Komplett Gänsehaut

Cover

Inhaltsverzeichnis

Do not complain

Work harder

Spend more time alone

Joan Didion

Also: Ich halte es für überbewertet, mit siebenundzwanzig zu sterben. Ich denke, Jimi Hendrix und Janis Joplin haben da wirklich einen Fehler gemacht. Mit siebenundzwanzig fängt alles erst an, die ganze Jugend ergibt erst Sinn, wenn man lang genug durchhält, um sie hinter sich gebracht zu haben. Im Nachhinein von allem erzählen, das ist doch das eigentlich Geile. Dann ist alles nur noch Anekdote und Nostalgie und nicht Weltschmerz und Anstrengung.

Jimi Hendrix hatte einen Lebenstraum, er wollte eine Art universelle Sprache der Musik erfinden. Er ist gestorben, bevor er sich diesen Traum erfüllen konnte. Er ist gestorben, bevor er erkennen konnte, dass diese Idee vor allem keck klingt, aber nicht umsetzbar ist, so wie luxuriöses Camping oder deutscher Antifaschismus. Jimi Hendrix ist mit siebenundzwanzig Jahren gestorben, herrje, natürlich blieb sein Lebenstraum unerfüllt, er hat es vermutlich nicht mal geschafft, einmal im Leben ordentlich seine Steuererklärung zu machen und festzustellen, dass es eine finanzielle Verlustrechnung ist, eine Gitarre pro Konzert zu verbrennen. Janis Joplin hat bis heute eine

 

Erwachsene Menschen reden über ihre Jugend, als sei es dieses schillernde Ding gewesen, als wäre danach nichts Tolleres gekommen, Dir steht die ganze Welt offen, sagen sie, und das stimmt natürlich, aber es ist eben auch wahr, dass kein Mensch, der einigermaßen alle Gefühle beieinander hat, ernsthaft möchte, dass ihm die ganze Welt offensteht. Das scheinen Erwachsene zu vergessen, diese Hektik, diesen Stress, denn die scheiß Welt steht ja nicht einfach offen, sie drängt sich auf, später erzählt ist das sicher aufregend, wenn es gerade passiert, aber einfach nur irre anstrengend. Um irgendwann einer von den Erwachsenen werden zu können, der nostalgisch verklärt, wie Jungsein war, muss man Jungsein erst mal hassen und anfangen, die Welt zu zwingen, endlich nicht mehr offenzustehen, halt dein Maul, Welt, lass mich in Ruhe Döner essen, und dann sortiert man Stück für Stück die Sachen aus, die man nicht haben will, so lange, bis nur das bleibt, was man vielleicht nicht braucht, dessen Existenz man

 

Wäre das hier eine gute Geschichte, würde all dieser Kram passieren, der im echten Leben immer höchstens fast passiert. Ich würde immer mal wieder rauchend an Bars stehen, dabei sehr jung aussehen, bestimmt würde auch an Seen gestanden und auf Bürgersteigen gesessen, an irgendeinem Punkt würde ich mit einer halben Flasche Grauburgunder durch meinen komplett bescheuerten Stadtteil laufen, die

Es wäre alles deutlich einfacher, wenn die Geschichten, die junge Leute angeblich erleben, nicht immer so irre einfühlsam wären, so voller Erkenntnis in Elternhäusern und Liebeskummer auf Autobahnen, Großwerden ist meistens langweilig, oft stößt man sich an Tischkanten oder steht im Supermarkt und weiß nicht, ob es sich wirklich lohnt, den teuren Risottoreis zu kaufen, oder ob es nicht doch niemand merkt, wenn man wie immer Milchreis nimmt. Währenddessen fühlt man sich kein bisschen so, wie Jugend in Filmen immer aussieht, man denkt auch daran, dass die einzige Gewissheit, die man hat, die ist, dass die Leben von den Leuten, die so irre spannend im Internet aussehen, die nämlich, die Fotos posten von sich vor geschlossenen Bars, man weiß, dass deren Leben langweiliger und dümmer und vor allem ungeputzter sind als das eigene. Man weiß das. Und trotzdem bleibt an der Supermarktkasse dann so ein furchtbarer Restzweifel an sich selbst, genährt durch die Erkenntnis, dass die anderen Leute sich am Ende für den echten Risottoreis entschieden haben und einfach zu jeder Tageszeit elegante Menschen sind, selbst wenn niemand zuguckt. Wenn man