Nach einem eindeutig diagnostizierten Fibromyalgie – Syndrom (FMS) sollten Sie Schonhaltung als Form von Inaktivität meiden. Ein Teufelskreis würde sich schließen. Halten Sie Augen und Ohren offen für alternative Behandlungsmöglichkeiten und halten Sie – in Absprache mit Ihrem behandelnden Arzt – an dem fest, was Ihnen tatsächlich gut tut.
Eine Änderung der Denkweise und der inneren Einstellung – hin zum positiven Denken und zu einer optimistischen Lebenseinstellung – hilft entscheidend bei der Bewältigung von chronischen Schmerzen.
Das Konzept zu diesem Buch entwickelte sich aus den Erfahrungen, die ich in der Arbeit mit Fibromyalgie-Patienten innerhalb einer sporttherapeutischen Gruppentherapie sammeln konnte.
Für den Therapeuten soll es ein Leitfaden für die Betreuung von Patienten mit dem Fibromyalgie-Syndrom sein, sowie Motivationshilfe für die Einrichtung von Fibromyalgie-Sportgruppen.
Der Patient selbst soll Hilfen zur Selbsthilfe in diesem Buch finden und ein Stück weiterkommen auf dem Weg zu einer besseren Lebensqualität.
In erster Linie werden jedoch Sie, liebe Patientinnen und Patienten, direkt angesprochen und hiermit aufgefordert, endlich etwas für sich selbst zu tun und auch einmal an sich selbst zu denken. Denn nur wenn es Ihnen gut geht, können Sie den Alltag bewältigen und sich auch um Andere kümmern.
Übrigens, die Idee zu diesem Buch kam beim Laufen ...
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
2. überarbeitete Neuauflage
© 2019 Holger Jungandreas
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7504-4267-2
Es fängt schleichend an. Gelegentlich fühlt man einen Schmerz wie Muskelkater im ganzen Körper obwohl man sich kaum bewegt hat, geschweige denn Sport betrieben hat. Immer häufiger und heftiger schmerzt der Rücken, nachts kann man nicht schlafen und hat Herzrasen, tagsüber fühlt man sich schlapp und erschöpft. Nach einer gewissen Zeit breiten sich die Schmerzen auf den ganzen Körper aus, in den Gelenken und sogar im Kopf. Man reagiert plötzlich empfindlich bei Witterungswechsel. Schon leichte Berührungen können Schmerzen auslösen. Bei jedem Schmerzschub schwillt das Gesicht an. Dies geht so weiter, bis man sich eingestehen muss:
„Ich kann nicht mehr, ich bin todkrank!“
Eine Betroffene beschreibt ihre Situation wie folgt:
... „Schon vor 30 Jahren, also lange bevor das FMS (Fibromyalgie-Syndrom) bei mir diagnostiziert wurde, begann die Unverständigkeit in meiner Familie, bei Freunden und Bekannten, dass ich – obwohl laut den vielen Ärzten, die ich konsultierte „ohne Befund“ – immer öfter über „Schmerzen überall“ sprach, nicht mehr mithalten konnte, oft müde und erschöpft war. Damals kamen die Schmerzen und Symptome noch mehr in unregelmäßigen Zeitabständen von einigen Wochen, heute sind sie täglich vierundzwanzig Stunden präsent!
... Mir ist bewusst, dass mir – wie vielen anderen Betroffenen auch – bis heute leider niemand helfen kann, doch was wir alle dringend brauchen, ist kein Mitleid, sondern Verständnis und Hilfe zur Selbsthilfe! Denn nur im Gespräch mit anderen Betroffenen und durch ständiges Muskeltraining und –dehnen, zum Beispiel in den Selbsthilfegruppen und ihrem zum Teil angebotenen, wöchentlichen Funktionstraining, so wie auch das Sammeln und Verwerten der – für jeden Einzelnen individuellen – Informationen aus kompetenten Quellen können und müssen wir lernen, das Fibromyalgie – Syndrom mit den chronischen Schmerzen und all seinen vielen Begleiterscheinungen zu akzeptieren und somit die Schmerzen nicht Herr über unser Leben werden zu lassen!“
Schmerzen verändern den Menschen, nichts ist mehr so wie es einmal war und ständig quält die Frage: „Wie kann ich mein Leben bewältigen – trotz Schmerzen? Wie bekomme ich wenigstens einen Teil der Beschwerden los und wie bekomme ich wieder etwas Lebensqualität zurück?“
Fibromyalgie – Syndrom (FMS)
Nach dem Sinn und Zweck des Schmerzes befragt, glauben die meisten Menschen an ein Alarm- oder Warnsignal, das darauf aufmerksam machen soll, dass irgendwo im Körper etwas nicht stimmt. Für den akuten Schmerz mag diese Art Wachfunktion zutreffen. Der chronische Schmerz jedoch ist differenzierter und entsteht im Kopf. Oftmals sucht man vergeblich nach den Ursachen chronischer Schmerzen, meist liegen sie jahrelang zurück. Das Gehirn und das Rückenmark können sich an manche körperliche und seelische Schmerzerfahrung regelrecht erinnern. Dadurch sinkt die Schmerzschwelle und bereits einfache Berührungen können unerträglich werden.
Schon Hippokrates, der Urvater aller Ärzte, erkannte:
„Glaubt nicht allen Griechen, die ihn den bellenden Wachhund der Gesundheit nennen. Das ist er nicht. Ich weiß, dass er kein untrüglicher Führer zum Herd der Krankheit ist“.
„Fibromyalgie“ heißt die chronische, schmerzhafte, nicht entzündliche Muskelerkrankung. Die Schmerzzonen liegen in den Weichteilen, den Muskeln, Bänder, Sehnen und dem Bindegewebe. Bis 1970 nannte man die Erkrankung noch „Fibrositis“, die bereits 1904 vom Rheumatologen Gowens beschrieben wurde. Seit etwa vierzig Jahren spricht man also vom „Fibromyalgie-Syndrom“ (FMS)“ oder vom „Faser - Muskel - Schmerz“. Eingebürgert hat sich jedoch „Fibromyalgie“ und die englische Bezeichnung „fibromyalgia“ (ausgesprochen: faibromaldscha). Fibro (= Faser) My (= Muskel) Algie (= Schmerz) bedeutet: ein Leben mit chronischen Schmerzen.
Diese Erkrankung ist das Synonym schlechthin für den Schmerzbegriff. Chronischer Schmerz ist der Grund für mangelnde Lebensqualität, für fehlenden Antrieb und für ein Abdriften in die Depression. Unterschieden werden zwei Erscheinungsformen der Fibromyalgie:
Prinzessin auf der Erbse?
Es ist nicht verwunderlich, dass Fibromyalgie - Betroffene häufig nicht ernst genommen werden und die Erkrankung in Zusammenhang mit einer „Neurasthenie“ genannt wird, einer Neurose, die durch einen allgemeinen körperlichen und geistigen Schwächezustand gekennzeichnet ist. Diese Patienten leiden „an der mangelnden Fähigkeit, Freude zu empfinden“ ...
Die Folge dieser fehlenden Akzeptanz vom Umfeld, nicht selten auch von den Ärzten, ist eine weitreichende Resignation, die bis zur völligen Isolierung führen kann. „Wo bleibt die Hilfe gegen Demütigung und Intoleranz?“ lautet die Frage die Betroffene während einer Veranstaltung einer Fibromyalgie-Selbsthilfegruppe stellten. Der Vorwurf richtete sich nicht nur an Beschäftigte von sozialen Ämtern, sondern unüberhörbar auch an die anwesenden Ärzte. Schmerzen sind subjektiv und können von Nichtbetroffenen weder bestätigt, noch widerlegt werden. Für viele ist es schon eine Entlastung, zu erfahren, dass es wirklich eine Krankheit ist, die sie quält – und dass sie ihrem Leiden einen Namen geben können. Trotzdem wird immer noch diskutiert. Von der These beginnend, dass Fibromyalgie eben keine Krankheit, sondern ein Symptomkomplex sei, bis hin zu der Assoziation zu einer bekannten Märchenfigur: Der Prinzessin auf der Erbse. So einfach darf man es sich sicherlich nicht machen. Die Betroffenen möchten zu Recht ernst genommen werden und erwarten Hilfe.
Zwei Millionen Betroffene in Deutschland
Erst seit dreißig Jahren wird das Fibromyalgie - Syndrom erforscht. Noch heute sind viele Ärzte mit der Diagnostizierung überfordert, da es zahlreiche Begleiterkrankungen gibt. Zwei Millionen Betroffene zählt man etwa in der Bundesrepublik Deutschland (ca. 2% der Bevölkerung), ein Prozent der Österreicher und es kommen jährlich Tausende hinzu. In früheren Jahren auch mit Rheuma verwechselt, wird das Fibromyalgie – Syndrom von den Experten als die „häufigste Ursache generalisierter Schmerzen am Bewegungsapparat“ bezeichnet.
Tender Points
Charakteristisch ist eine verstärkte Druckempfindlichkeit der Weichteile im Bereich der Muskelansätze, der sogenannten „Tender Points“. BAUER betont, diese nicht mit den „Trigger Points“ des myofaszialen Schmerzes zu verwechseln sind. Diese schmerzen von selbst und können auf Druck an einer anderen Körperstelle Schmerz verursachen. Außerdem tastet man eine Gewebeverhärtung und es kommt bei Druck zu einer Muskelkontraktion. Bei der Fibromyalgie können sowohl Tender Points als auch Trigger Points vorkommen. Bis zu fünfundsiebzig dieser sensiblen Druckpunkte wurden von Fachleuten gezählt, jedoch sind nicht alle gleich wichtig. Testen Sie einmal selbst an den Punkten der folgenden Abbildung. Drücken Sie mit dem Daumen nacheinander auf die entsprechenden Stellen. Sollten elf der achtzehn wichtigsten Tender Points bei Daumendruck Schmerzen bereiten und mehr als drei Monate andauernde Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, sowie in beiden Armen und Beinen auftreten, kann man von einer fast gesicherten Diagnose „Fibromyalgie“ sprechen.
Daneben können lymphödemartige Weichteilschwellungen auftreten, sowie eine Fülle vegetativer Störungen, wie Reizdarm, Reizblase, funktionelle Atem- und Herzbeschwerden oder Mundtrockenheit. Diese Begleiterscheinungen werden als Nebenkriterien für eine eindeutige Diagnose dieser Erkrankung gesehen.
Im Schnitt dauert es sieben Jahre, bis ein Patient die richtige Behandlung erhält. Im Schnelltest (s. unten) können Sie bereits eine Tendenz erkennen und weitere Maßnahmen in Angriff nehmen. Falls Sie mehr als vier der folgenden Fragen mit ja beantworten, sollten Sie sich von einem Facharzt für Rheumatologie auf Fibromyalgie untersuchen lassen:
Schnelltest:
Mögliche Ursachen
47 % der Patienten mit FMS berichten von einem reaktiven Beginn ihrer Krankheit durch Unfall, Krankheit oder Operation
Stresserfahrungen unterschiedlichster Art werden immer wieder von Fibromyalgie-Patienten genannt: Verlust eines Partners oder Tod eines nahen Familienmitgliedes, Veränderungen des Lebensbedingungen, wie Wohnortwechsel, Scheidung, Berufswechsel, traumatische Ereignisse, wie zum Beispiel Vergewaltigungen.
Ein Drittel der FMS Patienten konnten sexuellen Missbrauch in der Kindheit bestätigen.
42 % der Patienten mit Fibromyalgie berichten über körperliche Gewalterfahrung in der Kindheit, sowie von fehlender Zuneigung und Liebe.
Die Ursache der Fibromyalgie ist nicht geklärt. Diskutiert werden folgende mögliche Zusammenhänge:
Neben diesen eher psychischen, traumatologischen Ursachen listen Experten folgende aktuelle physiologischen Ursachen auf:
Teufelskreis Schmerz
Typisch bei allen FMS – Patienten ist der Teufelskreis, in denen sie sich bewegen und aus dem vermeintlich kein Entrinnen gibt:
Aus körperlichem und /oder seelischem Stress entsteht der Schmerz durch eine länger andauernde Anspannung der Muskulatur. Seelische Spannung erzeugt körperliche Spannung. Aus solchen immer häufiger werdenden Muskelkontraktionen, die meist auf ganz bestimmte Muskelareale (z.B. Schulter-Nacken-Bereich) begrenzt sind, entstehen unweigerlich Muskelverspannungen. Werden diese nicht gelöst, bleiben Stress und Schmerzen. Dauernde Schmerzen sind dauernde Stresszustände. Jeder unter übermäßiger Spannung stehende Muskel erzeugt an seinem Ursprung und Ansatz, meist in Gelenknähe einen schmerzhaften Reizzustand, „Ansatztendinitis“ genannt. Diese Muskelverspannungen provozieren in der Folge eine Schonhaltung mit einer daraus entstehenden Passivität. Es folgt eine Kettenreaktion mit zunehmenden Schmerzen, auch in anderen Körperregionen. Anstatt also durch ein aktives Leben, in Form moderater, regelmäßiger Bewegung, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, sinken die Betroffenen immer weiter in eine Antriebslosigkeit und Demotivierung hinein. Ein weiteres Charakteristikum für die Fibromyalgie kristallisiert sich heraus: Neben der gestörten Befindlichkeit ein deutliches Gefühl der Leistungsinsuffizienz. Eine Leistungsfähigkeit, die notwendig ist, um die Belastungen des Alltages zu meistern, ist also kaum noch vorhanden und lässt die Patienten nur weiter resignieren. So ist es nicht verwunderlich, dass
Noch deutlicher ist diese Zahl:
Es gilt also Möglichkeiten zu suchen, die helfen aus diesem Teufelskreis zu entfliehen.
Bewegung, Wärme, Entspannung
Moderater Sport, sanfte, ausgesuchte Bewegungen und eine gezielte Bewegungstherapie können dem FMS-Patienten wertvolle Hilfen sein das Ziel einer verbesserten Lebensqualität zu erreichen. Die meisten der typischen Fibromyalgie – Symptome lassen sich mit einem adäquaten, regelmäßigen Gesundheitssport therapeutisch gut behandeln. Stellt man den Symptomen der Fibromyalgie die Faktoren, die die Beschwerden positiv wie negativ beeinflussen können, gegenüber, so stellt man insgesamt fest, dass
geeignete Maßnahmen zu einer Verbesserung der Lebensumstände darstellen. Tabelle 1 zeigt zusammenfassend die Faktoren, die die Erkrankung positiv wie negativ beeinflussen können.
Negative Beeinflussung | Positive Beeinflussung |
• Kaltes, feuchtes Wetter | • Warmes, trockenes Wetter |
• Nicht erholsamer Schlaf | • Heiße Bäder |
• Körperliche Anstrengung | • Moderate Bewegungstherapie |
• Inaktivität | |
• Müdigkeit | • Dehnübungen |
• Angst / Stress | • Sanfte Massagen |
• Psychische Erschöpfung | • Ruhe |
• Kälteanwendungen |
Was die Wetterempfindlichkeit betrifft, ist es nicht verwunderlich, dass die meisten FMS-Patienten in Skandinavien leben.
Interdisziplinäre Therapie
Ein trockenwarmes Klima, wie man es zum Beispiel auf den kanarischen Inseln findet, bedeutet für viele Fibromyalgie-Patienten Erholung und wenig bis kaum Beschwerden. (Vielleicht schon vorab ein Tipp für die nächste Urlaubsplanung) Das komplexe Beschwerdebild der FMS erfordert eine interdisziplinäre, multimodale Therapie. Das heißt, viele Therapieeinrichtungen und mehrere Therapiemaßnahmen müssen Hand in Hand und in Absprache mit dem Arzt und den Therapeuten so lange erfolgen, bis für den jeweiligen Patienten die richtige „Therapiemischung“ gefunden wird. Dies betrifft insbesondere die Zusammenarbeit von Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten und Sporttherapeuten. Ein vom behandelnden Arzt ausgearbeiteter, reglementierter, komplexer Therapieplan, der alle therapeutischen Richtungen beinhaltet, sollte fester Bestandteil des Lebens-Rhythmus werden – ohne freilich die individuellen Probleme zu vernachlässigen! Die Therapiemöglichkeiten im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes umfassen folgende Bereiche:
Operationen?
Operative Maßnahmen bei einer gesicherten Diagnose „Fibromyalgie“ werden in der Literatur insbesondere von BAUER beschrieben. Nach einer Akkupressurdiagnostik über die tender- und Trigger-Points geht BAUER von einem Verkleben der Akupunkturpunkte aus. Durch körperlichen und/oder seelischen Stress können die freien Nervenenden von zum Beispiel vor Ort gerinnendem Eiweiß „ummauert“ werden und so die Löcher verkleben. Diese verklebten Akupunkturpunkte können nun mikrochirurgisch so gelöst werden, dass ein weiteres Verkleben unterbleibt. Nach BAUER werden und bleiben 90 % der operierten Patienten beschwerdefrei.
Stichwort Operationen: bei gesicherter Diagnose sollten Operationen möglichst vermieden werden, da für das Krankheitsbild des FMS Rückschläge zu befürchten sind. Es würde sich in den meisten Fällen um ein „Schneiden“ an der Oberfläche handeln, ohne die Wurzel des Übels zu treffen und ohne heilende Wirkung für die Fibromyalgie selbst.
Nur die konsequente Umsetzung der interdisziplinär angelegten Therapiemaßnahmen kann eine Beschwerdelinderung bewirken. Voraussetzung ist jedoch – und das ist eigentlich der Kernpunkt aller therapeutischen Arbeiten mit den Betroffenen – eine unbedingte aktive Mitarbeit und der absolute Wille zur Selbsthilfe. Dieser Wille kann nur entstehen, wenn man an den Therapieerfolg glaubt. Eine Studie der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Rheumazentrums Baden-Baden macht deutlich, dass die Erfolgschancen einer Therapie steigen, wenn die Patienten von der Therapie überzeugt sind. Dieser Effekt wird als „Selbstwirksamkeits-Erwartung“ bezeichnet.
Insbesondere nahmen bei Fibromyalgie – Patienten die Depressionen ab, je eher die Betroffenen an die Therapiewirksamkeit glaubten. Wenn man so will bekommt der biblische Leitsatz „Der Glaube versetzt Berge“ wissenschaftliche Unterstützung.
Bewegungsmangel als Risikofaktor
Der homo erectus, der erste aufrechtgehende Mensch, hatte seine „Hoch“ - Zeit vor ca. 400.000 Jahren. Seine Entwicklung bis heute dauerte aber etwa 1,5 Mio. Jahre. Innerhalb dieser Zeitspanne war sein Leben von Bewegung bestimmt. Er musste sich bewegen, um überhaupt existieren zu können, um das Überleben für sich und das seiner Familie erst zu ermöglichen. Stress konnte er nur über die Bewegung abbauen, durch Angriff bzw. Flucht. Nur so konnten Stresshormone abgebaut und die Existenz gesichert werden. Wissenschaftler entdeckten im Jahre 1974 in Äthiopien den homo australopithecus, auch liebevoll „Lucy“ genannt, der bereits drei Millionen Jahre vor dem homo erectus lebte. 2008 wurde bewiesen, dass dieser Vorfahr bereits aufrecht ging. Die Zeitspanne lebensnotwendiger Bewegung ist demnach rund drei Millionen Jahre länger. Die natürlichen Kompensationsmechanismen durch körperliche Aktivität fehlen heute, obwohl unser Organismus – nach der so unglaublich langen Zeit von 3 Millionen Jahre der Entwicklung – noch immer darauf programmiert ist, hauptsächlich durch Bewegung Stress bewältigen zu können. Schließlich sind es erst siebzig Jahre in denen uns die Bewegung schleichend aberzogen wird. Ein im Vergleich zur Evolution sehr kurzer Abschnitt.
Auch heute – und das wird immer wieder verkannt – sichert die Bewegung unsere Gesundheit und damit unser Überleben. Den Stress, in einer Autoschlange stehend in Zeitnot zu geraten, kennen wir alle. Wir können nicht angreifen oder weglaufen. Wir müssen diesen psychischen Druck bewegungslos bewältigen und fressen so den Ärger in uns hinein.
Die Folgen des chronischen Bewegungsmangels sind bekannt:
Bewegungsmangel ist ein von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannter
Risikofaktor für
Organisierter Sport
Entsprechend ist ein dosiert angewandter Sport bei den genannten Erkrankungen in der Therapie höchst wirksam und wird auch in eigens dafür gegründeten Gruppierungen angewendet. Man denke dabei zum Beispiel an die Herzsportgruppen, die sich fast flächendeckend in der Bundesrepublik Deutschland etabliert haben. In über 6300 Gruppen bewegen sich bundesweit mehr als 100.000 Menschen mittlerweile mit dem einzigen Ziel: ihre Gesundheit zu erhalten, bzw. zu verbessern. Ein solches Konzept auch auf den Fibromyalgie – Patienten zu transferieren, sollte den Betroffenen eine Hilfe sein, aus der Isolation auszubrechen, in die der Schmerz sie manövriert hat.
Unvereinbar: Schmerzen und Sport?
Zunächst klingt es paradox: Ständige Schmerzen an vielen neuralgischen Punkten des Körpers und dann an Bewegung oder gar an Sport denken? Man möchte zunächst annehmen, dass vor allem Ruhe hilft. Der typische FMS-Patient fühlt sich in seiner Mobilität und Bewegungskoordination stark eingeschränkt. Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen oder Schuhe-binden fallen ihm scheinbar schwer. Der FMS-Patient ist sich nicht im Klaren, zu was er eigentlich noch im Stande ist. Fachleute wie Dr. Eva Reinhold-Keller, Rheumatologin aus Hamburg, betont, dass Schonhaltung gänzlich falsch sei. „Ein wohldosiertes Fitness-Programm lindert Schmerzen und wirkt depressiven Verstimmungen entgegen“, so Dr. Reinhold-Keller. Genau hier kann ein gezielter, wohlgemerkt „moderater“ Sport, ansetzen: