Impressum

2020 Dr. Anke Hasper-Westphal
Naturfotos: Torsten Westphal, Pixabay
Foto Hockergrab: Museum FilmBurg Querfurt;
Cover, Layout: Evin Warden
Grafik: Annedore Schmidt, Grit Glaser, Anke Hasper-Westphal

Herstellung und Verlag:
BoD- Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783751991957

Inhalt

Vorwort

Der Jahreskreis der Natur ist ein immerwährendes aktuelles Thema. Wir nehmen ihn oft für selbstverständlich, genau wie die jedes Jahr zyklisch wiederkehrenden Feste z. B. Weihnachten oder Ostern, Halloween oder Erntedank.

Aber wer weiß noch, warum wir ausgerechnet an diesen Terminen im Jahr ein Fest feiern? Die christliche Kirche hat viele dieser Feierlichkeiten in ihrem Sinne interpretiert. Aber die Jahreskreis-Daten sind viel älter und ihre naturreligiöse Bedeutsamkeit reicht oft bis in die Steinzeiten zurück. Diese Feste stehen also schon lange FEST. Sie richteten sich uranfänglich nach dem Lauf der Gestirne, nach Sonne und Mond. Und vor allem spielten sie im Leben der Menschen seit jeher eine wichtige Rolle, wurden doch nach ihnen die Jahre berechnet sowie die Zeit ritueller Bräuche bestimmt. Man kalkulierte nach ihnen die Termine für die Aussaat oder die Ernte und man wusste, wann im Jahr welche Heilpflanze ihre größte Kraft entfaltete.

Aber was geht uns all dieses uralte Wissen heutzutage in der digitalen Epoche und in der Ära von künstlicher Intelligenz an? Ist es nicht längst überholt und fällt daher zu Recht dem Vergessen anheim? Dass der Mensch sich von der Natur entfremdet hat, ist eine nicht zu leugnende Tatsache, aber ebenso wenig der Fakt, dass viele Menschen sich heutzutage wieder an die Natur erinnern, spüren, wie sehr sie uns fehlt und was und wieviel wir gerade verlieren.

Foto: Torsten Westphal

Millionen Menschen auf dem ganzen Planeten sind dabei, die Erde als Lebensraum wiederzuentdecken und nach all der Vergiftung und Ausbeutung wiederzubeleben. Tiere und Pflanzen werden nicht mehr NUR ausgerottet, sondern manchmal ebenso beflissen geschützt. Man ist dabei, die Erde als riesiges, zusammenhängendes Ökosystem zu begreifen, in das man an keiner Stelle ungestraft ohne Gedanken an die Nachhaltigkeit eingreifen darf. Andernfalls würde man sich selbst den Lebensraum zerstören. Die einst belächelte naturwissenschaftliche GAIA-Hypothese, nach der die Erde sich verhält wie ein einziger riesiger lebendiger Organismus, erfreut sich zunehmender Akzeptanz und erstaunlicher neuer Einsichten.

Auch wir sind also Kinder der Erde und Kinder von Mutter Natur. Eine alte-neue Sicht auf sie kann uns nachdenklich stimmen und dabei helfen, uns auf das Wesentliche zu besinnen: auf das Leben - dasjenige aller Lebewesen dieses Planeten und natürlich auf unser eigenes, welches eingebettet ist in einen großen lebendigen Zusammenhang.

Jahreskreislieder gibt es viele. Einige wenige sind aus uralter Zeit mit tradierter Melodie überliefert, viele jedoch nur als Text. Oft sind es lediglich knappe Floskeln wie etwa das von Erich Röth (2017) beschriebene Liedchen „Kuhschwang, Dipfenklang“ („Töpfe-Klang“) aus dem Thüringischen, das zu den Frühlingsfeierlichkeiten gesungen wurde, während man symbolisch die „Fahre“(eine Schaukel für ein Paar) hin- und herschaukeln ließ. Das Lied nebst dem dazugehörigen Brauch ist eine Erinnerung daran, dass im Frühling uranfänglich die Fruchtbarkeit gefeiert wurde und damit die Befruchtung allen Lebens, die sog. „Heilige Hochzeit“. Die Lieder und Bräuche verschwinden, weil wir uns nicht mehr an solche übergeordneten Zusammenhänge erinnern in unserem hektischen Alltag. Wir sind froh, wenn wir es zu Ostern oder zur Himmelfahrts-Party neben unserem stressigen Job noch schaffen, all die Utensilien und Geschenke einzukaufen, die eben zum Feiern dazugehören. Aber auch wir sind nach wie vor von der Fruchtbarkeit abhängig – von der Fruchtbarkeit der Felder und der Tiere. Es ist vielleicht hin und wieder hilfreich, sich mit Dankbarkeit daran zu erinnern, wenn wir eine Party vorbereiten und reichlich Essen auftischen, das schließlich auch gewachsen sein muss.

Besonders die christliche Kirche hat viele Jahreskreislieder geschaffen und in ihren sakralen Kanon aufgenommen. Das dahinter stehende Gedankengut ist jedoch auch stets christlich verformt und nicht mehr ursprünglich. Wundervolle christliche Musik sagt uns zwar noch immer, wie reich das Kulturschaffen war, welches das in Europa eingewanderte Christentum hier hervorbrachte. Aber die Kirchen verlieren mehr und mehr an Zulauf. Dafür wenden sich immer mehr Menschen naturreligiösen Kreisen zu, die mitunter auch als „heidnisch“ bezeichnet werden. Das Wort verweist auf die Natur, die Heide, aber es hat einen negativen Beigeschmack, da es so klingt, als sei es „der falsche“ Glaube. Das hat mit seinerVerunglimpfung und harten Verfolgung durch die christliche Kirche in den vergangenen Jahrhunderten zu tun. In der Geschichte wurden Andersgläubige oft genug verfolgt, gefoltert, versklavt oder getötet – leider von den meisten großen religiösen Institutionen. Daher werde ich den Begriff „heidnisch“ nicht verwenden, sondern stattdessen „naturreligiös“. Denn letztlich war es schlicht Mutter Natur, die den Menschen anfangs heilig war. Und wir täten gut daran, ein Stück dieses Ideenguts wieder in unser Leben aufzunehmen, auch wenn wir Atheisten sein mögen oder einer anderen Religion angehören.

Es fehlt also an Liedern, die die Jahreskreisfeste der Natur feiern und die dennoch in unsere heutige Zeit passen. Das vorliegende Liederbuch soll Abhilfe schaffen. Die Songs sind einfach und sanglich gehalten, damit sie von vielen Menschen – gleichgültig, ob „musikalisch“ oder scheinbar nicht - gesungen werden können. Sie sind also für die unterschiedlichsten Besetzungen von Profi bis Freundeskreis gedacht. Auch für Kinder (sogar in größeren Gruppen) sind sie gut erlernbar; das habe ich selbst ausprobiert. Die Kinder singen sie in aller Regel mit großer Freude. Aber sie sind auch/und vor allem für all diejenigen Erwachsenen gedacht, die sich wieder auf die Wurzeln der Naturfeste besinnen möchten und welchen es in ihren Kreisen zum Feiern der alten Feste, wie z. B. der Sonnenwenden, an Liedgut fehlt. Daher ist es nebensächlich, ob einfach jemand am Feuer zur Gitarre singt, ob eine Band bzw. eine spirituelle Musikgruppe oder ob eine Schularbeitsgemeinschaft für Kinder diese Lieder für sich entdeckt. Eine Warnung erscheint an dieser Stelle jedoch angebracht: Die Melodien haben Ohrwurmcharakter!

Für die Begleitungen sind nur die Akkorde angegeben, damit – je nach eigenem Anspruchsniveau – die unterschiedlichsten Menschen damit arbeiten können. Zudem wird das Lied schneller zum „eigenen Song“, wenn man die Begleitung selbst improvisiert oder mit anderen gemeinsam bzw. für eine Gruppe von Leuten intensiver erarbeitet. Zu beachten ist, dass die Begriffe B-Moll und B-Dur doppeldeutig sind – je nach internationaler oder deutscher Schreibweise – und daher komplett vermieden werden. Für h-Moll/ H-Dur stehen daher Hm bzw. H, für B-Dur dann Bb. B-Moll kommt nicht vor. Zwar mag diese „gemixte“ Schreibweise dem Profi inkonsequent erscheinen, dafür ist sie für Laien eineindeutig.

Die Noten sind wie ein Baukasten-Prinzip zu verstehen: Alles kann, nichts muss. Intros, Outros und Zwischenspiele, Vorschläge für die rhythmische Begleitung, mehrere Stimmen – all dies sind nur Angebote, die beliebig zusammengesetzt werden können. Dabei ist die oben notierte Gesangsstimme die Hauptstimme und kann gut für sich allein stehen. Alle weiteren Stimmen sind in ihrer Besetzung variabel und können ebenso gut gesungen wie auf Melodieinstrumenten gespielt (oder auch weggelassen) werden. Steht kein Text extra für eine zweite Stimme dabei bzw. ist sie als Instrumentalstimme konzipiert, werden sich z. B. auch Vokalisen auf Ah, Uh oder Oh zur Verklanglichung eignen.

Einige Lieder werden in zwei Tonarten angeboten – für die unterschiedlichen Stimmlagen und Möglichkeiten derjenigen, die sie interpretieren. Frau, Mann oder Kind – alle können also mitsingen. Leicht oder schwer: Alle können ja auch mitspielen. Dies gilt ebenso für die mitgelieferten Vorschläge zur rhythmischen Begleitung wie für die vorgestellten Vor- und Zwischenspiele. Für die rhythmische Untermalung unter der Bezeichnung „Drums“ können sowohl Bongos wie auch die Cajon oder andere Rhythmusinstrumente verwendet werden. Die tiefer notierten Schläge sollen etwas lauter, dumpfer und länger klingen; die höher notierten hingegen leichter wirken oder können mitunter sogar geschnipst werden.

Grundsätzlich gilt für die Arbeit mit Kindern: Die Grundtöne der Akkorde können auch von ihnen schon mitgespielt werden, beispielsweise auf einem Glockenspiel oder mit Boomwhackers. Auch für Kreise erwachsener Laien gilt diese Faustregel. Wer also ein Instrument dabei hat und nicht ad hoc eine Begleitung improvisieren kann, spielt einfach die Grundtöne mit.

Dieses beabsichtigte Mitspielen der Grundtöne ist einer von 2 Gründen, weshalb die angebotenen Tonarten recht einfach gehalten sind. Viele Begleitinstrumente für Schüler*innen verfügen nicht über die Töne mit Vorzeichen. Der zweite Grund besteht in der Spielbarkeit auf der Gitarre. Werden die Titel also beispielsweise von interessierten Laien bei Gruppentreffen interpretiert, sollen in wenigstens einer der angebotenen Tonarten ein paar einfache Gitarrenakkorde für die Begleitung im Grundgerüst ausreichend sein, ohne auf zu viele große Barrégriffe angewiesen zu sein. Erweiterte Akkorde wie z. B. C9 können von ihnen auch als C-Dur gespielt werden. Meist wird durch den gesungenen Ton die beabsichtigte Reibung (Dissonanz) ohnehin erreicht. Die angestrebte Volkstümlichkeit schließt anspruchsvollere Interpretationen, die Ergänzung von weiteren Stimmen (etwa für Chöre) und derlei Erweiterungen nicht aus. So, wie die Klassiker Volkstümlichkeit und eine allgemeine Verständlichkeit anstrebten, ohne sich „unter ihr Niveau“ zu begeben, ist es auch für die musikalischen Angebote in diesem Liederbuch beabsichtigt.

Der Hintergrund der wesentlichen Jahreskreispunkte und ihrer Feste, das Wissen über ihre Herkunft und das neue Bewusstsein für die Schönheit der Natur sowie für die ihr gebührende Dankbarkeit stehen also im Zentrum der Betrachtung. Einige grundsätzliche Informationen zum ursprünglichen Sinn der Jahreskreisfeste und zum Teil auch über alte Bräuche, die neu betrachtet wieder verständlich werden, sind stets beigefügt. Dies gilt auch für Wissen über verschiedene Instrumente und andere musikalische Details, die heute einfach Verwendung finden, aber oft eine alte und bedeutungsreiche Geschichte haben. Auf diese Weise werden die Lieder eingebettet in einen alten und hoffentlich auch wieder neuen, übergeordneten Zusammenhang, in den großen lebendigen Jahreskreis der Naturfeste. Mögen sie uns Freude, Besinnung und Besinnlichkeit schenken.

Mutter Erde

Einleitung

Warum wird die Erde weltweit als „Mutter“ betrachtet? Ist es nicht ungerecht den Vätern gegenüber?