Buch
Viele Experten betonen, wie wichtig der Ausbau digitaler Technologie ist – für unseren Alltag, die Wirtschaft, den Kampf gegen Klimakrise, Krankheit und Hunger in der Welt. Gleichzeitig warnen andere vor digitaler Demenz, unkontrollierbarer Übermacht der Digitalkonzerne und vor einer manipulierten Menschheit im Überwachungskapitalismus. Dazwischen stehen wir: Menschen mit Facebook-Profil, die YouTube-Videos schauen oder TikTok nutzen, die mit Google Maps ihren Weg finden und mit Alexa ihre Pizza bestellen. Sind wir in der Zukunft schon angekommen, wenn wir als Laien so locker mit der digitalen Welt umgehen? Oder lassen wir uns arglos von machtgierigen Digitalkonzernen manipulieren und von unseren Geräten ausspionieren? Leben wir in einer Filterblase? Und wenn ja, wie kommen wir da wieder raus? Anhand von einfachen Fragen, wissenschaftlichen Fakten und kurzweiligen Geschichten über die digitale Zukunft erklärt Digitalexperte und Kulturvermittler Holger Volland die relevantesten Entwicklungen der digitalen Transformation und ihre Wirkung für unser ganz persönliches Leben.
Autor
Holger Volland ist gefragter Vortragsredner, Digitalstratege und Buchautor (»Die kreative Macht der Maschinen«). Der Internetpionier sammelte über 25 Jahre weltweit profundes Wissen zum technologischen Wandel und gründete das Kulturfestival THE ARTS+. Er begleitet die digitale Transformation von Unternehmen und Institutionen, unter anderem viele Jahre als Vizepräsident der Frankfurter Buchmesse.
HOLGER VOLLAND
DIE ZUKUNFT
IST SMART.
DU AUCH?
100 ANTWORTEN
auf die wichtigsten Fragen zu unserem
DIGITALEN ALLTAG
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Originalausgabe März 2021
Copyright © 2021: Mosaik Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Illustrationen: Janina Kress
Umschlaggestaltung: Sabine Kwauka
Umschlagmotiv: getty images / imaginima
Umschlagautorenfoto: Manuel Rauch
Redaktion: Antje Steinhäuser
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
KF ∙ IH
ISBN 978-3-641-27223-4
V001
www.mosaik-verlag.de
Inhalt
Vorwort: Sind Sie schon smart?
ZUHAUSE: Viele neue Mitbewohner
Weiß mein Fernseher, was ich schaue? • Wer wohnt denn hier noch alles? • Locken smarte Glühbirnen Einbrecher an? • Wieso brauchen Dinge ihr eigenes Internet? • Warum ist Künstliche Intelligenz noch so dumm? • Wer hört mit, wenn ich meine Pizza bestelle? • Darf mich mein Vermieter filmen? • Was sieht mein Staubsauger-Roboter bei der Arbeit? • Wie lautet das beste Passwort? • Wie viel Strom verbraucht einmal Googeln?
DIGITALES LEBEN: Wir sind die Produktmanager unserer Daten
Wieso bin ich ein Produkt? • Welche meiner Daten erfährt die Supermarktkasse? • Zahle ich mehr für eine Reise, wenn ich mit dem iPhone buche? • Finde ich mit einer App leichter einen Partner? • Kann ich Online-Tests vertrauen? • Wie viel Geld sind meine Daten wert? • Weshalb kommen wir von den Sozialen Medien nicht los? • Bin ich in einer Filterblase? • Können mich Social-Media-Plattformen zensieren? • Gibt es geheime Manipulationstechniken auf Websites? • Hören unsere Smartphones heimlich mit? • Warum bekommen wir so schlechte Werbung angezeigt?
MOBILITÄT: Software wird wichtiger als Hardware
Wird es Autos nur noch als Abo geben? • Verpetzt mich mein Auto, wenn ich rase? • Wer ist schuld, wenn ein autonomes Auto einen Unfall baut? • Wer braucht zukünftig noch einen Führerschein? • Wie sehen smarte Autos unsere Straßen? • Wie kann ich Hacker von meinem Auto abhalten? • Wer fährt besser: Mensch oder Maschine? • Warum ist Google Maps so unglaublich gut? • Wird Autos beigebracht, ob sie eher Omas oder Kinder umfahren?
BILDUNG UND KULTUR: Unendliche Chancen und maximale Eigenverantwortung
Schadet die Digitalisierung der Kultur? • Worin sind Menschen zukünftig noch besser als Maschinen? • Warum sind so viele Internet-Milliardäre Studienabbrecher? • Ist Deutschland bei digitaler Bildung abgehängt? • Kann ein Algorithmus Prüfungsfragen vorhersagen? • Müssen wir alle Programmieren lernen? • Können Roboter auf Kinder aufpassen? • Wie bleibe ich in der digitalen Berufswelt fit? • Wann kann ich mir einen Quantencomputer kaufen? • Wie erziehen Silicon-Valley-Gründer ihre Kinder? • Wie lernen Computer? • Wann werden uns Maschinen überflügeln? • Gibt es ein Archiv des Internets?
RECHT UND UNRECHT: Unsere Vorurteile bleiben
Kann man Maschinen Moral beibringen? • Würde mich eine Künstliche Intelligenz als Richterin fair behandeln? • Was ist Daten-Diskriminierung? • Wieso fallen wir alle auf Falschnachrichten herein? • Welchen Schaden verursachen Fake News? • Was kostet es, den Ruf eines Menschen zu zerstören? • Warum brauchen wir Hacker? • Warum sind Sprachassistenten immer weiblich? • Wie erkenne ich, ob ich mit einem Bot kommuniziere? • Wie vermeide ich falsche Freunde im Netz? • Wieso kann im Netz jeder pöbeln? • Kann ich Algorithmen als Fälscher nützen?
GESUNDHEIT: Jeder ist sein eigener Arzt
Wie verändert eHealth das Gesundheitswesen? • Wann wird mir meine Ärztin eine App verschreiben? • Werde ich fitter, wenn ich einen Fitness-Tracker trage? • Macht digitales Leben dement? • Entdeckt ein Algorithmus Hautkrebs zuverlässiger als mein Arzt? • Weiß Instagram, ob ich depressiv bin? • Kann eine App den Psychiater ersetzen? • Wie können Algorithmen bei Einschränkungen helfen? • Wieso hat uns Technik nicht vor Corona gewarnt? • Haben Sie ein digitales Testament? • Kann man ein Gehirn uploaden?
ARBEIT: Es gibt noch zwei Arten von Jobs – Du steuerst Maschinen oder Maschinen steuern dich
Was kommt: Fachkräftemangel oder digitale Arbeitslosigkeit? • Wird Künstliche Intelligenz zukünftig meinen Job übernehmen? • Wird man als Influencer noch reich? • Wer schreibt die Produktbeschreibungen bei Amazon? • Gibt es für Digitalarbeiter eine Gewerkschaft? • Arbeiten wir zukünftig alle im Homeoffice? • Beobachten uns Algorithmen bei der Arbeit? • Kann man Algorithmen bei ihrer Arbeit beobachten? • Wie kann ich eine Bewerbungs-KI beschummeln? • Darf mein Arbeitgeber meine Social-Media-Aktivitäten zensieren?
WIRTSCHAFT: Unterschiedliche Geschwindigkeiten managen, ist die wichtigste Aufgabe
Warum nennt man Daten das neue Öl? • Wie haben die Technologieriesen die Welt untereinander aufgeteilt? • Was ist so besonders an 5G? • Kann man das Internet löschen? • Wann ist eigentlich die digitale Revolution vorbei? • Hat Deutschland die Zukunft verschlafen? • Welche Zukunftstechnologien können wir gut in Deutschland? • Würden wir mit einer KI-Finanzministerin Steuern sparen? • Warum zahlen Digitalkonzerne bei uns kaum Steuern? • Womit verdient Amazon Geld? • Was bringt uns eine Zerschlagung von Facebook?
POLITIK: Die Politik hinkt dem Netzkapitalismus hinterher
Kommt die Politik bei der Digitalisierung noch hinterher? • Gibt es einen europäischen Weg der Digitalisierung? • Warum demonstrieren die Chinesen nicht gegen ihr Bürger-Punktesystem? • Kann ein Bürger-Punktesystem auch zu uns kommen? • Erkennt mich eine Überwachungskamera auch mit Sonnenbrille? • Ist Gesichtserkennung bei uns legal? • Woher kennen die Algorithmen eigentlich mein Gesicht? • Wieso können wir noch nicht online wählen gehen? • Warum muss ich neuerdings bei jeder Website mein O. K. geben? • Brauchen wir ein Bundesdigitalministerium? • Sind wir im digitalen Kalten Krieg? • Gibt es noch Länder ohne Internet?
Danksagung
Quellen
Updates und Diskussionen unter
#Zukunft100
bei Twitter, LinkedIn, Facebook.
Vorwort: Sind Sie schon smart?
Es tut sich eine Kluft auf. Die ersten zarten Risse zeigten sich vor dreißig Jahren. Im Lauf der Zeit wurden sie immer zahlreicher, tauchten hier und dort unvermutet aus dem Nichts auf, wurden breiter und tiefer. Die Geschwindigkeit nahm zu. Immer schneller zog sich bald ein sichtbar tiefer Graben durch die Gesellschaft. Bis die Veränderung schließlich, auf dem Rücken der weltweiten Corona-Pandemie, ein Höllentempo bekam und inzwischen Dimensionen erreicht, die niemand mehr ignorieren kann.
Ich rede von der Kluft zwischen digitalen Gewinnern und analogen Verlierern. Auf einer Seite wachsen in atemloser Entwicklung Technologie, Wissenschaft, Forschung und Digitalwirtschaft in immer neue Dimensionen. Auf der anderen Seite stehen wir, analoge Menschen mit unseren traditionellen Formen des Zusammenlebens, bedächtigen Politik, unserem Vertrauen in Bildungssysteme, Krankenkassen oder Verbrennungsmotoren.
Auf welcher Seite stehen Sie? Wo stehe ich? Diese Frage werden wir uns alle in den nächsten Jahren stellen. Das wurde mir einmal mehr klar, als ich von der Bühne einer Konferenz aus in den Raum voller Menschen schaute, die mit Überschwang die Segnungen der Digitalisierung, der »Neuen Arbeit« und der exponentiellen Entwicklungen diskutierten. Die Zukunft dieser Menschen glühte vor Möglichkeiten, sie schien rosarot im Angesicht der Segnungen von Technologie. Das Ende des Hungers. Das Ende der Arbeit. Das Ende der Krankheit. Darunter ging es nicht. Natürlich – so hatten viele Sprecherinnen und Experten an diesem Konferenztag schon betont und dabei demütig die Augen gesenkt – würden sich auf dem Weg in die Zukunft einige Berufe auch ändern. Raumpflegerinnen etwa, oder Kassierer und auch Bergarbeiter müssten gegebenenfalls andere Aufgaben übernehmen.
»Ist hier ein Bergarbeiter anwesend?«, fragte ich von der Bühne in den Raum. Keine einzige Meldung. »Ein Kassierer oder eine Raumpflegerin vielleicht?« Stille. Verlegenes Lachen. Ich wandte mich meinen beiden Gesprächspartnern zu. Der deutsche Arbeitsminister und die Chefin von Microsoft Deutschland saßen neben mir auf dem Podium dieser Veranstaltung. Das Problem, so stellten wir schnell gemeinsam fest, ist doch, dass die Digitalisierung uns alle betrifft: Raumpfleger, Kassiererinnen, Bergleute, Lehrer, Ärztinnen, Manager, Politikerinnen und Programmierer. Sie betrifft uns alle, aber nicht wir alle reden mit. So wie bei dieser Zukunftskonferenz nur eine kleine digitale Elite anwesend war, verläuft auch eine Kluft quer durch die Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen Gewinner, die digitale Entwicklungen verstehen, von ihnen profitieren oder sie sogar vorantreiben. Auf der anderer Seite stehen normale Menschen.
Der Minister zitierte hierzu den »Fachkräftemonitor« und erklärte, dass die Bundesregierung bis zum Jahr 2025 mit einem Verschwinden von 1,3 Millionen Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung rechne. Er ergänzte, dass gleichzeitig 2,1 Millionen neue Jobs durch sie entstehen würden. Das ist doch eigentlich eine gute Nachricht, oder? Der Minister stockte kurz. Problematisch sei bei der Sache, dass es gerade für diese neu entstehenden digitalen Jobs nicht genügend richtig ausgebildete Menschen bei uns gäbe. Die Microsoft-Chefin nickte zustimmend. Schon heute können bei ihr im Technologiesektor Zigtausende Stellen nicht besetzt werden, weil es nicht genügend Fachleute gibt.
Was für eine tiefe Kluft! Da gibt es eine riesige Zahl freier Stellen, die nicht besetzt werden können, und gleichzeitig Millionen Arbeitslose, deren Wissen nicht mehr für zukünftige Jobs ausreicht. Wir Menschen und unsere Qualifikationen passen nicht mehr zu der Arbeit, die die Digitalisierung zukünftig für uns vorsieht.
Die Corona-Krise hat diese Kluft weiter vertieft. Auf der einen Seite haben dank Homeoffice und geschlossenen Läden Anbieter wie Amazon, Google oder Zoom Rekordgewinne erwirtschaftet, das Gesundheitswesen, das Bildungssystem und große Teile der Wirtschaft haben Digitalisierungsoffensiven im Schnellformat aus dem Boden gestampft. Auf der anderen Seite standen plötzlich Millionen von Kurzarbeitern, denen die Arbeit ausging, weil sie nicht Teil der digitalen Wertschöpfung waren: Schneiderinnen, Wirte, Mechanikerinnen, Köche, Verkäufer, Textilfacharbeiter, Designerinnen oder Architektinnen. Die Digitalisierung lässt auf ihrem Weg durch die Branchen viele Gruppen auf der Verliererseite zurück.
Und wer jetzt hofft, dass die kommende Generation besser gerüstet ist, den muss ich enttäuschen: Nach einer Studie der OECD aus dem Januar 2019 streben die meisten der befragten Fünfzehnjährigen im deutschsprachigen Raum weiterhin traditionelle Berufe wie Ärztin, Lehrer oder Polizist an. Die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung scheinen die Mehrheit der Befragten noch so wenig zu interessieren, dass sie damit keinen konkreten Berufswunsch für sich verbinden. Aber ich frage mich: Wer soll dann die über zwei Millionen freien Stellen besetzen, über die der Arbeitsminister sprach, wenn wir digital so schlecht gerüstet sind?
Deshalb haben wir eine Aufgabe. Sie, ich, der Minister und die CEO gleichermaßen. Unsere Aufgabe ist es, die Kluft zu schließen. Wir werden nämlich alle in derselben digitalen Gesellschaft leben und deshalb werden wir auch alle mitnehmen müssen – selbst den Bergarbeiter. Wie wir das erreichen? Vor allem, indem wir viele Fragen stellen. Wir müssen alles befragen, was wir nicht verstehen oder was uns komisch vorkommt. Mit diesem Buch möchte ich Sie dazu ermuntern, Ihre eigenen Fragen zu formulieren. Ich habe schon einmal vorab hundert Fragen ausgewählt, die mich besonders interessieren. Das ist wahrscheinlich nur ein oberflächlicher Einstieg, eine Einladung zum tieferen Graben und zu immer wieder neuen Fragen. Stellen Sie sie. Beschäftigen Sie sich mit der digitalen Welt und den Teilen davon, die Sie besonders interessieren. Helfen Sie mit, die Trennung zwischen digitalen Vorreitern und analogen Mitmenschen zu überbrücken. Oder wechseln Sie gar die Seite!
Denn was wir im Arbeitsmarkt sehen, lässt sich in allen Teilen der Gesellschaft, der Politik, dem Gesundheitswesen und im Alltag beobachten. Es gibt eine Gruppe, die sich gut auskennt, mit ihrer digitalen Kompetenz Entwicklungen und Angebote immer schneller vorantreibt. Und es gibt eine andere Gruppe, die digitale Veränderungen zögerlich betrachtet, nicht mehr versteht oder ignoriert, weil sie ihr zu abgehoben sind. Nach Befragungen des Digitalverbandes Bitkom haben sechs von zehn Deutschen den Begriff »Blockchain« noch nie gehört, fast die Hälfte weiß nicht, was »Quantencomputing« ist, und immerhin ein Viertel zuckt bei »Big Data« unwissend mit den Schultern. Es wird den Unwissenden aber auch nicht leicht gemacht: Wie soll man das alles wirklich begreifen, solange man Quantencomputer nicht bei Amazon bestellen kann, Big Data kein Schulfach ist und man bei der Hausbank keine Blockchain-Währungen kaufen kann?
Jeder siebte Deutsche empfindet das Tempo der Digitalisierung als zu schnell und hat das Gefühl, nicht mehr mitzukommen. Ein Grund dafür ist, dass sich Technologieunternehmen zu lange so verhalten haben, als stünden sie außerhalb unserer Gesellschaft, müssten keine Steuern zahlen und weder der Politik noch normalen Bürgern transparent erklären, womit sie konkret ihr Geld verdienen.
Ich kann die Zögerlichkeit der Deutschen deshalb gut verstehen. Die momentane Situation ist extrem verwirrend. Vielleicht ist sie sogar schizophren. Denn einerseits wird uns die Digitalisierung als futuristische Lösung für die Klimakrise, die Auslöschung von Krankheiten und Hunger verkauft, und es werden uns fantastische Ausblicke für die Wirtschaft versprochen. Andererseits gibt es mindestens ebenso viele Warnungen vor digitaler Demenz, der Übermacht der Digitalkonzerne und einer vollständig gläsernen Menschheit im Überwachungskapitalismus. Und es erscheinen fast im Stundentakt neue Studienergebnisse und Veröffentlichungen von Expertinnen und Autoren, die in abstrakten makroökonomischen Theorien oder bizarren Datenmodellen unendlich viele Aspekte der Digitalisierung erforschen. Was soll man da jetzt glauben?
Dazwischen stehen wir, ganz normale Menschen, die ein Facebook-Profil haben, YouTube schauen oder TikTok nutzen, die mit Google Maps ihren Weg finden und mit Alexa eine Pizza bestellen. Wer übersetzt die Wissenschaft für uns? Wer sagt uns, was richtig und falsch ist? Können wir zufrieden mit uns sein, weil wir locker die Apps in unseren Alltag integriert haben? Oder müssen wir uns schlecht fühlen, weil wir räuberische, steuerhinterziehende Digitalkonzerne unterstützen?
Es ist kompliziert. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Welt sind sogar so kompliziert, dass es noch nicht einmal dem US-Kongress in seinen Befragungen von Mark Zuckerberg gelungen ist, die ganze Tragweite von Facebooks Einfluss auf unseren Alltag komplett zu ergründen. Sitzungen reichen dafür nicht, es braucht jahrelange Recherchen und dickleibige Bücher, um die gesamte Macht von Digitalunternehmen zu untersuchen. In diesem Feld den Durchblick zu behalten ist nicht leicht, denn oft vermitteln Experten hochkomplexe technologische Erscheinungen ohne jeden Bezug zu unserem Alltag. Auch viele Politiker agieren so, als ob Technologie eine geheimnisvolle und unverständliche Macht wäre, die unabhängig von unserem Alltag Probleme lösen und die Welt gestalten kann. Viele Konzerne, in ihrem Drang nach steigendem Shareholdervalue, machen aus Daten Produkte, die einfach und hilfreich klingen, dabei aber im Kern so undurchschaubar wie menschenfeindlich sind.
Wie sollen Nicht-Experten da noch durchblicken? Wie können wir dafür sorgen, dass wir nicht auf der Verliererseite der Digitalisierung landen und wichtige Entwicklungen schlicht an uns vorbeiziehen?
Ganz einfach: Indem wir so lange Fragen stellen, bis wir mit den Antworten endlich zufrieden sind. Die allermeisten Fragen in diesem Buch stammen deshalb von Menschen, die mutig genug waren, sie bei Veranstaltungen im Publikum zu stellen, nach Vorträgen zu mir kamen oder mir Nachrichten schickten. Ich habe sie gesammelt und in neun Lebensbereiche sortiert, die uns alle betreffen: Unser Zuhause und unsere Freizeit, für die es so viele digitale Angebote gibt, dass wir klug sortieren müssen, welche davon wirklich sinnvoll sind und welche uns sogar schaden. Mobilität, Arbeit, Bildung und Gesundheit, die uns immer mehr Selbstverantwortung abfordern, aber auch außergewöhnliche Möglichkeiten für mehr Wissen, Gesundheit und Lebensqualität bieten. Und Recht, Wirtschaft und Politik, in denen jetzt gerade die Regeln, Prozesse und Gesetze geschaffen werden, die unsere Zukunft massiv beeinflussen. Wir müssen sie verstehen, um als souveräne Bürgerinnen und Bürger bewusst leben (und wählen!) zu können.
Beim Schreiben habe ich gemerkt, wie sehr alle diese Lebensbereiche miteinander verwoben sind. Sie hängen durch die Digitalisierung zusammen. Manche, ganz grundsätzliche Beobachtungen werden uns deshalb häufiger in diesem Buch begegnen: zum Beispiel, dass Software Hardware ablöst, dass vor allem derjenige Power hat, dem Daten gehören, oder dass Selbstmanagement zur wichtigsten Schlüsselkompetenz in der digitalen Gesellschaft gehört.
Am Ende kreisen alle Themen in diesem Buch um die eine große, die ganz persönliche Frage: »Wie wirkt sich die digitale Zukunft auf unser aller ganz persönliches Leben aus?« Denn eines hat sich spätestens mit der Corona-Krise gezeigt: An der Digitalisierung kommt wirklich niemand mehr vorbei, und deshalb geht sie auch uns alle etwas an.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Digitalisierung niemanden zurücklassen darf. Wir müssen alles dafür tun, niemanden auf der Verliererseite stehen zu lassen. Wir müssen allen Menschen digitales Wissen durch unsere Fragen näherbringen. Wir Nutzer müssen klüger werden und nicht mehr nur stupide Apps herunterladen, Werbung ansehen und Produkte kaufen. Denn mit mehr technologischem Wissen kommt die Entscheidungsfreiheit darüber, welche Technologie uns weiterbringt und welche uns hemmt, was uns manipuliert, was unser Wissen vermehrt, was uns auf die Gewinnerseite der Digitalisierung bringt oder was uns als »Klickvieh« zurücklässt, das sich hirnlos von Werbung zu Werbung klickt und damit die ungeheuerlichen Gewinne von Tech-Firmen überhaupt ermöglicht.
Viele Entwicklungen der letzten Jahre haben wir ungefragt den Technologieexperten und den Unternehmen überlassen, uns für ein paar kostenlose Dienste Tag und Nacht aushorchen lassen und schulterzuckend akzeptiert, dass Digitalisierung halt einfach sehr schnell passiert und wirklich kompliziert zu sein scheint. Dabei ist Digitalisierung sehr menschlich und benötigt unser aller Aufmerksamkeit. Wir können sie bewusst zu unserem Vorteil verwenden, gestalten und regulieren. Denn selbst Technologieunternehmen müssen sich an dem Rahmen ausrichten, den wir Nutzer, Politikerinnen oder Aktionäre für sie definieren. Es wird Zeit, dass wir Menschen den digitalen Alltag erobern und nach unseren Vorstellungen und zu unserem eigenen Nutzen selbst gestalten. Das klappt am besten, wenn wir uns ansehen, wie tief die Digitalisierung bereits in viele unserer Lebensbereiche eingedrungen ist. Wir beginnen deshalb die Reise da, wo Sie jetzt vielleicht gerade sitzen: im Wohnzimmer.
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