Die Publikation entstand in einer ersten Fassung als Masterarbeit am Institut für Erziehungswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
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© 2020 Lukas Roer (für den Text)
© 2020 Patrick Gollub (für die Reihe)
© 2020 Westfälische Wilhelms-Universität Münster (für das Layout)
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7504-7886-2
Impulse sind Antriebe, Anstöße und Anregungen. Als Denkanstöße sind sie im hochschulischen (Arbeits)Alltag auf vielfältige Weise Ausgangspunkt und zugleich Gegenstand von Wissenschaft. Daraus resultierende Forschungsvorhaben sind zumeist vorerst exklusiv Wissenschaftler*innen vorbehalten.
Leider viel zu selten – hier sei aus der Perspektive der Erziehungswissenschaft gesprochen – wird die Lehre als Forschungsraum verstanden. Gemeint ist damit keineswegs, dass die Studierenden in den Lehrveranstaltungen zu Probanden von Studien werden oder diese evaluieren. Intendiert sind ebenfalls keine Praxisseminare, die z. B. im Rahmen von Lehr-Lern-Laboren den Professionalisierungsprozess von Lehramtsstudierenden forcieren und deren Selbstwirksamkeitsüberzeugungen steigern wollen. Ohne Zweifel haben die skizzierten Settings alle ihre Berechtigung, verbinden die für die Hochschulen elementaren Sphären der Forschung und Lehre jedoch nicht ganzheitlich, weil die Forschung als Prozess nicht im Seminarkonzept inhärent ist, sondern zum spezifischen Inhalt (z. B. Publikationen) wird oder als Additum angesehen werden muss.
Dazu konträr stehen jene Lehrformate, in denen Forschung und Lehre verschmelzen und die Studierenden zu Forschenden werden. Ohne Frage muss der Gehalt studentischer Forschung anders bewertet werden als wissenschaftliche Forschung. Studierende sind Forschungsnovizen, die das Forschen erlernen müssen. Dennoch können aus studentischer Forschung Impulse hervorgehen. Für Dozierende ist die hochschuldidaktische Gestaltung von „Forschungsseminaren“ eine polyvalente Herausforderung, gilt es doch eine wissenschaftstheo-retische und methodologische Basis zu schaffen und die (Forschungs)Interessen aller Teilnehmenden zu berücksichtigen. Das Anliegen stößt zudem nicht selten auf administrative Hürden, da solche Formate nicht immer mit Studienordnungen kompatibel sind. Studentische Abschlussarbeiten – in Zeiten der Internationalisierung des Studiums vor allem Bachelor- und Masterarbeiten – haben das Potential, ausgehend von den Interessen der Studierenden zu kleinen Forschungsvorhaben zu werden. Die Studierenden bearbeiten über einen Zeitraum von mehreren Monaten selbstständig eine Fragestellung und erschließen sich Forschungsmethoden und Diskurse mit dem Ziel, ihre Ergebnisse in einen Kontext zu stellen. Dabei behandeln sie Themen, die für wissenschaftliche Forschung zu partikular sind. Nicht selten wird mit ihnen neues Wissen generiert, aus dem sich wiederum Möglichkeiten für sich anschließende wissenschaftliche Forschung ergeben können oder die Abschlussarbeiten sind bereits die Weiterentwicklung eines vorausgegangenen Studienprojektes aus dem Praxissemester.
Die Reihe Erziehungswissenschaftliche Impulse setzt es sich zum Ziel, exzeptioneller studentischer Forschung ein Forum zu bieten. Anker sind neben der Bedeutung des Gegenstandes und der gewählten Herangehensweise auch Anerkennung und Wertschätzung der Leistung. Dabei sollen die veröffentlichten Arbeiten auch als Impuls, das heißt als Anregung verstanden werden, die erwähnten partikularen Themen aufzugreifen und weitere Forschung (vor-)an-zutreiben.
Münster, im Januar 2020
Patrick Gollub
„Die Kommission regt die Gründung von universitären Zentren für Lehrerbildung und Schulforschung an.“1
Mit diesen Worten fasste die von der Kultusministerkonferenz eingesetzte „Gemischte Kommission Lehrerbildung“2 einen ihrer wesentlichen Reformvorschläge zusammen. Diese zu gründenden Zentren für Lehrerbildung3 sollten „[…] die Institutionen und die drei Phasen der Lehrerbildung besser aufeinander abstimmen und miteinander verknüpfen […],“4 um somit zu einer Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung in Deutschland beizutragen. Denn erst durch das Zusammenspiel verschiedenster Disziplinen und Institutionen entsteht eine nachhaltige und wertvolle Lehramtsausbildung. Dem Echo der fachwissenschaftlichen Literatur nach versprach man sich, mit den Zentren den „strukturellen Heilsbringer“ für eine Verbesserung der Lehrerbildung5 gefunden zu haben.6
Auf Basis der Empfehlung der Terhart-Kommission und im Zuge der verschiedenen Reformkonzepte der frühen Nullerjahre, wurden bundesweit Zentren gegründet, die sich über die Jahre hinweg fest in der universitären Struktur etabliert haben. Bezüglich der genauen Umsetzung der Gründung von Zentren „[…] schlägt die Kommission kein einheitliches, verbindliches Modell vor.“7 Die logische Konsequenz dessen in Kombination mit der heterogenen und föderalen Bildungslandschaft in der Bundesrepublik war, dass bereits einen Wimpernschlag nach Äußerung der Empfehlungen, die Zentren „[…] mit allen nur denkbaren Aufgabenzuschreibungen [versehen waren].“8
Die daraus resultierende unterschiedliche Ausgestaltung der Zentren untereinander wurde im Jahre 2005 in zwei kleineren Pilotstudien von Wilke sowie von Hilligus in Form von „[…] Einzelfallbeschreibungen im Sinne von Best-Practice Beispielen […]“9 untersucht.10 Die Durchführung solcher Erhebungen erschienen als essentiell, „[…] denn ohne externe standortvergleichende Evaluation [gelangt] wenig Bewegung […]“11 in den Reformprozess zur Verbesserung der Lehramtsausbildung durch die Etablierung von Zentren.
Eine dritte Studie zur Erhebung von Grunddaten der Zentren wurde im Jahre 2010 von Weyand/Schnabel-Schüle veröffentlicht, da zum damaligen Erhebungszeitpunkt „[b]reite, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu den Zentren für Lehrerbildung […] ein bislang noch größtenteils unerforschtes Feld dar[stellten].“12 Trotz dieser ersten größeren Studie zur Erhebung der Grunddaten von Zentren kritisieren Rothland und Terhart im selben Jahr, dass
„[d]ie Intensität, mit der die Strukturen, Prozesse und Ergebnisse der Lehrerbildung in Fachpublikationen wie auch in der allgemeinen Öffentlichkeit erörtert werden, […] in einem deutlichen Widerspruch zum Ausmaß an empirischer Forschung [stehen], die zur Lehrerbildung […] durchgeführt worden ist.“13
Als Konsequenz dessen basiere die Kritik an der Lehrerbildung und speziell an strukturellen Programmen zu ihrer Erneuerung „[…] überwiegend auf institutionellen Erfahrungen, auf Vermutungen über Ursachen und auf Hoffnungen hinsichtlich der positiven Wirkungen bestimmter Maßnahmen.“14 Somit forderten Rothland und Terhart, dass die empirische Basis der universitären Lehramtsausbildung kontinuierlich ausgebaut werden müsse.
Im Jahr 2015 wurde die letzte empirische Studie bezüglich der Zentren von Böttcher/Blasberg vorgestellt.15 Im Anschluss an die Veröffentlichung der Studie forderten Böttcher/Blasberg, dass es unabdingbar sei, die Datenauswertung bezüglich der Zentren noch zu vertiefen.16
Mit Blick auf die prägnante Aufzählung der Erhebungen über die Zentren und die parallel hierzu gebetsmühlenartig geäußerten Forderungen nach einer Ausweitung dieser recht geringen empirischen Grundlage, wird ein wesentlicher Grund für das Verfassen dieser Abschlussarbeit deutlich. Es erscheint mehr als notwendig den empirischen Grundstock über die Ausdifferenzierung der Zentren auszubauen. Denn systematisch lehrreich für die Lehrerbildung „[…] wird die Erhöhung der Vielfalt erst dann, wenn eine kontinuierlich begleitende Erforschung und Evaluation dieser verschiedenen Formen erfolgt.“17
Ein weiterer Grund für das Verfassen dieser Arbeit wird durch die im Kapitel zum Forschungsstand widergegebenen Kritik an den jeweiligen für diese Arbeit relevanten Studien deutlich. Abschließend ist anzuführen, dass diese Abschlussarbeit mit Bezug auf das Untersuchungsdesign und die Stichprobe ein Desiderat darstellt und sich von den bereits durchgeführten Studien unterscheidet.
Das Untersuchungsfeld dieser Arbeit lässt sich grob auf eine Analyse der Rolle und Funktion der Zentren in Nordrhein-Westfalen auf Basis verschiedener Dokumente eingrenzen.18 Die konkrete Ausformulierung der Fragestellung und der ihr impliziten Vermutungen erfolgt im Anschluss an das Kapitel des theoretischen Rahmens, in dem Begriffsdefinitionen, gesetzliche Grundlagen, der ausführliche Forschungsstand etc. dargereicht werden.
Auf die Erörterung des Untersuchungsdesigns erfolgt eine deskriptive Widergabe der erhobenen Ergebnisse durch eine an Diagrammen orientierte Verbalisierung. Im Kapitel der Ergebnisdiskussion wird ein Rückbezug zur entsprechend im theoretischen Rahmen diskutierten Fachliteratur hergestellt. Ebenso werden, falls möglich, „Brückenschläge“ zu anderen Themenbereichen erstellt. Mögliche Erhebungs- oder Zuordnungsproblematiken sind dem Kapitel der Methodendiskussion zu entnehmen. Ein abschließendes Fazit fasst die durch diese Arbeit generierten Erkenntnisse zusammen.
1 Terhart, E., Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland. Abschlussbericht der von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Kommission, Weinheim 2000. Hier, S. 109.
2 Im Folgenden wird diese Kommission als „Terhart-Kommission“ bezeichnet.
3 Die letztendliche Bezeichnung dieser neu zu gründenden Institutionen variiert in einem hohen Maße. Mögliche Bezeichnungen sind: Zentrum für Lehrerbildung, Lehrerbildungszentrum, School of Education, Professional School of Education etc. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird abkürzend der Begriff Zentrum verwendet. Andere Bezeichnungen solcher Institutionen sind implizit mitzulesen. Zusätzlich sei auf das Kapitel 2.1 verwiesen, in dem sich vertieft mit den unterschiedlichen Begriffen „Zentrum“ und „School“ beschäftigt wird. Bei konkreten Bezügen auf ein Zentrum wird jedoch dessen aktuelle Bezeichnung angegeben.
4 Terhart, Perspektiven, S. 59.
5 In dieser Arbeit wird im Sinne einer geschlechtergerechten Sprache das generische Maskulin verwendet, bei dem die feminine Form implizit mitzulesen ist. Wörtliche Zitate werden nicht angepasst und verbleiben in ihrer ursprünglichen Form.
6 Blömeke beschreibt sie 2000 als „Retter in der Not“ [Blömeke, S., Zentren für Lehrerbildung: Entstehungszusammenhang, Modelle und Analyse der Leistungsfähigkeit, in: Bayer, M., et al. (Hrsg.), Lehrerin und Lehrer werden ohne Kompetenz? Professionalisierung durch eine andere Lehrerbildung, Bad Heilbrunn/Obb 2000, S. 251-276. Hier, S. 251]; Merkens bezeichnet den Begriff Zentren für Lehrerbildung als Synonym für „Neuerung“ oder „Neuanfang“ [Merkens, H., Zentren für Lehrerbildung: Eine Neuerung mit Zukunft? in: Merkens, H. (Hrsg.), Lehrerbildung: Zentren für Lehrerbildung, Wiesbaden 2005, S. 7-15 (Schriftenreihe der DGfE). Hier, S. 9].
7 Terhart, Perspektiven, S. 109.
8 Blömeke, Zentren, S. 251.
9 Weyand, B., Schnabel-Schüle, H., Erhebung von Grunddaten zu Zentren für Lehrerbildung in Deutschland 2010. Projektbericht, Trier 2010. Hier, S. 10
10 Vgl. Wilke, F., Lehrerbildungszentren in Deutschland, in: Merkens, H. (Hrsg.), Lehrerbildung: Zentren für Lehrerbildung, Wiesbaden 2005, S. 93-102 (Schriftenreihe der DGfE); Hilligus, A., Zentren für Lehrerbildung in der BRD, in: Hilligus, A., Rinkens, H.-D. (Hrsg.), Zentren für Lehrerbildung - Neue Wege im Bereich der Praxisphasen, Münster 2005, S. 69-103 (Paderborner Beiträge zur Unterrichtsforschung und Lehrerbildung, Bd. 10).
11 Terhart, E., Zentren für Lehrerbildung – ein Standard für die Lehrerausbildung. Vortrag im Rahmen der Bundestagung der GeschäftsführerInnen von Zentren für Lehrerbildung, Universität Münster, Zentrum für Lehrerbildung, 12.03.2007.
12 Weyand, Schnabel-Schüle, Erhebung, S. 10
13 Rothland, M., Terhart, E., Forschung zum Lehrerberuf, in: Tippelt, R., Schmidt, B. (Hrsg.), Handbuch Bildungsforschung, Wiesbaden 3 2010, S. 791-799. Hier, S. 798; Siehe auch: Vgl. Blömeke, S., Qualitativ – quantitativ, induktiv, deduktiv, Prozess - Produkt, national – international. Zur Notwendigkeit multikriterialer und multiperspektivischer Zugänge in der Lehrerbildungsforschung, in: Lüders, M., Wissinger, J. (Hrsg.), Forschung zur Lehrerbildung. Kompetenzentwicklung und Programmevaluation, Münster 2007, S. 13-37, Hier, S. 15.
14 Rothland, Terhart, Forschung, S. 798; Ein erheblicher Forschungsbedarf nach empirischen Studien bezüglich der Zentren wird auch im Kontext der Studie zur Referndarsausbildung angemeldet [Schubarth, W., Speck, K., Seidel, A., Endlich Praxis! Die zweite Phase der Lehrerbildung. Potsdamer Studien zum Referendariat, Frankfurt am Main 2007. Hier, S. 237].
15 Böttcher, W., Blasberg, S., Strategisch aufgestellt und professionell organisiert? Eine explorative Studie zu Strukturen und Status der Lehrerbildung, Bonn 2015.
16 Vortrag Böttcher, W., Blasberg, S. an der WWU am 08.06.2015. Hier, Folie 26. Dies mag auch aus dem Design der Studie selbst resultieren, denn es handelt sich um eine stiftungsfinanzierte explorative Studie, die lediglich fünf Zentren bundesweit in Augenschein genommen hat. [Vgl. Böttcher, Blasberg, strategisch aufgestellt, S. 6].
17 Terhart, E., Lehrerbildung: Stichworte zu Organisation, Kultur, Disziplin, in: Erziehungswissenschaft. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, 22 (2011) 43, S. 113-117. Hier, S. 114; Zudem erscheint ein empirischer Grundstock als unabdingbar, damit Diskussionen diesbezüglich sachlich angemessen geführt werden können [Vgl. Rischke, M., Bönsch, C., Müller, U., Monitor Lehrerbildung, in: Gehrmann, A., et al. (Hrsg.), Formation und Transformation der Lehrerbildung. Entwicklungstrends und Forschungsbefunde, Bad Heilbrunn 2015, S. 36-53. Hier, S. 48].
18 Die Gliederung dieser Arbeit ist angelehnt an die Empfehlungen Hoffmans für die Erstellung von Dokumentenanalysen in der Bildungsforschung [Hoffmann, N., Dokumentenanalyse in der Bildungs- und Sozialforschung. Überblick und Einführung, Weiheim/Basel 2018. Hier, S. 145]; Vgl. Obermaier, M., Arbeitstechniken Erziehungswissenschaft, Paderborn 2017. Hier, S. 86-89.
Wie bereits aus der dritten Fußnote in der Einleitung ersichtlich geworden ist, werden in dieser Arbeit die Begriffe Zentrum für Lehrerbildung und School of Education synonym verwendet. In der Literatur wird diese Annahme diskutiert. Böttcher/Blasberg sind in ihrer Studie aus dem Jahre 2015 dieser begrifflichen Unschärfe in einem Teilaspekt der Arbeit nachgegangen. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es „[…] keinen systematischen Unterschied zwischen der Arbeit von Schools und der von Zentren oder ihrer jeweiligen Schwerpunktsetzungen [gibt].“19 Dennoch werden mögliche Unterschiede zwischen diesen beiden Begrifflichkeiten in der Literatur wie folgt begründet:
So wird beispielsweise mit Bezug auf die chronologische Entwicklung dieser Einrichtungen in der Literatur darauf verwiesen, dass eine Möglichkeit in der systematischen Weiterentwicklung zu einer School of Education bestehe, „[…] die in verbindlicher und verlässlicher Weise einen lebendigen Kreislauf von Ideen und Kompetenzen zwischen den einschlägigen Disziplinen und der Professional School sicherstellt.“20 Ebenso fasst Terhart zusammen, dass Schools of Education implizieren, […] dass Lehr-, Forschungs- und Entscheidungskompetenzen sowie Ressourcen anderswo abgezogen und in einer School neu gebündelt werden […],“21 wodurch sie tendenziell den Status einer Fakultät erlangen. Er grenzt dies von den Zentren für Lehrerbildung ab, die zwar auch Kompetenzen und Ressourcen zusammenziehen, jedoch bleibt bei diesen Institutionen „[d]ie Verortung der Wissenschaftler in ihren angestammten Fachbereichen bzw. Fakultäten fast immer bestehen […].“22
Diesen Äußerungen Terharts muss man jedoch, basierend auf einigen vorwegnehmenden Erkenntnissen dieser Studie, kritisch entgegenhalten, dass Differenzen in der Ausgestaltung oder Namensgebung der Zentren in diesem lehramtsbezogenen Themenbereich implizit sind. Beispielsweise ist das gesamte Institut für Bildungsforschung der School of Education der Bergischen Universität Wuppertal angeschlossen,23 was den Definitionen Terharts zufolge auch charakteristisch für eine School of Education sei. Andererseits sind jedoch auch die Bildungswissenschaften dem Bonner Zentrum für Lehrerbildung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn in einem vergleichbaren Maße unterstellt,24 obwohl das Zentrum nicht die Bezeichnung einer School of Education trägt. Helsper zufolge sei es zum einen möglich, dass eine (Professional) School of Education eine strukturelle Verzahnung von lehramtsbezogenen Fachbereichen darstellt. Ebenso wahrscheinlich sei es jedoch auch, dass es sich bei solch einer Institution um eine „[…] mit Anglizismen bestückte Aufpolierung des Lehramtsstudiums […]“25 handle, die üblicherweise als Zentrum bezeichnet werde. Dieser kurze Exkurs in die strukturelle Einbettung von Aspekten der Bildungsforschung und Bildungswissenschaften und der damit einhergehenden Bezeichnung der entsprechenden Institute zeigt bereits nach einem ersten Blick deutlich auf, dass diese Institutionen in ihrer Struktur und auch Namensgebung höchst diffus sind. Dennoch sind es alles Institutionen, die für denselben Zweck, nämlich einer nachhaltigen Verbesserung der Lehramtsausbildung, eintreten.
„Als ich im Januar mein Amt als Präsident der Kultusministerkonferenz antrat, habe ich gesagt, dass nach dem Urteil der Fachleute - und dies entspricht auch meiner persönlichen Auffassung - die derzeitige Situation der Lehrerbildung außerordentlich unbefriedigend ist.“26
Mit diesen recht drastischen Worten resümiert Herr Meyer, Präsident der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2000, den Zustand der Situation der Lehrerbildung in Deutschland ein Jahr nachdem die Einsetzung einer gemischten Kommission „Lehrerbildung“, unter Leitung von Ewald Terhart, von der Kultusministerkonferenz beschlossen wurde. Inhaltlich sollten je acht Fachleute aus Wissenschaft und Bildungsadministration grundsätzliche und zum damaligen Erhebungszeitpunkt aktuelle Fragen der Lehrerbildung durch den Einsatz von schriftlichen und mündlichen Anhörungen eruieren.27
Das negative Prädikat „[…] außerordentlich unbefriedigend […]“28 wurde dem deutschen Ausbildungssystem zur Lehrerbildung vom damaligen Präsidenten der Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland aus folgenden Gründen zugeschrieben:
Erstens sorgte die fortschreitende Autonomisierung der deutschen Hochschulen und einer damit einhergehenden Übertragung des Lehramtsstudiums an die Hochschulen, begleitet durch eine Vielzahl von Akkreditierungsmaßnahmen, für großen Wandel. Im Zuge dieser Autonomisierung vollzog sich eine sogenannte „Verwissenschaftlichung“ der bundesweiten Lehrerausbildung. Zum einen kann man dies als positives Heraustellungsmerkmal definieren. Zum anderen wurde die „[…] Wissenschaftlichkeit [jedoch] durch eine Verminderung des Praxisbezugs in der ersten Phase der Lehrerausbildung [erkauft].“29 Gleichzeitig vollzog sich eine schier unendliche und teilweise lähmende Theorienpluralität.30 Diese Art der Autonomisierung hat trotz einiger ihrer Vorteile dazu geführt, „[…] dass im Laufe der letzten Jahrzehnte bundesweit die Lehrerbildung uneinheitlicher und vielfältiger geworden ist.“31
Zweitens war zur Jahrtausendwende eine deutliche Beliebigkeit in der Lehrerbildung festzustellen: Fachstudien, fachdidaktische Studien, erziehungswissenschaftliche Studien und schulpraktische Studien standen unverbunden nebeneinander.32 Speziell schulpraktische Studien, welche die Bindung an das Lehramtsstudium maßgeblich erhöhten, blieben zum Zeitpunkt der Jahrtausendwende ohne konkrete Verbindung zu den anderen Elementen. Synergien im Sinne einer nachhaltigen, professionellen und kooperativen Lehrerbildung wurden somit als Folge unterbunden. Zusätzlich wurde in diesem Kontext die randständige Rolle der Fachdidaktiken als forschende Disziplinen und eine unzureichende Nachwuchsförderung auf diesem Forschungsgebiet von der Kommission eruiert.33
Primär resultierten diese Problematiken aus strukturgenetischen Gründen der Universitäten. Denn die Lehramtsausbildung setzt sich aus dem Studium zweier Fächer und eines erziehungswissenschaftlichen Anteils zusammen. Somit ist die Lehramtsausbildung im Unterschied zu derjenigen der Juristen oder Mediziner innerhalb der Universität nicht in einer Fakultät verankert, sondern wird auf viele Fakultäten und Institutionen verteilt. Erschwerend kam hinzu, dass an den Fakultäten der einzelnen Fächer, der fachwissenschaftlichen Lehrerausbildung zum Zeitpunkt der Erhebung wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde, da „[…] der jeweilige Hauptfachstudiengang im Mittelpunkt […]“34 stand. Unter diesen Umständen „kämpfte“ die akademische Lehramtsausbildung stetig um inneruniversitäre Anerkennung. Somit konnte die „[…] Lehrerbildung in Deutschland dem fragmentierten und bildungsorientierten Typ zugerechnet werden, […]“35 denn „[…] statt der Einheit eines Studienganges existiert[e] ein weithin unkoordinierter, lückenhafter Flickenteppich […]“36, der in einer schier unendlichen Beliebigkeit studiert werden konnte.
Neben den zuvor beschriebenen horizontalen Herausforderungen in der Lehrerausbildung in Deutschland ließen sich auch welche in den konsekutiv ablaufenden und vertikalen Aufteilungen der Berufsbildung detektieren. Somit war die mangelnde Verzahnung von Theorie und Praxis beispielsweise ein weiteres Problem der Lehrerbildung zur Jahrtausendwende. Die wenige Praxis, die dennoch während des Studiums gewonnen wurde, litt deutlich unter einer fehlenden Reflexion, die jene Erfahrungen erst nachhaltig gesichert hätte.37
Des Weiteren ist es ein distinktes Merkmal der deutschen Lehrerausbildung, dass sie nicht ausschließlich von universitärer Seite aus geleitet wird, sondern die eigentliche Einführung in das Berufsfeld von den Studienseminaren durchgeführt wird. Hinsichtlich der Situation der zweiten Phase der Lehrerausbildung, dem Referendariat, konstatierte die Terhart-Kommission im Jahr 2000, dass „[…] sie inhaltlich, personell und kulturell unverbunden neben der ersten Phase steht.“38 Ein systematischer Anschluss an die erste Phase konnte somit zu diesem Zeitpunkt kaum gelingen, da die erste Phase ohne Bezug zur zweiten agierte und die zweite Phase deshalb nicht mit verlässlichen und homogenen Voraussetzungen der ersten Phase rechnen konnte.39
Die Liste der von der Kommission aufgezählten Probleme der Lehrerbildung ließe sich noch um etliche Punkte erweitern, jedoch tangieren sie die Forschungsfrage in einem zu peripheren Maße.40
Trotz all der zuvor aufgezählten Mängel der Lehramtsausbildung in Deutschland, speziell im Kontext der Verzahnungsproblematik der Phasen, sprach sich Terhart gegen eine Verlagerung der Lehrerbildung an Fachhochschulen und für einen Erhalt der universitären Lehrerbildung mit tiefgreifenden Modifikationen aus.41
Im Kern wurde zur Jahrtausendwende literaturübergreifend ein „[…] Ende in der Beliebigkeit […] “42 der universitären Phase der Lehrerbildung gefordert. Sämtliche Studienelemente, seien es Fächer, Fachdidaktiken, Erziehungswissenschaften oder auch Praktika, sollten stärker als bisher am späteren Lehrerberuf orientiert sein, sodass die zuvor monierte Beliebigkeit des Studienangebots gestrafft und fokussiert werde. Um eben jene Straffung zu ermöglichen, empfahl die Terhart-Kommission die Verstärkung vertikaler und horizontaler Querstrukturierungen durch die Gründung sogenannter Zentren für Lehrerbildung.43 Neu an diesen Empfehlungen waren die konkreten Ausformulierungen der potentiellen Aufgaben der Zentren sowie der bundesweite Radius derer. Speziell mit Fokus auf das Land NRW ist zu erwähnen, dass in mehreren Studien zuvor ähnliches gefordert wurde, jedoch nicht mit einem so starken Nachdruck. Paradigmatisch sind hier die folgenden drei kurz zu nennen:
1995 empfahl die Kommission „Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft“ des Landes NRW die Gründung einer selbständigen und außeruniversitären Institution mit dem Begriff „Zentrum für Lehrerbildung“, der jedoch primär die Aufgaben der zweiten Ausbildungsphase zugeschrieben wurden. Ziel der Empfehlung war es, eine verbesserte Vernetzung der verschiedenen Lernorte untereinander durch den Einsatz der neu zu gründenden Institutionen zu initiieren.44
1996 forderte die „Gemeinsame Kommission für die Studienreform im Land Nordrhein-Westfalen“ die Gründung einer umfassenden Institution, die alle Aufgaben integriere, „[…] die derzeit von verschiedenen Institutionen als spezifische Aufgabe der Berufsqualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern geleistet werden.“45
Zuletzt sind die gemachten Erfahrungen mit den modellhaft in NRW gegründeten Zentren von Dortmund, Münster, Paderborn, Siegen, Wuppertal und Bochum zu nennen.46 Jene Zentren zeigten zum damaligen Zeitpunkt erste positive Auswirkungen dahingehend, dass sie im Bereich von Organisation und Gestaltung erste Aufgaben wahrnahmen. Beispielhaft sind die Initiierung und Koordination des Lehrangebotes, die Organisation der Praxisstudien, das Auslösen und Organisieren von Diskussionen zur Gestaltung der Lehramtsstudiengänge und das Erstellen von Studienführern zu nennen.47 Diese ersten Erkenntnisse wurden 1999 nach Ablauf des Modellversuchs durchgehend bestätigt.48 So äußerte sich beispielsweise die damalige Ministerin für Wissenschaft und Forschung, Anke Brunn, am 06.03.1998 wie folgt:
„Ich finde es bemerkenswert, wieviel Bewegung der Modellversuch „Zentren für Lehrerbildung“ in die vermeintlich festgefahrene Situation der Lehrerausbildung an den Universitäten gebracht hat. Auch in den Hochschulen, die nicht am Versuch teilnehmen (können), hat der Schwung der Lehrerausbildungszentren durchaus ansteckend gewirkt.“49
Auf diesen drei aufgezählten Vorschlägen basierend, forderte die Terhart-Kommission die Einrichtung wissenschaftlicher Zentren, „[…] die einen mittleren Weg zwischen […]“50 einem nur einer Forschungsdoktrin verpflichteten Zentrum und einem reinen administrativen und serviceorientierten Zentrum verkörpern. Diese inhaltliche Ausrichtung der Zentren war bewusst so vage formuliert worden, da bei der Gründung neuer Querstrukturen in bereits bestehende Organisationsgefüge solche Neugründungen „Abgrenzungs- und Kompetenzprobleme […]“51 innerhalb der entsprechenden Universität hervorrufen konnten.
Paradigmatisch sind hier auf die „[a]nfängliche[n] Vorbehalte gegenüber einem ZfL […]“52 an der Universität Paderborn im Jahre 1994/1995 zu verweisen. Vorbehalte wurden universitätsintern vom Fachbereich 2, den Erziehungswissenschaften und vom Senat geäußert. Letzterer legte besonderen Wert darauf, dass das neu zu gründende Zentrum eine zentrale Betriebseinheit und nicht eine wissenschaftliche Einrichtung sei.
Demzufolge wurde explizit darauf verwiesen, dass kein 18. Fachbereich etabliert werde, da die Erhaltung des Fächerprinzips essentiell sei.53 Ebenso war universitätsextern Blömeke zufolge eine, positiv ausgedrückt, massive Reserviertheit vorzufinden.54 Dies resultierte daraus, dass an den Studienseminaren eine Eingliederung und damit einhergehen Auflösung der Lehrerausbildungszentren als mögliche Konsequenz der Gründung der Zentren in Betracht gezogen wurde.
Um diesen am Beispiel der Universität Paderborn dargestellten drohenden „inneruniversitären Gegenwind“ abzuschwächen, wurde die Frage nach dem Grad der Forschungsintensität bewusst ambivalent gehalten. Zum einen regte die Terhart-Kommission die Gründung von „[…] universitären Zentren für Lehrerbildung und Schulforschung an.“55 In diesem Kontext wurde explizit von Schulforschung gesprochen, was jedoch schnell eingegrenzt wurde. Denn die Terhart-Kommission sprach sich zwar „[…] trotz einer weitgehenden Offenheit in der Ausgestaltung von Zentren, gegen das Modell eines nur an Forschungsvorhaben ausgerichteten Zentrums aus, da dieses zu sehr einer Forschungslogik verpflichtet […] wäre.“56
Trotz des möglichen Gegenwindes bei der genauen Ausgestaltung der Zentren, wurde die Forderung der Kommission nach einer flächendeckenden Einrichtung von Zentren in der wissenschaftlichen Literatur als positive Idee wahrgenommen, auch wenn sich die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft in der ersten Phase eher zurückhaltend bis kritisch geäußert hat,57 dies jedoch relativ zeitnah revidierte. Weitere kritische Äußerungen bezüglich der Gründung von Zentren wurden von Radtke und Webers bereits seit 1998 getätigt. Sie waren der Auffassung, dass die geplante Umorganisation der Hochschullandschaft das zentrale Problem der Lehrerbildung nicht treffe, da eine organisatorische Lösung des Problems durch eine zentrale Steuerung in Form von Koordination und Kooperation bereits vorläge.58
Auf Grund der zuvor beschriebenen möglichen Einwände gegen die Schaffung von Zentren, blieben die von der Terhart-Kommission zugeschriebenen Aufgabenreiche der Zentren recht vage. Um trotz der dehnbaren Formulierungen jedoch ein gewisses Maß an Einheitlichkeit und damit einhergehender Planbarkeit zu generieren, skizzierte die Terhart-Kommission grob folgende Aufgabenfelder für die Zentren in Deutschland.59
Tabelle 1: Mögliche Aufgabenbereiche der Zentren, empfohlen durch die Terhart-Kommission.
Koordination von Lehren und Lernen im Rahmen der Lehrerausbildung |
Koordination der Lehrerausbildungsstudiengänge |
Konzeption und Koordination von Praktika |
Verbindung zwischen Allgemeiner Didaktik, Fachdidaktik und Fachwissenschaft |
Unterstützung und ggf. Initiierung von schulbezogener Forschung und Entwicklung |
Beratung bei der Erstellung und Novellierung von Prüfungs- und Studienordnungen |
Planung, Organisation und Koordination von Studienangeboten |
Interne Evaluation von Studium und Lehre im Rahmen der Lehrerausbildung |
Beteiligung (Beratung) bei der Berufung von Professoren in den Lehramtsstudiengängen |
Studienberatung für Lehramtsstudierende (in Koordination mit den bereits vorhandenen Einrichtungen der Studienberatung) |
Entwicklung und Koordination multimedialer Formen in der Lehrerbildung |
Die Verantwortung für die konkrete Ausgestaltung der Zentren sollte der Terhart-Kommission nach individuell von der Universitätsleitung übernommen werden, jedoch sollten Fachdidaktiker, Erziehungswissenschaftler, Fachwissenschaftler, Haupt- und Fachseminarleiter, Mentoren, Schulleiter und Mitglieder der Prüfungsämter einen grundlegenden Teil des Personals darstellen.60
Sieben Jahre nach der Terhart-Kommission wurde die Baumert-Kommission bezüglich der möglichen „[…] organisatorische[n] Rahmenstruktur […]“61