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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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3. nachgewürzte Auflage

© 2017 Friedrich Manser

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7431-9860-9

Meinen Eltern gewidmet:

Der Mutter (Bert(h)a Benedikta Manser – Fässler 1909 – 1983), die 6 Jahre lang als Stickerei - Ausläuferin ihr Geld verdiente,

6 Jahre lang im 2. Weltkrieg in der Stube die Kinder und im Stall die Tiere umsorgte

und fast ihr Leben lang als Stickerin arbeitete.

Dem Vater Johann Anton Manser 1900 – 1987), der 25 Sömmer im Tieflöchli als Senn verbrachte und dabei

6 Jahre lang am frönte Sproze Senn war,

24 Jahre lang Heupuur war,

4 Jahre lang Senn auf der Gartenalp war

und kurz darauf aus personellen Gründen die zur Pacht angebotenen Alpen Töbelihütte (Sämtis), Klein Dreihütten (Potersalp) und Potersalperlöchli ausschlug.

Vorwort

Mir geht es darum, die während 200 Jahren im Toggenburg (SG), in Appenzell Ausserrhoden (AR) und besonders in Appenzell Innerrhoden (AI) bestehende Wirtschaftsform von Heu erzeugendem Heubauern (Heupuur) und Heu verwertendem Heusennen (Heusenn) zu beschreiben und so der Nachwelt zu erhalten. Charakteristisch für diese Arbeitsteilung war der Wechsel einer Viehherde im Winter von einem Futterplatz zu einem anderen, also von einem Bauernhof zu einem anderen. Dieser Umzug hiess Öberefahre und läuft Gefahr, vergessen zu werden.

Zu diesem Thema gehören einige wichtige Aspekte von Kuh, Kleidung, Schellen, Butter, Käse, Ledi, Futterbereitstellung (Teirre) sowie Heuverkauf und Heuverfütterung (Heu etze). Mein Vater stand etwa je 25 Jahre lang auf jeder Seite dieser arbeitsteiligen Wirtschaftsform, wobei er für seinen Vater 6 Jahre lang am frönte Sproze (fremder Stall; Holzstab bei der Futterkrippe), also ohne eigene Liegenschaft, dauernd mit dessen Senntum von Bauernhof zu Bauernhof sowie von und zu der Alp Tüüfflöchli (nördlich vom Kronberg) fuhr. Dabei besuchte er mindestens 11 verschiedene Bauernbetriebe, davon etwa viermal bei Verwandten. Davon erzählte er uns Kindern viel, immer mit den gleichen Worten. Deshalb mute ich mir zu, beide Seiten dieser einzigartigen, verschwundenen Wirftschaftsform zu kennen.

Ausgewählte Fachleute haben mir zusätzlich mit ihrem Wissen sehr geholfen, sie bieten Gewähr für robuste Angaben; wofür ich ihnen verbindlich danke. Nicht immer war es leicht, unterschiedliche Ansichten korrekt zu vereinen. Da gilt das Wort: „We wiit frooged, weet wiit gweese!“ (“Wer viel wissen will, bekommt viel zu hören!“).

Die Gewährsleute gaben nur bei den ihnen entsprechenden Texten helfend oder stillschweigend ihre Zustimmung.

Die einzelnen Kapitel sind als solche ziemlich abgeschlossen und lassen sich gut unabhängig voneinander lesen, ähnlich einem Lexikon. Gewisse Wiederholungen sind nicht nur vorhanden, sondern bewusst eingebaut. Halten sie sich beim Lesen an das Fressverhalten der Ziegen: Hier etwas naschen und dort etwas knabbern. So verpassen sie zwar einige Leckerbissen, dafür ist aber alles, was sie aufnehmen, recht bekömmlich.

Für eifrige Senntumsmaler/-innen kann mein Beschrieb des Öberefahre eine Hilfe sein und sie vor allzu offensichtlichen Missgriffen schützen.

Es ist mir ein Anliegen, die Verhältnisse in AI und AR und in geringerem Ausmass auch im Toggenburg zutreffend zu beschreiben. Bei den Mundartwörtern halte ich mich so weit wie möglich an die Schreibweise für den Innerrhoder Dialekt nach Joe Manser; ausser Suwage, Schellchüe und Fahrschelle lasse ich aus Unkenntnis und Respekt Ausserrhoder und Toggenburger Ausdrücke unberücksichtigt.

Sollte einmal eine Formulierung als gar zu bissig und ätzend empfunden werden, so sei sie dem Altersstarrsinn, dem appenzellischen Naturell und der lehrerhaften Besserwisserei zugeschrieben, nicht aber böser Absicht!

So weit wie möglich verzichte ich auf fremdsprachliche Ausdrücke, besonders auf die unnötigen, also wirklich unnötigen neumodischen englischen Ausdrücke. Bei mir ist der Senn vor den Schellkühen weder cowboy noch leader, das Öberfahre ist weder show noch street parade, e Ruggusseli (Jodel) ist kein song, das Mittagessen kein lunch, die Kinder sind keine kids, die Fingernägel sind keine nails, Geld ist nicht money, Chuedreck ist nicht bull shit, Tag nicht day und guet nicht cool. Statt googeln und surfen kann ich gurgeln und 'saufen'! In Fernsehen und Radio (Rundfunk!) plaudert jeder nur Dialekt und Englisch, Hochdeutsch kann man nicht. Dabei sind die drei Königsfächer für anspruchsvolle Berufe heute doch ausser Mathematik und Englisch auch noch Schriftdeutsch. Gut, immerhin sind die Modewörter, welche weltweite Gewandtheit anzeigen sollen, nur amerikanisch und nicht französisch oder russisch und noch nicht chinesisch (mandarin). Aber wer weiss . . .

Häufig bin ich ausgesprochen nachsichtig und schreibe statt Fahrrad doch Velo, statt Kraftstoff doch Benzin, statt Personenwagen doch Auto, statt Fernsprecher doch Telefon und statt Kraftbrühe doch Sauce. Allzu urdeutsch musss es ja auch nicht sein.

Die Zutaten (pardon, Ingredienzien, hoppla!) für dieses Buch sind also ausgesprochen leicht, will sagen light.

Einige Angaben sind aus Vorsicht unscharf. Wiit vom Gschötz gett alti Chrieege (Weit vom Geschütz gibt alte Krieger)!

Als Schuss vor den Bug übereifriger Begrüssungshelfer verrate ich gleich, dass ich es falsch finde, wenn in Schule und Verwaltung und Gericht bald für Gäste aus ein Dutzend Elendstaaten hochbezahlte Dolmetscher eingesetzt werden, Im Grossraum Zürich-Bern sprechen wir doch deutsch und nicht ostslawischsuaheliarabisch. Es gilt die Landessprache, klar! Hochdeutsch, bitte! Das war und ist in Nordamerika so; in der 'mustergültigen' Sowjetunion und im hochgepriesenen Mao- China reichte nicht einmal die Kenntnis der Landessprache zum Überleben.

Ich verzichte meistens auf die sperrige und umständliche Doppelform der weiblichen und männlichen Bezeichung. Erstens sind nach dem weltberühmten Chemiker und Biochemiker Dr. Prof. Gottfried Schatz laut seinen Erkenntnissen etwa um 1980 allein die Mütter an der Vererbung der Mitochondrien beteiligt. Das ist für den Herrn der Schöpfung etwa die fünfte Kränkung! Die sprachliche Bevorzugung des Mannes ist ihm also wohl zu gönnen, liebe Damen. Diese 0,001 mm grossen Energielieferanten in den Zellen sind wohl auch für die Entstehung von Alzheimer und Parkinson und für den altersbedingten Zelltod verantwortlich. Gottfried Schatz und seine Mitarbeiter entdeckten am Biozentrum der Universität Basel, dass die Mitochondrien ihr eigenes Erbmaterial besitzen. Nun gibt es neuestens ein Büblein, das drei Eltern hat: Die befruchtete Eizelle einer Frau, die schon sechs erfolglose Schwangerschaften hinter sich hatte, wurde in die entkernte Eizelle einer Leihmutter eingepflanzt; deren Mitochondrien sind nun auch im Büblein vorhanden. Alle Mütter dürfen sich entspannt zurücklehnen und mitochondriengestützt flüstern: „Das haben wir doch schon immer geahnt!“ Das Spermium besitzt nach Gottfried Schatz höchstens ein Mitochondrium, die weibliche Eizelle dagegen hunderttausende! Zweitens gibt es Dutzende von negativ besetzten, aber ausschliesslich männlichen Benennungen (Schoof -, Back -, Sau -, Dreck -, Lompeseckl, aber nicht Göld – oder Landseckl; Sündenbock, Strolch, Schurke, Gauner, Taugenichts, Unhold, Sträfling, Einfaltspinsel, Unglücksrabe, Rüppel, Esel, Patschi, Tubl, Latschi, Schlunggi, Laari, Palaari, Tlünggi, Kujoo (Quälgeist), Tatzli, Lonzi, Tocht, Lalli etc.), über deren einseitigen Gebrauch auch scharfzüngige Emanzen nicht wehklagen. Lechzen nun die modernen Frauen heute nach den obigen Erkenntnissen noch nach der weiblichen Form für Dummkopf oder Pechvogel? Wohl gibt es auch weibliche Schimpfbezeichnungen aus dem Tier – und Pflanzenreich, die ich aber als zartbesaiteter Grobian lieber für mich behalte! Der moderne Mann braucht (ausser in der kath. Kirche) eher sorgende Unterstützung als gallige Aggression durch die Frau. Dass im Altertum die Stellung der Frau überaus schlecht war, hängt damit zusammen, dass man bis etwa 1500 nicht einmal etwas von einer Eizelle wusste und die Frau deshalb nur Acker war, in den der Samen versenkt wurde. Samenerguss ausserhalb der Frau galt demgemäss fast als Massenmord! Bei Spermien, die bei der Vererbung nicht einmal die halbe Miete sind, ist es deshalb fahrlässig, wenn man von 'Samen' spricht und schreibt. Das gilt auch beim Stier. Wer weiss, ob nicht einmal eine menschliche Eizelle ohne Spermium durch irgendwelche Reizung zur Zellteilung gebracht wird – Jungfernzeugung (bei Ameisen, Bienen etc. entstehen naturgegeben so männliche Nachkommen). Auf einige Religionen kommt dann noch Ungemach zu. Der christliche Himmelsherrscher ist auch männlich benannt. Ob er es ist? Zeus und Yupiter waren es, Manitu (Indianergottheit) fast auch, und All . . lasse ich ohne Zuteilung.

Sperma als griechisches Wort bedeutete einst Samen wie z. B. Weizenkorn, Haselnuss, Apfelkern etc. Heute versteht man darunter einengend nur noch die männlichen Keimzellen, also männlichen Gonaden, im Gegensatz zu den weiblichen Keimzellen oder Gonaden, den Eizellen.

Nur, was soll das Gehader. Wichtig ist, dass, die Sonne in zuträglichem Mass scheint und der Mensch für sich und die Tiere in Klugheit Wasser, Nahrung, Wärme, Wohnung, Schulung und angemessenes Wohlergehen bereitstellt, was er ja auch millionenfach schafft. Noch nie seit 4 Milliarden Jahren ging es so vielen Menschen so gut wie heute, absolut und prozentual. Klagen wir nicht auf Vorrat, sondern sorgen dafür, dass wenig Kinder leidgeplagt weinen und freuen wir uns am Gelungenen und Schönen!

Öberefahre gehört dazu.

Inhaltsverzeichnis

  1. ÖBEREFAHRE
    1. 1. Fahren
    2. 2. Öberefahre als Begriff
    3. 3. Zahlen, die zählen
    4. 4. Vorne ist nicht hinten
    5. 5. Wochentage
    6. 6. Good ond Labi
    7. 7. Witzig bis unlogisch
    8. 8. Oosennisch
    9. 9. Links ist, wo der Daumen rechts ist
    10. 10. Senntumrecht
    11. 11. Öberefahre als Ablauf
    12. 12. Lustiges und Listiges, mit und ohne Öberefahre
    13. 13. Zaure
    14. 14. E Sennisches nee
    15. 15. Musig ond Leeme
    16. 16. I de Tracht ond sennisch
    17. 17. D' Schölle
    18. 18. D'Füeschölle
    19. 19. De Fahreeme
    20. 20. D' Ledi
    21. 21. Symbolik
    22. 22. Mit Sack und Pack
    23. 23. S' Eemebödeli
    24. 24. Di Geele
    25. 25. D' Pätschchettere
    26. 26. De Bschlage
    27. 27. S' rot Liibli
    28. 28. T' Ladehose
    29. 29. D' Fuetteschlotte
    30. 30. Klein, aber wichtig
    31. 31. Farbenlehre
    32. 32. Springbueb
  2. ALPLEBEN
    1. 33. Handbueb/Hampbueb
    2. 34. Rausennisch
    3. 35. De Pläss
    4. 36. Back ond Hölzli
    5. 37. (G)m(p)eealp ond Privatwääd
    6. 38. Haag ond hage
    7. 39. Stapfede ond Gatte(r)
    8. 40. Dreck ond Bode
    9. 41. Landschaftsqualitätsbeiträge
    10. 42. Vöötele
    11. 43. Mölche
    12. 44. 17 Chüe ond 1 Stie(r)
    13. 45. Iitue ond uusloo
    14. 46. Striegeln und bürsten
    15. 47. Träägigi ond lääri Chüe
    16. 48. Hochleistungskühe
    17. 49. Würzige Kräuter
    18. 50. Fuewechchue
    19. 51. Soomross ond soome
    20. 52. Miss Alpstein
    21. 53. Uff Brogg
    22. 54. Zwilling
    23. 55. Stie(r)
    24. 56. Zuee loo
    25. 57. Siegermuni und KB - Stier
    26. 58. Wirtschaft zum Ochsen
    27. 59. Biis
    28. 60. Blüemli und Jinxs
    29. 61. Flamme ond Gwääb
    30. 62. Milka
    31. 63. D' Fraue ond d' Saue eehaltid s' Land
    32. 64. We ä Sau ä Schöllchue
    33. 65. Gäässe (Ziegen)
    34. 66. Wöösch G(T)löck; T(G)löck zuuee
  3. MILCHVERWERTUNG
    1. 67. Buudere
    2. 68. Buude(r)
    3. 69. Schmaalz uusloo
    4. 70. Chääse
    5. 71. Blähen
    6. 72. Chääs - Chessi
    7. 73. Greemple(r)
    8. 74. Wer den Rappen nicht ehrt, ist des Frankens nicht wert
    9. 75. Der kluge Mann baut vor
    10. 76. Ee hetts ond vemaggs
    11. 77. . . . velomped halt
    12. 78. Gwoge ond (G)messe ischt bald Gfresse
    13. 79. Fuugemülch
  4. HEUBAUER UND HEUSENN, ARBEITSTEILUNG
    1. 80. Heupuur ond Heusenn
    2. 81. Goofe ond Heusenn
    3. 82. Heuverkauf und Heumessen
  5. ERNTEARBEITEN: HEUEN, EMDEN UND HERBSTGRASEN
    1. 83. Teirre om 1955 (Dörrfutter, Trockenfutter zubereiten um 1955)
    2. 84. Huenze
    3. 85. Wedegehnte (Muskelkater)
    4. 86. Hend ode Tööpe
    5. 87. Mähen
    6. 88. Aecherli
    7. 89. Rabitt
    8. 90. Rabitt und Staat
    9. 91. He ond hä ode rondom
  6. JUGENDZEIT
    1. 92. Sommerzeit
    2. 93. Bechüe
    3. 94. Gompiross
    4. 95. Selbstversorger
    5. 96. Tumme ond bschötte
    6. 97. Forstliche Draufgänger
    7. 98. Blut ist dicker als Wasser
    8. 99. Widder
    9. 100. Neue Neuerungen - beständig ist nur der Wandel
    10. 101. Frönts Brood esse
    11. 102. Halm um Halm und Korn um Korn
  7. ABRUNDUNG, SCHLUSSGEDANKEN
    1. 103. Farmerpsychologie oder . . . 'Sohn des Vaters'
    2. 104. Aecherli und Computer – Wie der Vater, so der Sohn
    3. 105. Von der Horde zur Herde oder vom Chaos zum Kosmos
    4. 106. Vom Generalisten zum Spezialisten
    5. 107. Auf der Alm, da gibt's kei (koa) Sünd
    6. 108. Öberefahre und Berufswelt
    7. 109. Wir sind Chüeni
  8. HINWEISE
    1. 110. Mein Dank gilt:
    2. 111. Gewährsleute
    3. 112. Benützte Literatur
    4. 113. Personenregister
    5. 114. Lösungen
    6. 115. Kränkungen, Ernüchterungen und Herabstufungen in zeitlicher Abfolge

A. ÖBEREFAHRE

Fahren

Fahren bedeutete ursprünglich laut Duden jede Art von Fortbewegung, also sogar reiten oder schwimmen. Heute versteht man darunter meist die Fortbewegung per Wagen, Schiff, Flugzeug, Ski, Seilbahn, Velo, Schlittschuh etc. Erst durch die grosse Bedeutung von Velo, Auto und Bahn hat sich nun der Sinn von fahren ziemlich auf die Fortbewegung auf Rädern verengt. Öberefahre bedeutet aber entgegen der Meinung vieler doch nicht Motortransport von Herde und Begleitung, sondern nur Fussmarsch oder/und Klauenmarsch. Motortransport wäre öberefüere (überführen). 'Em Früelig faht de Senn uf d Alp' heisst es ja auch im Lied 'I ösrem liebe Schwizerland'.

Öberefahre als Begriff

(Wechsel von einem Futterort zu einem anderen)

Im Alpsteingebiet denkt männiglich bei diesem Wort an Alpauffahrt (z Beg fahre, ii fahre) oder Alpabfahrt (hee fahre, use fahre) einer Viehherde. Der Besuch der Viehschau mit der Viehherde wiederum heisst a d Schau fahre.

Von etwa 1800-1965 bedeutete öberefahre vor allem die Verschiebung des Senntums vom Talbetrieb des Sennen (Senn kommt von keltisch 'sanion' und bedeutet Melker) zur Scheune eines Heubauern (Heupuur) und von dort weiter zu einem nächsten Heupuur (aas Heu fahre) oder wieder zur Heemed vom Heusenn (Bauernhof des Heusennen). Im Frühling und im Herbst wurde aber auch aas Grääs gfahre (ans Gras fahren). Von der Alpabfahrt bis wieder zur Alpauffahrt verschob sich ein Senntum mit dem die Tiere begleitenden Senn (im Dialekt ohne -en geschrieben!) so locker 5 – 8-mal. Auch mitten im Winter waren also Heusenne am Öberefahre (siehe Winterbilder von Bauernmaler Albert Manser.

Wenn nun Josef Inauen, Johann Rudolf Steinmüller zitierend, erwähnt, dass es in beiden Appenzell (also AI und AR) um 1800 mehr als 200 Sennen (davon 110 in AI) mit mehr als 20 Kühen gab, so ist einleuchtend, dass fast jahraus und jahrein Viehherden am Öberefahre anzutreffen waren (nach Steinmüller bisweilen allein im Winter 5 – 8 verschiedene Futterorte!). Laut Heumesser Jakob Sutter wurden 1922 – 1925 jährlich durchschnittlich (wohl nur in AI) 5368 Klafter Heu verkauft, zu einem Durchschnittspreis von 86 Frankern. 1929 – 1932 lag der Durchschnittspreis für einen Liter Milch bei 22 Rappen. Bei diesem etwas schiefen Vergleich hat ein Klafter Heu den Wert von 390 Litern Milch. Viel oder wenig? Die 5400 Klafter führen allein schon im Winter zu reichlich 150 – 200 Futterortswechseln, pro Woche um die sechs. Vor 90 Jahren waren deshalb Sennen beim Öberefahre auf der Strasse fast so häufig wie heute Sattelschlepper.

Doch nicht genug damit. Von rund 1850 – 1914 existierte noch eine ganz andere, fast bizarr anmutende Art des Öberefahre. Laut Karl Neff zogen im Frühling unternehmungslustige Innerrhoder (notgetrieben?) als Schöttler (Herstellung und Verkauf von Milch und Milchprodukten wie Schotte, Yoghurt, Butter etc.) samt ihren Herden (vielleicht sogar mit Ziegen und Hund, wohl mit der Bahn) nach Deutschland (Italien, Frankreich?) an die nobelsten Bade- und Kurorte, um dort durch den Verkauf von Milchprodukten (Milch, Butter, Schotte, Käsewasser, Joghurt etc.) ihr Geld zu machen. Achilles Weishaupt nennt in seiner Geschichte von Gonten (Band 2) allein für Gonten ca. 30 Städte/Orte, in denen Schöttler tätig waren. Der Ausdruck 'Bad' taucht dabei etwa zehnmal auf (Bad Kissingen, Kalsbad etc.). Junge Frauen in der Tracht waren als Stickerinnen oder Kellnerinnen für diese Art von Geschäften das Sahnehäubchen!

Gegen Herbst hin verkauften die Schöttler ihre Tiere und kehrten (recht wohlhabend!?) nach Appenzell zurück. Einige aber blieben in Deutschland. Appenzeller waren so in Hamburg oder Berlin anzutreffen. Von mir wanderten um 1877 - 1890 eine Grosstante und zwei Grossonkel nach Ostpeussen (um Danzig), heute Polen, aus.

Dass es dann jeweilen anschliessend an die Hofe(r)chülbi in Appenzell am Schöttlerball recht selbstbewusst laut und weltmännisch nobel wie auch rausennisch zu und her ging, wollen wir jenen Pionieren nicht verdenken. Soviel zum Begriff öberefahre.

Öberefahre war und ist in beiden Appenzell von grosser wirtschaftlicher Bedeutung, früher als Folge der Arbeitsteilung von Heupuur (Heubauer, Talbetrieb) und Heusenn (Eigentümer des Senntums), heute aber als Grundlage der Alpwirtschaft (z Begfahre, a d Schau fahre). Mittlerweile gerinnt das Öberefahre zu einer Touristenattraktion ersten Ranges, sei es beim Usefahre in Urnäsch oder an der Vechschau (Viehschau) in Appenzell, Urnäsch, Unterwasser und anderswo.

Öberefahre als reine Schau (wie der Gäässbueb = Geissbub mit Ziegen in Zermatt) ist zum Glück noch nicht üblich, aber ein Gasthaus in Teufen machte da schon erste Gehversuche. Öberefahre ist im Toggenburg, in AR und AI fast identitätsstiftend. Ich denke da an Ausstrahlungen auf Kunsthandwerk (Sattler, Küfer, Bauernmaler, Bauernmalerinnen), Liedgut, Bekleidung, Schmuck, Chlausebickli (handbemalte Lebkuchen an Weihnachten) sowie Stobede (Tanzveranstaltung auf einer Alp) und Redensarten. Bei keinem Berufsstand finden wir so viele Lieder und Jodel wie beim Senn oder Puur, schlechthin beim Älpler.

E hett kee guet Schölle (in AR heisst es Schelle) me (sein Ruf hat leicht gelitten) oder seb ischt oosennisch (etwas ist ziemlich daneben) sind geflügelte Worte im gesamten Alpsteingebiet. Die Damenwelt möge es meinem in Wisconsin/USA verstorbenen Onkel August Fässler nachsehen, der jeweilen eine wohlgeformte Dame schmunzelnd Schöllchue (Schellenkuh) nannte. „Seb wä au no e Schöllchue!“, war bei ihm so etwas wie ein Kompliment; er war ja auch Farmer (Juli/August 1930 nach den USA ausgewandert und nie eine Stunde Heimweh gehabt). Männliche Entsprechungen sind mir nicht bekannt! O doch, aber ich wage sie nicht anzuführen ...

Neuestens hat Senn und Fahren noch eine ganz ungemütliche Verbindung gefunden. Ich meine die eilige Fahrt mit einem Motorfahrzeug (und Seilbahn) von der Alp zum Talbetrieb und ungekehrt. Für den Senn kann es zu teuer sein, während des ganzen Tages eine erwachsene Person beim Senntum von sagen wir 24 Kühen auf der Alp zu verpflichten, und das trotz der Sömmerungsbeiträge aus Bundesbern. Wird die Milch auf der Alp zu Butter und Käse veredelt, mag das Problem noch tragbar sein, aber wenn die Milch wohin auch immer weggeführt wird, fehlt die wertschaffende Beschäftigung. Also pendelt das Alppersonal immer mehr zwischen Alp und Talbetrieb. Tagsüber bleibt die Hütte leer, die Tiere sind unbeaufsichtigt, wenn der Hirte im Tal dringenden Erntearbeiten nachgehen muss. Oft wird die Hütte an Feriengäste vermietet, nicht nur ausserhalb der Alpzeit, nein, auf Grund des Pendelns gleich auch im Sommer. Für den Besitzer ist die Hütte so oft lukrativer als die Alp selber. So kommt es im schlimmsten Fall dazu, dass der Älpler zur Hütte gar keinen Zugang mehr hat, wodurch er zwingend zum Pendeln verurteilt ist. Für feinere Naturen leiden unter solchen Zwängen die Tierhaltung wie die Alppflege – das althergebrachte Sennenleben wird geritzt. Wo und wie ist die Lösung zu finden? Während sich früher beim Öberefahre die Tiere zum Futter hin verschoben, geschieht heute immer mehr das Gegenteil. Das Futter in der Form von Heu oder Silage (gedörrtes Gras oder Silogras in Plastikballen, Silobölle) wird von den kleineren Bauernhöfen, ob Pachtbetrieb oder Eigentum, zum Stammbetrieb verfrachtet. Dort sind der tiergerechte Stall, die Melkanlage, der Jauchekasten, die restlichen nötigen Einrichtungen. Kaum ist das Futter weg, bringt der Jauchewagen (s Drockfass) den wässerigen Dünger. Bei 4 – 5 Schnitten ergeben sich pro Bauerngütlein schnell 20 Traktorfahrten im Jahr. Statt Öberefahre haben wir ein gehetztes Ommechare, für Landwirt und Nachbar nicht lustig. Bodenarrondierungen würden wohl Abhilfe schaffen – aber das ist meistens Wunschdenken. Wenn nur Jungtiere auf einem dieser kleinen Bauernhöe gehalten werden, die vielleicht noch der anwesende frühere Bauer besorgt, so entschärft das die Sache etwas. Doch das ist eher die Ausnahme. Möglicherweise aber sind wir Schweizer/Alpsteinbewohner nicht nur geographisch, sondern auch gedanklich etwas kleinkariert. Wenn eine Farm in Nebraska 14 000 Rinder umfasst, wird eine Futterfläche in der Grösse von 7 000 ha, also 70 km2 benötigt, im besten Fall. Da wäre von der (theoretisch) zentral gelegenen Farm die Grenze reihum je 4,2 km weit weg. Da gibt es noch den Fall in Deutschland, dass ein Pilot im Raum München wohnt und im Flughafen Frankfurt der Arbeit nachgeht! Ein Weg macht 300 km Autobahn aus!

Auf einem Farmbetrieb (Milchfabrik?!) in Indiana/USA, 60 km südlich von Chicago, werden 36 000 Milchkühe gehalten. Man rechne!

Neun Familien betreiben diese Fair Oaks Farm in 11 Untereinheiten, wobei das Melkkarussell mit 72 Milchkühen und dreimaligem Melken pro Tag wohl die Idealzahl von rund 3000 Kühen begründet. Die 7600 ha Ackerland für Mais und Alfalfa reichen nicht aus, um den jährlichen Futterbedarf pro Kuh von 17 Tonnen zu erzeugen, weshalb noch Heu aus dem 1300 km entfernten Colorado angekarrt wird. Täglich werden um die 950 000 Liter Milch erzeugt. Auf drei Teilfarmen ergänzen je 3000 Mutterschweine und 20 000 grunzende Jungtiere den eindrücklichen Tierbestand. Nun sinnieren tiernahe Konsumenten verständlicherweise über das Tierwohl auf diesen Riesenfarmen nach. Ich darf beruhigen. Diese Kühe fressen nicht wie einst in Unterschlatt aus Salzmangel und anderweitiger Mangelfütterung die Wäsche von der Leine. Eine Stalltemperatur von – 12 Grad bis +21 Celsius behagt erfahrungsgemäss den Kühen, also sind + 5 Grad Celsius ideal, mit Luftzug und Nackenberieselung angestrebt. Heu und Wasser in geringer Entfernung und freier Zuteilung. Die Tiere liegen in Sandbettkojen. Wohl werden sie nicht so alt wie unsere berggewohnten Rinder, aber lieber kurz und gut gelebt als wie früher schlecht und lang. Den Mutterschweinen sind die drei Wochen in den engen Absäugenischen wohl unangenehm. Aber nachher lebt es sich wieder leichter. Platz, Futter und Temperatur sowie Luftqualität ausgeklügelt tiergerecht. Auch werden weder von den Rindern noch von den Schweinen die Holzeinrichtungen abgenagt, weder möglich noch von den Tieren erstrebt. Die Fliegenplage hat sich mit genügend Belüftung erledigt. Unangenehme Kriechströme werden durch Erdung verhindert. Das umweltschädliche Methan CH4 wird im aufgefangenen Biogas verbrannt. Zugegeben, taufrisches Gras auf Ostschweizeralpen und freies Suhlen nahe dem Schottentrog auf einer Käseralp . . . Im Vertrauen: Ameisen, Bienen, Termiten, Fische etc. sowie wir Menschen leben auch in grosser Zahl.

Zahlen, die zählen

Unter öberefahre verstehe ich hier immer die Verschiebung des Senntums mit den drei Schellkühen und den begleitenden Sennen. Daneben aber gibt es auch den Ortswechsel einer Viehherde mit nur einer Füeeschölle (Führschelle) und entsprechend verkleinerter Begleitung. Wenn man an die vielen kleinen Alprechte von früher in der Seealp denkt, begreift man die Bedeutung dieser kleinen Herden. Laut Josef Inauen wies die Seealp 1893 insgesamt 39 Hüttenrechte auf, bei den 293 Stössen (Alprecht pro Kuh gerechnet) betrug die Alpzeit beeindruckende 34 (!)Tage. Futtermässig wäre das auf das Jahr bezogen ausreichend für 27 Kühe, bei heutigen Tieren ein kleinerer Talbetrieb mit 20 Hochleistungsmilchkühen.

Gleiche Wörter können Ungleiches bedeuten und ungleiche Wörter können wiederum Gleiches meinen.

Senn meint so den Mann vor den Schöllchüe, aber auch den Besitzer des Senntums, der auch wieder Puur oder Heusenn heisst. Die 3 – 4 Männer hinter den Schöllchüe nennt man auch Senne, es können aber Verwandte oder Bekannte sein, oft sind es anderweitige Berufsleute, welche nur als Helfer einspringen. Die zwei Männer i de Geele (in den gelben Hosen) nennt man Geelhösle (für mich eine unpassende Benennung) oder Vorsenn und Zusenn, was aber wieder ungewohnt klingt; nur in Notfällen nenne ich sie so. Kurz und gut: Vor den Schöllchüe geht der Senn (ob Sohn oder Knecht), hinter den Schöllchüe gehen die Sennen und zuhinterst folgt der Senn mit dem Hund. Heute ist jeder Senn auch en Puur (Bauer mit Heimwesen).

Senn kann aber auch einmal das gesamte Senntum mit den Sennen bedeuten – im Zusammenhang wird die Sache klar.

Ausserhalb des Alpsteins, also in weiten Teilen der Schweiz wie auch in Bayern und in Österreich, bedeutet Senn die Person, welche die Butter- und Käsearbeit erledigt. Der Mann bei den Kühen heisst Hirt. Die Alphütte heisst dort sinngemäss Sennerei.

Nun zu den Zahlen, deren Nichtbeachten oosennisch (daneben) ist, klassisch eingehalten zom z Begfahre ond zom usefahre (Alpauffahrt, Alpabfahrt).

1 Gässsbueb (Ziegenbub)

1 Vorsenn (immer ohne Stecken) mit dem 1. Fahreimer

1 Zusenn (von hinten gesehen: in AR ganz links, in AI zweiter Mann von links) mit dem 2. Fahreimer, auch ohne Stecken

1 – 2 Springbuebe (Laufjunge), ohne rots Liibli, ohne Hut

1 Senn ohne rots Liibli (rote Weste), ohne Hut, nur in AI üblich

1 Wäädschölle (Weidschelle), mit Heu/Stroh stillgestellt

1 Melkstuhl an einer Kuh am Hals oder (in AI selten) auf dem Kopf des Stiers

1 Striegel und 1 Bürste einer Kuh um den Hals gehängt

1 Jutesack einer Kuh um den Hals gehängt

1 Puur (bruus Liibli, Hut) mit 1 Hund

1 Stierführer (ohne Liibli) mit 1 Stier

1 Ledi (nach eigenen Regeln gebunden), Fuhrmann sennisch (ohne rots Liibli) oder in Fuhrmannsbluse

1 Suwage (Wagen mit Schweinen) nur in AR, selten; Fuhrmann dito

2 Schöllestecke (gebogene Schellenstecken/Joche; an Viehschau, mit Ledi oder 'Auto' ohne!)

2 Fahreimer (früher auch nur 1)

3 Schöllchüe mit Schölle oder mit einem Fahreimer auf 2 Stecke verteilt

4 Sennen hinter den Schöllchüe (früher auch nur 3 oder 2), eventuell einer mit em rote Liibli ohne Hut, so dass in AI gewollt keiner der 4 Sennen genau gleich aussieht

5 oder 7 oder deutlich mehr Ziegen, nur 1 Gäss-Füeeschölle (ungerade Zahlen gelten seit Pythagoras mancherorts als männlich und galten im Mittelalter als stark, gut, glücksverheissend und gottgefällig, mystische Zahlen sind meist ungerade, z. B. 3, 7 oder 13) Wird eine ungerade Zahl zu einer geraden addiert, wird die Summe ungerade. Ungerade setzt sich also durch = ist also männlich! Adam ist 1 und Eva 2, klar! Biologisch stimmt die Sache. Das Spermium bestimmt das Geschlecht des Embryos und nicht die Eizelle.

18 oder mehr Stück Grossvieh (in AI ziemlich zwingend, in AR meistens), alle ausser Schöllchüe mit Chuechettere (Kuhkette)

Die Anzahl der Kinder hinter den Geissen (sennisch/in der Tracht) ist je nach Familiensituation wählbar, aber ohne di Geele; in AI tragen die Mädchen die Stoffelkappe. Weniger als 18 Stück Grossvieh ist nicht strafbar, aber ziemlich selten, laut Jakob Knöpfel aber früher bei Schwägalpsennen durchaus üblich! Die fast magische Zahl von 18 Stück Grossvieh galt besonders in AI beim as Heu fahre (Futterortwechsel im Winter), nach Aussage meines Vaters sogar ausnahmslos.

Zahlen haben ihre Bedeutung.

Kein Märchen und kein biblischer Bericht ohne die Zahl sieben oder zwölf oder vierzig und deren Vielfache. Also ist bei all diesen Angeben Vorsicht und Misstrauen geboten. Es handelt sich kaum um Fakten, sondern nur um Konstrukte.

Beginnen wir bei der Zahl Sieben. Sie taugt an sich für gar nichts, als Primzahl ist sie weder teilbar noch entspricht sie der Fingerzahl, höchstens lautet sie binär eindrucksvoll 111. Weshalb aber ist sie mehr als heilig und in der Woche verankert? Klar, drei und vier ergibt sieben, drei steht für Vater, Mutter und Kind und bei den Christen für die unbegreifbare Dreifaltigkeit. Die Vier erhält man bei der Überlagerung von senkrecht und waagrecht, zwei rechte Winkel davon ergeben eine Gerade. Mit den vier recht willkürlich gewählten Elementen Luft, Wasser, Erde und Feuer harmonieren auch die vier Tageszeiten, Jahreszeiten, Himmelsrichtungen, Jassfarben, Wagenräder und die mit Gewürge 'erzeugten' vier Temperamente. Es wird auch vermutet, die Sieben sei dem Menschen so ans Herz gewachsen, weil sie so eigensinnig und spröde sei. Diese unnahbare Prinzessin Rühr – mich – nicht – an lässt sich als einzige Zahl von eins bis zehn weder teilen noch sich in diesem Zahlenraum vervielfachen. Zugleich unterteile sie ziemlich genau das Mondjahr von 28 Tagen in vier angenehme Teile, was mich ziemlich überzeugt. Hingegen würden drei mal 10 Tage das 'Mondjahr' noch besser abbilden. Noch wichtiger ist die Sieben wohl durch die Wandelsterne, die von Auge sichtbaren und schon seit Urzeiten hochgeachteten, wenn auch unwichtigen, beweglichen Himmelskörper; bei fester Erde eben Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Erst 1781 wurden mit Fernrohren Uranus, 1846 Neptun und erst 1930 Pluto gesichtet, wobei letzterer heute nicht mehr als Planet zählt. Immerhin, die heutigen sieben sonst eher nutzlosen Planeten ziehen zusammen mit dem Mond als kosmische Staubsauger Meteoeriten, Meteore, Kometen, Asteroiden, Planetoiden sowie andere unfreundliche Querschläger und Irrläufer als Weltraumschrott an sich und bewahrten die Mutter Erde bis heute leidlich erfolgreich vor endzeitlichen Katastrophen. Also nicht auslachen, trotz astrologischem Unsinn!

Alle Säugetierköpfe/Schädel weisen auch sieben Öffnungen auf. So ordnet der Mensch seit Urzeiten sieben Tage zu einer Woche, wobei drei und vier Wochen als Periode bei Rind und Frau die Sieben zusätzlich adelt. Mit Deutsch, Französisch und Englisch ergibt sich schnell die Zuordnung Sonntag/Sonne Mondtag/Mond, Mardi/Mars, Mercredi/Merkur, Jeudi/Jupiter sowie Saturday/Saturn. Bisweilen wird aber diese Zuordnung auch umgekehrt begründet, zuerst sieben Tage und dann erst die sieben Wandelsterne. Egal. Also gibt es zum Wohlgefallen vieler Erdenbürger vielgeliebte Siebnergruppen von Sakramenten, Engelgruppen, makkabäischen Brüdern, Buchsiegeln, Erzengeln, griechischen Helden, Plagen, Lastern = Todsünden, Tugenden, Leuchterarmen, Künsten, Kurfürsten, Churfirsten, Bundesräten, Hungerjahren, fetten Jahren, Schleiern, Zwergen, Bergen, Geisslein, Weltwundern, Weisen, Geistesgaben, Weltmeeren, Schläfer sowie bedeutungsschwer Siebengestirn (Plejaden), Siebenpunkt (Marienkäfer), Siebenstern (Primel, Sternblume), Siebentagewerk, Siebensachen, Siebenbürgen, Siebengebirge, Sibesiech, Sibesatan, sibe Lebe, sibe Hüüd (Teufelskerl, Plaggeist, zäher Lebenswille, Unverletzlichkeit) etc. Die heutigen sieben Kontinente hätten bei hilfreicher Zählart unseren Altvorderen auch gut gepasst. Und, was das beste ist, auch sieben Siebentageslängen werden gebastelt, was erst 49 Tage und nach alter Zählweise 50 Tage ergibt, Pentecoste, also Pfingsten, 50 Tage nach Ostern. Früher zählte man die Tage und nicht die Taglängen, unsere Schwester Irmberta in Schlatt sagte für eine Woche immer 'heute in acht Tagen'. So kommt man mit 40 Tagen nach Martini (11. 11.) und 40 Tage vor Lichtmess (2.2.) zu den schon von den Römern gefeierten Saturnalien, um die Wintersonnenwende dem Gott Saturn gewidmeten fasnachtsähnlichen Fest-, Verkleidungs-, Sauf-, Würfelspiel-, Geschenk- und Fresstagen, vom 17. bis 23. und später bis 30. Dezember. Deshalb feiern die Christen Weihnachten zum gleichen Zeitpunkt. Interessant ist die Vorstellung, was geschehen wäre, wenn die Menschen der Frühzeit nur fünf oder gar alle neun Planeten entdeckt hätten. Dann gäbe es wohl die Neuntageschöpfung, die Neuntagewoche und entsprechend auch neun Zwerge und neun Geisslein etc. Siebenhütten, Siebenbürgen und Siebesiech müssten wir vergessen. Statt die ziemlich unwichtigen Planeten (Sonne und Mond ausgenommen; sie passen ja auch schlecht in die Reihe von Merkur bis Saturn) zu beobachten, hätten sich die Forscher/Beobachter der Frühzeit besser mit den irdischen Zusammenhängen wie Eierstock (Spermien sind nicht Samen im weiblichen Acker, es gibt auch Eizellen!!), Blutkreislauf, Hygiene, Mikroskop, Naturgesetzen, Wagenbau, Glas oder Metallgewinnung befasst. Auch ohne priesterliche Astronomie - und Astrologiehemmnisse hätten die Bauern nur schon aus der Naturbeobachtung den günstigen Zeitpunkt der Aussaat oder Ernte gefunden. Statt den Unsinn der Welterklärung von Aristoteles etc. abzuschreibern, wäre man so schon früher auf die Fallgesetze, die Elektrizität und andere wichtige Erkenntisse gestossen, wie sie dann erst von Galileo und anderen Forschern entdeckt wurden. Messen statt abschreiben brachte die Lösung vor 500 Jahren. Die urtümliche Begaffung der Gestirne nützte höchstens der Schiffahrt und führte ansonsten eher auf astrologische Irrwege.

Also ist urgewaltige 40 an der Reihe. Zehn Finger mal vier ergilt 40 für die Dauer der Fastenzeit, die Jahre der Israeliten in der Wüste sowie Ali Baba und die 40 Räuber. 40 Tage und 40 Nächte regnete es bei Noe, und nach 40 Tagen öffnete er ein Fenster der Arche. 40 Tage und 40 Nächte verbrachten Moses (Ex 24,18) auf dem Sinai und Jesus (Mk 1,13; Mt 4,2 und Lk 4,2) in der Wüste. In der Bibel taucht die Zahl vierzig mindestens siebenmal auf, Hinweis und Irrweg gleichzeitig. Erfunden ist manches oder all das? Die Schwangerschaft der Frau und die Tragzeit der Kuh passen nur so leidlich in dieses Schema, aber damit lebte man ungern und stirnrunzelnd. Die Zwölf ist günstig beim Teilen, was dem Zehnersystem den Rang abläuft, nur wären damit die Multiplikation und Division etwas anstrengender. Zwölf mal die vier Wochen der Mondphasen ergeben fast ein Jahr, leider nicht ganz, wie überhaupt die Erdrotation gar nicht zum Jahreslauf passt, zum Problem aller aufmerksamen Völker der Vergangenheit. 12 Stunden füllen den Tag, 12 schafft auch 60 und 360 für Zeit- und Winkelteilung. 12 Söhne Jakobs ergeben 12 Stämme Israels und rufen direkt nach 12 Aposteln, 12 Thronen und 12 Legionen Engeln. Das darf man erwarten. Eine römische Legion zählte 4 000 – 6 000 Soldaten und entspricht heute in etwa einem Regiment. Genau 12 mal 12 Tausend Besiegelte (=Auserwählte) zählt Johannes gewissenhaft und ausdauernd in der Offenbarung, also 144 000 (Offb 7,4 - 8)! Sechsmal zwölf ergibt die Jüngeranzahl und früher die Anzahl Kardinäle, und, wie herrlich, ungefähr und fast und etwa und rund die Anzahl der versprochenen Jungfrauen nach getaner Abschlachtung ausreichend vieler Irrgläubigen. Psssss!! Geistesblitz: 83 oder 97 wären doch noch verlockender und 61 oder 46 ausreichend, nein, nur die nicht genannte Zahl ist das Ziel!

Weltweit müsste eben die Irrlehre, die weder mit Chinesen noch Christen noch Naturreligionen harmoniert, konsequent zurückgebunden werden. Terror ist Krieg, nur auf unsymmetrischer Grundlage. Nach meiner Idee muss unsymmetrische Kriegsführung auch unsymmetrisch beantwortet werden, also ebenfall ausserhalb der Menschenrechte. Dieses Wort lege ich der besseren Gewichtung wegen dem preussischen Militärtheoretiker Carl von Clausewitz in den Mund. Möglichkeiten gibt es genügend, notfalls kann ich mit einigen Tipps wie Kappung der Luftlinien und Datenübertragung, Lebensmittelsperre, Geiselhaft etc. aushelfen.

12 mal 12 macht die 'Riesenzahl' 144! Damit ist sie wohl magisch genug.

Zehn Finger – zehn Gebote. Das harmoniert, mit etwas Geknorze. Das neunte Gebot passte noch nie in die Landschaft, schützte des Nachbarn Haus vor Begehren und degradierte die Frau durch Ex 20,17 zu einer Sache wie etwa ein Velo, einen Traktor oder ein Kamel. Später fand man das auch im männerdominanten Orient der Urzeit als unpassend und liess nach Dt 5,21 die Frau im neunten Gebot zum alleinigen Objekt der männlichen Begierde aufsteigen, während das Haus nun zu Kamel, Lastwagen etc. gezählt wurde. Beeinflusste die männerbetonte Geisteshaltung der semitischen Nomaden vor 3000 Jahren den biblischen Bericht von Adam und Eva und Rippe (Gen 2,21 – 22) oder umgekeht dieser die archaische Denkweise der Nomaden. Ei oder Huhn? Befremdend und unheilvoll (und zählebig) sind beide Holzwege!

Sinnigerweise ordnen die ersten drei Gebote das Verhalten der Schäfchen zum Hirten und die restlichen sieben Gebote regeln passend das Verhalten der Schäfchen zu den Schäfchen. Das ergibt den Dekalog. Praktisch gesehen würden acht Gebote ausreichen. Ob ich die hübsche Nachbarin gern sehe und den Porsche und schweren Mähdrescher des Nachbarn gern hätte ist so belanglos wie das Wohlgefallen des Nachbarn an meiner reizenden Gattin und der Wunsch nach meiner leistungsstarken Kettensäge, solange wir beide nicht zulangen. Im Gegenteil, der stille Neid und der so angefachte Wettbewerb schaffen Wohlstand, bald schon zu viel. Es soll doch niemand ungewollt frieren, dürsten, hungern oder leiden. Aber die Acht hat nicht die Strahlkraft wie die Zehn, es sei denn, wir wären Spinnen. Nun ja, die Ägypter kannten ausser den zehn Geboten auch noch die zehn Plagen. So blieben sie relativ ungefährlich und errichteten ausser den unnützen Pyramiden nicht auch noch ein Weltreich. Dass sie mit ihren einbalsamierten Mumien aber noch die so hellsichtigen Kommunisten mit dem einbalsamierten Lenin unterwiesen, ist beiden oder allen drei zu gönnen.

Den Harmonieversessenen Griechen (die Jünger um Pythagoras) waren die ganzen Zahlen ein schlagender Beweis der himmlischen Ordnung, was sich auch in der Musik zeigt. Leider aber passt schon die Wurzel Zwei gar nicht in die gute Stube. Wenn sie wenigsten 4/3 oder 7/5 10/7 oder sonst ein Bruch wäre. Aber nein, sie ist so störrisch, dass sie überhaupt kein Bruch sein kann. Das verstörte die Pythagoräer zutiefst. Und das störrische Pi passt auch nirgendwohin, vom noch wichtigeren und geheimnisvollen e nicht zu flüstern. Die feinen 22/7 für die Kreiszahl sind nicht genau, und besser wussten es schon lange die Inder und Chinesen. Aber auch das wussten die Griechen nicht, von den Römern war das auch nicht zu erwarten. Diese Kriegsgesellen zählten nur bis eins: Ein Soldat tot = ein Soldat weniger!

Leicht ärgerlich war für die Harmoniesucher auch, dass das hochgelobte Siebeneck mit seinen kurzen Diagonalen richtig hässlich daher kommt; die 77 1/7 Grad sind weder Fisch noch Vogel. Erst ab 1700 bekam man diese Scheinproblem in den Griff und weiss seither, dass die Natur auf so einfache Muster pfeift, erst im Chaos zeigen sich die durch Computer erzielten phantastischen Stukturen. Die Quantenphysik schwelgt aber wieder in Symmetrien.

Mit genügend Scharfsinn und den üblichen Verrenkungen schaffen auch wir beim Öberfahre Siebenerformationen, und zwar gleich Sieben in einem Streich. Also los! 7 Personen: Gässbueb, Geelhösle, Senne, Springbueb, Puur, Stiäfüehre, Fuehmaa und als Reserve noch Gäässmeedli.

7 Tiere: Ziegen, Kühe, Stier, Pferd, Hund, Schwein und unlogisch noch Galtling.

7 Gaben der Ziege und des Rindes: Milch, Butter, Käse, Fleisch, Kraft (bei der Ziege Haare/Wolle, pardon), Leder und Dünger. Keine anderen Tiere beschenken uns so vielgestaltig und reichhaltig.

7 Alpen: Schwägalp, Potersalp, Hochalp, Neuenalp, Altenalp, Seealp und Meglisalp (Ungenannte Alpen müssen entschuldigen, es haben nur sieben Platz!).

7 Abgrenzungen: Steinhag, Steckenhag, Stotzenhag, Lattenhag, Holzhag, Stacheldrahthag und Elektrozaun.

7 Wirtschaften mit Tiernamen zom Usehäbe: Rössli, Leuen, Bären, Ochsen, Adler, Schäfli und Falken. Nichtgenannte . . .

7 Chüe: Schöllchue, Mülchchue, Chalbechue, Fuewechchue, Muetttechue, Metzichue ond Beechue.

Die Siebneraufzählung für Kosenamen wie Müsli, Spatz, Chäferli, Gwaagg etc. und Schimpfnamen wie Lalli, Halungg, Balaari, Tlünggi, Schlunggi etc. überlasse ich dem begabten Leser; ebenso die Zuordnung der Bundesräte.

Die arme 13. In der jüdischen Mystik hat jeder Buchstabe einen Zahlenwert, fast wie in unserer Welt die Null gleich aussieht wie der Buchstabe O. Nun ergeben die vier Buchstaben JHWH für Jahwe in der Summe 26. Wer nun den Unteilbaren teilt, erhält 13 und macht sich schuldig. So einfältig sind die Menschen. Als Nachfolgerin der imposanten 12 hat die verachtete/gefürchtete 13 zusätzlich schlechte Karten. In Flugzeugen und Hotels kann deshalb die 13 als Sitzreihe oder Stockwerk durchaus fehlen, so ängstlich sind Ängstliche! Ich könnte hingegen sogar an einem Freitag eines 13. Monatstages um 13. 13 Uhr eine schwarze Katze ungerührt 13 mal miauen hören und würde anschliessend 13, 13 % Steuerrabatt hochgemut begrüssen.

Nach Bellos teilt in Ostasien die Vier dieses Schicksal mit der 13, weil auf Japanisch, Koreanisch, Kantonesisch und Mandarin diese Zahl gleich klingt (shi, sa, sei und si) wie 'Tod', was in einem Flugzeug nach lascher Sicherheitskontrolle schon nachdenklich stimmen kann! Wie wäre es mit zwei Reihen 6, als numerischer Ausgleich?

Ein munteres Zahlenspiel frivoler Art bietet uns nach 1 Kg (3 Kg) 11,1 – 10 und 11,42 der weise Salomo. So knapp 1000 Jahre v. Chr. soll dieser ziemlich gottesfürchtige König während den 40 (oha!) Jahren seiner Herrschaft über ganz Israel es mit 700 fürstlichen Frauen und 300 Nebenfrauen getrieben haben, bibelfest zitiert. Die monatliche Auswechslungsrate bei diesem majestätischen Sexprotz soll also zwei Evastöchter (Sklavinnen?) betragen haben. Das wurde von der Kirche nie an die grosse Glocke gehängt, der erhabene Psalmendichter, Tempelbauer und Weisheitslehrer (!) hätte ja Neid wecken und zur Nachahmung ermuntern können, schliesslich soll man doch generell so edlen Bibelgestalten nacheifern. Besitz und Lesung der Heiligen Schrift war ja auch lange bei katholischen Schäfchen verpönt bis verboten. Kinder lässt man auch nicht an die Steckdose. Auch sündige Töchter Evas mit nur zehnmal weniger wechselnden Liebhabern geniessen in der Bibel bei weitem nicht auch nur 10 % des Ansehens, in welchem sich dieser muntere Frauenheld und lebenslustige 'Deckoffizier' in der Stadt Davids sonnt. Wie ersichtlich, war in biblischer Urzeit KB (Künstliche Besamung) überflüssig!

Nun, seien wir keine Krämerseelen oder Spielverderber und schieben dem verschwenderischen Grosshans und hochlobten Weiberhelden noch weitere acht Holde unter die sündige Bettdecke in Jerusalem. So erfreut uns die verfängliche Bettrechnung fast endzeitlich mit 7 x 144, womit die edle Sieben und die erhabene Zwölf auftauchen. Auch ohne Viagra wird der biblische 'Zuchtstier' das Pensum noch erfüllt haben, wenn ich so sagen darf. Überhaupt passt obige Sexberichterstattung eher in ein Protokoll einer Viehzuchtgenossenschaft denn in die Bibel. Klar, der biblische Vernascher wird vom Herrn gehörig gerügt – weil er den moabitischen, ammonitischen, edomitischen, sidomitischen und hethitischen Verführerinnen nach gelungener Verlustierung mehrere Göttergebilde erbaute. Wie dumm, weiser Nimmersatt! „Seine Weiber machten sein Herz fremden Göttern geneigt“, womit die Schuldfrage wieder einmal sexistisch und mannhaft geklärt ist. Tja, König müsste man sein und Psalmen dichten sollte man können! Das mit den Psalmen mute ich mir in Unbescheidenheit noch zu, aber König in Jerusalem über ganz Israel wäre schon eine Knacknuss. Die Zahl Tausend glänzt sicherlich, aber zur Sieben und Zwölf passt sie leider nicht, womit gezeigt ist, dass auch 'unhandliche' Zahlen nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen und weder hinten noch vorne oder weder oben noch unten stimmen. Vielleicht hat sich der biblische Berichterstatter auch nur verzählt, was aber der Aufzählung ihren Reiz belässt . . .

Vorne ist nicht hinten

Beim klassischen Öberefahre ist nicht nur die Anzahl der Teilnehmer wichtig, sondern auch die Reihenfolge ist streng einzuhalten. Die 7 – 13 Personen und 24 oder mehr Tiere (Schweine nicht gezählt) treten in folgender Reihenfolge auf: Gäässbueb - Gäässe – Gäässmeedli (Geissenmädchen) – Senn – Schöllchüe – 4 Sennen – Herde – dazwischen SpringbuebPuur mit Hund – Stierführer mit Stier – Fuhrmann mit Ledi – Fuhrmann mit Suwage

Wenn die Schölle getragen werden, schreitet der Senn mit den zwei Schölle am Joch (die grosse rechts, die mittlere links) voran, ihm folgt der Senn mit der kleinen Schölle (rechts) und dem Fahreimer (links), wobei sich die Sennen frei abwechseln. Auch bei grosser Wärme ziehen die Geelhösle s'rot Liibli nicht aus, nicht einmal in einem Raum, wo aber die Hüte abgelegt werden. Bei der Alpauffahrt können die Kühe schon einmal die Sennen mit den Schölle überholen, der Weg ist den erfahrenen Kühen vertraut, und das junge Gras lockt, während die Sennen eine Pause (mit sennisch singen?) einlegen. Aber nicht bei allen Herdenbesitzern würde so etwas geduldet! Laut Gerlinde Neff ist es für junge Burschen direkt ein Vergnügen und Ehrensache, als Senn die Schellen zu tragen – tja, der Stoff, aus dem die Männer sind!!

Wochentage

Früher kamen fast ausschliesslich der Dienstag und der Donnerstag als Öberefahrtääg in Frage. Der Sonntag war Sonntag und der Mittwoch häufig Markttag, also 'Bauernsonntag'. Vor oder nach dem Öterefahre mussten meistens Schweine, Kälbchen, Velo oder Chree(n)ze (grosses, aus Stäben geformtes Rückentraggerät) samt Inhalt verschoben werden. Das passte nicht zum Senntum, also fielen Montag und Samstag ebenfalls weg. Am Freitag wie auch in der Karwoche fuhr man nicht gern mit Sang und Klang durch die Gegend - fällt deshalb auch weg.

Das hat geändert. In der heutigen Zeit wird sehr häufig am Samstag öbere gfahre, weil an diesem Tag die zusätzlichen Sennen mit Berufen ausserhalb der Landwirtschaft frei haben. An diesem Tag fehlen fast durchwegs auch die störenden Lastwagen, dafür ist touristisch erwünscht die Zuschauermenge wiederum gewährleistet. Das gilt besonders für die Alpauffahrt und Alpabfahrt durch Urnäsch. Unter der Hand sei noch verraten, dass die Verschiebungen Voralp – Sömmerung - Voralp (laut Buff) auch einmal eine Kleinigkeit einfacher ausfallen können, bezüglich de Geele ond de Ledi.

Good ond Labi

Zum zünftigen Senntum gehören (in Innerrhoden nicht unbedingt und anderswo auch nicht zu allen Zeiten) ausser den braunen Kühen (Original Braunvieh oder Brown Swiss; mit oder ohne Hörner) auch Jungvieh aller Altersstufen und Farbabweichungen. Dazu passen (immer nur je ein Tier, Gold ist ja auch nur wertvoll, weil es selten ist!) ein Good (weisser Gurt), ein Wissbuuch (weisser Bauch), ein Wissrogge (weisser Rücken) und ein Blüem (gesprenkelt, Fleck/Spiegel am Kopf, auch Ryf genannt). Nur als Einzelwesen ist auch ein Tier mit nach vorneunten gewachsenen Hörnern (Labi) erwünscht, was aber sonst als Makel gewertet wird. So weist das Senntum schon die Tiernamen Good, Wissbuch, Blüem, Spiegel, Struus und eben Labi auf, wie auf alten Sennenstreifen ersichtlich ist. Mit Junker, Talpi und Leu, Hoffart und Jümpfer (was bedeutet denn das?) sowie Loschti ist gleich die Hälfte der Kühe benamst (benannt).

Witzig bis unlogisch

Beim Öberefahre bemerkt der aufmerksame Zuschauer einige lustige Ungereimtheiten, die der Sache aber ihren Reiz verleihen.

So ist auf dem Schellenblech der grossen Schölle wie auch auf dem Bschlage (lederner, mit Messing verzierter Hosenträger) die Reihenfolge Senn – 2 Ziegen – Schöllchüe – Senn mit Hund ziemlich falsch, natürlich aus gestalterischen Gründen. Die Geissen gehören vor den Senn und der Hund gehört zum Puur.

Die Massierung (militärisch gesprochen) der 4 - 5 Sennen vorne ist herdentechnisch unbrauchbar, aber natürlich singtechnisch unabdingbar. So aber muss der Springbueb vielleicht allein die Tiere der Herde von unerwünschtem Ausscheren abhalten, was herzabstossende Situationen bedeuten kann (Autoverkehr, Dorfstrasse, Zuschauer). Entkommen einzelne und sicher naseweise Jungtiere durch eine Zaunlücke bei der Strasse und folgen der Herde in gleicher Richtung hinter dem Hag, so müssen sie im schlimmsten Fall gegen die Laufrichtung des Senntums zurückgetrieben werden – ein aberwitziges, filmreifes Unterfangen! Erfahrene Sennen fahren (jawohl, diesmal auf Rädern!) am Vortag des Öberefahre die Strecke ab und richten bei verführerischen Zaunlücken oder Einfahrten eine Schnur mit Schlaufe, so dass dann beim Öberefahre die Lücke schnell abschreckend genug geschlossen aussieht. Der Puur am Schluss öffnet die Schnur wieder oder nimmt sie gleich wieder mit. Der Autoverkehr und die vielen Zuschauer zwingen den Puur, für das Öberefahre eine entsprechende Betriebshaftpflicht-Versicherung (Selbstbehalt kann weh tun) abzuschliessen, es kamen doch schon Kühe zu Verletzungen und Autos zu Beulen.

Nun, für den Autofahrer ist eine ihn kreuzende Viehherde eine erträgliche Geduldsprobe. Soll aber das Senntum überholt werden, artet das Unterfangen zu einem Alptraum aus, gleichermassen für Fahrer, Sennen und Tiere. Umleitungen, Strassensperren zu vorgegebener Zeit sowie pfiffige Abmarschzeiten (von der Schwägalp deshalb neuestens am Vormittag) sind darum oft der einzige Ausweg aus dem Dilemma von archaischem Viehtrieb und hektischem Strassenverkehr.

Die drei Schölle