Cover

Über das Buch

Das Leben ist ein Geschenk – wenn wir nur unsere Augen und unser Herz für die kleinen Wunder des Alltags öffnen. Genau das tut der griechische Bestseller-Autor Stefanos Xenakis in seinen Geschichten über die Schönheit und den Zauber des Lebens. Dabei geht es um Dankbarkeit, Mitgefühl, Verbundenheit und Liebe. Aber auch darum, dass es an uns liegt, ob wir die Geschenke des Lebens erkennen und wertschätzen können. In diesem Sinne wirken die Geschichten wie Herzöffner, an denen wir uns erfreuen können. Wir reflektieren aber auch unsere eigenen Werte, Entscheidungen und inneren Haltungen. Ein Buch, das uns auffordern will, Verantwortung zu übernehmen und unser Leben in die Hand zu nehmen!

Über den Autor

Stefanos Xenakis ist Trainer für Persönlichkeitsentwicklung und Personalentwicklung, ein Social Media Phänomen mit großem Charisma und Griechenlands bekanntester Lebenshilfeautor. Mit »Das Geschenk« landete er auf einem Spitzenplatz der griechischen Bestsellerliste und blieb dort über 80 Wochen lang. Er ist ein gefragter Interview-Partner und gehört mittlerweile auch zur Riege international bekannter Speaker (z. B. TED Talks). In Griechenland tourt er mit seinem Workshop »13 stories that can change your life« und hat mittlerweile schon einen zweiten Band von »Das Geschenk« veröffentlicht. Der Autor ist stolzer Vater von zwei Töchtern.

Stefanos Xenakis

Das Geschenk

Geschichten über die Schönheit des Lebens

Aus dem Griechischen

von Susanne Lötscher

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Die griechische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel » (The Gift)« bei Key Books, Athen.

Deutsche Erstausgabe

© 2021 der deutschsprachigen Ausgabe Kailash Verlag, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

© 2018 by Stefanos Xenakis – Key Books. All rights reserved.

Lektorat: Daniela Weise

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

Umschlaggestaltung: Daniela Hofner, ki 36 Editorial Design, München

Autorenfoto: Maria Michalinos

ISBN 978-3-641-27415-3
V001

www.kailash-verlag.de

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Inhalt

Einleitung

Lili

Das Komboloi

Ehre deine Eltern

Die Goldmünzen

Dein Grundstück

Starte mit Schwung in den Tag

»Kaugummi?«

Deine Ziele sind dein Leben

Cruella de Vil

Wurzeln

Vielleicht ist ja doch alles in Ordnung?

Humor

Du kannst nicht von allen geliebt werden

Wasserrinnen

Wie viel kostet eine Flasche Wasser?

Weniger ist mehr

Die Kontrolllampe

Deine Angelegenheit

Sieh das Schöne

15 Stunden in Veria

Der Elektriker

»Gehen Sie zu Kostas«

Auch das geht vorüber

Die Fliege und die Biene

Der Bettler

Warum?

Die Paradiesstraße

Mach den Fernseher aus

Wer bist du?

Das Wunderjournal

Ein Wochenende auf dem heiligen Berg Athos

Die Maiskolben

Die Yogalehrerin

Was sind fünfzig Euro wert?

Ein nettes Wort

Bring dem Geld Wertschätzung entgegen

Das Geschenk

Ausflug ins Leben

Die Wasserflasche

»Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!«

Hat das Leben Regeln?

Der Fünf-Euro-Schein

Die Säge

Gräfin Koks

Die Toilettenspülung

Der Geburtstag

Ein »echter« Grieche

Die Hand Gottes

Du sollst antworten, nicht reagieren

Der Superpapa

Die Muttergottes sei mit dir

Das Lokal

Von Hunden und Flöhen

Die Kunst des Lebens

Der Störenfried

Emma

Die Gleichung

Warum manche Menschen Erfolg haben

Glücksgefühl

Mein waghalsiges Abenteuer

»Ich liebe dich«

Schrecklich gern!

Oseola McCarty

Makkaroni-Rezept

Da kann man nichts machen

Nick

Ach, mein liebes Griechenland …

Fang den Ball

Sprudelwasser

Mach die Fenster zu!

Herr Johannidis

Tu dir selbst etwas Gutes

Mobbing

Lass die Tür deines Herzens offen

Der Dieb

Die Bademeisterin

Der Drummer

Sprich mit dir

Der Pakistaner

Die griechische Seele

Dein Mist

Freude

Liebe

Highscore

»Bezahlen sie dir überhaupt etwas?«

Sei pünktlich

Außergewöhnliche Menschen

Der Nachtfalter

Die Autowerkstatt

Gib niemals auf

Die Extrameile

Teile mit anderen

Verzettle dich nicht

Schiffbruch

Morgens in Vouliagmeni

Die magische Brille

Ihr seid zu zweit

Der Anruf

Nimm’s leicht

Commitment

Unrecht haben

Nur Liebe

Ich widme dieses Buch meinem großen Lehrer Antonis

und Thanassis, der mich zu Antonis gebracht hat

Einleitung

Es muss in der fünften Klasse Grundschule gewesen sein, aber mir kommt es so vor, als wäre es gestern gewesen. In meinem Physiklehrbuch stand, dass die meisten Menschen zwar sehen, die allerwenigsten aber beobachten können. Damals verstand ich nicht, was damit gemeint war.

Irgendwann später wurde es mir klar. Auch ich lernte, zu beobachten und mit den Augen – vor allem aber mit meiner Seele – zu »fotografieren«. Dinge, die wir normalerweise trivial finden: einen Sonnenuntergang, eine Blume, ein Lächeln, eine Geste. Ich lernte, die Schönheit in allem zu sehen, sogar in hässlichen Dingen.

Ich lernte, die Schönheit mit anderen zu teilen – und auch mein Leben zu teilen, es mit dem Leben anderer Menschen zu verbinden und mit ihnen eins zu werden. So wie die Kerzenflammen in der Osterwoche zu einem Flammenmeer verschmelzen. Und da wurde mir klar, dass dies meine Lebensaufgabe war.

Später lernte ich, mutig zu sein, mich mit mir selbst und meinen Ängsten zu konfrontieren, meine Glaubenssätze zu hinterfragen und aus meiner Komfortzone auszubrechen. Täglich, stündlich, in jedem Augenblick. Um mich von meinen Fesseln zu befreien.

Sodann lernte ich, Entscheidungen zu treffen. Mir wurde klar, dass ich Entscheidungen treffe. Ich lernte, mit erhobenem Kopf und einem Lächeln auf dem Gesicht durchs Leben zu gehen, meine Wahrheit auszusprechen, nette Worte zu finden. Nachzudenken, bevor ich etwas sagte, und hart für meinen Traum zu arbeiten. Ich begriff, dass mir das Leben nicht geschenkt wird, sondern dass ich selbst etwas dafür tun muss. Tag für Tag, Minute für Minute.

Ein Onkel, den ich sehr mag, sagte immer: »Das Essen ist nur so lange da, wie du es im Mund hast. Kau es deshalb gut. Einmal geschluckt, ist es weg, fort.« So ist auch das Leben. Ich habe gelernt, es gut zu kauen und zu genießen, so wie das Essen meiner Mutter, dessen Duft früher das ganze Haus erfüllte. Ich lernte, nicht gedankenlos dahinzuleben, sondern mich auf das Leben einzulassen.

Ein Bauer, so heißt es in einer Geschichte, war dabei, seinen Acker umzugraben, als seine Hacke auf etwas Hartes stieß und zerbrach. Zuerst ärgerte er sich, grub dann aber weiter, um herauszufinden, was es war. Es war eine Kiste. Der Bauer öffnete sie und fand darin einen Schatz. Ich lernte also, wie der Bauer die Kisten zu öffnen, die mir das Leben schenkte, auch wenn mir die Verpackung nicht gefiel. Ich entdeckte, dass die besten Geschenke nicht schön verpackt sind und das Leben selbst ein Geschenk ist.

Schließlich lernte ich, meine Fehler zu akzeptieren, sie zu respektieren und zu lieben – und damit auch mich selbst zu lieben. Darin lag für mich der Schlüssel. Statt zu versuchen, weniger Fehler zu machen, gab ich mir die Erlaubnis, mehr Fehler zu machen. Und dann machte ich weniger.

Vor zehn Jahren begann ich mit einem Journal der Wunder. Man könnte es auch Dankbarkeitsjournal nennen.

Anfangs fiel mir nichts ein, wofür ich hätte dankbar sein können, aber dann fand ich immer mehr Dinge. Zum Schluss konnte ich nicht anders, als in allem, was ich sah und erlebte, ein Wunder zu sehen: dass ich sprechen konnte, dass ich laufen konnte, dass nach einem anstrengenden Tag ein warmes Bett auf mich wartete. Auf diese Weise verwandelte sich mein Leben und war voll schöner Dinge. Und da begriff ich, dass die Schönheit nicht in den Dingen lag, die ich sah, sondern in meinen Augen.

Das Buch in deiner Hand ist aus dem Leben heraus entstanden. Aus meinem Leben. Aus unserem Leben. Einige kurze Geschichten ohne viele Worte, aber mit viel Liebe.

Seitdem hatte ich mein Journal immer bei mir und machte immer wieder Einträge, egal, wo ich gerade war: in der Arbeit, im Zug, zu Hause. Ich füllte Zeile um Zeile mit schönen Worten, Seite um Seite mit fantastischen Wundern und mein Bücherregal mit einer Vielzahl von Journalen.

Und dann geschah plötzlich etwas Magisches. Eines Tages hörte ich auf, für mich zu schreiben, und fing an, das für die Menschen in meinem Umfeld zu tun. Ich begann, diese wunderbare Sache, die ich nicht mehr für mich behalten konnte, mit anderen zu teilen.

Ich wünsche mir, dass es dich – genauso wie mich – freigiebig an der Schönheit teilhaben lässt.

Selbst wenn nur ein einziger Mensch diese Schönheit empfindet, dann hat es sich gelohnt, dieses Buch zu schreiben. Es hat sich gelohnt, dass ich hier bin.

Stefanos Xenakis

LILI

Ich war beunruhigt. Um sieben Uhr früh läutet mein Telefon normalerweise nicht. Meistens rufe ich meine Töchter an, um ihnen guten Morgen zu sagen, aber erst später. Meine ältere Tochter war dran. Sie weinte und schluchzte.

»Papa, Lili ist gestorben. Ich habe sie heute Morgen tot in ihrem Käfig gefunden.«

Lili war ihr Kaninchen.

Schluchzen.

Ich: keine Reaktion.

»Avra, Schatz, wie viele Jahre hatten wir Lili?«

»Noch nicht so lang, Papa, fünf oder sechs Jahre.«

»Hör mal, Avra … so lange leben Kaninchen nun mal«, sagte ich so dahin.

Schluchzen.

»Liebes, von dem Moment an, wo wir geboren werden, wissen wir nur eines sicher: dass wir sterben werden. Lili hat mit ihren sechs Jahren mindestens hundert Menschenjahre gelebt, hat Junge bekommen und ein glückliches Leben gehabt, hat geliebt und wurde geliebt. Nur wenige Menschen haben so ein schönes Leben gehabt wie Lili, mein Kind.«

Stille am anderen Ende.

»Wir werden alle einmal von hier fortgehen, mein Liebes. Lili hat hundert Menschenjahre gelebt. Wie viele Jahre willst du leben? Zweihundert? Dreihundert?«

Ein verhaltenes Kichern …

Jeder Anfang hat ein Ende.

Jedes Ende ist ein neuer Anfang.

Kinder sollen das Leben schon von klein auf voll mitbekommen, nicht nur oberflächlich. Also nahm ich die Schaufel meines Vaters und die Schachtel mit Lili und holte die Kinder von der Schule ab.

»Was meint ihr beiden, wollen wir sie miteinander begraben?« Die Kleine antwortete sofort. Die Große schluckte und nickte schließlich. Wir fuhren zu unserem Lieblingshügel im Athener Stadtviertel Vouliagmeni, von dem aus man sehen kann, wie sich das Meer am Spätnachmittag in Gold verwandelt.

Lange suchten wir nach einer geeigneten Stelle im Erdreich. Ich grub ein Loch und nahm Lili vorsichtig aus der Schachtel. Sie war in Seidenpapier gewickelt, wie eine kleine Braut. Als ich sie hochhob und sie in ihr Grab legen wollte, kam mir meine ältere Tochter zuvor, nahm mir Lili aus der Hand, wie eine Mutter, die ihr Kind in den Arm nehmen will, entfernte vorsichtig das Papier, hob Lili dicht an ihr kleines Gesicht und gab ihr einen Abschiedskuss. Erst dann bettete sie das Kaninchen behutsam in sein Grab und gab ein paar Salatblätter dazu, damit es nicht zu hungern brauchte.

»Mach die Augen zu, liebe Lili«, sagte sie und deckte Lili mit dem Seidenpapier wie mit einer Decke zu. Die beiden legten noch ein paar Veilchen daneben, und wir füllten das Grab mit Erde auf. Zum Schluss kamen noch zwei große Steine obendrauf, damit wir uns erinnerten, wo unser geliebtes kleines Kaninchen ruhte.

Dann holten wir uns ein Eis.

»Auch das gehört zum Leben, Kinder. Es ist alles eins. Bloß teilen wir Menschen die Dinge in Gut und Schlecht ein. Regen und Sonnenschein sind eins. Leben und Tod sind eins. Liebe und Angst sind eins. Meer und Berg sind eins. Windstille und Sturm sind eins. Nach Sonnenschein kommt Gewitter, nach dem Sommer der Winter. Nach guten Zeiten kommen schlechte Zeiten. Früher gefielen mir nur die guten Dinge. Aber jetzt gefällt mir beides«, sagte ich, um ihnen die bittere Pille etwas zu versüßen.

Ich erwartete keine Antwort, doch die bestmögliche kam von meiner Jüngeren:

»Also, Papa, heißt das, dass dir jetzt das gefällt, was dir nicht gefällt?«

Das Komboloi

Er saß hinter mir. Ich hatte ihn nicht gesehen, denn der Musiker auf der Bühne hatte uns buchstäblich in seinen Bann gezogen. Gleich würde er loslegen. Und dann hörte ich es zum ersten Mal: das Komboloi. Rhythmisch und quälend, wie die Wassertropfenfolter. Diskret wandte ich mich dem etwa sechzigjährigen Mann zu, um ihm zu verstehen zu geben, dass er störte. Es war eines dieser alten Kombolois aus Bernstein. Er begriff nicht, dass ich mich gestört fühlte. Er hörte kurz auf, und ich dachte, er hätte es kapiert. Dann fing er wieder an, und ich sah ihn wieder an. Keine Reaktion.

Irgendwie war es mir peinlich, ihn anzusprechen. Mein innerer Kampf dauerte nur Sekunden, dann traf ich schnell eine Entscheidung, denn ich weiß inzwischen, dass ich nichts in mich hineinfressen soll. Wortlos lächelnd deutete ich mit einer Kopfbewegung auf das Komboloi, aber der Mann verstand mich nicht. Er wollte es mir geben, weil er wohl dachte, ich wolle damit spielen. Ich lachte herzhaft über die Großzügigkeit der Griechen. Sie sind stets bereit, Dinge mit anderen zu teilen. Diesmal erklärte ich ihm freundlich, was ich meinte. Entscheidend ist nämlich, dass man seinen Ärger im Griff hat. Sonst verwirkt man sein Recht.

Irgendwann hatte der Mann begriffen. Er lächelte freundlich und hörte sofort auf zu spielen. Und prompt sagte seine Tochter, die neben ihm stand: »Ich wollte es dir auch schon sagen, Papa.«

Das ist Mut, und Mut wird dein Leben verändern. Vor allem, wenn auch dir früher das Etikett des braven Kindes anhaftete. Mach dich davon frei.

Früher habe ich meinen Mund gehalten und alles geschluckt. Damit tat ich niemandem einen Gefallen, vor allem mir selber nicht. Es ist sehr bitter, wenn du dich unbedeutend und wertlos fühlst und meinst, dass keiner dir zuhört – nicht mal du selbst. Das habe ich tief in meinem Inneren gespürt. Aber auch für den anderen ist es nicht gut. Du gibst ihm damit nämlich keine Gelegenheit, etwas zu verändern. Vergiss dabei aber nicht, freundlich mit ihm zu reden. Auch mit dir selbst. Beides geht nämlich Hand in Hand.

In der Pause kamen wir mit dem Mann ins Gespräch. Wir sprachen über das Leben und seine kleinen Freuden. Er war ein freundlicher, guter Mensch, heiter und extrovertiert. Er packte mich an der Schulter, und wir lachten. Zuletzt gab er mir das Komboloi zum Spielen. »Das war ich Ihnen schuldig«, sagte er vielsagend und zwinkerte mir zu.

Ich liebe dieses Land.

Ich liebe die Menschen, die dort leben.

Man nennt sie Griechen.

Und sie haben eine große Seele.

Ehre deine Eltern

Er ist ein Freund von mir aus Thessaloniki und gut zwei Meter groß. Immer wenn er nach Athen kam, gingen wir auswärts essen. Wir gingen oft auf einen oder zwei Drinks, und der Wein brachte immer die Wahrheit zum Vorschein.

Er hatte eine entwaffnende Art, jemanden mit seinen Erzählungen zu fesseln, und fand immer die richtigen Worte, der schlaue Fuchs.

An jenem Abend kam das Gespräch auf seinen Vater. Mein Freund erzählte lustige Dinge von ihm, doch auf einmal fing er zu weinen an. Erst leise, dann stärker, und am Ende schluchzte er. Ich hatte keine Ahnung, weshalb er weinte, und wusste auch nicht, wie ich reagieren sollte. Respektvoll wartete ich einen Moment und ließ ihn weinen.

»Mensch, Babbis, was ist denn los?«, fragte ich schließlich.

»Mein Vater … ich habe ihn verloren. Er ist vor vielen Jahren plötzlich verstorben, und ich Idiot habe versäumt, ihm zu sagen, wie sehr ich ihn liebe. Erst als er nicht mehr da war, hab ich begriffen, was für ein toller Mensch er war.«

Die Welt bleibt nicht stehen,

wenn die Zeit eines Menschen um ist.

Während mein Freund redete, schaute ich ihn an und empfand seinen Schmerz mit ihm. Manches im Leben halten wir für selbstverständlich, auch unsere Eltern. Dabei sind sie es nicht. Eines schönen Tages sind sie nicht mehr da, und wir bleiben zurück mit dem, was wir ihnen schuldig geblieben sind, und mit allem, was wir ihnen sagen wollten und nie gesagt haben. Falls deine Eltern noch leben, dann geh und besuche sie. Heute.

Nimm deine Eltern in den Arm.

Habe keine Angst davor.

Und sage ihnen, wie sehr du sie liebst.

Sie haben so viel für dich getan.

Erst wenn du selbst Kinder hast, wirst du verstehen, wie viel.

Und sie haben keine Gegenleistung dafür verlangt.

Sie wollen nur, dass du sie ebenfalls liebst.

Mehr nicht.

Zeig ihnen deine Liebe.

Sie haben Fehler in bester Absicht gemacht.

Verzeihe sie ihnen.

Auch ihre Eltern haben Fehler gemacht.

Und auch du wirst bei deinen Kindern welche machen.

Und es wird ein Tag kommen – und das wünsche ich dir –, wo auch deine Kinder dich in den Arm nehmen werden.

Um dir zu verzeihen.

Liebe deine Eltern!

So wie du deine Kinder liebst.

Denn wenn es deine Eltern nicht gäbe, gäbe es deine Kinder nicht.

Dann gäbe es dich nämlich nicht.

Die Goldmünzen

Ich lasse anderen fast immer die Vorfahrt. Das gehört zu den kleinen Dingen, die mir große Freude bereiten. Vor dem Supermarkt wollte also ein kleines Auto gerade den Parkplatz verlassen. Ich hielt an. Die Fahrerin brauchte eine, vielleicht zwei Sekunden, um zu verstehen, dass ich sie rausfahren lassen wollte. Sie war um die sechzig, gut gekleidet und hatte einen kurzen, flotten Haarschnitt. Beide Hände lagen auf dem Lenkrad. Neben ihr saß ihre Freundin. Die Fahrerin lächelte mir freundlich zu, legte den Gang ein und fuhr los. Doch das Bemerkenswerte kam erst noch: Kurz bevor sie auf die Hauptstraße einbog, sah sie mich noch einmal vielsagend an. Lächelnd wandte sie mir ihr Gesicht zu und legte alles hinein. Ihr Lächeln hätte nicht ausdrucksstärker sein können. Es war fast schon grenzwertig.

Die Dame war inzwischen weg, aber der Nachklang ihres Lächelns war wie Balsam für meine Seele, auch noch Stunden später. Mit einer solchen Intensität hatte ich nicht gerechnet.

Ein halber Tag verstrich. Irgendwann am frühen Abend stand ich in Vouliagmeni auf der rechten Fahrspur und tippte geistesabwesend etwas in mein Handy. Aus den Augenwinkeln sah ich ein Auto auf dem niedrigen Bürgersteig neben mir stehen, überlegte aber nicht weiter. Als die Ampel auf Grün schaltete, bemerkte ich, dass mich der Fahrer bittend ansah. Obwohl es sehr eng war, wollte er mit seinem kleinen Firmenlieferwagen in die Fahrbahn einbiegen, rechnete aber wohl nicht damit, dass ich ihn vorließ. Er war ein großer, fröhlicher Junge mit einem pausbäckigen Babygesicht – man hätte ihn auf seinem Klassenfoto aus der Grundschule sofort wiedererkannt. Ich ließ ihn vor. Das hatte er nicht erwartet. Ein umwerfendes, kindliches Lächeln erhellte sein Gesicht und auch meines. Er sah mich vielsagend an, so wie wir es früher in der Schule machten, wenn unser Banknachbar uns unter dem Pult die Prüfungslösungen weiterreichte, nachdem wir schon alle Hoffnung aufgegeben hatten. Ein umwerfendes Lächeln. Er winkte sogar noch aus dem Fenster, um sich zu bedanken. Ein paar Meter weiter streckte er den Kopf aus dem Fenster und nickte mir noch einmal nachdrücklich und dankbar zu, als wären gerade die Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden und er hätte bestanden. Da war er wieder, dieser Nachklang. Auch diesmal wurde meine Seele davon berührt, und meine Augen wurden feucht. Als würde der Nachklang beider Lächeln miteinander verschmelzen und sich zu einem einzigen großen vereinen, das sich mit Worten nicht beschreiben lässt und das man eigentlich auch nicht zu beschreiben braucht.

Ich genieße die kleinen Freuden des Lebens.

Sogar unglaublich. Als wären es Goldmünzen.

Ich erkenne ihren Glanz schon von Weitem, bücke mich und hebe sie auf. Eine nach der anderen. Tief in meinem Innern habe ich einen geheimen Tresor. Dort bewahre ich sie auf. Im Lauf der Jahre habe ich schon recht viele gesammelt. Jeden Tag werde ich reicher und glücklicher, und der Goldwert kümmert mich nicht.

Nur mein Gold wird immer mehr wert.

Dein Grundstück

Du hast ein Stück Land bekommen. Niemand war es dir schuldig. Du solltest dich darum kümmern, hieß es. Und jemand brachte dir die Grundlagen bei: Du solltest es pflügen, bewässern, düngen, auflockern, erneuern. Du solltest es ruhen lassen. Du solltest es lieben.

Einige hielten sich an das, was man ihnen gesagt hatte. Aber dann hörten sie auf. Sie dachten, sie wüssten schon alles, und nahmen sich nicht die Zeit, um mehr dazuzulernen.

Andere hörten nicht einmal auf das, was man ihnen gesagt hatte, sondern taten das, was sie für richtig hielten. Sie waren ungeduldig und taten das Gegenteil dessen, was man ihnen gesagt hatte. Aber so sägten sie am eigenen Ast, und ihr Stück Land verdorrte.

Wieder andere beschlossen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Sie wollten es genau wissen, stellten Fragen, lasen Bücher und hörten zu. Und lernten dabei das Wichtigste: dass sie nichts wussten. Da beschlossen sie, lebenslang zu lernen. Ihr Leben veränderte sich, und sie veränderten auch das Leben anderer Menschen. Und aus ihrem Stück Land wurde ein Paradies.

Andere haderten mit dem Schicksal, weil sie kein Grundstück am Meer bekommen hatten, weil es nicht oft genug regnete oder weil jene, die mehr Erfolg hatten, die richtigen Leute kannten. Manche von ihnen versuchten es mit einem anderen System: Den Reichen sollte etwas weggenommen und den Armen gegeben werden. Statt zu beobachten, was die Reichen taten, und es ihnen nachzumachen. Das sind diejenigen, die ihren Nachbarn um seinen Wohlstand beneiden und sich wünschen, sein Stück Land möge verdorren.

Manchen ist es im Winter zu kalt, anderen im Sommer zu warm. Manchen ist es im Sommer zu warm und im Winter zu kalt. Manche wissen nicht, was sie wollen, und manche wollen einfach nicht wollen. Sie meinen, wenn ihnen der Januar nicht passt, bräuchten sie nur das Kalenderblatt abzureißen. Und sie verlangen von anderen, dies auch zu tun. Wehe dem, der das Kalenderblatt nicht abreißt!

Aber der Januar kommt gewiss, so wie alle Monate und alle Jahreszeiten. Es gibt eine Zeit zum Säen und eine Zeit zum Ernten, eine zum Gießen und eine zum Umtopfen. Jede Pflanze hat ihre Eigenheiten. Die eine muss man aussäen, die andere umtopfen. Die eine hat Knollen, die andere ist gepfropft. Halte dich an die Regeln und beschäftige dich mit deinem eigenen Grundstück. Wenn du dich mit dem deines Nachbarn befasst, verdorrt dein eigenes. Deine Aufgabe ist es, das zu vermehren, was du bekommen hast, damit du es besser und größer weitergeben kannst. So funktioniert das Universum. Was nicht wächst, schrumpft und geht schließlich ein. So wie beim Fahrrad: Wenn man nicht damit fährt, fällt es um. Ein guter Bauer hat gelernt, zu warten und Vertrauen zu haben. Aber er hat vor allem gelernt, wie man etwas anbaut.

Doch auch das hat er erst im Lauf der Zeit gelernt, indem er gearbeitet und Fehler gemacht hat. Hab deshalb keine Angst vor Fehlern. Deine Fehler sind deine Erfahrungen. Lerne aus ihnen. Hab eher Angst vor der Angst, Fehler zu machen. Wer Misserfolge vermeidet, vermeidet auch Erfolg. Eine Fußballmannschaft, die spielt, um kein gegnerisches Tor zu kassieren, wird am Ende verlieren. Am Anfang wirst du deine Pflanzen zu stark gießen, du wirst sie zum falschen Zeitpunkt pflanzen und vergessen, sie zurückzuschneiden. Du wirst dein Grundstück auslaugen und es nicht mehr lieben. Du wirst nörgeln. Du wirst es nicht einzäunen. Betrachte es wie eine Leiter: Für jede Sprosse, auf der du nicht stabil stehst, fällst du zwei Sprossen zurück. Wie beim Spiel »Phidaki«.

Pass einfach auf, dass deine Tage nicht träge dahinplätschern und dein Leben nicht nur dahinfließt.

Jeder Tag ist ein Geschenk.

Pack es aus. Wirf es nicht weg.

Hüte dich vor einem bequemen Leben.

Das ist der langsame, sichere Tod.

Liebe deine Probleme.

Die bringen dich weiter.

Freue dich über Entbehrungen.

Stark wird ein Baum nicht von allein.

Je stärker der Wind, desto robuster der Baum.

Starte mit Schwung in den Tag

Entweder du lebst oder du wirst gelebt. Ein bisschen schwanger gibt es nicht. Wenn der Ball übers Netz fliegt, gibt es kein Zurück. Erst recht nicht hier auf der Erde. Du kommst nicht mehr zurück. Aber auf einer Seite des Spielfelds ist Tag und auf der anderen Nacht. Auf der einen Seite stehen Klagen, Nörgeleien, Wut, Hilflosigkeit, Verzweiflung, auf der anderen Freude, Miteinander-Teilen, Selbstwertgefühl, Erfolg und Stärke. Probleme gibt es auf beiden Seiten, und sie werden dich ein Leben lang begleiten. Wenn du keine mehr hast, bist du fertig. Manche Probleme sind wie verrostete, unbenutzte 20-Kilo-Hanteln, die nach Schweiß riechen. Als kämen sie aus einem zweitklassigen Fitnessstudio. Aber es gibt auch andere, die schöne Farben haben und einen Smiley drauf – als würden sie dir zuzwinkern.

Du kannst zwar nicht dein Leben bestimmen, aber deine Gewohnheiten, und die wiederum bestimmen dein Leben. Wenn du es so weit bringen willst wie erfolgreiche Menschen, dann musst du auch das tun, was diese Menschen tun.

Der Kanadier Robin Sharma hat mich wie wenige andere Menschen beeinflusst. Von ihm hörte ich zum ersten Mal, wie wichtig es ist, morgens früh aufzustehen. Steh um fünf Uhr morgens auf, wenn alle anderen noch schlafen und du richtig energiegeladen bist. Starte mit Schwung in den Tag. Wache zusammen mit deinen Träumen, deinen Zielen, deinen Fitnessübungen auf. Wache zusammen mit dem Leben auf. Plane es Tag für Tag, als wärst du der bedeutendste Mensch der Welt. Für dich bist du das nämlich auch.

Die wichtigste Botschaft ist aber die, die du dir selbst schickst. Wenn du den Kampf gegen das Bett gewonnen hast, zeigst du damit, dass du dein Leben bestimmst. Die Botschaft ist so laut, dass auch dein anderes Ich sie hört, die Couch-Potato, der Faulenzer, der Bequeme. Der findet, dass du noch ein bisschen Schlaf verdient hast, und sagt: »Was willst du denn draußen in der Eiseskälte?« Der sagt, du sollst deine Träume noch ein bisschen aufschieben, bis wir aus der Krise raus sind. Der es sich gemütlich gemacht hat und wie eine träge Katze schnurrend am Kamin sitzt. Das eine Selbst steht auf der einen Seite des Spielfelds, das andere Selbst auf der anderen. Befreie dich von diesem anderen Selbst, jenem, das deine Träume im Keim erstickt, bevor sie überhaupt Wurzeln schlagen können. Dieses Selbst stiehlt dir dein Leben, bevor es erblühen kann. Es ist ein langsamer Tod. Befreie dich davon.

Wach auf und entscheide du, in welcher Mannschaft du spielen willst.

Früh aufstehen ist der Anpfiff für das Spiel des Lebens.

Der Anpfiff muss so laut sein, dass die ganze Welt dich hört.

»Kaugummi?«

Zweimal im Jahr gehe ich zu ihm. Er ist mein Anwalt und hat sich auf Konkursfälle spezialisiert. Deshalb tauchen hin und wieder schräge Gestalten in seiner Kanzlei auf. Das sind nicht immer die anständigsten Typen. An jenem Tag war ich pünktlich. Makis hat immer viel zu tun, und man muss im Wartezimmer warten. So wie beim Zahnarzt. Ein Typ kam rein und setzte sich neben mich. Ich beachtete ihn nicht, sondern warf ihm nur einen flüchtigen Blick aus den Augenwinkeln zu. Kinnbart, Lächeln, freundliches Aussehen, ein netter Mensch.

Die Sekretärin fragte uns, ob wir etwas Wasser wollten. Ich sagte Nein, der andere Ja. Da überlegte ich es mir noch mal. Ich lächelte ihm zu, irgendetwas zwischen Freundlichkeit und Verlegenheit. Er erwiderte mein Lächeln, und langsam schmolz das Eis. Kurz darauf steckte er die Hand in seine Tasche und sah dann zu mir.

»Kaugummi?«

»Nein, danke«, erwiderte ich reflexartig.

Dann bat der »Zahnarzt« mich herein, und ich verlor den anderen aus den Augen.

Das Gespräch verlief gut.

Später fiel mir die Sache mit dem Kaugummi wieder ein. Sie verlieh dem Tag seine eigene Qualität, wie ein Sonnenstrahl, der sich durch die Wolkendecke schiebt.

Ist doch bedeutungslos, wirst du sagen.

Mit anderen Menschen etwas teilen ist nie bedeutungslos. Es ist immer etwas ganz Besonderes, etwas Heiliges.

Teilen ist gelebte Liebe. Es hat eine heilende Wirkung, besonders für den, der etwas hergibt. Was du gibst, ist nicht so wichtig. Egal ob ein Auto oder ein Buch, die Freude ist dieselbe.

Entweder teilst du mit anderen oder nicht. Es gibt keine Grauzone. Es ist entweder Schwarz oder Weiß. Entweder kannst du Ball spielen oder nicht. Das Gute daran ist, dass du es jederzeit lernen kannst. Und wenn du lernst zu teilen, kannst du gar nicht mehr anders leben. Es wird zu einer Gewohnheit. Wie der Alkohol. Wenn man ihn dir wegnimmt, stirbst du.

Du wirst nie erfahren, wie dein Tag, deine Woche und letztlich dein Leben verlaufen wird, wenn du dieses eine Wörtchen »Danke« nicht sagst. Wenn du nicht für einen Fußgänger anhältst und einem Fremden kein Lächeln schenkst. Was die andere Person damit macht, ist ihre Angelegenheit. Bleib du bei deinen Angelegenheiten. Was du dabei gewinnst, ist magisch. Teilen wird dein Leben verändern. Du wirst schöner, fühlst dich wohler und blühst auf. Auf einmal wirst du alles haben, was du begehrt hast.

Johannes der Täufer hat gesagt: »Wer zwei Gewänder hat, der gebe dem, der keines hat.« Merk dir das. Du musst selbst etwas haben, um etwas geben zu können. Sorge dafür, dass du etwas hast. Zuerst musst du deine Autobatterie aufladen, bevor du jemand anderem Starthilfe geben kannst. Sonst kommt ihr beide nicht vom Fleck.

Sein Name war Joey Dunlop. Er kam aus Nordirland und wurde fünfmal Formel-1-Weltmeister im Motorradfahren. Alle verehrten diesen Nationalhelden – nicht wegen seiner Goldmedaillen, sondern weil er ein goldenes Herz hatte. Dieser Mensch gab seinen ganzen Besitz an arme Kinder. Er kaufte Nahrungsmittel für sie, lud diese, wenn keiner hinsah, auf seinen Anhänger und fuhr damit nach Rumänien zu den Waisenhäusern.

Mit 48 Jahren kam er bei einem Unfall ums Leben. An jenem Tag unterbrachen 50000 Menschen das, womit sie gerade beschäftigt waren, um sich von ihm zu verabschieden. Zu seiner Beerdigung kamen 50000 Menschen, um sich vor diesem großartigen Menschen zu verneigen und sein Leben zu preisen.

Für eine Stunde solch eines Lebens würde ich ohne Zögern hundert Jahre eines anderen, bedeutungslosen Lebens eintauschen. Schau deinen Kaugummi nicht nur an, mein Freund, sondern teile ihn.

Aus diesem Grund bist du hier.

Deine Ziele sind dein Leben

Navigieren war noch nie meine Stärke. Ich verfahre mich leicht. Doch seit einiger Zeit habe ich ein GPS auf dem Handy. Bevor ich losfahre, weiß ich, wo ich hinwill. Ich kenne meinen Zielort. Wenn ich nicht weiß, wie ich dort hinkomme, schalte ich das GPS ein. Manchmal schalte ich es auch ein, obwohl ich den Weg kenne. Oft schlägt es mir eine bessere Strecke vor. Und auf diese Weise lerne ich etwas dazu.

Die meisten Menschen haben ihren Zielort nicht festgelegt. Sie haben keine Ziele. Viele meinen, sie hätten welche, aber sie haben keine. Ein Redner fragte die Anwesenden im Publikum, welche Ziele sie hätten. Einer stand auf und sagte, er wolle Geld verdienen. Der Redner gab ihm einen Dollar. »Und, zufrieden?«, fragte er den Mann lächelnd. Dein Ziel muss ganz konkret und messbar sein, zum Beispiel »In einem Jahr wiege ich 71 Kilo«, »Einmal die Woche machen wir einen Familienausflug«, »In zwei Jahren verdiene ich 5000 Euro im Monat«, »Ich lasse jeden April einen Gesundheitscheck beim Arzt machen« und so weiter.

Im Jahr 1979 untersuchte die Harvard University in einer Studie, wie viele ihrer Studenten sich Ziele gesetzt und diese schriftlich festgehalten hatten. Wie sich herausstellte, waren es nur 3 Prozent, während 97 Prozent keine Ziele hatten oder ihre Ziele nicht aufgeschrieben hatten. Dreißig Jahre später machte man sie wieder ausfindig, um zu erfahren, was sie erreicht hatten. Nun, die 3 Prozent, die ihre Ziele auch schriftlich festgehalten hatten, hatten in finanzieller Hinsicht so viel erreicht wie die übrigen 97 Prozent zusammengenommen.

Ja, je konkreter du deine Zukunft planst, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie so und nicht anders eintreffen wird. Ziele bringen die Zukunft in die Gegenwart, sie machen das Unsichtbare sichtbar.

Wir planen unsere Ferien besser als unser Leben. Unser Leben überlassen wir dem Zufall und leben ziellos dahin. Es kann nur den Koordinaten folgen, die wir vorher eingegeben haben. Und irgendwann ist es kurz vor zwölf, und du sagst, das Leben habe dich ungerecht behandelt. Du hast das Leben ungerecht behandelt und dich selbst obendrein. Unsere Ferien organisieren wir bis ins letzte Detail: bei welchem Reiseveranstalter wir buchen, mit welcher Airline wir fliegen, welches Hotel wir nehmen, welche Sehenswürdigkeiten wir besichtigen. Du behandelst dein armes Leben wie ein ungemachtes Bett. Jeden Morgen ärgerst du dich, wenn du es anschaust. Aber trotzdem machst du dein Bett nicht, und von allein macht sich dieses verflixte Bett auch nicht.

Alle erfolgreichen Menschen hatten Ziele, und zwar richtig große. Sie wollten die Welt verändern und wussten genau, was sie erreichen wollten. Und sie haben es erreicht. Gleich zu Beginn legten sie die Koordinaten fest und machten sich an die Arbeit. Ihre Vision war in ihren Köpfen und ihrer Seele so lebendig, dass sie für sie schon Wirklichkeit geworden war, lange bevor auch andere sie sahen. Denk nur an Mahatma Gandhi, Nelson Mandela, Thomas Alva Edison, Martin Luther King, Rosa Parks, John F. Kennedy, Walt Disney, Helen Keller und Steve Jobs.

Ihre Vision war ihr Kompass, ihr Leben. Lieber wären sie gestorben, als sich ihre Vision rauben zu lassen.

Helen Keller wurde einmal gefragt, wie das Leben als blinder Mensch sei. Darauf gab sie zur Antwort:

»Es gibt etwas viel Schlimmeres, als blind zu sein,

und das ist, keine Vision zu haben.«

Cruella de Vil

Sonntagabend. Es gelingt mir, noch vor Ende der Woche schnell ein letztes Mal joggen zu gehen. Es ist acht Uhr abends, und als ich anschließend nach Hause fahre, halte ich noch kurz bei einem Café im Athener Stadtteil Glifada an, um mir eine Flasche eisgekühltes Wasser zu kaufen. Ich parke in zweiter Reihe. Der Tresen ist gut zu sehen, nur wenige Meter von meinem Auto entfernt. Zugegeben, ich habe nicht gerade gesetzeskonform geparkt, aber dafür werde ich nicht gleich lebenslänglich bekommen.