Die Drucklegung dieses Buches wurde ermöglicht durch die Südtiroler Landesregierung /Abteilung Deutsche Kultur, den Bayerischen Jagdverband und den Südtiroler Jagdverband.
BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar: www.dnb.de
BILDNACHWEIS
Pixabay: Hintergrundpapier (tswedensky), Hintergrundstein (T0113k) Umschlag und S. → Stockphoto: Hirsch (Abundzu) Umschlag und S. →
Das Buch möchte Jägerinnen und Jäger gleichermaßen ansprechen. Um die Lesbarkeit zu erleichtern, wird darauf verzichtet, immer beide Geschlechter zu nennen.
2021 · Zweite Auflage
Alle Rechte vorbehalten
© by Athesia Buch GmbH, Bozen
Umschlagillustration: Abundzu – adobestock.com; Pixabay
Design & Layout: Athesia-Tappeiner Verlag
ISBN 978-88-6839-552-0
www.athesia-tappeiner.com
buchverlag@athesia.it
„Heilige Ordnung, segensreiche …“, so beginnt in Schillers Lied von der Glocke ein Einschub über die in der menschlichen Gesellschaft notwendig gewordene Sittenlehre, und Schiller greift weit zurück. Die heilige Ordnung war es, die
„… herein von den Gefilden
Rief den ungesell’gen Wilden,
Eintrat in der Menschen Hütten,
Sie gewöhnt zu sanften Sitten …“
Wir Menschen brauchen Leitlinien, die unser Tun ordnen und lenken, und sie sind im Laufe unserer Geschichte nicht immer dieselben geblieben.
Schon im alten Griechenland wurde gründlich nachgedacht über die Ethik, die damals nur auf den Menschen ausgerichtet war, eigentlich nur auf bestimmte Schichten der Gesellschaft, auf die führende Schicht, während es gegenüber den Leibeigenen, den Sklaven, kaum ethisch-moralische Richtlinien gab.
Diese unterschiedliche Sicht und Anwendung der ethischen Leitlinien wurde erst mit dem Christentum überwunden, welches nun jeden Menschen, gleich welchen Standes und Ansehens, in die christliche Sittenlehre einbezog.
Einen großen Bedeutungswandel in der Ethik erleben wir in unserer Zeit. Wir sehen die Notwendigkeit von ethischen Geboten der ganzen Schöpfung gegenüber, gegenüber der Natur und insbesondere der Tierwelt. Und wenn es um die Tierwelt geht, genauer um den Umgang mit den wildlebenden Tieren, dann sind Jagd und Jäger besonders betroffen. Wir müssen uns heute die Frage stellen, wie wir jagen wollen, um den Zeichen und Forderungen der Zeit zu entsprechen. Die richtigen Antworten zu finden, dazu sind wir vielleicht nicht in der Lage. Denn immer waren es Vordenker, die sich dem Thema der Ethik angenommen haben, das Wünschenswerte ergründeten und Maxime formulierten.
Heute ist es nicht anders. Wir haben das seltene Glück, in unserem Land einen Vordenker zu haben, der sich mit dem relativ neuen Aspekt der Tierethik befasst und uns zeigen will, wie wir Jäger mit der Tierwelt umgehen sollen.
Markus Molings Buch Wie wir jagen wollen ist ein Standardwerk, ein Markstein, der lange weiterwirken wird und uns einen Weg in eine gangbare Zukunft zeigt. Seinen Forderungen, wie wir unsere Mitgeschöpfe achten müssen, um sie nutzen zu dürfen, was wir für die Bewahrung unserer Umwelt tun können, dürfen wir uns freilich nicht verschließen, sondern wir tun gut daran, nachzudenken und unser Handeln entsprechend den Geboten unserer Zeit neu zu überdenken. Damit unsere Jagd zukunftsfähig bleibt.
Günther RABENSTEINER
Landesjägermeister Südtirol
Voraussetzung für eine erfolgreiche, berufliche Karriere ist zweifellos eine gute Ausbildung, die wiederum von einem erfahrenen, sachkundigen Ausbilder abhängig ist. Nicht weniger entscheidend aber für ein berufliches Fortkommen und Erlangen von sozialer Kompetenz ist eine gute Erziehung, die bereits im Kindesalter beginnt und die man mit „guter Kinderstube“ bezeichnet. Um bei einem jungen Menschen den Sinn für Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen, Achtsamkeit und tolerantes Verhalten den Mitmenschen gegenüber zu wecken und zu schärfen, braucht es Vorbilder, wie Eltern oder Großeltern, die all diese Werte vorleben. Unabhängig von Vorschriften und Gesetzen wird ein junger, aus guter Kinderstube kommender Mensch schnell lernen, dass es Dinge im Leben gibt, die rechtlich einwandfrei sind, die man aber nicht tut. In vielen Bereichen des Lebens und auch ganz besonders als Jäger*innen, die wir über Leben und Tod eines Wildtieres entscheiden, sollten wir den an unser Gewissen appellierenden Hinweis „das tut man nicht“ im Herzen tragen. Alleine diese vier mahnenden Worte können auf der Jagd unser moralisches Handeln beeinflussen. Als leidenschaftliche Jäger*innen sind wir einer Passion verfallen, die unser Leben, unsere Einstellung zur Natur, unser Denken und Handeln in einer ganz besonderen Weise beeinflusst. Nicht jedem Menschen ist es bewusst, dass es sich bei dieser Passion um eine Leidenschaft handelt, die über viele Generationen hinweg vererbt werden und irgendwann einmal bei dem einen oder anderen wieder aufflammen kann und ihn sein Leben lang nicht mehr loslässt. Das grüne Band der Jagd ist dabei
eingewoben in das feste Band, welches uns sicher durch unser Leben geleitet und uns festen Halt gibt. Ein Nichtjäger wird diesem Vergleich nicht auf den ersten Blick folgen können und den hohen Stellenwert der Jagd in der Persönlichkeitsbildung eines Menschen nicht nachvollziehen können, denn die Jagd wird heute immer noch von einem Teil der Gesellschaft abgelehnt oder zumindest doch kritisch hinterfragt.
Die Jagd erfordert einen aufrechten, ehrlichen und auch demütigen Menschen, einen Menschen, der aufgeht in der Bewunderung der Natur und der im Laufe seines Jägerlebens die Natur in ihrem geistigen Inhalt verstehen lernt und sich schließlich in Demut vor ihr verneigt. Viele Jagdgegner verkennen, dass die Jagd im Kreislauf des Werdens und Vergehens nichts Verwerfliches ist. Diese Fehleinschätzung hat ihren Grund in einem falsch verstandenen Mensch-Tier-Verhältnis, in der zunehmenden Vermenschlichung von Tieren (Anthropomorphismus), die den Jäger als Mörder brandmarkt. Solange wir die Jagd mit Anstand und tierschutzgerecht ausüben, dürfen wir uns unbesorgt als kultivierte Jäger*innen bezeichnen.
Wenn wir heute von der Jagd getrost als wertvolles Kulturgut sprechen können und dürfen, dann haben wir das unserer Achtung vor den Mitgeschöpfen zu verdanken, ohne die es keine waidgerechte, keine ethisch einwandfreie Jagdweise und auch keine Menschlichkeit geben kann. Die Jagd ist das, was wir aus ihr machen, und der Jäger ist das, wozu er sich selber macht. Es ist daher für uns Jäger*innen unerlässlich, uns eine ethische Grundeinstellung zu eigen zu machen.
Wir haben heute so viele Jäger*innen wie nie zuvor. Wie erklärt sich dieser Run auf den Jagdschein, wo doch die Zahl der Jagdgegner zunimmt und die Medien zum großen Teil alles andere als Sprachrohre der Jäger sind? Mag sein, dass es einigen Anwärtern dabei lediglich um den legalisierten Waffenbesitz geht, aber ich denke, dass in den Menschen einer hochtechnisierten Welt doch wieder die Sehnsucht nach dem Echten, dem Ursprünglichen, dem Unberührten und Unverfälschten, dem hautnahen Erleben der Natur hochkommt. Der Lernstoff für das sogenannte Grüne Abitur wird nicht weniger, eher mehr. Die Jägerprüfung wird nicht leichter, aber die Zeit, in der man den Jagdschein erlangen kann, hat sich rapide verkürzt. Geschenkt wird dabei niemandem etwas, aber heute ist es möglich, um nicht zu sagen „Gang und Gäbe“ innerhalb von wenigen Wochen zwar noch kein firmer Jäger aber doch immerhin Inhaber eines Jagdscheines zu werden. Der Weg zum Jäger ist viel länger. Früher war es üblich sich in die Obhut eines Lehrprinzen zu begeben, der insbesondere dann, wenn es sich bei dem Jagdscheinanwärter um einen jungen Menschen handelte, sehr verantwortungsvoll mit gutem Beispiel vorangehen musste und auch keinen unwesentlichen Einfluss auf die Charakterbildung seines Zöglings hatte.
Heute sprechen wir von „learning by doing“, ein weitaus schwierigerer Weg, ein Lernprozess, der nie zu Ende ist. Nur die ständige Auseinandersetzung mit allem was die Jagd an Schönem aber auch mit weniger Schönem zu bieten hat, die vielen Begegnungen mit Wildtieren aber auch die zwischenmenschlichen Begegnungen, die vielen Gewissensentscheidungen, Fehlentscheidungen und auch die vielen Fehler, die man macht, machen uns letztlich besser, wenn auch nicht vollkommen.
Mit dem Bestehen der Jägerprüfung ist es alleine nicht getan. Das Wissen um die Gebissformel des Dachses oder die Tragzeit des Kaninchens mag durchaus als lobenswert erscheinen, aber dem Schweizer Jagdphilosophen Eugen Wyler ist beizupflichten, wenn er behauptet, die Welt würde nicht erlöst durch Wissen allein! Es gälte einen gefährlichen Aberglauben zu bekämpfen, den Aberglauben, Wissen allein genüge. Nicht die Lösung der letzten technischen Probleme sei für die Zukunft der Menschen entscheidend, sondern die Gesinnung, die Bildung des Herzens und, das gälte auch ganz besonders für den Jäger, der Charakter.
Es wird viel und streng geprüft, ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt, um dem Jagdscheinanwärter die Erlaubnis zu erteilen auf die Jagd zu gehen. Ob der Anwärter für die verantwortungsvolle Tätigkeit auch die nötige charakterliche Eignung und ethisches Verständnis mitbringt, kann nicht geprüft werden, aber irgendwann kommt der Moment, wo es offenbar wird, im Positiven wie im Negativen.
Ethik hat viel mit Philosophie zu tun, und es ist alles andere als einfach, den Worten der Philosophen, die sich mit Jagdethik beschäftigt haben, zu folgen, deren verklausulierte Sprache zu verstehen. Eine ganz einfache Interpretation des Begriffes Jagdethik hat mein Lehrer Walther Niedl immer gegeben. Was Jagdethik ist, spüre man erst, wenn sie fehlt! Auch unsere Mitmenschen, die mit der Jagd sozusagen nichts am Hut haben, werden es spüren, wenn bei uns Jäger*innen diese Charaktereigenschaft wenig oder gar nicht ausgebildet oder vorhanden ist. Nur allzu gerne stürzen sich die Medien auf die schwarzen Schafe in unseren Reihen, was für die Akzeptanz der Jagd nicht gerade förderlich ist und die Jagd in Gefahr bringt, denn die Gesellschaft entscheidet ob sie uns morgen noch jagen lässt oder ob sie für die Abschaffung der Jagd auf die Straße geht.
Jagdethik bezieht sich nicht nur auf das Verhalten des Jägers dem Wild gegenüber, sondern erstreckt sich auf alle jagdlichen Verhaltensweisen. Jagdethisches Verhalten beginnt schon beim Aufbruch zur Jagd und sollte nicht zuletzt im Wirtshaus beim Schüsseltreiben enden. Die Einstellung des Jägers und sein Verhalten auf und auch außerhalb der Jagd, im Alltag, sollten geprägt sein von Jagdethik. Dies unter Beweis zu stellen, ist zugegeben für uns nicht immer ganz einfach. Als Jäger*innen werden wir häufig mit Situationen konfrontiert, in denen wir Fehler machen, deren Folgen uns möglicherweise schlaflose Nächte bescheren, Fehler die immer wieder unterschwellig in uns gären und die wir nur allzu gerne verdrängen, die mitunter sogar dazu verleiten uns selbst zu belügen. Stets sollten wir bemüht sein anzuerkennen, und das gilt nicht nur für die Jäger sondern für jedermann im Umgang mit Tieren, dass alle hochentwickelten Tiere über ein Gefühlsleben verfügen, dass sie leidensfähige Individuen mit eigenen Bedürfnissen sind, dass sie Schmerz, möglicherweise auch Trauer empfinden können.
Es tut unserem ethischen Verständnis bestimmt gut und wir machen damit auch keinen Fehler, wenn wir alle hochentwickelten Tiere als Mitgeschöpfe der gleichen Schöpfung betrachten, was uns aber wiederum nicht dazu verleiten darf, Tiere zu vermenschlichen. Die Begriffe Mitgeschöpf und Schöpfung werden von Philosophen und Theologen immer wieder auf den Prüfstand gestellt und auf ihren Aussagewert hin beleuchtet. Schöpfung, so der Theologe Friedrich Wilhelm Graf (2002), sei ein unverzichtbares Symbol religiöser Selbst- und Weltauslegung des Menschen.
Wenngleich der Begriff Schöpfung nur ein Symbol ist, so hilft er uns doch die Jagd waidgerecht und ethischen Grundsätzen folgend zu betreiben. Wenn wir beim Jagen daran denken und uns bemühen, dem Wild unnötige Beunruhigung, Ängste und Leiden zuzufügen, wenn uns die Schonung des Muttertieres wichtiger ist als die Jagdstrecke und die Abschussplanerfüllung, wenn wir die Jagd tierschutz- und artgerecht ausüben und dabei die sozialen Strukturen der verschiedenen Wildarten berücksichtigen und auf die Jagd in Notzeiten verzichten, dann zeugt dies schon von einem hohen jagdethischen Niveau. Es darf in diesem Zusammenhang nicht nur von Wild gesprochen werden. Nicht minder sollen uns natürlich auch alle anderen nichtjagdbaren, freilebenden Tiere am Herzen liegen. Oft kommen wir in die Situation, wo es uns nicht leicht fällt zu schießen, wo wir es nicht übers Herz bringen ein Tier zu töten. Solange wir uns solchen zwiespältigen Momenten gegenübersehen, beweisen wir uns selbst, dass wir ein Gewissen haben das uns lobend und tadelnd unser Leben lang begleitet. In solchen Momenten sollten wir auf die Stimme unseres Herzens, unseres Gewissens hören und den Finger grade lassen.
Als Jäger sind wir Arbeiter in der Natur an der Natur, eine Arbeit die dem Frosch, der Libelle, bis hin zum Hirsch der gesamten Fauna zu Gute kommt, eine Arbeit die der Gesellschaft nicht immer bewusst ist. Im Zusammenhang mit Jagd von einem Hobby oder gar Sport zu sprechen wird einer ethisch betriebenen Jagd nicht gerecht. Jagd kann auch niemals nur zum Zeitvertreib betrieben werden. Das Schießen auf lebende Tiere erst recht nicht. Die Jagd erfordert einen Menschen, der sich mit der Jagd auch geistig auseinandersetzt. Es muss nicht immer die große Strecke sein, nicht immer der stärkste Keiler, der stärkste Hirsch, damit wir unsere Passion ausleben können. Man muss auch lernen den Finger am Abzug auch mal grade zu lassen. Verzicht üben, leichter gesagt als getan, wir alle wissen das. Wir müssen als Jäger wieder lernen bei der Jagd unsere Gier zu beherrschen, misstrauisch gegen uns selber zu werden! Unersättliche Gier erniedrigt uns. Jagd wird dann unglaubwürdig, so Dr. H.-D. Willkomm, wenn wir sie nur zur Befriedigung unserer menschlichen Eitelkeit missbrauchen. Die Freude auch an den kleinen Dingen, an weniger spektakulären Erlebnissen und Begegnungen draußen im Revier erheben uns und können uns glücklich machen. Passioniert jagen heißt nicht ständig mit geladener Büchse dem Wild nachzustellen. Passioniert Jagen heißt auch beobachten, lauschen, innehalten, warten.
Dass sich das jagdliche Handwerk stets weiter entwickelt ist unbestritten. Wir jagen nicht mehr mit Pfeil und Bogen und um ins Revier zu kommen setzen wir uns ins Auto und nicht mehr auf ein Pferd. Dank der rasanten Entwicklung der Jagdoptik und der Waffen können wir das Wild genau ansprechen und um ein Vielfaches rascher und auch schmerzfreier töten als noch vor hunderten von Jahren. Diese Technik, den Umgang mit der Jagdwaffe müssen wir beherrschen. Eine hohe Schiessfertigkeit erfordert ständiges Training. Mit einem sauberen Schuss, einem rasch tötenden Schuss das Stück Wild erlegen zu können muss unser Ziel sein. Ungeübt sich auf Drückjagden einladen zu lassen, zeugt von mangelndem jagdethischem Bewusstsein! Zum Üben ist unser Wild nicht geeignet! Die Technik ist ein Segen, sie kann aber auch zum Fluch werden. Sie ist verführerisch, erlaubt uns das Wildtier auf immer größere Distanzen zu bejagen, erlaubt uns das heimliche Wild rund um die Uhr per Video zu überwachen und die Bilder per Email anzufordern. Die Technik erlaubt uns die Nacht zum Tage zu machen, die dunkle Nacht, die den Wildtieren seit ihrem Bestehen Schutz und Sicherheit gibt. Wir tragen heute eine Unmenge von Technik auf der Jagd mit uns herum und in das Revier hinaus, wo wir dort doch eigentlich das Unberührte, das Natürliche, das Unverfälschte suchen. Irgendwo widerspricht sich da was. Diese uns zur Verfügung stehende neue optische Technik generell zu verteufeln wäre nicht der richtige Weg. Technik ganz allgemein verändert unser Leben, aber auch unseren Lebensraum und insbesondere den Lebensraum unserer freilebenden Tierwelt. Bei aller Technik, die uns für den Jagdbetrieb zur Verfügung steht, sollten wir uns bemühen mit unserem ganzen inneren Wesen im Einklang mit der Natur zu bleiben, will heißen gleich ticken wie die Natur, die Nacht nicht zum Tage machen, den Wildtieren nicht unseren Rhythmus aufdrängen, dem Wildtier gegenüber menschlich bleiben. So einfach wäre Jagdethik.
Wir Jäger haben einen Auftrag, einen Auftrag den wir sehr ernst nehmen, nämlich regulierend in die Wildbestände einzugreifen. Wenn wir ehrlich sind, haben sich die wenigsten von uns den langen Vorbereitungslehrgängen und der Jägerprüfung unterzogen, mit dem Ziel endlich überhöhte Wildbestände reduzieren zu können. Das wäre ja schlimm, wenn das die Hauptmotivation wäre. Jagd hat auch immer etwas mit Abenteuer und Ausleben einer Passion zu tun. Aber dennoch ist und bleibt dies unser Auftrag und wir müssen uns immer dazu bekennen, nicht nur dann, wenn wir Nichtjägern gegenüber unser jagdliches Tun rechtfertigen wollen. Bei der Erfüllung dieses Auftrages, den wir für die Gesellschaft kostenfrei ausführen, tun wir gut daran uns mit den neuesten Erkenntnissen der Wildbiologen und natürlich ganz besonders auch mit forstlichen und landwirtschaftlichen Zielen zu identifizieren. Den Slogan Wald vor Wild können wir so nicht einfach hinnehmen. Wir Jäger*innen wollen einen gesunden Wildbestand in einem sich selbst verjüngenden, gesunden, artenreichen Wald. Auch wenn die Notwendigkeit besteht zu Schaden gehendes Wild stark zu bejagen, dann dürfen wir bei unserem jagdlichen Handeln ethische Grundsätze nicht außer Acht zu lassen.
Zur Jagd gehört der Mensch und es bleibt somit nicht aus, dass es auf der Jagd auch „menschelt“. Gemeinhin sagt man, eine Freundschaft zwischen zwei Jägern gäbe es nur, wenn zwischen beiden das Revier eines Dritten liegt. Leider ist es nicht selten so, dass die Reviergrenze einer Demarkationslinie gleicht nach dem Motto, bis hierher und nicht weiter, hier hört das Spaß, die Freundschaft auf. Hier menschelt es, hier entstehen sehr häufig Rivalitäten, Hinterlist, Jagdneid und Missgunst, weil jeder meint, der Nachbar könnte ihm etwas wegnehmen. Ganze Dorfgemeinschaften können daran zerbrechen, wenn zwei Jäger aus dem Ort sich darum streiten, wer bei der Jagdvergabe den Zuschlag bekommt. Gottlob sind das nur Einzelfälle und man weiß heute, dass oft nur eine revierübergreifende Jagd z. B. die Reduktion überhöhter Schwarzwildbestände ermöglicht, dass der Austausch von Beobachtungen und Sichtungen unter den Jagdnachbarn unerlässlich ist. Immer sollten wir daran denken, ganz besonders dann, wenn der Rehbock mal herent und mal drent, mal hüben und mal drüben steht, dass auch wir für den Nachbarn der Nachbar sind.
Ethisch eingestellter Jäger sein, dass muss heißen Freund sein, Kamerad sein. Ethisch eingestellter Jäger sein, das muss bedeuten bereit zu sein auch mit den anderen Naturliebhabern zu teilen, egal ob Fischer, Wanderer oder Pilzsucher. Jäger sein, das muss heißen auch andere Naturliebhaber in seinem Revier zu dulden, das muss heißen untereinander die Gastfreundschaft zu pflegen. Gastfreundschaft war schon zu allen Zeiten, egal ob im alten Ägypten oder im alten Rom, Ausdruck hoher Kultur, Zeichen eines hohen ethischen Bewusstseins.
Um einem weltweitem „Menscheln“, einer misstrauischen Nachbarschaft, einem Abschotten etwas entgegenzusetzen, gibt es gottlob die Jagd, eine Qualität der Jagd, eine Kraft, die von der Jagd ausgeht, die vielen Menschen vielleicht bisher noch gar nicht bewusst war. Die Sprache des Jägers, egal in welcher Muttersprache, wird in allen Ländern verstanden, die jagdliche Gesinnung verbindet alle Jäger international. Alle sind sie vereint in ihrer Begeisterung für die Natur, in ihrer Passion, die ihnen anvertrauten Geschöpfe zu schützen und nachhaltig zu nutzen. Jagd gehört zur Heimat. Ehrliche, ethisch gerechte, weidgerechte Jagd ist Bestandteil der Kultur der Heimat. Nur wer auf seine Heimat stolz ist, das hat nichts mit Nationalismus zu tun, nur wer sich zu seiner Heimat bekennt, kann Toleranz gegenüber anderen entwickeln. Wir müssen Jägern in anderen Ländern unsere Bräuche und kulturellen Gepflogenheiten nicht aufdrängen, und wir müssen auch nicht die Bräuche anderer annehmen oder imitieren. Wir sollten andere Kulturen anerkennen und respektieren, dann kann die Jagd ihre völkerverbindendet Kraft entfalten und vielleicht auch einen, wenn auch kleinen Beitrag dazu leisten, dass unsere Welt grenzenlos und vielleicht auch ein bisschen besser wird.
Als Vorsitzender des Jagdkulturausschusses und des Ethikrates des Bayerischen Jagdverbandes begrüße ich das Werk von Dr. Markus Moling sehr. Der Autor appelliert an alle Jäger*innen im deutschsprachigen Raum die Jagd verantwortungsvoll, ehrfürchtig, und dankbar auszuüben. Der Theologe und Philosoph Moling macht uns nachdenklich. Seine Worte machen deutlich, dass Jagdethik sich nicht mit Lippenbekenntnissen begnügt. Er weist uns den ethisch richtigen Weg durch unser Jägerleben und zeigt uns was es bedeutet den Schöpfer im Geschöpfe zu ehren. Dafür danken wir Jäger*innen im Bayerischen Jagdverband ihm von Herzen.
Dr. Jörg MANGOLD
Vorsitzender des Jagdkulturausschusses und des
Ethikrates des Bayerischen Jagdverbandes
Es ist faszinierend, auf die Geschichte unserer Erde zurückzublicken. Vor über 4,5 Milliarden Jahren hat sie zu existieren begonnen, wobei Forscher bis heute ihren Ursprung nicht restlos erklären können. Vor etwa 3,8 Milliarden Jahren haben sich die ersten Einzeller entwickelt, vor 200 Millionen Jahren die ersten Säugetiere, vor 40 Millionen Jahren die Affen, vor 20 Millionen Jahren die Menschenaffen, vor 7 Millionen Jahren die ersten Hominiden, vor 4 Millionen Jahren schließlich die ersten Vorläufer des modernen Menschen und vor ca. 190.000 Jahren der Homo sapiens. Vor ca. 35.000 Jahren hat er begonnen, den Wolf zu domestizieren, und vor 11.000 Jahren, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Würde man diese 4,5 Milliarden Jahre im Zeitraffer von 24 Stunden ablaufen lassen, würden die 190.000 Jahre Geschichte des Homo sapiens die letzten 3,6 Sekunden ausmachen, die Geschichte der Domestikation des Wolfes und die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht, Ereignisse, die die Entwicklung des Menschen und seine „Eroberung“ der Erde wesentlich beeinflusst und begünstigt haben, die letzten 0,6 bzw. 0,2 Sekunden. Dennoch hat der Mensch in dieser in Bezug auf die Erdgeschichte äußerst kurzen Zeit einen derart massiven Einfluss auf das ganze Ökosystem gewonnen mit ökologischen und atmosphärischen Auswirkungen, von denen bereits jetzt absehbar ist, dass sie mindestens mehrere Hunderttausend Jahre spürbar sein werden.
In der Forschung hat sich seit einigen Jahren der Begriff des „Anthropozän“, des „Erdzeitalters des Menschen“, etabliert. Obwohl Erdzeitalter bislang in Schritten von mehreren Hunderttausenden Jahren bis Jahrmillionen eingeteilt worden sind, bezeichnet man mit „Anthropozän“ jene letzten „Millisekunden“ in der Erdgeschichte, seit denen der Mensch einen ungemeinen Einfluss auf die ganze Erde nimmt. Die technologischen Entwicklungen und die industrielle Revolution in der Neuzeit, besonders aber die massenhafte Freisetzung von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen durch Verbrennung von fossilen Energieträgern, Abholzen von Regenwäldern, Bodenerosion, Viehzucht usw. haben einen entscheidenden Einfluss auf die derzeitige globale Klimaerwärmung mit noch nicht abschätzbaren Folgen für Flora und Fauna.
An dieser Stelle mag sich der Leser bzw. die Leserin fragen, in welchem Zusammenhang diese einleitenden Überlegungen mit dem Thema des vorliegenden Buches, der Jagdethik, stehen. Wenigstens drei Zusammenhänge möchte ich aufzeigen.
Der zuletzt genannte Aspekt der globalen Klimaerwärmung wird auch bei uns in Mitteleuropa die Lebensräume und Ökosysteme verändern. In den alpinen Regionen etwa wird sich die Baumgrenze nach oben verschieben, gewisse Pflanzenarten werden in größerer Höhe wachsen, und der Lebensraum von manchen Tierarten wird verschwinden. Darunter fallen auch Tiere der heimischen Fauna wie zum Beispiel das Schneehuhn oder der Schneehase, Tiere also, die sich durch die weiße Tarnfarbe im Winter optimal an die alpinen klimatischen Verhältnisse angepasst haben. Die klimabedingte Veränderung von Lebensräumen bedroht aber auch andere Tierarten wie das Auerhuhn, die in der Tradition der heimischen Jagd eine wichtige Rolle gespielt haben und die auf Jäger weiterhin eine große Faszination ausüben. Zudem bedingt das mildere Klima mit seinen Folgen den Zuzug von bisher nicht heimischen Arten, in Südtirol zum Beispiel des Goldschakals oder des Kormorans. Neben den zu erwartenden Schäden in der Kulturlandschaft und in der Landwirtschaft durch die Wildschweine wird die Präsenz von neuen Beutegreifern einen großen Einfluss auf die heimischen Beutetiere haben. Während der Goldschakal diesbezüglich möglicherweise lediglich „Nischen“ füllt, die durch die Ausrottung von Bär und Wolf entstanden sind – beide Tierarten kommen mittlerweile auch in Mitteleuropa wieder vor –, könnte die Präsenz des Kormorans noch nicht absehbare Folgen für die Bestände der Fische in den hiesigen Gewässern haben. Es stellt sich also die Frage, ob diese neuen Arten toleriert, ob ihr Bestand lediglich durch „Entnahmen“, das heißt durch gezielte Abschüsse kontrolliert oder aber ob sie von Anfang an ausnahmslos bejagt werden sollen, um ihre Ansiedlung zu verhindern. Beides, die Veränderung des alpinen Lebensraumes wie auch der Zuzug von neuen Tierarten, wird sich auf das heimische Jagdwesen auswirken.
Ein zweiter Zusammenhang besteht darin, dass die Jagd auf besondere Weise die Interaktion des Menschen mit der Natur und im Besonderen mit den Tieren widerspiegelt. Bereits die Vorfahren des modernen Menschen machten Jagd auf andere Tiere, um sich von ihnen zu ernähren. Prähistorische Felsenzeichnungen an unterschiedlichsten Orten der Erde zeigen Jagdszenen. Die bislang älteste Höhlenmalerei, die ca. 40.000 Jahre alt ist und mutmaßlich eine Jagd von Mensch-Tier-Mischwesen auf Warzenschweine und Zwergbüffel darstellt, befindet sich in Indonesien. In Europa sind besonders die 30.000 bis 9.000 Jahre alten Höhlenmalereien von Altamira in Spanien sowie in den Grotten von Lascaux und Chauvet in Frankreich, aber auch 3.000 bis 4.000 Jahre alte Felsgravierungen in den skandinavischen Ländern zu nennen. Unsere Urahnen haben in erstaunlicher Detailtreue Bisons, Auerochsen, Rentiere, Hirsche, Mammuts, Pferde, Wildschweine, Bären, Löwen und viele andere Tiere gemalt, vielfach integriert in Jagdszenen. Viele dieser Malereien sind wahrscheinlich im Kontext religiöser Riten entstanden. Das Jagen gehört somit zu einer – wenn man so will – „urmenschlichen“ Tätigkeit. Es gibt Theorien, wonach die organisierte Jagd die Entwicklung des modernen Menschen entscheidend mit beeinflusst hat: die strategische Planung einer Jagd; die Zuteilung von Aufgaben während des Jagens; die gerechte Aufteilung des erlegten Beutetieres, um Konflikte zu vermeiden; die Zubereitung von Fleisch durch Grillen, Garen und Rösten mit Hilfe von Feuernutzung; die Haltbarmachung von Fleisch durch Trocknen, Räuchern und Einsalzen; die Verwertung von nicht essbaren Teilen des Tierkadavers wie der Knochen, der Hörner und des Fells usw. All diese Abläufe und Tätigkeiten erforderten die Organisation von komplexen sozialen Interaktionen und stellen eine wichtige frühe Kulturleistung des Menschen dar. Nicht zuletzt sei an dieser Stelle auch daran erinnert, dass die Domestizierung des Wolfes eine neue Form der Mensch-Tier-Beziehung initiiert hat, und zwar noch lange bevor der Mensch begonnen hat, Nutztiere zu halten. Bis heute ist der Hund nicht nur ein Nutztier, sondern vielmehr ein Gefährte und Freund, der zu einer engen Kooperation mit dem Menschen fähig ist. Auch in der Jagd kommen bestimmte Hunderassen, die besondere Fertigkeiten und Verhaltensweisen aufweisen, auf vielfältige Weise zum Einsatz. Nicht nur die Jagd selbst, sondern auch die Beziehung eines Jägers bzw. einer Jägerin zu seinem bzw. ihrem Jagdhund spiegelt in diesem Sinne ein wichtiges und faszinierendes „Stück Menschheitsgeschichte“ wider.
Schließlich möchte ich – als dritten Zusammenhang – auf die ganz grundlegende Problematik hinweisen, vor die uns die Rede vom „Anthropozän“ stellt: Welche Verantwortung hat der Mensch für die Welt? Wie ist seine Stellung in der Welt zu verstehen und welches Selbstverständnis hat er? In welcher Beziehung steht er zu seiner Umwelt und zu den nichtmenschlichen Lebewesen, besonders zu den Tieren? Darf er die Natur und die anderen Lebewesen, auch die Tiere, einfach wie Dinge für menschliche Zwecke, besonders für die Ernährung oder Kleidung nutzen? Es handelt sich hier um philosophische Grundsatzfragen, die auch die Jagd betreffen. Es wurde bereits erwähnt, dass sich schon in prähistorischer Zeit rund um das Jagen religiöse Riten entwickelt haben. Der Grund hierfür liegt wohl darin, dass die jagenden Menschen offensichtlich ein feines Gespür dafür hatten, durch die Tötung eines Tieres eine natürliche Ordnung zu stören und einem Lebewesen Unrecht zuzufügen. Durch archaische Riten bis hin zu hochentwickelten Kult- und Opferpraktiken hat man versucht, die gestörte Ordnung wieder „ins Lot zu bringen“, eine möglicherweise aufgebrachte Schutzgottheit eines Tieres zu besänftigen oder das Tier selbst um Vergebung zu bitten, indem man – etwa im Totemismus – seinen Artgenossen gegenüber besondere Formen der Verehrung entwickelt hat. Es ist hier nicht der richtige Ort, diese unterschiedlichsten, aus kulturgeschichtlicher und religionswissenschaftlicher Sicht äußerst interessanten Riten darzustellen. Jedenfalls bilden sie den Ursprung von Jagdbräuchen, die auch heute noch befolgt werden, zum Beispiel einem erlegten Tier durch die letzte Äsung bzw. den letzten Bruch Respekt und Ehre zu erweisen.
Markus Moling leistet mit diesem Buch einen wichtigen Beitrag, über die soeben aufgeworfenen und über weitere Fragen kritisch und fundiert nachzudenken und mit argumentativer Überzeugungskraft Antwortmöglichkeiten aufzuzeigen. Ein zeitgemäßes Selbstverständnis der Jäger heute beschränkt sich nicht lediglich auf das Weidwerk im engeren Sinn. Jäger, die sich als Hegende und Pflegende des Wildes und seines Habitats verstehen, werden heute allenthalben mit ethischen Fragen konfrontiert.
In der Öffentlichkeit wird das Jagdwesen von vielen Menschen zusehends kritisch gesehen. Vor allem von Seiten mancher Tierschutzgruppen wird die Tötung von Tieren grundsätzlich abgelehnt. Ein Jäger bzw. eine Jägerin muss sich der tierethischen Grundsatzfrage stellen, die da lautet: Dürfen wir Tiere töten? Mit welchem Recht? Wir fügen einem Tier durch seine Tötung ja ein nicht wiedergutzumachendes Unrecht zu, indem wir es seines Lebens berauben. Gibt es dafür rechtfertigende Gründe? Haben wir versucht, darauf eine Antwort zu geben, stellen sich weiterführende Fragen: Gibt es aus tierethischer Sicht einen Unterschied zwischen dem Töten bei der Jagd und dem Schlachten von Nutztieren in den Schlachthäusern? Wie kann ein Tier weidgerecht erlegt werden und wie soll Jagd gestaltet werden, damit sie für das zu erlegende Tier möglichst schonend abläuft? Oder wieder eine andere Frage: Welche Motive und welche Ziele können die Jagd rechtfertigen? Zum Beispiel, um eine Population vor Krankheiten zu schützen? Um ein gewisses natürliches Gleichgewicht zu gewährleisten? Um bedrohte Arten vor Beutegreifern zu schützen? Kann auch das Sammeln von schönen Trophäen ein Motiv sein, das Jagd ethisch legitimiert? Spannende Fragen, mit denen sich jeder Jäger bzw. jede Jägerin auseinandersetzen und mit den Jagdkollegen und -kolleginnen ins Gespräch kommen sollte.
Markus Moling behandelt die unterschiedlichsten Aspekte, indem er zunächst auf das interessante philosophische Thema der Beziehung des Menschen zur Natur und zu den Tieren eingeht. Aufbauend auf einer Position, die als „moderater Anthropozentrismus“ charakterisiert werden kann, integriert er die Jagdethik in das weitere Feld der Umweltethik. Die Jagd kann – das macht er damit deutlich – nicht isoliert und unabhängig von den großen Problemen der Umweltethik gesehen werden. Die für die Jagd bedeutsamen allgemeinen Prinzipien sowie individuellen Werthaltungen wie Weidgerechtigkeit, Respekt vor dem Tier, Nachhaltigkeit, Verantwortung usw. entwickelt und konkretisiert er innerhalb der umfassenden Perspektive der Umweltethik. Gerade für Jäger, die sich der Hege und Pflege des Wildes sowie seiner Lebensgrundlagen und seiner Lebensräume verpflichtet wissen, sind nicht nur tier-, sondern auch umweltethische Fragen von relevantem Interesse.
Das Buch überzeugt nicht nur durch die philosophische und ethische Kompetenz des Autors, sondern beim Lesen wird durchgehend spürbar, dass der Autor ein begeisterter Natur- und Tierliebhaber ist und über eine erstaunliche Kenntnis der heimischen Fauna sowie des Jagdwesens verfügt, auch wenn er selbst nicht der Jägerszunft angehört. Seine Ausführungen sind deshalb nicht nur philosophischer, abstrakter Natur, sondern gehen auch auf ganz praktische Fragen und Aspekte ein.
Ich wünsche dem Buch eine breite Leserschaft, besonders unter den Jägern bin ich überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit den behandelten ethischen Fragen eine interessante und lohnende, wenn auch streckenweise herausfordernde Lektüre ist. Ich glaube, dass sie für Jäger heute zum fixen Bestandteil sowohl ihrer Grund- als auch ihrer weiterführenden Ausbildung gehört.
Martin M. LINTNER
Professor für Moraltheologie an der Philosophisch
Theologischen Hochschule Brixen, im Sommer 2020
Jagd und Naturschutz werden in unserer Gesellschaft oft als Gegensätze gesehen. Jagd, so argumentieren ihre Gegner, sei ein illegitimer menschlicher Eingriff in die Natur und ihre sensiblen Abläufe. Das Nachstellen und Töten von Wildtieren sehen viele Menschen als Ausdruck einer egoistischen und herrschaftlichen Haltung an, die sogar noch mit Leidenschaft und Freude vollzogen wird. Tiere, so die Argumentation, seien dem Menschen in der Jagd schutzlos ausgeliefert.
Sollte Wildregulierung überhaupt notwendig sein, dann dürfe sie nur von speziell ausgebildeten staatlichen Behörden durchgeführt werden oder müsse auf Methoden zurückgreifen, die das Töten nicht implizieren wie beispielsweise die Geburtenkontrolle durch Einsatz von chemischen Mitteln. Zu verurteilen sei darüber hinaus jegliche Form der Freizeitjagd. Diese Einschätzung führt dazu, dass sich zwischen Tierschützern einerseits und Jägern andererseits Gräben auftun, die offensichtlich schwer überwindbar sind. Einerseits gilt Jagd in bestimmten Kreisen als moralisch verwerflich, anderseits erfreut sich die Jagd weiterhin einer großen Beliebtheit Auch die Zahl der Frauen nimmt im Kreis der jagdbegeisterten Personen stetig zu und jene Männer und Frauen die jagen, empfinden sich beim Töten von Tieren moralisch nicht schuldig.
Denn Jäger verstehen sich vielfach selbst als naturbegeisterte und naturverbundene Menschen, die zum Schutz der Natur beitragen. Sie fühlen sich von ihren Kritikern deshalb oft missverstanden. Ausdrücke wie „Hege“, „Weidgerechtigkeit“ und „Wildschutz“ deuten darauf hin, dass es auch den Jägern um die Erhaltung der Wildtiere und ihrer Lebensräume geht. In den Überlegungen dieses Buches wird Jagd deshalb nicht einfach mit dem Nachstellen und Töten von Tieren gleichgesetzt, sondern als eine Summe von Handlungen verstanden, welche u. a. auch sogenannte Hegemaßnahmen, Lebensraumverbesserungen, Wildfütterungen, Wildzählungen und anderes inkludiert.
Ausdrücke aus der Jägersprache wie „entnehmen“ oder „erlegen“ sollen aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim Jagen Tiere durch einen gezielten Schuss getötet werden. Gerade an diesem Punkt entzünden sich Diskussionen und erhitzen sich Gemüter.
Das vorliegende Buch zur Jagdethik versteht sich als Diskussionsbeitrag. Es möchte zum Dialog zwischen der Jägerschaft und anderen Naturnutzern und Naturschützern anregen. Es möchte aber auch allen interessierten Jägern eine Hilfe bieten, sich mit jagdethischen Fragen auseinanderzusetzen, sie dafür zu sensibilisieren und so das eigene Handeln zu reflektieren. Gerade dies kann helfen, eine nachhaltige Form der Jagd auch in Zukunft verantwortbar zu pflegen und sich in den öffentlichen Diskurs für das Wohl der Wildtiere einzubringen. Was den Naturschutz, den Artenschutz und auch die Pflege und Erhaltung der Lebensräume betrifft, braucht es in Zukunft vermehrt und verstärkt die Stimme der Jägerschaft. Nur gemeinsam mit anderen Interessensgruppen können die kostbaren Schätze der Natur in unserer Welt erhalten werden. Dabei kommt der Jägerschaft ein wichtiger Bildungsauftrag zu.
Diese Bewusstseinsbildung ist gerade deshalb wichtig, weil sich viele Menschen unserer Zeit räumlich und geistig vom ländlichen Raum und der darin lebenden Tier- und Pflanzenwelt entfernen. Trotz einer erhöhten Sensibilität im Bereich des Naturschutzes, fehlt es zunehmend an einem durch unmittelbare Erfahrung gewonnenem Wissen in diesem Sektor. Das vorliegende Buch hat vor allem die Jagd im Alpenraum im Blick. Dies ist gerade deshalb wichtig zu betonen, da sich Herausforderungen und ethische Fragestellungen im Blick auf das Jagdwesen je nach Praxis, bejagten Tierarten, gesetzlichen Vorgaben, geographischer Lage und weiteren Faktoren anders stellen.
Eingebettet ist die vorliegende Jagdethik in den größeren Kontext der Umweltethik, die angesichts der menschlichen Nutzung der Natur und den dabei entstandenen Krisen immer wichtiger wird. Diese Einbettung in den größeren Zusammenhang macht deutlich, dass auch die Jagd nicht einfach ein isoliertes Handlungsfeld passionierter Menschen ist, sondern ein Bereich, der letztlich viele angeht und betrifft. Als solcher berührt die Jagd Fragen der Gerechtigkeit im Blick auf die von ihr betroffenen Menschen und Tiere. Ein Teil dieses Buches ist deshalb der Analyse des Ausdrucks der „Weidgerechtigkeit“ gewidmet.