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© 2020 Gerold Engist
Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7504-7916-6
Noch vor 100 Jahren war Kalk „Volksgut“; jedermann, der Kalk benötigte, konnte Kalk erwerben.
Heute ist Kalk „Industriegut“; Kalk kann nur als veredeltes, gemischtes Produkt erworben werden.
Das Wort „Kalk“ und der sich damit verbindende Begriff des „kalk“haltigen Gegenstandes waren noch nie eindeutig.
So werden mit dem Wort „Kalk“ im Sprachgebrauch, der Kürze des Ausdrucks zuliebe, verschiedenartige Dinge und Produkte und dem gleichen Rohstoff angehörende oder entstammende Erzeugnisse bezeichnet.
Der Grundstoff aller natürlich vorkommenden und künstlich hergestellten Erzeugnisse, die irgendwie mit dem Namen „Kalk” bezeichnet werden, ist der kohlensaure Kalk (Luftkalk).
In unserem Sprachgebrauch bezeichnet man mit dem Namen „Kalk“ verschiedene Verbindungen des Elementes Calcium. Im weitesten Sinne werden drei verschiedene Erzeugnisse so genannt:
In Wortzusammensetzungen wird man die Bezeichnung Kalk ohne Weiteres verwenden können, weil eine Verwechslung dann wohl kaum möglich ist.
Dennoch war „Luft-Kalk“ ein elementarer Grundstoff für alle Lebenslagen der Menschheit, sei es als Baustoff, in der Landwirtschaft, in der chemischen Anwendung, in der Lebensmittel-Gewinnung und in der Gesundheitslehre und Hygiene.
Kalk lässt sich nicht durch andere, ähnliche Stoffe ersetzen. Die Tatsache, dass Kalk in riesigen Mengen, ganze Gebirge bildend, in der Natur vorkommt, lässt es als überflüssig erscheinen, nach Ersatzstoffen für den Kalk Ausschau zu halten.
Trotz des Wissens um die enorme Haltbarkeit der historisch verarbeiteten Kalkprodukte (Pyramiden, Pompeji etc.) wurde in jüngerer Zeit immer wieder nach Kalkersatz-Produkten gesucht.
In jüngerer Zeit ist zu beobachten, dass das Wort „Kalk“ lediglich in der „Werbung“ und im Verkauf enorm an Bedeutung gewonnen hat, aber der Umsatz als reines Produkt seit Jahren rückgängig ist.
In den Normierungen hat „Luftkalk“ keine Bedeutung mehr. In den einschlägigen Berufen wird der Umgang mit Luftkalk nicht mehr unterrichtet.
Hatte noch vor einem Jahrhundert fast jedes ländliche Anwesen noch eine „Kalkgrube“, die den täglichen Bedarf an „Kalk“ für Mörtel und Farbe gedeckt hat, so ist heute nicht einmal mehr das Wissen von solchen Kalkgruben in großen Teilen der Bevölkerung vorhanden.
Jedem einfachen Arbeiter (Mauerer, Verputzer, Maler) war früher Luftkalk ein Begriff und Arbeitsmaterial. Heute können den Luftkalk scheinbar nur noch historisch gebildete, akademische Restauratoren verarbeiten. Für normale Bürger ist Kalk meist nur noch ein Begriff für „hartes Wasser“.
Ist das der Untergang unserer traditionellen Baukultur?
Nein, man baut heute „höher“ – „schneller“ – „massiver“ als früher und erwähnt immer wieder den „guten alten Kalk“, auch wenn dieser nicht mehr so recht in die „Arbeitsweisen“ und in die Gebäude passen mag.
Dafür verwendet man Aussagen wie „auf Kalkbasis“ oder „kalkähnlich“ und gibt dann Luftkalk in homöopathischen Mengen hinzu.
Der Autor des vorliegenden Werkes hat sich intensiv mit der vorgenannten Kalk-Materie befasst, hat umfassend recherchiert und eindeutig belegt, dass Kalk durch keine noch so ähnlichen Stoffe ersetzt werden kann.
Für das unermüdliche Zusammentragen der interessanten Fakten rund um den Kalk sei dem Autor an dieser Stelle herzlich gedankt!
WOLFGANG KENTER
Restaurator für Putz und Stuck
Frauenzimmern 10.11.2019
Die Baustoffindustrie ist einer der größte Abnehmer der weltweit produzierten Chemikalien. Weil der Mensch mittlerweile im Schnitt 20 Stunden am Tag in geschlossenen Räumen verbringt, ist eine kritische Betrachtung der Schadstoffbelastung von Innenräumen unerlässlich. Das Geschäft mit Chemikalien und den daraus erzeugten Produkten ist gigantisch. Es geht dabei allein in Deutschland um ca. 180 Milliarden Euro.
Ende 1993 gelang es einer japanischen Forschergruppe, die zwöfmillionste chemische Verbindung zu synthetisieren. 1954 waren es noch ca. 600.000. Im Dezember 2017 waren beim Chemical Abstracts Service schon 135 Millionen Verbindungen registriert. Wenn man die Entwicklung der letzten 10 Jahre betrachtet, sind das 10 Millionen neue Verbindungen pro Jahr, 27.000 pro Tag. Erschreckend dabei ist, dass von den 135 Millionen Substanzen so gut wie nichts bekannt ist. 1995 wurden gerade mal 1500 in der MAK-Liste für gefährliche Arbeitsstoffe aufgeführt. Die MAK-Liste (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) gibt die maximale zulässige Konzentration eines Stoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft an. Jährlich werden ca. 15 neue Stoffe aufgenommen. Ohne dies bewerten zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass auch Mitarbeiter von BASF und Bayer Mitglieder bei der MAK-Kommission sind.
Seit 2007 gibt es auch noch REACH (Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe)
Reach soll ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und Umwelt sicherstellen und gilt als eines der strengsten Chemikaliengesetze der Welt. Reach verpflichtet Hersteller und Importeure Chemikalien zu registrieren und (bis hier hin ein interessantes Konzept -aber Achtung jetzt kommt’s) die von den Stoffen ausgehenden Risiken selbst zu bewerten. Mit Reach gibt es jetzt auch ein Recht für Verbraucher, Informationen über Chemikalien in Produkten zu erhalten. Das bedeutet: Hersteller und Händler müssen bei besonders besorgniserregenden Chemikalien Auskunft geben, wenn eine entsprechende Anfrage gestellt wird. Sie müssen also nur noch herausfinden, welche Chemikalien eingesetzt wurden, welche davon besonders besorgniserregend sind und schon erhalten Sie Auskunft. In der Theorie ist das ein interessantes Konzept aber die Wirklichkeit schaut anders aus. Unzählige Anfragen bei Putzherstellern zeigen, dass die chemischen Inhaltsstoffe nicht preisgegeben werden.
Zudem lassen sich für die meisten in Bauprodukten eingesetzten Chemikalien auch nach REACH keine generellen Aussagen treffen darüber, ob und in welchen Mengen diese eingesetzt werden dürfen. Für beschränkte Chemikalien – solche, die nachweislich schädlich für Umwelt oder Gesundheit sind – gibt es Grenzwerte. Das bedeutet: Solange diese Grenzwerte nicht überschritten werden, dürfen diese Chemikalien eingesetzt werden. Bei den in Baustoffen eingesetzten Biozidprodukten verhält es sich ähnlich. Diese dürfen eingesetzt werden, wenn kein unannehmbares Risiko für Mensch, Tier und Umwelt besteht. Wie genau ein „unannehmbares Risiko“ definiert wird, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen.
Die Baustoffe von heute sind die Schadstoffe von morgen. Um dies zu untermauern, fehlt es nicht an unzähligen Beispielen; Asbest, KMF (künstliche Mineralfasern) Flammschutzmittel, Formaldehyd, Blei, Glykol usw. All diese Stoffe wurden jahrelang wegen ihrer herausragenden Eigenschaften beigemischt bzw. eingesetzt und sind heute als gesundheitsgefährdend eingestuft. Moderne Baustoffe sind keineswegs besser. Enorme wirtschaftliche Interessen überlagern nach wie vor den Gesundheits- und Umweltschutz. Wenn es um das Thema Schadstoffe geht, wird verharmlost und gerne auch Paracelus zitiert: „Die Dosis macht die Giftwirkung“. Sollte dies nicht ausreichen, werden „unabhängige Gutachter“ hinzugezogen. Hier mal einige Beispiele von jenen Gutachtern.
Helmut Grimm: Unabhängiger Gutachter mit beratender Tätigkeit auch für die Bundesregierung. Erstaunlich sind seine oft mit jenen der Industrie exakt übereinstimmenden Analysen. Egal, ob giftige Holzschutzmittel, Dieselabgase oder Glyphosat – Grimm signalisiert überall Entwarnung. Obwohl Glyphosat-Hersteller Monsanto nachweislich an Grimm Geld überwiesen hat, wird er noch immer als Gutachter eingesetzt. Wie blanker Hohn erscheint mir seine Auszeichnung mit dem großen Bundesverdienstkreuz für seine Leistung zum Schutz der Menschen und der Umwelt!
Ulrich Ewers: Er war der Meinung, dass es bei PCB-Belastungen in Schulen ausreichend sei, regelmäßig zu lüften und glatte Flächen abzuwaschen. (Polychlorierte Biphenyle, kurz PCB, dienen hauptsächlich als Schmiermittel und Weichmacher.)
Thomas Eikmann: Er vertritt die Meinung, dass von PCB keine Gefährdung für die nächste Generation ausgeht. (PCB ist krebserregend, beeinträchtigt den Sexualhormonhaushalt und führt u. a. zu Leber-, Milz- und Nierenschäden.)
Stefan Gäth: Er hat jahrelang versichert, die Herstellung von Woolit (krebserregende Substanz aus gemahlenen Dämmstoffen für die Ziegelindustrie) sei harmlos.
Wenn solche Gutachter eingesetzt werden, um gesundheitliche Risiken zu beurteilen, dann verwundern die folgenden Schlagzeilen nicht wirklich.
Einige Beispiele
Wie hoch der Anteil der durch Umweltgift Erkrankten ist, lässt sich schwer abschätzen. Es vergehen oft Jahre, bis eine korrekte Diagnose gestellt wird, weil nur ca. 1,2 % der niedergelassenen Ärzte Umwelterkrankungen erkennen.
Was genau davon auf die Belastung durch Chemikalien in Baustoffen zurückzuführen ist, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist, dass die Industrie kein Interesse daran hat, ihre eingesetzten Chemikalien in Langzeitstudien zu prüfen. Da fast alle Alltagsgifte auch Speichergifte sind, die sich im Körper anreichern, wären Langzeitstudien sicher nicht im Interesse des Herstellers.
Für Sie ist wichtig, zu wissen, dass Giftdepots verstärkt nachts gebildet werden und diese nicht der Verteidigung, sondern der Selbstzerstörung dienen. Deshalb sollten Sie darauf achten, Ihren Schlafraum und den Ihrer Kinder möglichst frei von Schadstoffen zu gestalten. Eingeatmete Schadstoffe wirken deutlich stärker als geschluckte oder über die Haut aufgenommene Substanzen. Eingeatmete Gifte müssen keinen Umweg über die Leber machen, die einen Teil der Schadstoffe abbaut, sondern gelangen über die Lunge direkt in den Blutkreislauf. Somit enthalten auch die Giftdepots im Körper die ungefilterten Schadstoffe.
Einleitend muss erwähnt werden, dass Grenzwerte nach den Vorgaben der Industrie festgelegt werden. Oder wie kann es sonst sein, dass bereits 1936 Asbestose (Lungenkrebs durch Asbest) als Berufskrankheit anerkannt wurde? Verboten wurde Asbest aber erst 1993. 1888 diagnostizierte Jonathan Hutchinson Hautkrebs als Folge von arsenhaltigen Salben. Dennoch wurden Arsenverbindungen ab 1925 für die Schädlingsbekämpfung im Obstbau eingesetzt.
Mit hervorragender Lobbyarbeit gelingt es der Industrie, Zulassungen und gesetzliche Grenzwerte ihren Wünschen anzupassen. Dass die Medizin Jahrzehnte benötigt, um gesundheitliche Risiken nachzuweisen, hilft der Industrie zusätzlich. Hersteller und Behörden versuchen immer wieder, Schadstoffe in Bauprodukten zu bagatellisieren und mit großzügigen Grenz- und Richtwerten Zulassungen von Produkten zu erlangen. Leider mit großem Erfolg!
Zur Ermittlung von Grenzwerten (nur für einen Bruchteil der in Baustoffen eingesetzten Chemikalien gibt es überhaupt Grenzwerte) werden erwachsene, gesunde Menschen als Referenz genommen. Der Kombinationseffekt einzelner Stoffe untereinander wird nicht geprüft. Es wird immer nur eine einzelne Substanz untersucht und bewertet. Substanzgemische, mit denen wir täglich konfrontiert sind, werden nicht untersucht. Alte, schwache und kranke Menschen werden nicht berücksichtigt. Kleinkinder, deren Immunsystem noch nicht ausgebildet ist, werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Unserem im Grundgesetz verankerten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit wird bei solch einem Vorgehen wenig Beachtung geschenkt.
Es gibt für Schadstoffe keine ungefährliche Dosis, weshalb die Festlegung von Grenzwerten keinen Sinn ergibt!
Die Liste der Schadstoffe in Bauprodukten ist lang und müsste täglich aktualisiert werden. Bei der Sanierung und bei Umbaumaßnahmen von Bestandsgebäuden sind andere Schadstoffe vordergründig als beim Bau neuer Immobilien.
Beim Neubau geht es um Schadstoffe, die zum Teil noch nicht analysiert und eventuell noch nicht einmal als Schadstoffe erkannt wurden. Eine wichtige Gruppe stellen hierbei sicher die Nanomaterialien da die in allen Bereichen eingesetzt werden. Welche Gefährdung von diesen Materialien in Zukunft ausgehen wird, ist heute noch nicht abschätzbar. Aber auch zu den Weichmachern, Löse- und Brandschutzmitteln sind noch keine verlässlichen Aussagen zu treffen. Fakt ist, dass die Industrie von Spätfolgen nichts wissen möchte und diese gänzlich ausschließt.
Bei Maßnahmen im Bestand wissen wir zumindest schon, was uns erwartet: PCB, Lindan, Asbest, Schwermetalle, PAK, Formaldehyd, HBCD, Styrol und Co. All diese Stoffe wurden oder werden noch immer eingesetzt, ohne dass man sich Gedanken dazu macht, welche Folgen diese für unsere Gesundheit haben.
Der Nutzen in Form von Einsetzbarkeit und Profit hat einen höheren Stellenwert als die Gesundheit der Verbraucher.
Von der Industrie betrogen zu werden, ist nichts Neues. Autokonzerne manipulieren ihre Fahrzeuge – die Stahlindustrie fälscht Daten – in der Lebensmittelindustrie wird gepanscht und betrogen.
Die Industrie besteht aus millionenschweren Unternehmen, die von Menschen geführt werden. Natürlich ist es das Ziel eines Konzerns, Geld zu verdienen und Marktanteile zu gewinnen. Und natürlich ist die Gier der Menschen grenzenlos. Wenn dabei aber der Verbraucher auf der Strecke bleibt und unsere Gesundheit gefährdet wird, ist Schluss mit lustig!
Hier ein Beispiel dazu, wie einfallsreich die Industrie handelt
Im Oktober 1994 wurde die Technische Regel für Gefahrstoffe überarbeitet. Seit der Überarbeitung werden als Chemikalien für Lösemittel nur noch solche definiert, die einen Siedepunkt unter 200°C haben. Findige Hersteller von Klebern für Bodenbeläge haben dies erkannt und mischen nun 2-Phenoxyethanol (Siedepunkt 242°C) in ihre Produkte.
Auf Grund der Gefahrstoffverordnung dürfen diese Produkte als „lösemittelfrei“ beworben und verkauft werden. Werden solche Kleber eingesetzt, gibt es häufig Probleme. Phenoxyethanol kann Krebs verursachen! Messungen ergaben, dass selbst nach 3 Monaten noch Raumluftkonzentrationen bis zu 400 μg/m3 2- Phenoxyethanol nachgewiesen werden können.
Wer hat´s erfunden? Die Schweizer!
Der Schweizer Malermeister Silvio Pietroboni fertigte im Jahre 1952 erstmals einen Fassadenputz, der als Bindemittel nicht nur Kalk, sondern auch wässrige Kunstoffdispersion (Polyvinylacetat) enthielt. Pietroboni ahnte damals sicher nicht, welche Ausmaße seine Erfindung annehmen würde.
1954 fällt dem jungen Buchhalter von Stotmeister & Co. KG, Otto Seeberger, eine Annonce in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf. Darin sucht Silvio Pietroboni deutsche Lizenznehmer für die Herstellung und den Vertrieb eines neuartigen Baustoffs. Fritz Stotmeister erkennt das Potenzial des Putzes und erwirbt eine Lizenz für Baden-Württemberg. Mit dem Kunstharzputz beginnt die Erfolgsgeschichte von Sto, und aus dem Kalk- und Zementhersteller wurde ein Weltkonzern. (Sto war auch eine der ersten Firmen, die das „Potenzial“ von Polystyrol erkannt haben.)
Gesund, nachhaltig, ökologisch – diese Begriffe sind in aller Munde und werden von der Industrie perfekt genutzt, um Produkte zu verkaufen. Dass viele Baustoffe davon weit entfernt sind, merkt nur, wer sich intensiv mit den Produkten befasst.
Gerade, wenn es um wohngesunde Baustoffe geht, ein immer größer werdender Markt, wird jede Möglichkeit genutzt, um Produkte in diese Nische zu bringen. Kalk ist da natürlich der ideale Baustoff. Deshalb führt jeder Hersteller mittlerweile eine Kalklinie. Ob diese Produkte halten, was der jeweilige Hersteller verspricht, ist für mich fraglich.
Das Bewusstsein, gesund zu leben, entwickelt sich zu einem riesigen Markt. Wer heute Bauprodukte kauft, legt einen gesteigerten Wert auf schadstofffreie Produkte. Weil die Hersteller dieser Produkte jedoch wenig Wert auf Transparenz bezüglich der Inhaltsstoffe legen, ist Eigeninitiative gefragt. Und genau hier kommen die ganzen Gütesiegel und Zertifikate ins Spiel. Diese „Gütezeichen“ sollen Ihnen als Verbraucher helfen, Produkte zu erkennen, die „gesund“ sind oder andere herausragende Eigenschaften aufweisen. Kritisch betrachtet, würde ich den Nutzen dieser Siegel aber eher bei den Herstellern sehen. Ich persönlich kenne nicht ein einziges Gütezeichen / Zertifikat, welches schadstofffreie Produkte garantiert und dies auch nachweisen kann. Um sich für ein Produkt entscheiden zu können, genügen Gütezeichen nicht! Warum ich dieser Meinung bin, werde ich in diesem Kapitel erläutern. Sehen wir uns einmal an, welche Kriterien erfüllt werden müssen, um ein Gütesiegel zu erhalten.
Zunächst muss uns bewusst sein, dass die Herausgeber von „Gütesiegel“ damit Geld verdienen wollen. Deren Ziel muss es deshalb sein, ein Label zu kreieren, das von namhaften Baustoffherstellern genutzt werden kann. Es würde keinen Sinn machen, ein Label zu schaffen, welches für tatsächlich schadstofffreie Produkte steht. Es würde auch keinen Sinn machen, die Prüfkriterien so streng anzusetzen, dass nur sehr wenige Hersteller ein Gütesiegel erhalten. Schon aus diesem Grund können Gütesiegel nicht wirklich funktionieren.
Darüber hinaus ist es wichtig, zu wissen, dass Gütesiegel nichts darüber aussagen, ob Schadstoffe in einem Produkt enthalten sind. Um ein Zertifikat zu erhalten, werden Baustoffe auf Inhaltsstoffe geprüft, und wenn diese Inhaltsstoffe die festgelegten Grenzwerte der Gütesiegel-Herausgeber nicht überschreiten, erhält man das Siegel. Manche Institutionen prüfen die eingesendeten Produktproben selbst bzw. lassen sie durch unabhängige Prüflabore prüfen, andere verlassen sich auf die Herstellerangaben. Ich finde, nur wenn der Label-Herausgeber selbst vor Ort Proben ziehen kann und diese analysieren lässt, kann eine verlässliche Aussage getroffen werden. Sich auf Angaben vom Hersteller zu verlassen und daraufhin ein Label zu erhalten, weckt bei mir kein Vertrauen, ebenso wenig wie die Vorgehensweise, dem Hersteller die Probeentnahme zu überlassen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, auf welche Weise Inhaltsstoffe geprüft werden, um ein Label zu erhalten. Je nach Gütesiegel werden unterschiedliche Stoffe geprüft und es sind unterschiedliche Grenzwerte einzuhalten. Bei vielen „Gütezeichen“ werden nur Teilbereiche geprüft, wie zum Beispiel Formaldehyd und VOCs. Weichmacher, Flammschutzmittel und andere Stoffe werden oft nicht überprüft. Da verlässt man sich auf Herstellerangaben. Wenn Sie nach Gütesiegel einkaufen sollten, müssen Sie also zunächst erst einmal herausfinden, welche Stoffe überhaupt relevant sind, um das Zertifikat zu erhalten.
Gerade die Transparenz ist aber bei den meisten Gütesiegeln ein weiterer Kritikpunkt. Angaben zu den Prüfmethoden und dem Prüfumfang sind leider schwer bis überhaupt nicht zu finden. Deshalb meine Empfehlung: Kaufen Sie nicht nach Gütesiegel, sondern informieren Sie sich, welche Stoffe in den Produkten enthalten sind! Und wenn Sie doch mal ein Gütesiegel finden, welches Ihren Vorstellungen entspricht, achten Sie bitte auf dessen Alter. Es gibt im Bereich der Grenzwerte immer wieder Verschärfungen, weshalb manche Hersteller gerne mal alte Siegel nutzen, die aus einer Zeit stammen, als die Grenzwerte noch für sie gut einzuhalten waren.
Gütezeichen haben erst dann eine verlässliche Aussagekraft, wenn die Hersteller zur Volldeklaration verpflichtet werden, wenn jeder einzelne Stoff geprüft wird und die Ergebnisse einsehbar sind.
Hersteller von Bauprodukten müssen per Gesetz zur Volldeklaration verpflichtet werden!
Erst dann hat der Verbraucher die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, mit welchen (Schad-)Stoffen er seinen Lebensraum gestaltet. Auf Grund der immer dichteren Bauweisen sind emissionsarme Baustoffe wichtig für unsere Gesundheit. Früher wurden flüchtige organische Stoffe wie z. B. Formaldehyd und Kohlendioxid durch die Undichtigkeit der Gebäude teilweise weggelüftet. Heute verbleiben diese wegen der Vorgaben zur Gebäudedichtigkeit weitgehend im Gebäude.
Eine Volldeklaration macht aber nur dann Sinn, wenn wirklich alle Inhaltsstoffe einzeln genannt werden müssen. Die heute von manchen Herstellern genutzte unkontrollierbare „Volldeklaration“ täuscht nur Transparenz vor, wenn dann Sammelbegriffe wie Konservierungsmittel, Additive usw. verwendet werden. Das Benennen von kritischen Stoffen wird so vermieden und der Verbraucher getäuscht.
Die Umwelt-Produktdeklaration (Environmental Product Declaration, EPD) ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Allerdings macht die EPD nur Aussagen zum Energie- und Ressourceneinsatz. Die Deklaration gibt Auskunft, in welchem Ausmaß einzelne Produkte zum Treibhauseffekt, zur Zerstörung der Ozonschicht, zu Smogbildung, Überdüngung und Versauerung beiträgt. Zudem sollen Angaben zur technischen Eigenschaft gemacht werden, wie zum Beispiel Lebensdauer, Wärme- und Schallisolierung und der Einfluss auf die Qualität der Innenraumluft. Da die Umwelt-Produktdeklaration auf internationalen Normen basiert und diese Normen eher dem Vorteil der Hersteller dienen, bleibt abzuwarten, welchen Nutzen der Verbraucher daraus ziehen kann. Bis jetzt habe ich noch keinen Hersteller gefunden, bei dem die Umwelt-Produktdeklaration einsehbar ist. Es wird nur die Prüfnummer veröffentlicht, mit der ich als Verarbeiter oder Endverbraucher aber nichts anfangen kann.
Abgesehen von den unschlagbaren Vorteilen, die Kalkputz bietet, ist es faszinierend, dass dieses Material schon seit so langer Zeit verarbeitet wird. Neben den positiven Eigenschaften -hoch diffusionsoffen, feuchtigkeitsregulierend, vermeidet Schimmelbildung und für biologische-ökologische Bauweise- sind auch die gestalterischen Möglichkeiten einmalig und machen Kalkputz zur Nummer 1, wenn es um wohngesundes Bauen geht.
Die ersten Kalköfen wurden in der Region zwischen Euphrat und Tigris entdeckt und auf 2000 v. Chr. datiert. Wann genau das erste Mal Kalk gebrannt wurde, kann nicht exakt wissenschaftlich datiert werden. Es wird aber davon ausgegangen, dass diese Technik bereits im 12. Jahrtausend v. Chr. angewendet wurde.
In historischen Bauwerken wie der Cheops-Pyramide, der Chinesischen Mauer und den Zisternen von Jerusalem, um nur einige zu nennen, lässt sich die Verwendung von Kalkmörtel nachweisen. Vor ca. 2000 Jahren brachten die Römer dann die Kalktechnologie auch in den deutschsprachigen Raum. Es wurde zwar schon vor den Römern Kalk verarbeitet, aber der gezielte Einsatz als Baustoff wurde erst durch diese großen Baumeister eingeführt. Bei Bad Münstereifel kann heute noch eine teilweise rekonstruierte Kalkbrennerei (Römische Kalkbrennerei Iversheim) besichtigt werden, die um 200 n. Chr. von den Römern betrieben wurde.
Bei der Kalkherstellung hat sich seit den Römern nicht viel verändert. Maschinen erleichtern heute die Arbeit, und auch die Effizienz der Öfen hat sich geändert. Abgesehen davon wird der mittlerweile moderne Baustoff Kalk noch so hergestellt wie seit Jahrtausenden.
Wichtig beim Rohmaterial Kalkstein ist eine möglichst konstante, gleichmäßige Qualität. Nach der Sprengung wird das Rohmaterial direkt im Steinbruch grob zerkleinert und gewaschen, um anhaftende Verunreinigungen wie Lehm und Sand zu entfernen. Der so gewonnene Rohstein wird gebrannt. Zum Einsatz kommen, der Steingröße entsprechend, Schacht- oder Drehrohröfen. Bei Temperaturen zwischen 900 und 1200°C wird der Kalkstein in Kohlendioxid und Calciumoxid zerlegt. Dabei ist es die Aufgabe des Kalkbrenners, möglichst viel Kohlendioxid aus dem Stein zu treiben.
Einmalig ist die Tatsache, dass der ausgehärtete Kalkputz wieder dem Ausgangsmaterial entspricht. Aus Kalkstein (Calciumkarbonat) wird durch Brennen Branntkalk (Calciumoxid). Durch das Löschen mit Wasser entsteht Kalkhydrat (Calciumhydroxid), auch als Löschkalk bekannt. Beim Erhärten nimmt der Kalkputz Kohlendioxid auf (welches beim Brennen abgegeben wurde) und gibt Wasser ab. Dadurch entsteht wieder der Ausgangsstoff Calciumkarbonat. Diesen Vorgang nennt man Kalkkreislauf.
Je nachdem, welches Rohmaterial eingesetzt und wie der Branntkalk gelöscht wird, entstehen unterschiedliche Endprodukte, die wie folgt unterschieden werden:
Sumpfkalk: Für die Herstellung von Sumpfkalk wird sehr reiner Kalkstein mit einem Calciumcarbonatanteil von über 90 % verwendet. Der durch das Brennen entstandene Branntkalk wird mit der zweieinhalb- bis dreifachen Menge Wasser gelöscht. In Kalkgruben reift der Sumpfkalk über Wochen bis Jahre und wird dadurch fein und geschmeidig. Je länger Sumpfkalk in der Grube reift, desto mehr zersetzen sich die Calciumhydroxid-Kristalle, wodurch sich die Plastizität verbessert. Diesen Vorgang nennt man auch Sedimentation.
Kalkhydrat: Bei der Herstellung von Kalkhydrat gibt es zwei wesentliche Unterschiede gegenüber der Herstellung von Sumpfkalk. Der Branntkalk wird trocken gelöscht und danach nicht eingesumpft. Beim Trockenlöschverfahren wird das Calziumoxid mit Wasser besprüht oder mit Wasserdampf beschlagen. Sobald beim Löschvorgang Calciumhydroxid entstanden ist, wird das Löschen abgebrochen, und ein „trockenes“ Kalkhydratpulver ist das Ergebnis. Die so entstandenen Calciumhydroxidkristalle haben eine bestimmte Größe und verändern sich nach dem Abbruch des Löschvorganges nicht mehr.
Das so gewonnene Kalkhydrat wird in Deutschland zudem in der Kalk-Bindemittel-Norm DIN EN 459-1 klassifiziert. Ich werde dies allerdings nur in einer kurzen Zusammenfassung erläutern, da die darin gemachten Aussagen und Vorgaben mehr verwirren als weiterhelfen.
Luftkalk
bildet nach sachgerechtem Dosieren und Mischen mit Wasser einen Brei, der die Verarbeitbarkeit sowie das Wasserrückhaltevermögen von Mörtel verbessert. Die Carbonatisierung der Hydrate durch Einwirkung von atmosphärischem Kohlenstoffdioxid bildet Calciumcarbonat, das Festigkeit entwickelt und zur Dauerhaftigkeit von baukalkhaltigen Mörteln beiträgt (daher die Bezeichnung Luftkalk). Luftkalk wird in zwei Gruppen eingeteilt: Weißkalk und Dolomitkalk.
Weißkalk (CL)
ist ein Luftkalk, der vorwiegend aus Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid ohne Zusatz von hydraulischen Stoffen oder Puzzolanen besteht.
Dolomitkalk (DL)
ist ein Luftkalk, der vorwiegend aus Calciummagnesiumoxid und/oder Calciummagnesiumhydroxid ohne Zusatz von hydraulischen Stoffen oder Puzzolanen besteht.
Hydraulischer Kalk (HL)
ist ein Bindemittel, das aus Kalk und anderen Materialien wie Zement, Hochofenschlacke, Flugasche, Kalksteinmehl und anderen geeigneten Materialien besteht. Hydraulischer Kalk erstarrt und erhärtet unter Wasser. Atmosphärisches Kohlenstoffdioxid trägt zum Erhärtungsprozess bei.
Natürlicher hydraulischer Kalk (NHL)
ist ein Kalk mit hydraulischen Eigenschaften, der durch Brennen von mehr oder weniger tonhaltigen oder kieselsäurehaltigen Kalksteinen (einschließlich Kreide) und anschließendes Löschen zu Pulver, mit oder ohne Mahlung, entsteht. Er erstarrt und erhärtet nach Mischen mit Wasser. Die Erhärtung erfolgt zusätzlich durch die Reaktion mit atmosphärischem Kohlenstoffdioxid (Carbonatisierung). Die hydraulischen Eigenschaften resultieren ausschließlich aus der besonderen chemischen Zusammensetzung des natürlichen Ausgangsmaterials. Mahlhilfsmittel bis höchstens 0,1 % sind zulässig. Natürlicher hydraulischer Kalk enthält keine weiteren Zusätze.
Kalkputze der Putzmörtelgruppe PI wurden in der Putzmörtel-Norm DIN 18550 zusammengefasst und unterscheiden sich wie folgt:
Luftkalkputz PI a besteht aus Sumpfkalk und Sand ohne hydraulische Bestandteile. Luftkalk erhärtet nur durch Carbonisierung erhärtet. Das heißt, diese Putze benötigen Kohlendioxid, um zu erhärten, und binden nur sehr langsam ab. Sie sind sehr feingliedrig, weisen ein hohes Porenvolumen auf und können nicht unter Wasser abbinden. Sie erreichen eine Festigkeit bis etwa 1 N/mm2. Beim Trocknungsprozess ist auf eine geregelte Luftzufuhr und Temperatur zu achten. Um den CO2-Gehalt der Raumluft zu erhöhen, werden oft Gasbrenner eingesetzt. Wichtig ist, keine schwefelhaltigen Brennstoffe einzusetzen, da sich dadurch schweflige Säuren bilden können, die den Kalk in Gips umwandeln.
Wasserkalkputz PI b (besteht aus Kalkhydrat und Sand) mit sehr geringen bis ziemlich geringen Anteilen an hydraulischen Bestandteilen. Je nachdem, welches Kalkhydrat eingesetzt wird, erhärtet der Putz zu 70 – 90% durch Carbonisierung und zu 10 – 30% hydraulisch. Die Festigkeits- und Frostbeständigkeit liegt etwas höher als beim Luftkalk. Je höher der hydraulische Anteil, desto geringer das Porenvolumen.
Hydraulischer Kalkputz PI c besteht aus hydraulischem Kalk und Sand mit geringen bis mittleren Anteilen an hydraulischen Bindemitteln.
Kalk – einer der ältesten Baustoffe, aber alles andere als langweilig oder altbacken. Reiner Kalkputz ist ein Baustoff, mit dem sich viele gestalterische Möglichkeiten eröffnen. Auf Grund der typischen Materialeigenschaften gibt es allerdings auch Grenzen, die durch Zusatz von Chemie gerne überschritten werden. Gerade bei den im Trend liegenden Betonoptiken oder fugenlosen Wand- und Bodenbeschichtungen ist Vorsicht geboten. Hier werden die Vorteile von Kalk in den Vordergrund gerückt, um die Schmerzen der hohen Preise ein wenig zu mildern. Welche Techniken tatsächlich möglich sind, werde ich Ihnen im folgenden Kapitel aufzeigen. Ganz sicher ist da auch für Sie etwas dabei, um Ihren Wohnraum so zu gestalten, wie Sie es sich wünschen von klassisch bis modern und alles mit einmaligen Oberflächen, die nur Kalkputz bietet. Und garantiert ohne chemische Zusätze umsetzbar.
Welche Anwendungsmöglichkeiten und Kalkputze es gibt, möchte ich Ihnen in diesem Kapitel aufzeigen. In der nachfolgenden Tabelle sehen Sie, welches Kalkprodukt für welche Anwendung geeignet ist. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und können jeder Stilrichtung angepasst werden. Wer sich mit dem Material auskennt, findet immer einen Weg, um gestalterische Wünsche umsetzen zu können.
Wichtig: Im Außenbereich ist zu beachten, dass Naturkalkputze nicht hydrophiert sind. Das bedeutet, diese Putze müssen geschützt werden, z. B. durch einen Anstrich.
Kalk-Dämmputz