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Uwe Lübbermann

WIRTSCHAFT HACKEN

Von einem ganz normalen Unternehmer, der fast alles anders macht

Mit Illustrationen von
Lennart Herberhold

Logo des Verlags

Uwe Lübbermann: Wirtschaft hacken. Von einem ganz normalen Unternehmer, der fast alles anders macht

ISBN (Print) 978-3-96317-233-5

Erschienen 2021 Büchner-Verlag eG, Marburg, www.buechner-verlag.de

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Bildnachweis Cover und Illustrationen im Innenteil: © Lennart Herberhold Kontakt: lennartherberhold@yahoo.de

Logo CC BY-NC-ND

Satz: DeinSatz Marburg | tn

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1Meine Grundannahmen und Menschen, mit denen ich zusammenarbeite

2Führungsaufgaben in einem Kollektiv

3Dilemma-Uwe

4Fusion

5Sicherheit durch Unsicherheit

6BWL-Inseln

Das gute Geschäft. Ein unmoralischer Deal?
Jürgen Radel

Der verdeckte Lehrplan in der BWL
Martin Parker

Premium-Lehre/n
Claudia Brözel

Werte in Strukturen einbetten
Anke Turner

Demokratie und Partizipation in Unternehmen
Laura Marie Edinger-Schons

7Das Beste aus zwei Welten

8Wie ich wurde, was ich bin

9In welcher Welt könnten wir leben?

Die Bleistiftzeichnung stellt zwei verschiedene Weisen des Wirtschaftens gegenüber. Auf der rechten Seite sieht man Szenen aus der Arbeit des Premium-Kollektivs. Die linke Seite stellt die Welt der Anzug tragenden Geschäftsleute dar.

Die Bleistiftzeichnung stellt zwei verschiedene Weisen des Wirtschaftens gegenüber. Auf der rechten Seite sieht man Szenen aus der Arbeit des Premium-Kollektivs. Die linke Seite stellt die Welt der Anzug tragenden Geschäftsleute dar.

Vorwort

Ich hatte schon länger die Idee, ein Buch über meine Arbeit zu schreiben. Nicht, weil ich mir gern ein Andenken setzen oder den vielen Erfolgsgeschichten, die wir von Unternehmerinnen kennen, eine weitere hinzufügen wollte, sondern vor allem aus dem Wunsch heraus, meine Art, mit Menschen und Wirtschaft umzugehen, einem breiteren Publikum zur Nachahmung zu empfehlen. Das Buch schließt in dieser Hinsicht an über tausend Vorträge an, die ich an verschiedensten Orten in den letzten dreizehn Jahren gehalten habe, um für meine Vorstellung einer Wirtschaft zu werben, die mehr auf Kooperation als auf Konkurrenz setzt, die das Erreichen gemeinsamer Ziele den einsamen Siegen vorzieht, und die wirtschaftlichen Erfolg vor allem daran bemisst, wie gut alle Teilnehmerinnen an der gemeinsamen Unternehmung versorgt werden können.

Dabei ist diese soziale Gesinnung kein reiner Altruismus. Sie unterstützt meine unternehmerischen Ambitionen und dient auch meinen eigenen Interessen. Sie sichert mich ab, mehrt meinen Wohlstand und beschert mir ein gutes Gewissen. Dafür folgt sie einer ethischen Grundregel, die ich als »Gleichwürdigkeit aller Menschen« bezeichne. Diese sehe ich beispielsweise dann verletzt, wenn ein Mensch seine Überlegenheit gegenüber anderen zu deren Schaden ausnutzt.

Allerdings bin ich kein Theoretiker, sondern ein Unternehmer. Insofern geht es in diesem Buch nicht darum, eine Unternehmens- oder – Gott bewahre – Lebensphilosophie aufzuschreiben, sondern darum, die Erfahrungen zu teilen, die ich gemacht habe. Dafür habe ich nach Partnern gesucht und mich schließlich für den Büchner-Verlag entschieden. Auch andere signalisierten Interesse, waren aber weniger kooperativ – sie stimmten zum Beispiel keiner kostenlosen Verbreitung des E-Books zu. Für mich war das ein entscheidendes Kriterium, weil mir Reichweite wichtiger ist als Geld. Außerdem kam es mir auf gegenseitige Sympathie und gemeinsame Überzeugungen an: Fairness, möglichst keine Verträge, sondern alles flexibel halten und trotzdem treu sein. Mit offenen Absprachen, die immer neu nachjustiert werden können, damit alle zufrieden bleiben. Ein kollektives Unternehmen. So kam ich schließlich zum Büchner-Verlag, einem genossenschaftlichen Unternehmen mit mehrheitlich weiblicher Beteiligung. Auch das fand ich gut. Der Verlag wiederum brachte einen Co-Autor ins Spiel, der mir geholfen hat, das Buch zu schreiben und der – seinem Wunsch entsprechend – namentlich aber nicht genannt wird.

Ich komme aber nicht allein zu Wort. Meine Stimme wird durch die Stimmen von Kolleginnen und Geschäftspartnerinnen ergänzt, damit ein breiteres Bild entsteht. Außerdem äußern sich einige Wirtschaftswissenschaftlerinnen zu Wort, mit denen ich schon länger zusammenarbeite. Sie verknüpfen meine Arbeit mit verschiedenen Modellen aus der Ökonomie. Den Abschluss bildet eine Art nachgetragener Auto-Biographie, eine kurze Skizze der Wegmarken, die vielleicht erklären, wie ich wurde, was ich bin. Sie soll Mut machen, es mir nachzutun – das heißt: selbst etwas zu unternehmen, um unsere Wirtschaft ein bisschen sozialer und nachhaltiger zu machen. Wie das im Einzelnen gehen kann, erzählen die vorangehenden Kapitel anhand einzelner Fragen. Was ist ein Kollektiv? Was bedeutet es überhaupt, zusammenzuarbeiten? Wo hört das eigene Unternehmen auf und wo fängt das fremde an? Wie findet man gemeinsam die beste Lösung? Wie viel Führung brauchen kollektive Unternehmungen und welche Aufgaben hat sie? Wieso muss ich auf dem Fusion Festival weder den Eintritt noch mein Bier bezahlen? Und wie habe ich meine Hauptunternehmung, den Getränkeproduzenten Premium-Kollektiv, durch die Coronakrise geführt?

Logo des Twitter-Accounts von Uwe Lübbermann

Neuigkeiten kommuniziere ich übrigens auf www.twitter.com/luebbermann unter #wirtschafthacken und freue mich auch, wenn man das aufgreift und selbst anfängt, zu hacken.

Hamburg im April 2021

Uwe Lübbermann

Einleitung

Als die Bundesregierung Mitte März 2020 begann, auf die Covid-19-Pandemie mit weitreichenden Schließungen und Kontaktbeschränkungen zu reagieren, war mir sofort klar, dass zahlreiche Firmen in eine prekäre Lage geraten würden. Vor allem würde es diejenigen betreffen, die wie das Premium-Kollektiv ihre Umsätze zu 95 Prozent in der Gastronomie und bei Veranstaltungen machen. Wie überleben wir das? Für einen Moment war ich versucht, in dieser Ausnahmesituation als Inhabender des Unternehmens die Demokratie auszusetzen und radikale Kürzungen und Streichungen anzuordnen. »Kleinmachen, großmachen«, hieß stattdessen unser Kurs, der rückwirkend leicht erklärt ist. In der Situation selbst, in der wir unser Handeln einer neuen Lage anpassen mussten, die sich über Nacht verändert hatte, war das eine enorme Belastung. Wir haben alle betroffenen Kollektivmitglieder gefragt, ob wir ihre Rollen kürzen oder streichen dürfen, ob wir Lieferungen und Produktionen verschieben dürfen und ob wir Zahlungen verschieben oder streichen dürfen. Die Entscheidung darüber lag immer bei den Betroffenen selbst und war stets verbunden mit einer weiteren Frage: Brauchst du in dieser Ausnahmesituation irgendetwas von uns im Voraus? Solange wir können, bekommst du das auch. Niemanden wollten wir hängen lassen, weder unsere Kollektivistinnen1 noch unsere Geschäftspartnerinnen. Wer unbedingt Geld brauchte, bekam es auch. Wo uns dies erlaubt wurde, haben wir aber Zahlungen geschoben. Einige Kollektivistinnen (alle sind selbstständig) bezogen staatliche Soforthilfen und konnten so auf Honorarzahlungen verzichten; Eine ganze Reihe unserer Lieferantinnen willigte ein, dass wir sie später bezahlen dürften, wenn die Geschäfte wieder besser liefen – ohne Zinsen versteht sich. Einige waren aber doch auf Zahlungen angewiesen und die konnten wir auch großzügig bedienen, ebenfalls im Voraus, wenn das nötig war, und selbstredend auch ohne für unsere Vorschüsse Zinsen zu verlangen. Einer unserer Vertriebsmitarbeiter hatte beispielsweise versäumt, seine Steuererklärung abzugeben und sah sich deshalb mit einer hohen Forderung seitens des Finanzamts konfrontiert. Als er uns das mitteilte, haben wir ihm das benötigte Geld einfach überwiesen. Achttausend Euro. Das ist für uns kein kleiner Betrag, unser Jahresumsatz liegt bei lediglich sechshunderttausend Euro, aber das ist eben Solidarität. Sich großmachen heißt, keinen im Stich lassen. Das war möglich, weil wir uns dort, wo es ging, kleinmachen konnten und sich andere für uns großmachten, weil sie wussten, dass wir unsererseits für andere einstanden.

Auf den ersten Blick sieht das vielleicht seltsam aus. Warum sollte eine Firma für andere einstehen, wenn es im Kapitalismus doch darum geht, den eigenen Vorteil zu maximieren und wir alle Einzelkämpferinnen sind? Wir merken jedoch jeden Tag, dass das gut funktioniert und für alle Vorteile hat. Wenn ich mich anderen gegenüber fair verhalte und mich mit ihnen solidarisiere, verhalten sie sich mir gegenüber früher oder später genauso – meistens jedenfalls.

Wir ziehen keine Grenze zwischen uns und denen, mit denen wir zusammenarbeiten, also unseren Zuliefererinnen, Spediteurinnen oder Kundinnen. Wer von uns betroffen ist, gehört dazu. Und wer dazugehört, darf mitreden. Das bedeutet: Man sitzt mit am Tisch, wenn darüber gesprochen wird, wer was wann macht und was man dafür bekommt. Das handeln wir alles aus, konsensdemokratisch. Denn keine ist wichtiger als die andere. Schließlich kann niemand von uns das Geschäft allein machen. Jemand muss den Sirup herstellen, die Cola mischen, die Etiketten und die Flaschen produzieren, befüllen, liefern, abrechnen und buchhalten. Jemand muss all diese Prozesse organisieren und schließlich muss jemand die Cola kaufen. Erst dann ist das Unternehmen komplett und es gibt keinen Grund anzunehmen, eine Beteiligte wäre wichtiger als die andere.

Sicher, es gibt einen Markt für Flaschen, Etiketten, Sirup, Frachtkontingente und natürlich Arbeitskräfte und wir haben uns als Gesellschaft daran gewöhnt, Leistungen nach ihrem Marktpreis zu bezahlen, das heißt nach der Macht, die jemand gegenüber anderen hat. Im Premium-Kollektiv finden wir das jedoch nicht richtig. Niemand sollte diese Macht oder Überhand gegenüber anderen ausüben, denn wir glauben, dass alle Menschen gleichwürdig sind und mithin die gleichen Rechte und Freiheiten haben sollten und nicht eine Person mächtiger sein sollte als andere. Genau genommen ist sie das auch nicht, auch nicht in den traditionellen Unternehmen, in denen es eine Chefin oder Inhaberin gibt, die alles steuert und das meiste Geld kassiert. Denn was hilft es ihr, die Chefin zu sein, wenn sie nicht den Sirup anrühren, die Cola mischen und abfüllen und den Lkw fahren kann, der die Sachen zu Kundinnen bringt, wenn sie nicht die einzelnen Flaschen ausgeben und abrechnen kann. Das alles kann kein Mensch allein tun, sie braucht dafür viele andere und weil das so ist, sind alle gleich wichtig.

Das Ungleichgewicht entsteht dadurch, dass es Menschen gibt, die etwas besitzen, und andere, die nichts als ihre Arbeitskraft besitzen und diese auf dem Markt zu jedem Preis verkaufen müssen, der ihnen geboten wird, wenn sie nicht im Elend leben möchten. Sie sind nicht frei, wie es die Ideologie des Marktes behauptet, sondern bestenfalls frei zu verhungern, und diese Ungleichheit erzeugt falsche Hierarchien. Wäre es nicht so, dass manche etwas besitzen und viele nichts, und müssten jene, die nichts besitzen, nicht für die Besitzenden um fast jeden Preis arbeiten (weil es beispielsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe), so würde sich die Gleichheit im Geschäftsleben fast von allein herstellen. Die Ungleichheit ist kein Ausdruck unterschiedlicher Leistung, sondern das Resultat einer vorgängigen Ungleichheit, die der Markt perpetuiert.

Da wir diese Ungleichheit aus Gründen der Gleichwürdigkeit aller Menschen ablehnen, verdienen bei uns alle denselben Stundenlohn, ich natürlich auch. Zulagen gibt es nur für besondere Bedürfnisse, zum Beispiel wenn jemand Kinder hat oder Angehörige pflegt, eine Behinderung hat, oder ein häusliches Arbeitszimmer braucht (wir hatten noch nie ein Büro). Denn all das macht das Leben besonders teuer und Kollektivistinnen, die damit zu tun haben, brauchen entsprechend mehr Geld, um ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen.

Wie dieses egalitäre und partizipative Geschäftsmodell im Einzelnen funktioniert, welche Vorteile es bringt und welche Probleme es löst, aber auch welchen Herausforderungen es sich gegenübersieht, möchte ich im Folgenden beschreiben. Dabei kommen auch einige Kollektivistinnen und andere Betroffene zu Wort. Einige von ihnen stelle ich im nächsten Kapitel vor, um einen Einblick in unser Kollektiv zu geben und einige Grundannahmen unseres Arbeitens, die ich hier nur angerissen habe, genauer darzustellen.

1Bei uns arbeiten etwa gleich viel Männer wie Frauen, im Kollektiv sind auch einige Diverse. Ich verwende das generische Femininum. Wenn ich Kollektivistinnen schreibe, sind Männer und Diverse darin eingeschlossen.

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Meine Grundannahmen und Menschen, mit denen ich zusammenarbeite

Zu den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite und an deren Beispiel ich zeigen kann, wie wir arbeiten, gehört zum Beispiel Michael. Michael ist unser Spediteur. Er holt die Getränke bei uns ab und bringt sie zu den Kundinnen. Das sind in der Regel Getränkehändlerinnen, die die Ware weiter an die Gastronomie verteilen. Als ich ihn das erste Mal anrief, um mit ihm eine Fuhre zu verabreden, war er ziemlich erstaunt, dass ich mit ihm nicht wie üblich verhandelte. Ich sagte ihm nicht, wann er die Ware bei uns abholen und wo er sie wann (möglichst auf die Stunde genau) abliefern sollte, sondern fragte ihn erst einmal, ob er die Lieferung überhaupt machen wollte und wann sie ihm zeitlich passen würde. Im nächsten Schritt startete ich keine Preisverhandlungen mit ihm, sondern fragte ihn, wie viel Geld er bräuchte, damit er die Fahrt machen könne. Außerdem sagte ich ihm, wie viel die Getränkehändlerin bezahlen könne – vor dem Hintergrund des Verkaufspreises im Markt und des Einkaufspreises bei uns. Am Ende einigten wir uns auf einen Preis, mit dem jede gut leben konnte.

Das beschreibt mein Ziel bei dem, was man unter Geschäftsleuten gemeinhin Verhandlungen nennt. Es geht nicht darum, für mich selbst das Optimum rauszuholen, durch Tricks oder das Ausnutzen eines Vorteils, sondern darum, eine Vereinbarung zu finden, mit der alle Beteiligten gut leben können. Nur so lassen sich stabile Strukturen aufbauen.

Wenn der Spediteur Michael mit dem Lohn gut leben kann, fährt er zuverlässig. Wenn die Getränkehändlerin mit den Frachtkosten gut leben kann, kann ich Michael weiterhin beauftragen – und wir können unsere Getränke verkaufen. Jede ist zufrieden und die Sache läuft stabil, über viele Jahre. Es gibt in dieser Hinsicht kaum Probleme, im Gegenteil. Das ist mein Lieblingskriterium für Erfolg: die Abwesenheit von Problemen. Eine Erfolgskennzahl als Beispiel: eine Null, das heißt kein einziger Rechtsstreit in mehr als neunzehn Jahren Betrieb mit zuletzt 1 700 gewerblichen Partnerinnen.

Das ist jedoch nicht alles. So zu arbeiten bedeutet nicht nur, weniger Schwierigkeiten zu haben, sondern bietet auch einen wesentlichen Mehrwert. Alle Beteiligten fassen Vertrauen zueinander und schätzen sich gegenseitig wert. Man achtet aufeinander. Genauso wenig wie wir versuchen, aus Michael den besten Preis für uns herauszuholen, versucht er das bei uns. Er ist beim Verladen sehr gewissenhaft, auch da, wo es eigentlich nicht seine Aufgabe ist. Hat der Händler die Paletten ordentlich gestapelt? Wenn nicht, entsteht schnell Bruch, der teuer ist. Für uns, nicht für ihn. Indem wir die Grenzen zwischen mir und dir, mein und dein in den Vereinbarungen aufheben, verschwinden sie auch in der Zusammenarbeit. Michael achtet auf unsere Sachen wie auf seine eigenen.

Das gilt auch im Hinblick auf geschäftliche Interessen. Wenn beispielsweise eine Händlerin in eine Schieflage zu kommen droht und Waren vielleicht bald nicht mehr bezahlen kann, informiert Michael uns. Die Anzeichen dafür erkennt er mit seinen mehr als dreißig Jahren Berufserfahrung schon, wenn er beim Getränkemarkt auf den Hof fährt. Was steht an Leergut rum? Wie sehen die Gabelstapler aus? Was machen die Mitarbeiterinnen für einen Eindruck? Man redet ja auch beim Laden. Und Michael hält für uns die Augen und Ohren offen.

Einmal erzählte er mir im Vorfeld, dass eine unserer Kundinnen in drei Monaten von einer Konkurrentin aufgekauft werden würde. Er hatte schon länger bemerkt, dass es bei der einen schlecht und bei der anderen gut lief und in der Folgezeit das Auto Letzterer ein paar Mal vor dem Betrieb unserer Kundin stehen sehen. Natürlich fragte er sich: »Worüber reden die wohl? Über eine Übernahme. Und wann wäre das sinnvoll? Zum Jahresende.« Darüber informierte er mich, weswegen ich entsprechend reagieren und die Gastronominnen informieren konnte. An den Lieferwegen musste ich nichts ändern, die macht Michael weiter.

Wir bezahlen Michael nur als Spediteur, bekommen aber einen Außendienstmitarbeiter kostenlos dazu, der auch bei Kundinnen erzählt, wie zufrieden er ist. Das liegt an der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. Dieser Umgang ist ein Kapital an sich. Er ist unserer Erfahrung nach wichtiger als Geld. Über diesen positiven Effekt spreche ich gern, wenn ich andere davon überzeugen will, sich ebenfalls fair zu verhalten. Es rechnet sich. Ich selbst mache das aber zunächst einmal aus Überzeugung. Dass es sich rechnet, ist ein willkommener Nebeneffekt. Und ich halte dieses Verhalten auch dann durch, wenn es sich nicht rechnet oder es vielleicht sogar ausgenutzt wird, weil ich Menschen davon überzeugen möchte, sich meiner Art des Wirtschaftens anzuschließen.