Bibliografische Information
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AUTOR Burkhard Bensmann
LEKTORAT Thomas Hake, Berlin
GESTALTUNG UND SATZ Michael Grüß,
tack-graphik, Berlin
HERSTELLUNG UND VERLAG
Books on Demand GmbH,
Norderstedt
Das Werk ist einschließlich aller
seiner Teile urheberrechtlich geschützt.
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Copyright © 2009, 2011
Burkhard Bensmann
3. Auflage, 2011
ISBN 978-3-844-85885-3
Vorwort
Selbstführung: Aktualität und Bedeutung
Das Modell: Sieben Felder der Selbstführung
Vision & Mission
Körper, Seele, Geist
Fähigkeiten & Selbstentwicklung
Partner, Mitarbeiter & Netzwerk
Prozesse & Strukturen
Projekte & Produkte
Mehrwert
Zusammenfassung und Ausblick
Nachwort und Dank
Quellen
Leitfragen zur persönlichen
Stärken-Schwächen-Erfassung
Das Führungskleeblatt
Liste der Gesprächspartner
Der Autor
Personenregister
Sachregister
Insbesondere in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten hängt der Unternehmenserfolg von Führungskräften ab, die als Vorbild gegenüber den eigenen Mitarbeitern und der Allgemeinheit eine besondere Stellung einnehmen. Diese Führungskräfte denken vorausschauend, begeistern ihre Mitarbeiter,schaffen Orientierung und sorgen für den richtigen Kurs. Wer diese Ansprüche erfüllen und andere führen will, benötigt allerdings eine solide Grundlage – es gilt, zunächst sich selbst führen zu können. Das ist leicht gesagt, aber wie gelingt vorbildliche Selbstführung? Der Autor dieses Buches geht pragmatisch vor und befragt erfolgreiche Führungskräfte. Mit den Interviews bekommt der Leser einen ungewohnten Einblick in die Praxis von bekannten Unternehmern, hidden champions und ungewöhnlichen Entrepreneuren. Die Selbstführung wird begreifbar, wenn Gesprächspartner von ihrer Selbstorganisation im Alltag berichten oder schildern, wie sie körperlichen und geistigen Ausgleich suchen; im Dialog erfährt der Autor,wie erfolgreiche Führungskräfte ihre Visionen und Ziele entwickeln und woran sie ihren eigenen Erfolg messen.
Burkhard Bensmann zeigt somit deutlich auf, dass Selbstführung erlernbar ist und auf Prinzipien basiert. Er nutzt dazu Auszüge aus den geführten Gesprächen und ergänzende Managementliteratur, bietet Reflexionsansätze und Erfahrungen aus seiner eigenen Beraterpraxis an. So gelingt es ihm, Stellenwert und Begriff der Selbstführung ebenso praxisnah wie systematisch darzustellen. In der Auswertung der Gespräche macht der Autor zudem deutlich, dass Selbstführung auch etwas mit Kunst zu tun hat: In diesem Genre kommt es ebenfalls auf Begeisterung, Kreativität, Visionen und Neues an; aber nur mit Fleiß, Selbstorganisation und effizienten Strukturen kann ein Künstler ein bleibendes Werk schaffen. Gleiches gilt ebenso für Führungskräfte.
Das Buch wird vor allem für denjenigen von Nutzen sein, der sich offen auf die immer wieder im Text gestellten Reflexionsfragen einlässt. Die Erfahrungen, Einschätzungen und Erkenntnisse der befragten Geschäftsführer, Vorstände, Familienunternehmer oder Freelancer bieten konkrete Anregungen für Menschen, die führen. Andere – und sich selbst.
Prof. Dr. Norbert Winkeljohann
Es ist auffällig, dass es bisher in der deutschsprachigen Literatur keinen Versuch gibt, ein umfassendes Modell zum Thema Selbstführung zu zeichnen, das sich an der Praxis erfolgreicher Führungskräfte orientiert. Zwar existieren zahlreiche Ratgeber zu Zeitmanagement, zum (Selbst-)Coaching, zum „Netzwerken“, ferner Lehrangebote, Programme und Trainings. Aber ein übergreifender, systematisierender Ansatz, der sich an der alltäglichen Führungspraxis orientiert, fehlt bisher.
Mein Ansatz ist daher, die einzelnen Facetten von Selbstführung zu erfassen und in einem differenzierten Modell aufzufächern. Die Basis dafür ist meine Berufserfahrung als selbstständiger Organisationsberater und Coach, die ich durch die Ergebnisse aus über sechzig strukturierten Interviews zur Thematik ergänze. Damit zeige ich auf, wie der Begriff Selbstführung von Führungskräften in der Praxis verstanden und gelebt wird. Ergänzend führe ich weitere relevante Quellen an, als Zitat oder als Verweis zur weiteren Vertiefung.
Drastisch könnte man formulieren, dass sich die Arbeitswelt in Unternehmer und Unternommene aufteilen lässt. Die Basis für dieses Buch bieten Gespräche, die ich mit „Unternehmern“ in diesem Sinne geführt habe: mit erfolgreichen Führungskräften und mit „führenden Kräften“. Allerdings, auch dies wurde in den Gesprächen deutlich, gibt es selbst unter den erfolgreichen Unternehmenslenkern nur selten stringente, aufwärts zeigende Karrierelinien. Zumindest zeitweise hat sich so mancher Unternehmer selbst in der Rolle des „Unternommenen“ gefunden. Erfolgreich, so meine Arbeitsdefinition, ist derjenige, der seine eigenen Fähigkeiten erkennt, entwickelt, zur Anwendung bringt und damit eine beabsichtigte Wirkung erzielt. Die Auswahl der zu befragenden Führungskräfte habe ich nach diesen Gesichtspunkten und auf der Basis vertraulicher Empfehlungen getroffen.
Für die Interviews habe ich ein Raster von Fragen entwickelt. Damit konnte ich in persönlichen Gesprächen untersuchen, wie sich weibliche und männliche Führungskräfte nach eigenen Angaben selbst führen.1 Mit den Interviews und dem hier vorliegenden Buch habe ich letztlich vier Ziele verfolgt:
ein praxistaugliches, umfassendes Modell
zum Thema Selbstführung darzustellen,
ermutigende Beispiele zur erfolgreichen Führung
der eigenen Person aufzuzeigen,
konkrete Arbeitshilfen anzubieten, damit der
Leser Facetten der eigenen Selbstführung Schritt
für Schritt reflektieren und verbessern kann,
dieses Material in Form eines fundierten, gleichzeitig
aber flüssig lesbaren Buches vorzulegen.
Die Struktur des Buches dient diesen Zielen. Im ersten Teil wird der Begriff Selbstführung definiert, um ein Grundverständnis herzustellen. Daran schließt sich eine Sammlung relevanter Ansätze und Modelle an, die ein vertiefendes Verständnis ermöglichen. Schließlich stelle ich mein eigenes Modell vor, welches ich die Sieben Felder der Selbstführung nenne. Im zweiten Teil werden die Dimensionen dieses Modells in sieben Kapiteln anhand prägnanter Äußerungen von Führungskräften erläutert. Hierbei stehen die Ergebnisse aus den Interviews im Vordergrund. Ergänzend führe ich weitere Quellen an, um die verschiedenen Dimensionen zu erläutern und für die Praxis taugliche Hinweise abzuleiten.
Der Schlussteil widmet sich der Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse zum Thema Selbstführung. Er fokussiert die Ansätze, mit denen Führungskräfte eine Analyse ihrer eigenen Situation durchführen und Maßnahmen zur Optimierung ableiten können. Schließlich bietet der Anhang einen Fundus von ergänzendem Material, nennt die wesentlichen Quellen und zeigt weitere Wege zur Vertiefung auf.
Nicht erst durch die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen, die sich global wie regional spüren lassen, wird deutlich, wie stark sich die Umgebungsbedingungen für Führungskräfte verändert haben. Für die jüngeren Führungskräfte unter meinen Interviewpartnern ist dies Normalität, während einige der älteren mir aufzeigten, wie die gewachsenen Anforderungen ihre Karriereentwicklung geprägt hatten. Der Arbeits- und Organisationspsychologe Ansfried Weinert2 sieht im Wesentlichen sechs neue Herausforderungen:
1. noch schnellerer Wandel im technologischen und Umweltbereich,
2. Zunahme der internationalen Konkurrenz,
3. häufiger geopolitischer Wandel und fortlaufende Verschiebungen von Kräften, Macht und Einfluss zwischen verschiedenen Ländern,
4. erhebliche Veränderung des Arbeitskräftepotenzials (Zunahme der Überalterung, des Frauenanteils und der kulturellen Vielfalt),
5. Veränderung der Arbeit selbst (wenig Routine, häufig variierend und die Anpassungsfähigkeit herausfordernd, eher den Intellekt fordernd und sehr stark problemlösungsorientiert),
6. Veränderung der Beziehungen zwischen Mitarbeiter, Führung und Organisation. Zum Beispiel werden durch Empowerment viele Mitarbeiter in Zukunft ohne direkte Führung arbeiten.
Weinert leitet daraus ab, dass sich die Funktionen von Führungskräften entsprechend verändern müssen. Er sieht die Prioritäten unter anderem darin, Werte zu beeinflussen, Rollenmodell zu sein, überzeugen zu können und integer wie auch glaubwürdig zu sein. Weiterhin betont er, dass dazu Selbstvertrauen und Stresstoleranz erforderlich seien.3 Während in den vergangenen Jahren Führung durch klare Organisationsstrukturen unterstützt werden konnte, verlieren starre Strukturen mehr und mehr an Bedeutung. Mit der Dynamik der Organisationen und der Auflösung alter, eindeutiger Rollen und Zugehörigkeiten geraten Menschen in
Führungspositionen zunehmend unter den Zwang, auch sich selbst zu verändern.
„Wenn Topmanager von Veränderung reden, meinen sie in erster Linie die anderen“, so die kritische Einschätzung von Arun Gairola in einem Artikel in Harvard Business manager.4 Weiter heißt es dort: „Die meisten Topmanager wollen ihre Mitarbeiter dazu bekommen, etwas anders zu machen. Sie ärgern sich, wenn diese nicht tun, was sie sich vorgestellt haben. Aber Mitarbeiter verhalten sich in der Regel nur dann anders, wenn sich auch ihre Chefs ändern. Die meisten Spitzenführungskräfte unterliegen der Illusion, ihnen selbst falle das ganz leicht … es wäre schön, wenn Manager begreifen würden: Change-Management bedeutet einerseits ein Abschied von selbstverständlich gewordenen Gewohnheiten und andererseits das Lernen neuer Denk- und Verhaltensweisen …“
Mit der Entwicklung sozialer Kompetenzen und kommunikativer Überredungstechniken ist es daher nicht getan. Hier stellt sich viel eher die Frage, wie weit die Führungskraft selbst gewillt und in der Lage ist, sich mit den eigenen Defiziten zu konfrontieren und konfrontieren zu lassen, um an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten. Damit rückt die Führung und Entwicklung der eigenen Person in den Mittelpunkt. Dies bestätigte sich bei der Anbahnung der Interviews, die diesem Buch zugrunde liegen. Es fiel vergleichsweise leicht, die angefragten Führungskräfte für einen Gesprächstermin zu gewinnen. Und auch die Ergebnisse der Interviews, von denen in den folgenden Kapiteln zu berichten ist, zeigen die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit der Führung der eigenen Person, um als Führungskraft den gestiegenen Anforderungen begegnen zu können.
Insgesamt kann die Selbstführung als eine zentrale Voraussetzung für die Führung von Organisation und der dort tätigen Menschen angesehen werden, wie Götz W. Werner, Gründer der dm-Drogeriemarktkette, im Interview unterstrich. Er verwies in diesem Zusammenhang auf das Schulungsprogramm im eigenen Hause, das diesem Thema ein Lernangebot „Führung als Selbstführung“ widmet. Auch andere aktuelle Programme von Weiterbildungsträgern widmen sich zusehends einer ganzheitlichen Sicht der Führungsthematik; es zeigt sich, dass die Aspekte, die mit der Führung der eigenen Person verbunden werden können, mittlerweile in einigen Seminaren und Trainings zentrale Positionen einnehmen.5
Zur weiteren Vertiefung habe ich in der Anlage zu diesem Buch mein Führungskleeblatt angefügt, ein Modell, das wesentliche Schlüsselkompetenzen zusammenfasst.
Bei dem Versuch, den Begriff Selbstführung mit Leben zu füllen, werde ich mich an meiner Berufserfahrung orientieren. Aus den Interviews leite ich wesentliche Aussagen ab, die die Grundlage für eine praxisrelevante Definition bereitstellen. Zusätzlich sollen weiterführende Quellen und Ansätze der Arbeits- und Organisationspsychologie sowie der allgemeinen Managementliteratur berücksichtigt werden.
Bereits Christian Lutz hat mit seinem Konzept des „Lebensunternehmers“6 grundlegende Gedanken für eine Auffassung beschrieben, die das eigene Leben quasi als Projekt betrachtet, welches in voller Eigenverantwortung zu gestalten ist. Daniel Goleman, der auch im deutschsprachigen Raum mit dem Konzept der Emotionalen Intelligenz bekannt geworden ist,7 nennt im Kontext von Führungskompetenzen vor allem zwei Felder, die für die Definition des Begriffs Selbstführung eine zentrale Rolle spielen: Selbstwahrnehmung und Selbstmanagement. Er ordnet diesen beiden zentralen Begriffen weitere Eigenschaften bzw. Fähigkeiten zu:
Selbstwahrnehmung: emotionale Selbstwahrnehmung,zutreffende Selbsteinschätzung, Selbstvertrauen
Selbstmanagement: Selbstkontrolle, Transparenz, Anpassungsfähigkeit, Leistung, Initiative, Optimismus
Neck und Houghton8 haben wesentliche englischsprachige Veröffentlichungen zum Thema gesichtet, strukturiert und ausgewertet. Sie sehen als übereinstimmende Komponenten, dass Selbstführung einen Prozess der Selbstbeeinflussung und -steuerung bezeichnet; dies schließt ausdrücklich auch Selbstmotivation mit ein. Sie unterscheiden drei wesentliche Richtungen in den Strategien zur Selbstführung:9
Strategien, die das Verhalten fokussieren
Strategien der „natürlichen Belohnung“
Strategien der „konstruktiven Gedankenmuster“
Die Autoren nehmen damit Bezug auf zahlreiche Untersuchungen, die belegen, dass das Setzen eigener Ziele eine erfolgreiche Methode zur Steigerung der eigenen Leistung sein kann, wenn diese Ziele herausfordernd und spezifisch sind.
Für den Kontext dieses Buchs zum Thema Selbstführung schlage ich daher als Arbeitsdefinition vor: Selbstführung umfasst Einstellungen und Methoden zur zielgerichteten Führung der eigenen Person. Selbstführung basiert wesentlich auf Selbstverantwortung, Selbsterkenntnis und Selbststeuerung.
Das Projekt basiert auf einundsechzig von mir persönlich geführten Gesprächen. Die meisten davon habe ich direkt in den jeweiligen Organisationen geführt. Die Interviews fanden in der Zeit zwischen Januar 2008 und Januar 2009 statt und basierten auf einem einheitlichen Fragenkatalog. Ich hatte drei Zielgruppen im Blick: Die Gruppe der Etablierten – Vorstände oder Geschäftsführer im Alter zwischen 55 und 65 Jahren, die bereits eine langjährige Führungserfahrung in unterschiedlichen Feldern besitzen. Als zweite Gruppe wählte ich junge Führungskräfte zwischen 28 und 40, die entweder als Entrepreneure schnell ihre eigene Firma zum Erfolg gebracht haben oder in bestehenden Unternehmen eine zügige Karriere gemacht hatten. Eine dritte, nicht völlig abgrenzbare Gruppe sollte Selbstständige und Führungskräfte mit ungewöhnlichen Karrieren umfassen, darunter Künstler und Wissenschaftler. In der Durchführung der Interviews habe ich diese Aufteilung nicht streng einhalten können. Einige Führungskräfte konnte ich nicht oder nicht im vorgesehenen Zeitrahmen für ein Gespräch gewinnen. Andere Gespräche waren nicht geplant, ergaben sich aber durch Empfehlungen und erwiesen sich als sehr produktiv für das Projekt. Wieder andere Begegnungen schienen zunächst nicht möglich, kamen dann aber durch externe Förderung und Vermittlung doch zustande.
Als zentrales Instrument habe ich das teilstrukturierte Interview gewählt – es bietet einen Rahmen, der Vergleichbarkeit schafft, lässt aber Raum für die Vertiefung spezifischer Aspekte. Ich arbeite auch im Coaching mit derartigen Interviews. Meine Methodik stammt aus dieser dialogorientierten Beratungspraxis; sie ist subjektiv geprägt und basiert auf Erfahrungswissen. Es handelt sich mithin nicht um ein quantitatives oder qualitatives psychologisches oder soziologisches Verfahren, das Ableitungen oder Verallgemeinerungen zuließe, die den Kriterien der Empirie standhielten. Vielmehr entspringen die Auswahl der Einzeläußerungen und die Schlussfolgerungen daraus meiner Deutungskraft: Ich setze auf die Qualität des Dialogs mit den ausgewählten Führungskräften, um praxisrelevante Aussagen zum Thema Selbstführung zu sammeln. Diese Aussagen werden dann in ein Rahmenwerk eingefügt, das den Begriff Selbstführung präzisiert und die gewonnenen Interviewaussagen mit anderen Quellen in Beziehung setzt.
Meine Leitfragen für die Gespräche, die im Schnitt jeweils etwa eineinhalb Stunden dauerten, lauteten:
1. Was bedeutet für Sie der Begriff Selbstführung?
2. Mit welchen Methoden und Instrumenten strukturieren Sie Ihre Arbeit?
3. Wo sehen Sie persönlich Ihre größten Stärken in Sachen Selbstführung?
4. Wo sehen Sie persönlich Ihre größten Schwächen in Sachen Selbstführung?
5. Gibt es für Sie Vorbilder für Selbstführung?
6. Wie kann eine Führungskraft Selbstführung verbessern? Was kann man lernen?
Mit dem Projekt habe ich einen Nutzen auf verschiedenen Ebenen angestrebt. Das Projekt sollte einen aktuellen Einblick in die Praxis der Selbstführung nehmen und die in den Interviews gewonnenen Erkenntnisse mit bestehenden Methoden und Instrumenten vergleichen. Als Zusatznutzen war beabsichtigt, dass die befragten Personen ihre Selbstführung reflektieren konnten und so eine größere Klarheit über ihre Praxis erlangen. Diese Auseinandersetzung mit sich selbst habe ich dadurch unterstützt, dass ich den Interviewten nach den Gesprächen eine kurze Zusammenfassung der Inhalte zugesandt habe. Zusätzlich erhielten alle Befragten durch Zwischenberichte zum Projekt weitere Informationen zur Thematik Selbstführung. Aus den Rückmeldungen der Befragten kann ich ablesen, dass der Zusatznutzen der Reflexion bei vielen Gesprächspartnern tatsächlich zustande kam.
1 Meine Arbeitshypothese zum Ende des Jahres 2007, als die ersten Gespräche vorbereitet wurden, lautete: Nur wer sich selbst führen kann, sollte auch andere führen dürfen.
2 Ansfried Weinert: „Arbeits- und Organisationspsychologie“, S.13.
3 vgl. ebenda, S. 14.
4 Das Unternehmen umbauen, in: Harvard Business manager, Oktober 2003, S. 66.
5 Als typisches Beispiel kann auch das Angebot Führungskompetenz und Leadership der Boston Business School aus dem Prospekt von 2007 dienen.
6 ders.: Leben und Arbeiten in der Zukunft.
7 Goleman et al.: „Emotionale Führung“, S. 314ff (original: Primal Leadership, S. 253–255).
8 dies.: Two Decades Of Self-Leadership Theory And Research, Journal of Managerial Psychology 2006, Volume 21.
9 im Original: behaviour-focused strategies, natural reward strategies, constructive thought pattern strategies.
Wie verstehen meine Interviewpartner Selbstführung? Gibt es Übereinstimmungen? Wie lassen sich die Auffassungen strukturieren? Die Antworten reichen von der Betonung einer persönlichen ISTAnalyse bis zur Herausstellung einer klaren eigenen Vision. Um das jeweilige Verständnis, die Besonderheiten und die praktischen Hinweise meiner Gesprächspartner zu erfassen, zu ordnen und daraus Kernerkenntnisse ableiten zu können, habe ich habe ein Modell entworfen. Es umfasst sieben aus meiner Sicht relevante Perspektiven der Selbstführung, die ich wie Linsen nutze, durch die ich versuchsweise schaue. Die folgenden Kapitel nutzen jeweils eine dieser Perspektiven, um die Äußerungen meiner Interviewpartner zu erfassen und in einen Zusammenhang zu bringen.
Es gibt vergleichbare Ansätze, um wesentliche Aspekte von Selbstorganisation aufzuzeigen. Große Ähnlichkeit besteht zum Modell von Yamashita und Spataro.1 Die Autoren nennen sechs Elemente für erfolgreiches Handeln als Führungskraft:
den persönlichen Zweck (oder die Absicht),
die eigene Strategie, die Leute (das Umfeld)
und die Art, wie sie interagieren,
die eigene Struktur (auch: Teamstruktur) und den Prozess,
die Erfolgskriterien und Belohnungssysteme,
die Kultur des Systems.2
Während Yamashita und Spataro den Fokus des Modells vor allem auf die Organisation oder das Umgebungssystem legen, wird das hier vorgeschlagene Modell primär den Blickwinkel der Führungsperson einnehmen und beschreibbar machen.
Dabei gehe ich – wie gesagt – von sieben Feldern oder „Linsen“ aus, die sich übrigens auch für die Beratungspraxis eignen, wenn es darum geht, dass jemand die einzelnen Bereiche seiner Selbstführung fokussiert. Diese sieben Felder geben dem vorliegenden Buch seine Struktur. In den jeweiligen Kapiteln ergänze ich sie durch Prüffragen und Merkpunkte, die dem Leser für die Selbstanalyse und praktische Vertiefungen dienlich sein können.
Haben erfolgreiche Führungskräfte eine klare Vorstellung von ihrer „Mission“? Die Interviews lieferten ein gestreutes Bild: Für einige existiert so etwas wie eine persönliche Vision, andere empfinden sich als offen für die Gelegenheiten, die das Leben ihnen bietet. Aus der Setzung eines eigenen (Lebens-)Sinnes und Zwecks kann auch eine klarere Zukunftsplanung entstehen: Mission und Ziele stehen dann in einer konsequenten Beziehung – wenn ich weiß (oder glaube, zu wissen), wozu ich auf der Welt bin, dann kann ich auch meine Ziele darauf ausrichten. Natürlich kann genau dies Menschen, die nicht an eine persönliche „Mission“ glauben, paradox erscheinen.
Dieser Teil des Modells vereint Bereiche wie Körperbewusstsein und -pflege, Spiritualität, innere Grundhaltung, aber auch mentale Modelle oder kognitive Fähigkeiten. In der Literatur zum Thema Selbstführung wird die Bedeutung der mindsets wie auch des fördernden Umgangs mit dem eigenen Körper häufig betont,3 in den Interviews gab es zahlreiche Hinweise auf persönliche Rituale (Ernährung, Sport, Entspannung etc.).
Hier sind Talente und persönliche Stärken wie auch deren Weiterentwicklung eingeordnet, ebenso wesentliche soziale und kommunikative Fähigkeiten. Wie steht es etwa um wichtige Grundfähigkeiten wie Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung, Selbstvertrauen, Eigenkontrolle, Anpassungsfähigkeit?
Selbstführung als Voraussetzung für Mitarbeiterführung – dieses Feld in meinem Modell ist den engen Beziehungen der Führungskraft gewidmet. Damit ist natürlich auch das relationship management gemeint. Um eigene Visionen zu realisieren, bedarf es einer passgenauen Unterstützung durch geeignete Kooperationspartner und geklärte Rollen.
In diesem Kapitel werden unter anderem die grundlegenden Methoden und Instrumente der Selbstorganisation thematisiert, wie z. B. das Strukturieren des Jahres, des Monats, der Woche und des Tages, das Setzen von Prioritäten (die richtigen Dinge tun) oder das Entwickeln von Ritualen und Gewohnheiten der Selbstführung.
Dieses Feld umfasst – je nach Perspektive – Lebensprojekte, Langzeitvorhaben und/oder Kernaufgaben, ebenso wesentliche persönliche Produkte oder Dienstleistungen im engen oder weiten Sinn. Zu diesem Feld zählen auch Aspekte der persönlichen Hingabe und Verantwortung, des Selbstmarketings und der Kombination von Plan und Fügung.
Welche Ergebnisse erzielt die Tätigkeit der Führungskraft? Wenn es nach Peter Drucker4 darum geht, vor allem „wirksam“ zu sein, so sollte zu den Regeln und Ritualen die Überprüfung des erzeugten „Mehrwerts“ zählen. Folglich ist dieses Feld der Schaffung von Wert als Resultat eigener Handlungen, Produkte oder Dienstleistungen gewidmet.
1 dieselben: „UNSTUCK. A tool for yourself, your team and your world“, New York et al. 2004.
2 vgl. ebenda; Übersetzung: BB
3 z. B. bei Thomas Hübner: „Die Kunst der Auszeit. Vom Powernapping bis zum Sabbatical“, Zürich 2006.
4 ders.: „The Effective Executive“.
„Das Glück ist, glaube ich, wenn Sie durch irgendein
Ereignis mit einem Mal offen werden für Ihre Seele, für Intuition.“
DIETER KLAGES
Noch vor gut zehn Jahren war es Mode, für eine Organisation eine corporate mission oder ein Leitbild zu erstellen. Das mission statement ist „eine kurze, prägnante Erklärung der Gründe für die Existenz einer Organisation“, so das enzyklopädische Werk „Campus Management“1. Gibt es auch so etwas wie das mission statement einer Führungskraft? Aus einer Vielzahl der geführten Interviews wurde deutlich, dass Führungskräfte, insbesondere Unternehmer,oftmals durch eine besondere Lebenssituation zu der Tätigkeit gekommen sind, der sie sich dann mit „missionarischem Eifer“ und Hingabe widmen. Nicht immer steht am Anfang eine klare Vision, aber häufig habe ich in den Gesprächen erfahren, dass zumindest Grundzüge der späteren Tätigkeit schon zu Beginn deutlich waren. Einen Sonderfall bilden diejenigen Führungskräfte, die im Rahmen einer familiären Nachfolge auf die zentrale Stelle gelangt sind.
Der Begriff der Vision ist in den vergangenen Jahren immer wieder unscharf gebraucht worden. Während es Hinweise dafür gibt, dass Unternehmen mit einer klaren Vision insbesondere in Veränderungsprozessen erfolgreicher als solche ohne einen solchen Zukunftsentwurf sind,2 so wird der Begriff gerne auch in die Nähe esoterischer oder „unwissenschaftlicher“ Ansätze gerückt. In ihrem „Handbuch Zukunftsmanagement“3 weisen Fink und Siebe auf die Herkunft des Begriffs aus dem religiösen Kontext hin, wo die „Vision“ mit Gesang, Tanz und Einnahme von Drogen verbunden sein kann.
Dabei zeigen die Ergebnisse der Interviews auf, dass die Zukunftsbilder meiner Gesprächspartner eher einer klugen und einfühlsamen Sicht nach innen, einfachen Verfahren der Reflexion und einer disziplinierten Ausarbeitung zu verdanken sind – und nicht spektakulären Ritualen oder exzessiven Umständen. Als „Vision“ soll hier also ein persönlich entwickeltes Zukunftsbild verstanden werden, das auch sinnliche Qualitäten hat.
Leitfragen können sein:
Welchen Sinn und Zweck verbinde ich mit meinem Leben?
Welche Mission oder Vision habe ich?
Was will ich zur Entfaltung bringen?
Welche Zukunft strebe ich an?
Was zieht mich an?
Viele der Interviewpartner haben über ihre persönlichen Visionen berichtet. Einige hatten eine klare Vorstellung, welche Aufgaben ihnen in diesem Leben – im beruflichen Bereich – zukommen. Nachfolgend einige Beispiele.
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