Michael A. Singer will zu sich selbst finden. Also gibt er eine vielversprechende Wirtschaftskarriere auf, reist durch die Wildnis Mexikos, lebt als Einsiedler im Wald und übt sich in Askese wie ein Yogi – doch die ersehnte spirituelle Erleuchtung bleibt aus. Erst als er sich wieder den Menschen öffnet und lernt, sich dem Leben hinzugeben, empfindet er es als vollkommen. Singer beginnt, an einem College zu lehren, gründet eine Firma – und ist heute CEO eines milliardenschweren IT-Unternehmens.
Der Weg zum wahren Glück
Aus dem Amerikanischen
von
Stephan Schuhmacher
Ullstein
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www.ullstein.de
ISBN 978-3-8437-2458-6
Bei diesem Buch handelt es sich um die inhaltlich identische Neuausgabe
von «Das Experiment Hingabe»
Neuausgabe im Ullstein Taschenbuch
Ullstein Taschenbuch ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.
1. Auflage Januar 2021
© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019
© der Originalausgabe by Michael A. Singer, 2015
Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel The Surrender Experiment
bei Harmony Books, einem Imprint von Crown Publishing Group, einer
Division von Penguin Random House LLC.
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Titelabbildung: © Douglas Robichaud/stocksy images
Lektorat: Martin Frischknecht
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Den Meistern gewidmet
In Wirklichkeit ist das Leben selbst der Autor dieses Buches. Das Leben hat einen Fluss von Ereignissen manifestiert, die dermaßen machtvoll und faszinierend waren, dass sie erzählt werden müssen. Doch das Leben brauchte mich, um sie zu Papier zu bringen, damit man sich an ihre Großartigkeit erinnert. Um dies zu erreichen, sandte es mir genau die richtigen Menschen im richtigen Moment, damit dieses Buch zustande kam.
Mit Demut und mit von Herzen kommendem Dank lasse ich Sie wissen, was für eine phänomenale Arbeit meine Produktleiterin Karen Entner bei diesem Projekt geleistet hat. Ihr unermüdlicher und selbstloser Einsatz brachte eine Atmosphäre der Hingabe und Perfektion, wie sie in dieser Welt nur selten zu finden ist, in dieses Werk ein.
Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, meinem Lektor Gary Jansen von Crown Publishing für seine harte Arbeit und die hervorragenden Vorschläge, die er eingebracht hat, zu danken. Wie zu erwarten war, stellte das Leben den in jeder Hinsicht perfekten Lektor zur Verfügung, der mich darin unterstützte, dieser Großartigkeit Ausdruck zu verleihen.
Viele Menschen haben dieses Buch in einem frühen Stadium gelesen, und sie alle verdienen Dank. Hervorheben möchte ich James O’Dea, Ursula Harlos und Stephanie Davis, die in der Anfangsphase des Schreibens detaillierte Vorschläge zu einer Fassung nach der anderen gemacht haben.
Und nicht zuletzt möchte ich Ihnen, den Lesern, dafür danken, dass Sie das Interesse und die Zeit aufbringen, über dieses außerordentliche Experiment zu lesen. Mögen wir alle lernen, unser Leben in diesem wundervollen Universum zu schätzen – Tag für Tag ein wenig mehr.
In 12000 Meter Höhe allein in einem sechssitzigen Privatjet zu sitzen, hat etwas ausgesprochen Friedliches. Ich verfiel in Meditation und mein Geist wurde sehr still. Als ich die Augen öffnete, ließ ich den unglaublichen Unterschied in der Umgebung zwischen diesem Moment und jener Zeit, da ich mich das erste Mal in die Wälder zurückgezogen hatte, um allein zu sein und zu meditieren, auf mich wirken. Obwohl ich immer noch in denselben Wäldern lebte, war an meinem einsamen Wohnort inzwischen eine blühende Yoga-Gemeinschaft entstanden, und ich war zum Generaldirektor einer Aktiengesellschaft geworden, die das Leben auf wundervolle Weise um mich herum manifestiert hatte. Es war mir jetzt vollkommen klar, dass all diese unterschiedlichen Lebenserfahrungen – wozu auch gehörte, ein Unternehmen auf diesem Niveau zu führen – ebenso viel zu meiner spirituellen Befreiung beitrugen wie meine Jahre einsamer Meditation. So wie Herkules zwei Flüsse nutzte, um die Ställe des Augias zu säubern, so war die machtvolle Strömung des Lebens dabei, das, was noch von mir übrig war, wegzuspülen. Ich fuhr einfach fort, loszulassen und mich in Widerstandslosigkeit zu üben, ob ich das, was geschah, nun mochte oder nicht. In dieser Geistesverfassung war ich auf dem Weg nach Texas, um eine milliardenschwere Fusion zu verhandeln, die ein machtvoller Generaldirektor, dem ich bisher noch nicht einmal begegnet war, mir angeboten hatte.
– Meine Betrachtungen, Mai 1999
Das Leben entfaltet sich selten genau so, wie wir uns das wünschen. Und wenn wir einmal innehalten und darüber nachdenken, ist das auch überaus sinnvoll. Der Rahmen des Lebens ist universell, und es versteht sich von selbst, dass wir nicht wirklich die Kontrolle über die Ereignisse des Lebens haben. Das Universum existiert bereits seit 13,8 Milliarden Jahren, und die Prozesse, die den Fluss des Lebens um uns herum bestimmen, begannen nicht, als wir geboren wurden, und sie werden auch nicht enden, wenn wir sterben. Was sich in jedem einzelnen Moment vor uns manifestiert, ist tatsächlich etwas ganz und gar Außergewöhnliches – es ist das Endresultat all der Kräfte, die seit Milliarden von Jahren miteinander interagieren . Wir sind auch nicht für den kleinsten Bruchteil dessen, was sich um uns herum entfaltet, verantwortlich. Dennoch laufen wir herum und versuchen unablässig, das zu kontrollieren und festzulegen, was in unserem Leben geschieht. Kein Wunder, dass es so viel Spannung, Angst und Furcht gibt. Jeder von uns glaubt tatsächlich, die Dinge müssten so sein, wie wir sie uns wünschen, und sie sollten nicht das natürliche Resultat aller Kräfte der Schöpfung sein.
Tag für Tag geben wir den Gedanken unseres Geistes den Vorzug vor der Realität, die sich vor unseren Augen entfaltet. Wir sagen immer wieder Dinge wie «Es sollte heute besser nicht regnen, denn ich will einen Campingausflug machen» oder «Ich sollte unbedingt die Gehaltserhöhung bekommen, denn ich brauche wirklich dieses Geld». Beachten Sie, dass all diese kühnen Forderungen in Hinsicht auf das, was geschehen oder nicht geschehen sollte, nicht auf wissenschaftlichen Belegen basieren, sondern einzig auf persönlichen Vorlieben, die wir uns in unserem Geist zurechtgelegt haben. Ohne uns dessen bewusst zu werden, tun wir dies mit allen Dingen in unserem Leben – es ist so, als glaubten wir tatsächlich, die Welt um uns herum müsse sich in Übereinstimmung mit unseren eigenen Wünschen und Abneigungen manifestieren. Geschieht dies nicht, dann läuft bestimmt etwas schief. Es ist äußerst schwierig, auf diese Weise zu leben, und das ist die Ursache für unser Gefühl, ständig mit dem Leben kämpfen zu müssen.
Es ist allerdings auch wahr, dass wir den Ereignissen gegenüber, die sich um uns herum entfalten, nicht völlig machtlos sind. Wir sind mit Willenskraft begabt. Tief aus unserem Inneren heraus können wir bestimmen, wie wir etwas haben wollen, und wir können die Kräfte unseres Geistes, unseres Herzens und Körpers in dem Versuch nutzen, uns die Außenwelt gefügig zu machen. Doch das führt zu einem unablässigen Kampf zwischen dem, was wir wollen, und den Umständen, wie sie sich frei von unserer Einmischung entwickeln würden. Dieser Kampf zwischen unserem individuellen Willen und der Realität des Lebens, die sich um uns herum entfaltet, verzehrt letztlich unser Leben. Gewinnen wir den Kampf, dann sind wir glücklich und entspannt; gewinnen wir ihn nicht, sind wir verstört und gestresst. Da sich die meisten von uns nur dann gut fühlen, wenn alles nach ihrem Willen läuft, versuchen wir ständig, unser gesamtes Leben zu kontrollieren.
Es stellt sich die Frage, ob dies so sein muss. So vieles weist darauf hin, dass das Leben auch ohne unsere Einmischung gut funktioniert. Die Planeten bleiben auf ihrer Umlaufbahn, winzige Samen wachsen zu riesigen Bäumen heran, die entsprechenden klimatischen Bedingungen haben die Wälder auf dem ganzen Globus seit Millionen von Jahren mit Wasser versorgt, und eine einzige befruchtete Zelle wächst zu einem wunderschönen Baby heran. Nichts von diesen Dingen wird als bewusster willentlicher Akt von uns geleistet; sie kommen alle durch die unbegreifliche Vollkommenheit des Lebens selbst zustande. All diese erstaunlichen Ereignisse und zahllose mehr werden von den Kräften des Lebens herbeigeführt, die bereits seit Milliarden von Jahren existieren – und es sind diese Kräfte des Lebens, denen wir uns Tag für Tag ganz bewusst mit unserem Willen entgegenstellen. Wenn die natürliche Entfaltung des Lebensprozesses das gesamte Universum erschaffen und für es sorgen kann, ist es dann wirklich vernünftig, dass wir annehmen, es könne nichts Gutes geschehen, ohne dass wir es herbeizwingen? Das vorliegende Buch ist der Erkundung dieser faszinierenden Frage gewidmet.
Könnte es denn eine wichtigere Frage geben? Wenn das Leben von sich aus das DNS-Molekül zu manifestieren vermag,und nicht ganz nebenbei auch das menschliche Gehirn, wieso haben wir dann das Gefühl, dass wir unsererseits alles unter Kontrolle haben müssen? Es muss doch eine andere, vernünftigere Herangehensweise an das Leben geben. Was würde zum Beispiel geschehen, wenn wir den Fluss des Lebens respektieren und unseren freien Willen dazu benutzen würden, zu dem, was sich entfaltet, beizutragen, statt dagegen anzukämpfen? Welche Art von Lebensqualität würde sich dann entfalten? Käme es nur zu zufälligen Ereignissen ohne Ordnung oder Sinn, oder würde sich dieselbe vollkommene Ordnung und Sinnhaftigkeit, die sich im Rest des Universums manifestiert, auch im Alltagsleben um uns herum entfalten?
Diese Frage ist die Grundlage eines erstaunlichen Experiments. Im Kern des Experiments steht eine einfache Frage: Bin ich besser dran, wenn ich mir in meinem Geist eine andere Wirklichkeit ausmale und dann mit der Wirklichkeit ringe, um sie meinen Vorstellungen anzupassen, oder geht es mir besser, wenn ich loslasse, was ich mir wünsche, und den Kräften der Wirklichkeit diene, die in der Lage waren, die ganze Vollkommenheit des Universums um mich herum zu schaffen? Das Experiment bestünde nicht darin, sich aus dem Leben zurückzuziehen, sondern darin, sich in das Leben hineinzustürzen, es so zu leben, dass wir nicht mehr von unseren persönlichen Ängsten und Begierden kontrolliert werden. Da mir keine bessere Bezeichnung einfiel, habe ich dies das «Experiment Hingabe» genannt, und ich habe die vergangenen vierzig Jahre meines Lebens darauf verwandt, mit anzusehen, wohin der Fluss der Ereignisse des Lebens mich ganz von selbst trägt. Was im Lauf dieser vier Jahrzehnte mit mir geschah, ist geradezu sagenhaft. Die Dinge sind nicht nur nicht auseinandergefallen, es geschah das genaue Gegenteil. Indem ein Ereignis ganz natürlich auf das andere folgte, nahm mich der Fluss des Lebens mit auf eine Reise, wie ich sie mir vorher nicht hätte vorstellen können. In diesem Buch erzähle ich von dieser Reise, sodass Sie erfahren können, was geschieht, wenn jemand es wagt, loszulassen und auf den Fluss des Lebens zu vertrauen.
Ich möchte allerdings von vornherein klarstellen, dass diese Art von Hingabe nicht bedeutet, sein Leben zu leben, ohne den Willen zur Geltung zu bringen. Meine Geschichte dieser vierzig Jahre ist einfach die Geschichte dessen, was geschah, während die Äußerungen meines Willens von dem gelenkt wurden, was das Leben tat, und nicht von dem, was es meiner Meinung nach hätte tun sollen. Meine persönliche Erfahrung hat gezeigt, dass es zu eindrucksvollen Resultaten führen kann, wenn man seinen eigenen Willen mit den natürlichen Kräften, die sich um uns herum entfalten, in Einklang bringt.
Die einzig effektive Weise, die Resultate dieses großen Experiments mit Ihnen zu teilen, besteht darin, Sie sehen zu lassen, wie ich in diese Lebensweise hineingezogen wurde, und Ihnen dann zu erlauben, diese Reise so zu erfahren, wie ich sie erfahren habe. In diesem Buch werden Sie einer Reihe von Lebenserfahrungen begegnen, die sich sehr wahrscheinlich sehr stark von Ihren eigenen unterscheiden. Ich berichte Ihnen nur deshalb davon, weil wir Menschenwesen die außerordentliche Fähigkeit besitzen, von den Erfahrungen anderer zu lernen. Sie müssen nicht so leben, wie ich gelebt habe, um sich von dem beeindrucken zu lassen, was mir widerfahren ist. Die unerwarteten Ereignisse, die sich vor mir entfaltet haben, haben nicht nur mein gesamtes Leben verändert, sie haben auch meine gesamte Anschauung des Lebens verändert und mir ein Gefühl tiefen inneren Friedens beschert. Ich berichte Ihnen von meinem Hingabeexperiment in der Hoffnung, Sie dazu zu ermutigen, zu einer friedlicheren und harmonischeren Lebensweise zu finden und die erstaunliche Vollkommenheit, die sich um uns herum entfaltet, tiefer zu schätzen.
Mein Taufname ist Michael Alan Singer. So weit meine Erinnerung zurückreicht, wurde ich von allen Mickey genannt. Ich wurde am 6. Mai 1947 geboren und habe bis zum Winter 1970 ein ziemlich gewöhnliches Leben geführt. Dann widerfuhr mir etwas, das so tiefgreifend war, dass es die Ausrichtung meines Lebens für immer veränderte.
Lebensverändernde Ereignisse können sehr dramatisch und ihrer Natur nach sehr verstörend sein. Dein ganzes Leben ist körperlich, emotional und mental auf eine bestimmte Richtung eingestellt, und dieser Ausrichtung wohnt die gesamte Schwungkraft deiner Vergangenheit und all deiner Träume für die Zukunft inne. Und dann kommt es mit einem Mal zu einem schweren Erdbeben, einer schrecklichen Krankheit oder einer zufälligen Begegnung, die dir total den Teppich unter den Füßen wegzieht. Ist dieses Ereignis einschneidend genug, um das Hauptaugenmerk deines Herzens und deines Geistes zu verändern, dann wird der Rest deines Lebens sich mit der Zeit ebenfalls verändern. Du bist nach dem lebensverändernden Ereignis buchstäblich nicht mehr dieselbe Person wie vorher. Deine Interessen verändern sich, deine Ziele verändern sich, ja tatsächlich verändern sich Sinn und Zweck deines ganzen Lebens. Es braucht gewöhnlich ein sehr drastisches Ereignis, um dir den Kopf so weit zu verdrehen, dass du niemals mehr zurückblickst.
Jedoch nicht immer.
In jenem Winter 1970 geschah mir nichts dermaßen Dramatisches. Was passierte, war so subtil, so zart, dass es leicht unbemerkt hätte vorübergehen können. Mein Leben wurde nicht mit einem Schrei, sondern mit einem Flüstern in äußersten Aufruhr und in eine tiefe Transformation gestürzt. Seit jenem lebensverändernden Moment sind inzwischen mehr als vierzig Jahre vergangen, aber ich erinnere mich noch daran, als sei es gestern gewesen.
Ich saß auf der Couch im Wohnzimmer bei mir zu Hause in Gainesville, Florida. Ich war zweiundzwanzig Jahre alt und damals verheiratet mit einer wunderschönen Seele namens Shelly. Wir studierten beide an der Universität von Florida, wo ich auf meinen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften hinarbeitete. Ich war ein sehr aufgeweckter Student und wurde vom Vorsitzenden der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät als College-Professor aufgebaut. Shelly hatte einen Bruder namens Ronnie, der in Chicago lebte und ein sehr erfolgreicher Rechtsanwalt war. Obwohl wir beide aus total unterschiedlichen Welten kamen, wurden Ronnie und ich enge Freunde. Er war ein einflussreicher, vom Streben nach Reichtum angetriebener Großstadtanwalt, ich war ein von den Sechzigerjahren geprägter intellektuell veranlagter Hippie. Es ist durchaus erwähnenswert, wie analytisch ich zu jener Zeit ausgerichtet war. Ich hatte auf dem College niemals irgendwelche Kurse in Philosophie, Psychologie oder Religion belegt, sondern hatte mich in meiner Ausbildung mit symbolischer Logik, höherer Mathematik und theoretischer Statistik beschäftigt. Dies lässt das, was mir geschah, noch erstaunlicher erscheinen.
Ronnie kam gelegentlich zu Besuch, und wir hingen einfach zusammen herum. So saßen wir an jenem schicksalshaften Tag im Jahre 1970 zusammen auf der Couch. Ich erinnere mich nicht mehr genau, worüber wir gerade sprachen, doch in unserer entspannten Unterhaltung war es zu einer Pause gekommen. Ich bemerkte, dass mir die Stille irgendwie unangenehm war und dass ich nach etwas suchte, was ich als Nächstes hätte sagen können. Ich hatte mich zuvor schon häufig in ähnlichen Situationen befunden, aber es war etwas völlig anderes an dieser Erfahrung. Statt mich einfach nur unwohl zu fühlen und nach etwas zu suchen, was ich sagen könnte, fiel mir auf, dass ich mich unwohl fühlte und nach etwas suchte, was ich sagen könnte. Zum ersten Mal in meinem Leben waren meine Gedanken und Emotionen etwas, das ich beobachtete, statt es zu sein.
Ich weiß, dass dies schwer in Worte zu fassen ist, aber da war ein Gefühl der totalen Trennung zwischen meinem beunruhigten Geist, der alle möglichen Themen, über die man sprechen könnte, vorschlug, und mir, nämlich demjenigen, der sich einfach dessen bewusst war, dass mein Geist dies tat. Es war so, als sei ich plötzlich in der Lage, außerhalb meines Geistes zu stehen und ruhig zu beobachten, wie er Gedanken erzeugte. Ob Sie es glauben oder nicht, diese subtile Verlagerung des Standpunktes meiner Bewusstheit entfachte einen Wirbelsturm, der mein ganzes Leben auf den Kopf stellen sollte.
Für einige Momente saß ich einfach nur da und beobachtete innerlich, wie ich versuchte, das unangenehme Schweigen zu «beheben». Aber ich war nicht derjenige, der es zu beheben versuchte – ich war derjenige, der ganz ruhig die Aktivität meines Geistes beobachtete, welcher versuchte, es zu beheben. Zuerst war die Trennung zwischen mir und dem, was ich beobachtete, noch recht geringfügig. Aber mit jeder Sekunde wurde die Trennung immer stärker. Ich selbst tat nichts, um diese Verlagerung voranzutreiben. Ich war einfach nur da und nahm zur Kenntnis, dass meine Ichempfindung die neurotischen Gedankenmuster, die vor mir abliefen, nicht mehr umfasste.
Dieser gesamte Prozess der «Bewusstwerdung» vollzog sich fast augenblicklich. Es war so, als starre man eines dieser Poster an, in denen sich ein Bild verbirgt. Zuerst scheint da einfach nur ein Kreis mit chaotischen Linienmustern zu sein, und dann taucht aus dem vermeintlichen Chaos plötzlich ein 3-D-Bild auf. Sobald man das dreidimensionale Bild erst einmal sieht, kann man sich nicht mehr vorstellen, wie man es zuvor nicht hatte sehen können. Man hatte es doch genau vor Augen! Genauso war es mit dem Umschalten, zu dem es in mir kam. Es war so offensichtlich – ich war da und beobachtete meine Gedanken und Gefühle. Ich war schon immer dort gewesen und hatte sie beobachtet, aber ich war zu unbewusst gewesen, um das zu bemerken. Es war so, als sei ich von den Details meiner Gedanken und Emotionen dermaßen eingenommen gewesen, dass ich sie nicht als bloße Gedanken und Emotionen hatte erkennen können.
Innerhalb von Sekunden hörte sich das, was ich zuvor für wichtige Lösungen zum Durchbrechen des unangenehmen Schweigens gehalten hatte, an wie eine neurotische Stimme, die innerhalb meines Kopfes redete. Ich beobachtete, wie diese Stimme verschiedene Dinge, die sie sagen könnte, ausprobierte:
Das Wetter war einfach toll, nicht wahr?
Hast du mitbekommen, was Nixon kürzlich gesagt hat?
Sollen wir uns etwas zu essen holen?
Als ich dann endlich den Mund öffnete, um etwas zu sagen, war es das Folgende:
«Ist dir jemals aufgefallen, dass es da diese Stimme gibt, die in deinem Kopf redet?»
Ronnie sah mich zuerst etwas befremdet an, aber dann leuchtete etwas in seinen Augen auf, und er sagte: «Ja, ich weiß, was du meinst – meine Stimme hält nie den Schnabel!» Ich erinnere mich noch genau, dass ich ihn scherzend fragte, wie es wohl sein würde, wenn er die Stimme eines anderen da drinnen reden hörte. Wir lachten und das Leben ging weiter.
Jedoch nicht mein Leben. Mein Leben ging nicht «einfach weiter». In meinem Leben sollte nichts mehr so sein wie zuvor. Ich musste nicht versuchen, diese Bewusstheit aufrechtzuerhalten. Sie war das, was ich jetzt war. Ich war das Wesen, das den unablässigen Fluss von Gedanken, die durch meinen Geist zogen, beobachtete. Von demselben Sitz der Bewusstheit aus beobachtete ich den sich ständig verändernden Strom von Emotionen, die durch mein Herz zogen. Wenn ich duschte, sah ich, was diese Stimme zu sagen hatte, während ich mich einseifte. Wenn ich mit jemand anderem sprach, beobachtete ich, wie diese Stimme sich überlegte, was sie als Nächstes sagen sollte – statt auf das zu hören, was die andere Person zu sagen hatte. Wenn ich in den Unterricht ging, beobachtete ich meinen Geist bei dem Spiel, dem Gedankengang des Professors vorauszueilen, um herauszufinden, worauf sein Vortrag hinauslaufen würde. Ich brauche wohl kaum zu betonen, dass es nicht lange dauerte, bis diese neu gefundene Stimme in meinem Kopf begann, mir wirklich auf die Nerven zu gehen. Es war, als säße ich im Kino neben jemandem, der einfach nicht aufhören will zu quasseln.
Während ich diese Stimme beobachtete, wollte etwas tief in meinem Inneren sie einfach nur zum Schweigen bringen. Wie wäre es wohl, wenn sie aufhörte? Ich begann mich nach innerer Stille zu sehnen. Innerhalb weniger Tage nach jener ersten Erfahrung begannen sich die Muster meines Lebens zu verändern. Wenn Freunde zu uns kamen, um den Kontakt zu pflegen, hatte ich daran keinen Spaß mehr. Ich wollte meinen Geist ruhigstellen, und soziale Kontakte halfen da nicht. Ich begann mich zu entschuldigen und hinauszugehen in den Wald in der Nähe unseres Hauses. Dort setzte ich mich unter den Bäumen auf den Boden und befahl dieser Stimme zu schweigen. Natürlich funktionierte das nicht, nichts schien zu funktionieren. Ich bemerkte, dass ich das Thema, über das die Stimme sprach, wechseln konnte, aber ich konnte sie einfach nicht dazu bringen, mal für eine Weile still zu sein. Mein Verlangen nach innerer Stille wurde zur Besessenheit. Ich wusste, wie es war, die Stimme zu beobachten. Was ich nicht wusste, war, wie es sein würde, wenn diese Stimme einfach aufhören würde. Und ich hätte mir niemals vorstellen können, auf welche lebensverändernde Reise ich von hier aus aufbrechen würde.
Bereits in meiner Jugend liebte ich es herauszufinden, wie die Dinge funktionieren. So war es unvermeidlich, dass mein analytischer Geist fasziniert davon war, meine Beziehung zu der Stimme in meinem Kopf zu verstehen. Bevor ich mich jedoch dieser intellektuellen Faszination erfreuen konnte, musste ich erst einmal mit der Tatsache fertig werden, dass mein persönlicher Geist mich verrückt machte. Wann immer ich irgendetwas erblickte, gab diese Stimme einen Kommentar dazu ab: Ich mag das …; Ich mag das nicht…; Das passt mir nicht …; Das erinnert mich an … Als ich mich allmählich daran gewöhnt hatte, all dies zu beobachten, stellten sich ganz natürlich einige Fragen. Zuerst einmal: Warum redet diese Stimme die ganze Zeit? Wenn ich etwas sehe, bin ich mir sofort dessen bewusst, dass ich es sehe. Warum muss diese Stimme mir erzählen, dass ich es sehe und was ich davon halte?
Da kommt Maria. Ich habe keine Lust, ihr heute zu begegnen. Ich hoffe, dass sie mich nicht sieht.
Ich weiß, was ich sehe, und ich weiß, was ich fühle. Schließlich bin ich derjenige hier drinnen, der sieht und fühlt. Warum muss das in meinem Geist noch ausgesprochen werden?
Eine weitere der Fragen, die sich daraus ergaben, war: Wer bin ich, der ständig all diese mentale Aktivität zur Kenntnis nimmt? Wer bin ich, der mit einem Gefühl der totalen Distanziertheit einfach nur beobachten kann, wie Gedanken in mir auftauchen? Im Zusammenhang mit der neu gefundenen Stimme in meinem Kopf waren zwei Triebkräfte erwacht. Eine war der Wunsch, die Stimme zum Schweigen zu bringen, und die andere war pure Faszination sowie ein Verlangen danach zu verstehen, was diese Stimme war und woher sie kam.
Ich habe bereits erwähnt, dass mein Leben vor diesem inneren Erwachen ziemlich gewöhnlich war. Ich sage das nur im Vergleich zu dem, was danach aus meinem Leben wurde. Ich wurde zu einem getriebenen Menschen. Ich wollte wissen, was es mit der Stimme, die ich entdeckt hatte, auf sich hatte, und ich wollte wissen, wer ich war – der hier drinnen, der all dies erfuhr. Ich begann viele Stunden in der Bibliothek der Hochschule zu verbringen, allerdings nicht in der Abteilung für Wirtschaftswissenschaft, sondern in der Abteilung für Psychologie. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass andere diese Stimme, die im Inneren redet, nicht ebenfalls entdeckt hatten. Sie war so vorherrschend, dass man sie nicht überhören konnte. Auf der Suche nach Antworten auf meine Fragen durchsuchte ich das Werk von Freud. Ich las ein Buch nach dem anderen, aber ich fand keinen direkten Hinweis auf die im Inneren redende Stimme – ganz zu schweigen von irgendeiner Bezugnahme auf denjenigen, der sich dessen bewusst ist, dass die Stimme redet. Damals sprach ich jeden, der mir nur zuhören wollte, auf diese Stimme an. Die Leute hielten mich wahrscheinlich für verrückt. Ich erinnere mich noch an eine Begegnung mit einem hochkultivierten und sehr reservierten Professor für Spanisch. Ich traf ihn eines Tages zufällig zwischen den Unterrichtsstunden und erzählte ihm aufgeregt, ich hätte jetzt verstanden, was es bedeute, eine Sprache flüssig zu sprechen. Ich erklärte ihm, es gebe da diese Stimme in unserem Kopf, die zu praktisch allem einen Kommentar abgebe – was man mag und was man nicht mag, was man eben jetzt tun sollte und was man sich in der Vergangenheit hatte zuschulden kommen lassen. Wenn diese innere Stimme Spanisch spräche und man augenblicklich verstehen könne, was sie sagt, dann würde man flüssig Spanisch sprechen. Ergäben die spanischen Wörter jedoch keinen Sinn, solange man sie nicht mental übersetzte, sodass die Stimme sie auf Englisch wiederholen könnte, dann beherrsche man die spanische Sprache noch nicht. Das war total einsichtig – wenigstens für mich. Würde ich Sprachen im Hauptfach studieren, so sagte ich ihm, dann würde ich meine Doktorarbeit auf dieser Prämisse aufbauen. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass mein Professor für Spanisch mich ziemlich schräg ansah, dass er irgendetwas Höfliches sagte und darauf seiner Wege ging.
Mir war egal, was er von mir dachte. Ich befand mich auf einer Forschungsreise, die mich über alles, was ich mir hätte vorstellen können, hinausführen sollte. Ich lernte jeden Tag unglaublich viel über mich selbst. Ich konnte kaum glauben, wie viel an Selbstbewusstheit und Angst durch diese Stimme zum Ausdruck kam. Es war ganz offensichtlich, dass es der Person, die ich im Inneren beobachtete, sehr wichtig war, was die Leute von ihr dachten. Das traf besonders auf Menschen zu, die ich gut kannte. Die Stimme schrieb mir vor, was ich sagen und was ich nicht sagen sollte. Sie beschwerte sich unablässig, wenn irgendetwas nicht so war, wie ich es mir wünschte. Wenn ein Gespräch mit einem Freund mit der geringsten Unstimmigkeit oder Meinungsverschiedenheit endete, dann ging das Gespräch in meinem Kopf weiter. Ich konnte beobachten, wie die Stimme sich voller Wunschdenken vorstellte, wie das Gespräch anders hätte enden können. Ich konnte sehen, wie viel Angst vor Zurückweisung und Nichtakzeptanz durch diesen mentalen Dialog zum Ausdruck kam. Das war manchmal überwältigend, aber der Standpunkt, von dem aus ich die im Inneren sprechende Stimme beobachtete, ging nie verloren. Sie war offensichtlich nicht ich selbst, sie war etwas, das ich beobachtete.
Stellen Sie sich vor, Sie würden eines Tages inmitten einer Kakophonie von Geräuschen aufwachen. Sie wollen, dass die Geräusche aufhören, aber Sie haben keine Ahnung, wie Sie sie abstellen könnten. Eine solche Wirkung hatte die Stimme auf mich. Eines war vollkommen klar: Diese Stimme hatte auch vorher schon immer gesprochen, aber ich war ihr dermaßen ausgeliefert gewesen, dass ich sie niemals als etwas von mir Getrenntes erkannt hatte. Es war so, als wisse ein Fisch nicht darum, dass er im Wasser lebt, bis er es verlässt. Ein Sprung in die Luft und der Fisch erkennt augenblicklich: «Da unten ist das Wasser und darin habe ich mich immer aufgehalten. Aber jetzt sehe ich, dass ich es verlassen kann.»
Ich mochte diese Stimme des Geistes, welche die ganze Zeit redete, überhaupt nicht. Sie war einfach so etwas wie ein störendes Geräusch, von dem ich mir wünschte, es möge aufhören. Aber das tat es nicht. Ich konnte es erst einmal nicht loswerden. Wie sich jedoch zeigte, hatte ich noch nicht einmal begonnen zu kämpfen.
Monate vergingen, und noch immer stand ich mit meiner inneren Forschung allein da. Ich ahnte nicht, dass unerwartet Hilfe kommen sollte.
Während meines Doktoratsstudiums hatte ich einen Kommilitonen namens Mark Waldman. Er war ein blitzgescheiter junger Mann und ein Bücherwurm, der über viele verschiedene Themen las. Wie alle Welt, hörte auch Mark mich über mein Interesse an der inneren Stimme sprechen. Eines Tages brachte er mir ein Buch mit, von dem er glaubte, es könne mir helfen. Das Buch trug den Titel Die drei Pfeiler des Zen, der Autor hieß Philip Kapleau.
Ich wusste nicht das Geringste über den Zen-Buddhismus. Ich war ein Intellektueller, der keine Gedanken auf religiöse Dinge verschwendete. Ich war zwar jüdisch erzogen worden, aber diese Prägung war nicht sehr tiefgehend. Als ich schließlich das College besuchte, spielte Religion in meinem Leben keine Rolle mehr. Hätten Sie mich gefragt, ob ich Atheist sei, hätte ich Sie wahrscheinlich nur verständnislos angesehen. Ich hatte niemals auch nur darüber nachgedacht.
Ich begann das Buch über Zen durchzublättern, und innerhalb von Minuten wurde mir klar: Hier war von der inneren Stimme die Rede. Mir blieb geradezu das Herz stehen, und ich rang um Atem. In diesem Buch ging es offensichtlich darum, wie man diese Stimme zum Schweigen bringt. Abschnitt für Abschnitt sprach von der Ruhigstellung des Geistes. Der Autor benutzte Begriffe wie das «wahre Selbst» für das, was hinter dem denkenden Geist steht. Ich zweifelte nicht daran, gefunden zu haben, wonach ich gesucht hatte. Ich wusste jetzt, dass es andere Menschen gab, die den Standpunkt gefunden hatten, von dem aus sie diese Stimme beobachten konnten, statt sich damit zu identifizieren. Es gab nicht nur ein über Jahrtausende überliefertes Wissen über den Umgang mit der Stimme, sondern in diesem Buch ging es offensichtlich darum, die Stimme «loszuwerden». Es sprach davon, wie man sich aus dem Griff des Geistes befreien könne. Es handelte von Transzendenz.
Unnötig zu erwähnen, dass ich von Ehrfurcht ergriffen war. Ich fühlte eine Verehrung für dieses Buch, wie ich sie für nichts zuvor in meinem Leben empfunden hatte. In der Schule und auf der Universität hatte ich so viele Bücher lesen und studieren müssen. Jetzt hielt ich ein Buch in Händen, das mir einige echte Fragen beantwortete – etwa wer bin ich, der beobachtet, wie diese Stimme spricht. Das waren Fragen, auf die ich unbedingt eine Antwort finden wollte. Ja, es ging in Wahrheit um mehr als ein Wollen. Ich musste die Antworten finden, denn die Stimme trieb mich zum Wahnsinn!
Was Die drei Pfeiler des Zen aussagte, war sehr klar und unmissverständlich. Das Buch sagte: Hör auf zu lesen, zu reden und über deinen Geist nachzudenken und tue einfach das, was nötig ist, um ihn zum Schweigen zu bringen. Es war ebenso unmissverständlich, was dazu nötig war – zu meditieren.
Bevor ich irgendetwas über Meditation wusste, hatte ich bereits versucht, allein für mich dazusitzen, um die Stimme zum Schweigen zu bringen. Aber das hatte einfach nicht funktioniert. In diesem Buch wurde mir eine altbewährte Methode angeboten, die bei Tausenden anderer Menschen funktioniert hatte: Setze dich einfach an einem stillen Ort nieder, beobachte, wie dein Atem einströmt und ausströmt, und wiederhole mental den Klang Mu. Das ist alles. Und tue das nun von Tag zu Tag für immer längere Zeiträume. Im Zen wurde diese wahre Arbeit üblicherweise im Rahmen einer Gruppe während eines sogenannten Sesshin geleistet. Im traditionellen Rahmen ging eine geschulte Person mit einem Kyosaku («Erweckungsstock») genannten abgeflachten Stock herum. Wenn man einzuschlafen begann oder auf andere Weise die Sammlung verlor, erhielt man mit dem Stock einen Schlag auf die Schulter. Das Zen war streng, es war keine Spielerei. Diese Form des Zen war ernste Arbeit.
Ich hatte allerdings keine Gruppe und keinen Lehrer. Alles, was ich hatte, war ein Buch und der ernsthafte Wunsch herauszufinden, ob diese Praktiken mich zu dem ersehnten Ziel führen könnten. Ich begann, auf mich gestellt Zen-Meditation zu üben – oder zumindest das, was ich nach meinem besten Wissen für Zen-Meditation hielt. Zuerst saß ich jeden Tag für fünfzehn oder zwanzig Minuten. Innerhalb einer Woche hatte ich diese Übung auf eine halbe Stunde zweimal am Tag ausgebaut. Ich erlebte kein Feuerwerk oder irgendwelche tiefen Erfahrungen. Aber die Sammlung auf meinen Atem und das Mantra lenkten meine Bewusstheit auf jeden Fall von dem unablässigen Geplapper der Stimme ab. Wenn ich die mentale Stimme Mu sagen ließ, dann konnte sie nicht all die verrückten persönlichen Dinge sagen, die sie gewöhnlich äußerte. Sehr schnell begann ich die Übung zu mögen. Ich freute mich auf die Zeiten am Tag, die ich für die Meditation freihielt.
Bei meinem Experiment mit der Zen-Meditation waren erst einige Wochen vergangen, als Shelly und ich beschlossen, einen Campingausflug zu machen. Vier Freunde schlossen sich uns an, und wir fuhren mit unseren Campern für das Wochenende in den Ocala National Forest. Ich besaß einen VW-Camper, und so war es ein Leichtes, solche Wochenendausflüge zu unternehmen. Aber dieser Ausflug erwies sich als kein gewöhnlicher Campingausflug – dieser Ausflug sollte einen bleibenden Einfluss auf den Rest meines Lebens haben.
Wir fanden eine abgelegene Stelle in den Wäldern, von der aus man einen Blick auf ein unberührtes Feuchtgebiet hatte. Wir hatten unsere Camper kaum abgestellt, da waren wir bereits von der Stille und Schönheit dieses Ortes verzaubert. Ich hatte das Gefühl, dass dies ein guter Platz für die Meditation sein könnte. Ich war noch ein totaler Anfänger, nahm die Übung, durch die ich herauszufinden hoffte, wie es sein würde, wenn die Stimme tatsächlich schweigen würde, jedoch sehr ernst. Ich fragte Shelly und unsere Freunde, ob ich einige Zeit für mich allein verbringen könnte. Niemand hatte etwas dagegen. Also schlenderte ich zu dem grasgesäumten See hinunter und fand einen schönen Platz zum Sitzen. Die ganze Idee der Meditation erschien mir von Anfang an so sinnhaft, dass sie so etwas wie eine heilige Erfahrung für mich war. Ich suchte mir einen Baum, unter dem ich sitzen konnte wie einst der Buddha. Und dann sagte ich ziemlich theatralisch zu mir selbst: Ich werde nicht wieder aufstehen, bevor ich Erleuchtung erlangt habe.
Was unter diesem Baum geschah, war so überwältigend, dass ich jetzt noch am ganzen Körper zu zittern beginne und mir Tränen in die Augen treten, wenn ich nur daran denke.