Zickenzone
Bleib´ auf dem Teppich! Jeder kennt diesen Spruch. Er rät den Übermütigen dazu, mindestens drei Gänge herunterzuschalten, oder erst gar nicht in schwindelnde Höhen abzuheben. Auch bei meiner besseren Hälfte gilt dieses Motto – allerdings in umgekehrter Weise. Meine Gattin tut nämlich alles, um auf dem roten Teppich zu bleiben…
Geboren wurde sie als Sybille Reckroth. Mit diesem Namen kann man allerdings keine Karriere machen. So ist sie heute als Lana Oxana für all jene Frauen ein Begriff, welche ihr frustrierendes Hausmütterchen-Dasein hassen und sich mit Lana die große weite Welt in die angestaubte Eigentumswohnung holen.
Lana ist vielseitig: Sie ist Influencerin, Ex-Fotomodel und
moderiert eine Lifestyle-Sendung im Fernsehen. Regelmäßig sieht man
sie auf roten Teppichen in der ganzen Welt. Dort interviewt Lana
Superstars, Möchtegernsternchen, schmierige Filmmogule und
magersüchtige Models.
Ich sehe sie höchstens drei Mal im Monat, wenn sie ungeschminkt und todmüde vor dem Fernseher einschläft. „Unmasked“ ist ihr Wiedererkennungswert etwa so groß wie ein Legostein und auch das nur mit ausgezeichneten Augen.
Ganz am Anfang ihrer Karriere begleitete ich sie gelegentlich zu Auftritten. Doch da ich 5 Zentimeter kleiner als Lana bin, musste ich immer Einlegesohlen in den Schuhen tragen. Die glichen den Größenunterschied exakt aus und so brauchte sich meine zauberhafte Frau in der Öffentlichkeit nicht wegen meines Zwergenwuchses zu schämen. Ein Mann mit der Körpergröße von 1,73 ist heute einfach nicht mehr gesellschaftsfähig. Als ich die 40 überschritten hatte und einen kleinen Bauchansatz bekam, verzichtete Lana dann vollständig auf meine Begleitung. Ihr Manager stellte ihr für diese Zwecke einen 28-jährigen Lateinamerikaner zur Seite. Er hört auf den Namen Alfredo Gonzales, macht Männchen und kann beim Essen Messer und Gabel unterscheiden. Natürlich fragen sich die Papparazzi ständig, ob die zwei nicht etwas miteinander haben. Mal wird es dementiert, mal nicht. Stattdessen ergeht sich Lana dann immer in subtilen Andeutungen und bleibt somit im Gespräch und auf den Titelseiten der Lifestyle-Magazine.
Mich übergießt man deshalb mit Spott und Häme. Als ich mir einmal meine Tageszeitung am Kiosk kaufte, erblickte ich auf zahlreichen Titelseiten meine Wenigkeit. Ich sah aus wie ein Penner: Dreitagebart, Kippe im rechten Mundwinkel, welchen ich wie ein Dackel nach unten gezogen hatte. Die Überschrift eines besonders fiesen Blattes lautete: „Arme Sau! Nun ist sie weg!“
Die Zeitungsverkäuferin hatte mich offenbar erkannt und gab mir das Geld für die Tageszeitung wieder zurück.
„Hier nehmen Sie“, meinte sie mitleidig. „Sie werden es brauchen können. Scheidungen sind ja heutzutage so teuer!“.
Eben aus diesem Grunde erwähne ich keine Scheidung. Trotz aller Nackenschläge denke ich, dass sich irgendwann eine andere Lösung ergibt…
Nun verrate ich Ihnen ein Geheimnis, welches aber wirklich ganz unter uns bleiben muss. Lana würde mich sonst steinigen. Meine bessere Hälfte ist nämlich exakt 2 Jahre, 4 Monate und 28 Tage älter als ich. Sie wird demnächst 45 Jahre alt, feierte in der Öffentlichkeit aber gerade erst ihren 34. Geburtstag. Es gibt noch einen Mann, der ständig in Lebensgefahr schwebt, falls er irgendetwas von Lanas Geheimnis ihrer ewigen Jugend ausposaunen würde: Der plastische Chirurg Henning Black. Er hieß früher Braun, hat aber, wegen der political correctness, seinen Nachnamen abgeändert. Lana bekommt wegen ihrer häufigen Besuche sogenannte Rabattgutscheine. Beim jeweils zehnten Mal beträgt dann ein „kleines Facelifting“ statt 5.000 nur noch 4.495 Euro.
Lanas letzte Visagistin, Jenny Strobel, sitzt momentan in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik. Die Maske meiner Frau wurde mit den Jahren immer aufwendiger und zeitraubender. Es ist eben Schwerstarbeit, die Illusion einer 45-jährigen Frau aufrecht zu erhalten, dass sie immer noch wie 25 aussieht. Da helfen alle Liftings und Hyaloronsäuren-Tanklaster auf der ganzen Welt nicht. Jenny hatte zum Schluss an die 600 Überstunden durch das Restaurieren meiner Frau auf ihrem Konto, was schließlich zum völligen Zusammenbruch führte. In der Klinik, so wurde mir erzählt, wird peinlichst darauf geachtet, dass Jenny mit keinerlei Pflegeutensilien in Berührung kommt. Am Anfang bekam sie schon einen Tobsuchtsanfall, wenn sie nur eine Haarbürste sah. Auf die Art einer angemessenen Therapie konnten sich die Ärzte bislang nicht einigen und da Jenny sich aus therapeutischen Gründen nicht mehr waschen und pflegen darf, geschweige denn, Make-up auflegen soll, sieht sie mittlerweile aus wie die Schwiegermutter von Fred Feuerstein.
Wenn meine Frau je eine Autobiografie schreiben sollte, dann werde ich ihr den Titel „Leichen pflasterten meinen Weg zum Erfolg“ vorschlagen.
Der Ernährungsplan meiner holden Gattin sieht folgendermaßen aus:
Montag: Salatblatt mit einer halben, geschälten Mohrrübe.
Drei Liter Wasser über den Tag verteilt trinken.
Die Wassermenge gilt für alle Tage.
Dienstag: 2 Teelöffel Magerquark mit einem Radieschen.
Mittwoch: Fasttag.
Donnerstag: Ein halber Apfel mit einer kleinen Schale Reis.
Freitag: Fasttag.
Samstag und Sonntag: Rohkost. Alles – von Neid-gelber
Paprika bis hin zum schamroten Radieschen – wird von Miss Magersüchtig verzehrt. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ihre beiden Schneidezähne etwas größer geworden sind…
Diese vielseitige und reichhaltige Ernährung führt dazu, dass meine Frau regelmäßig Schwindelattacken und Ohnmachtsanfälle bekommt. Die Schwindelattacken befallen sie aber auch bei der Angabe ihres Alters, ihrer Schulbildung und ihres Intelligenzquotienten. In ihrer Fernsehsendung „People of today“ kippt sie regelmäßig aus den Latschen, weil sie die Hitze im Studio und ihr rebellierender Kreislauf schachmatt setzen.
Seit zwei Monaten besucht Lana einen Psychotherapeuten. Sie hatte nämlich ein geradezu traumatisches Erlebnis.