Herzschlag, langsame Musik – langsamer Herzschlag. Das hätte ich auch schon vorher sagen können. Die Forscher stellten fest, dass der Puls sich in der Gruppe synchronisierte. Fazit: Lange, langsame Lieder haben eine ähnliche Wirkung wie Atemübungen im Yoga. Der eigentliche Grund für die Studie war, dass man herausfinden wollte, wie man Gesang in der Rehabilitationstherapie nutzen kann, denn der positive Effekt des Chorsingens war schon lange bekannt. Das heißt, irgendwann gibt es in den Herzkliniken Chorsingen auf Rezept. Wir werden es erleben. Diese 15 jugendlichen Probanden werden die Therapien nachhaltig verändern. Herrlich. Und bis dahin: Singen Sie, auch ohne Rezept! Wer singt, lebt gesünder. Viel Spaß!
Fazioli ist keine Nudel
und Steinway kein holpriger Weg in den Alpen
Der gut aussehende Sohn eines reichen italienischen Möbelherstellers baut seit 1979 exklusive Flügel, nachdem er feststellte, dass seine Karriere als Pianist an seiner ausgeprägten Bühnenunlust scheiterte. Sein handwerklicher Perfektionismus sorgt für außergewöhnliche Instrumente, die nach ihm benannt sind: Fazioli. Einige denken jetzt an eine italienische Nudel, aber Fazioli hat nichts mit Nudeln namens Fusilli oder so zu tun, sondern Fazioli ist sein amtlicher italienischer Familienname – mit weich ausgesprochenem »z« in der Mitte. Paolo Fazioli.
Wenn Sie denken, den Namen Fazioli habe ich noch nie gehört, mir waren bisher nur die Klavierhersteller Steinway & Sons, Bechstein, Blüthner, Schimmel und Bösendorfer bekannt, sage ich: Es ist an der Zeit, Neues zu entdecken. Zur Zeit des Biedermeiers, also vor knapp 200 Jahren, gab es in Deutschland unzählige Hersteller von Klavieren. Jede Stadt hatte eigene Marken. Damals lernte die Tochter aus gutem Hause selbstverständlich Klavier.
Ganz egal, wie die musikalischen Voraussetzungen der Mädchen waren, Hauptsache, man konnte sagen: Ja, die Tochter spielt Klavier. Als es dann ein paar Jahre später für die jungen Damen auf dem Heiratsmarkt auf einmal um andere Fähigkeiten ging, als Klavier zu spielen, überlebten nur wenige Klavierbaufirmen. Selbst der renommierte Klavierbauer Schimmel baute für einige Zeit Möbel.
Zurück zu Fazioli. Fazioli bekam von seinen Beratern zu hören, dass kein Mensch Premiumflügel kaufen würde. Dieser Markt sei gesättigt, das liege alles in der Hand des Platzhirschs Steinway & Sons. Herr Fazioli ließ sich nicht beirren und tüftelte weiter. Geld hatte er selber und vom Vater bekam er die nötigen Räumlichkeiten in dessen Möbelfabrik. 1979 begann Paolo Fazioli mit dem Bau von Flügeln. Er wollte forschen, testen und einfach die besten Instrumente bauen in dem Markt, den Steinway & Sons seit 1853 beherrschte. Fazioli kümmerte das nicht. Er war talentiert, detailversessen, wissenschaftlich interessiert, reich und voller Tatendrang. Andere in seiner Umgebung gingen Golf spielen und verbesserten über die Jahre ihr Handicap. Er verbesserte seine Flügel.