Wassily Kandinsky
Über Bühnenkomposition
Der gelbe Klang
Wassily Kandinsky (1866 - 1944) war ein Pionier der abstrakten Kunst. Der russische Maler und Grafiker wurde in Moskau geboren und lebte von 1896 bis 1933 überwiegend in Deutschland, dessen Staatsangehörigkeit er im Jahr 1928 annahm. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die seine Werke als „entartet“ ächteten, zog er nach Paris.
Nachdem Kandinsky in Moskau in Jura promoviert hatte, ging er 1896 nach München, um Kunst zu studieren. Nach impressionistischen Anfängen entwickelte sich Kandinsky durch den Kontakt zu Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky zum Expressionisten. 1911 lernte er Franz Marc kennen, mit dem er noch im selben Jahr die gemeinsame Redaktion des Almanachs „Der Blaue Reiter“ übernahm.
Bereits ein Jahr zuvor hatte Kandinsky mit „Über das Geistige in der Kunst insbesondere in der Malerei“ seine ersten, umfassenden kunsttheoretischen Überlegungen zu Papier gebracht, die vor allem durch die wissenschaftlichen Entdeckungen Max Plancks, Albert Einsteins und durch die Anthroposophie Rudolf Steiners beeinflusst waren. In Kandinskys kunsttheoretischen Auffassungen spielt das Phänomen der Synästhesie als Zugang zur Welt eine grundlegende Rolle. Hierbei werden unterschiedliche Sinnesreize in der menschlichen Wahrnehmung gekoppelt, etwa Töne und Farben.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zog Kandinsky zurück nach Moskau, wo er als Kunstprofessor tätig war. Im Zuge der bolschewistischen Machtübernahme in Russland verlor er sein Vermögen und bekam berufliche Schwierigkeiten, die sich am kommunistischen Kunstverständnis entzündeten. 1921 verließ er Russland und arbeitete bis 1933 als Professor für das Bauhaus von Walter Gropius.
Gemeinsam mit Lyonel Feininger, Paul Klee und Alexej von Jawlensky gründete Kandinsky im Jahr 1924 die Künstlergruppe „Die Blaue Vier“. Vier Jahre später nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an. Einer seiner größten finanziellen Förderer war Solomon R. Guggenheim, der ihm eine Vielzahl von Werken abkaufte, die heute zum Bestand des New Yorker Guggenheim-Museums gehören.
Nachdem die Nationalsozialisten das Bauhaus geschlossen hatten, zog Kandinsky nach Neuilly-sur-Seine bei Paris. Hier nahm er an unterschiedlichen Ausstellungen teil und erwarb 1939 die französische Staatsbürgerschaft. In Neuilly-sur-Seine verstarb er am 13. Dezember 1944.
„Man dachte eben: zwei ist mehr als eins, und suchte jede Wirkung durch Wiederholung zu verstärken. In der inneren Wirkung kann es aber umgekehrt sein und oft ist eins mehr als zwei. Mathematisch ist 1+1 = 2. Seelisch kann 1-1 = 2 sein.“
Wer sich für moderne Kunst interessiert, kommt an dem russischen Künstler Wassily Kandinsky nicht vorbei. So lässt sich etwa anhand der Entwicklung seiner Werke beispielhaft der Übergang vom Impressionismus über den Expressionismus bis zur abstrakten Kunst nachvollziehen. Doch Kandinsky spricht nicht nur über seine eigenen künstlerischen Arbeiten zum Publikum. Er hat sein Kunstverständnis auch in Form theoretischer Überlegungen zu Papier gebracht. Seine Hauptschrift ist die Abhandlung „Über das Geistige in der Kunst insbesondere in der Malerei“, die er im Laufe des Jahre 1910 verfasste. Mit dieser Arbeit, die auch in der Klassiker-Reihe der ofd edition vorliegt, beeinflusste er die Entwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert maßgeblich.
Mit der Abhandlung „Über Bühnenkomposition“, die rund zwei Jahre später als Beitrag in „Der Blaue Reiter“ erschien, wendet Kandinsky seine ästhetischen Überlegungen auf die Bühnenkunst an. Grundsätzlich geht es ihm um die Schaffung innerer Erlebnisse beim Zuschauer, sogenannter innerer „Seelenvibrationen“. Kandinsky moniert, dass beim traditionellen Drama, bei Oper und Ballett der Zusammenhang der beteiligten Künste wie Musik, Sprache oder Farbe beliebig hergestellt werde. Außerdem sei etwa „die Oper ein Drama, zu welchem Musik als Hauptelement hinzugefügt wird, wobei Raffiniertheit und Vertiefung des dramatischen Teiles stark leiden. Die beiden Teile sind vollkommen äußerlich miteinander verbunden. Das heißt entweder illustriert (beziehungsweise verstärkt) die Musik den dramatischen Vorgang oder der dramatische Vorgang wird als Erklärung der Musik zu Hilfe gezogen.“ Kandinsky geht es dagegen darum, die Künste zu verschmelzen und auf „den Boden des Innerlichen“ zu stellen.