DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER
Fernando Magellan
1480–1521
Ein Augenzeugenbericht der ersten Weltumsegelung
Herausgegeben von Robert Grün
Mit einer Einführung von Lars Hoffmann
und einem Vorwort von Dieter Lohmann
Einführung
Die Erde ist rund! – Magellan und die Folgen
Vorwort des Herausgebers
Antonio Pigafetta – Die erste Reise um die Erde
Von der Abfahrt bis zur Entdeckung der Magellanstraße
Vom Abschied von der Meerenge bis zum Tode des Generalkapitäns
Vom Abschied von Zubu bis zum Abschied von den Molukken
Vom Abschied von den Molukken bis zur Ankunft in Spanien
Nachwort des Herausgebers
Editorische Notiz
Weiterführende Literatur
Der auf Antonio Pigafetta, eines aus Vicenza in Venetien stammenden Gelehrten und Reisenden zurückgehende Bericht über die Weltumsegelung von Ferdinand Magellan wurde bereits wiederholt in der Sammlung Erdmann vorgelegt und gehört zu den Klassikern dieser Reihe: Die Tatsache, dass nach nur relativ kurzer Zeit wiederum eine Neuauflage gerade dieses Bandes erforderlich wurde, spricht für die große Verbreitung, aber auch für die enorme Bedeutung des Textes selbst heute. In der Zeit, in der er entstand, war man sich im Allgemeinen noch nicht so ganz sicher, ob die Erde tatsächlich eine Kugel sei – oder ob ein Weltumsegler irgendwann nicht doch an ihrem Rand hinunterfiele. Gleichwohl gingen nach dem Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit, die auch im Europa des 15. Jahrhunderts zu tiefgreifenden kulturellen und politischen Umwälzungen geführt hatte, die sich neu formierenden Großmächte daran, ihr Einflussgebiet so weit wie möglich auszudehnen. Ein besonderes Interesse galt natürlich den neu entdeckten, vielleicht auch noch neu zu entdeckenden und große Reichtümer verheißenden Weltgegenden, die insbesondere die nach mittelalterlichem Verständnis am westlichen Ende der bekannten Erde lebenden Völker Spaniens und Portugals nunmehr für ihre eigenen Interessen zu sichern versuchten und deren Bereisung man anderen Völkern nach Möglichkeit vorenthalten wollte.
Die beiden westeuropäischen Seemächte einigten sich infolgedessen im Jahr 1494, d.h. rasch nach der Rückkehr des Kolumbus aus Amerika, darauf, die bekannte Welt in zwei gleich große Interessensphären aufzuteilen, eine spanische und eine portugiesische, zwischen denen man eine hypothetische Demarkationslinie zog. Diese Übereinkunft war nicht zuletzt durch die Vermittlung Papst Alexanders VI. zustande gekommen und von eben diesem Papst im Vertrag von Tordesillas bestätigt worden. Ein Bestandteil dieses Vertrags, der später insbesondere für Magellan von tragischer Bedeutung werden sollte, war auch die Missionierung der neu entdeckten Gebiete im Sinne der katholischen Kirche.
Umstritten zwischen den beiden Kontrahenten blieb bis zum Jahr 1529 nur ein einziges Territorium, das seinem Besitzer unendlichen Reichtum zu versprechen schien, die Molukken oder die Gewürzinseln. Denn wer die Möglichkeit dazu besaß, dorthin zu segeln und Gewürze auf dem Seeweg nach Europa zu importieren, konnte das osmanisch-arabische bzw. venezianische Handelsmonopol für diese Waren brechen und die aus diesen Geschäften zu erwartenden satten Gewinne selbst einstreichen. Den Seeweg in Richtung Osten entlang der afrikanischen Küsten beherrschten aufgrund des Vertrags von Tordesillas die Portugiesen, die erfolgreich jedwede spanische Unternehmung verhinderten, die dieselben Ziele zu erreichen versuchte. So blieb denn nur der Seeweg in Richtung Westen – vorausgesetzt freilich, dass die Erde tatsächlich rund sei und man jenseits des amerikanischen Kontinents nicht doch auf das Ende der Welt stieße.
Der aus Nordportugal stammende Ferñao de Magalhães, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts wiederholt in diplomatischen Angelegenheiten der Portugiesen unterwegs war und auf diese Weise auch in die südostasiatische Inselwelt gelangte, besaß die erforderlichen nautischen Kenntnisse und Erfahrungen, um eine solche Expedition zu leiten. Vieles spricht dafür, dass Magellan in der Lissabonner Admiralität auch Kenntnis von Aufzeichnungen portugiesischer Seefahrer bekommen hatte, die einen Seeweg durch den amerikanischen Kontinent hindurch immer weiter nach Westen vermuten ließen. In den Jahren 1513/14 fiel er jedoch bei seinem Dienstherrn in Lissabon, dem portugiesischen König Johann II. in Ungnade, da er Sklavenhandel auf eigene Rechnung betrieb. Magellan wurde folgerichtig aus dem Dienst der Krone entlassen, doch sollte es nicht lange dauern, bis ein Mann mit seinen Kenntnissen mit neuen Aufgaben versehen wurde. Er trat nämlich in die Dienste des spanischen Königs Karls I., dem er die Einrichtung einer Seehandelsroute zu den Gewürzinseln in Richtung Westen versprach. Magellan fand am spanischen Hof eine ganze Reihe von Fürsprechern für dieses Unternehmen, sodass im Frühjahr 1518 eine Vereinbarung mit Karl I. getroffen wurde: Kastilien erklärte sich dazu bereit, einen Verband aus fünf Schiffen unter der Leitung Magellans auszurüsten und einen großen Teil der Kosten dafür zu tragen, an deren Gegenfinanzierung sich wiederum das Augsburger Handelshaus der Fugger beteiligte. Magellan und seinen Erben wurde der fünfte Teil der zu erwartenden Einnahmen sowie der Gouverneursposten in den noch zu entdeckenden und für Spanien zu gewinnenden Gebieten versprochen. Vonseiten der portugiesischen Krone argwöhnisch beobachtet, begann Magellan im August 1519 seine Reise nach Westen, über deren dramatischen Verlauf der hier vorgelegte Bericht Antonio Pigafettas ein lebendiges Zeugnis ablegt. Pigafetta, der in Venedig Seewissenschaften und Kartographie studiert hatte, hatte bei Magellan gegen ein recht geringes Entgelt angeheuert, um Zeichnungen und neue Karten zu erstellen. Sein persönliches Logbuch sollte aber zur wichtigsten historischen Quelle werden, die uns heute über das riskante Unternehmen Magellans Auskunft gibt.
Geprägt war die gesamte Reise bis zu den Gewürzinseln durch fortgesetzte und durch die schlechte Ernährungslage bedingte Meutereien der Mannschaft, aber auch durch permanente Rivalitäten und Rangstreitigkeiten, die Magellan mit den spanischen Kapitänen seiner Begleitschiffe zu bestehen hatte. Denn diese wollten das Unternehmen entweder abbrechen oder selbst dessen Generalleitung übernehmen. Noch vor der Passage zum Pazifik ließ Magellan zwei der ursprünglich eingesetzten Kapitäne hinrichten, die die Waffen gegen ihn erhoben hatten, und diese durch geeignete Angehörige seiner Mannschaft ersetzen.
Dass nicht etwa der Entdeckergeist, sondern handfeste wirtschaftliche Interessen die innere Triebfeder für Magellans Reise abgaben, zeigte sich bereits am südlichen Ende des amerikanischen Kontinents, als der Kapitän dort die vermutete Passage vom Atlantik in den Pazifischen Ozean suchte. Zunächst befuhr er vergeblich die großen Flusssysteme des südlichen Südamerikas, und nachdem er die später nach ihm benannte Passage zwischen dem amerikanischen Kontinent und der Insel Feuerland durchfahren hatte, war es nicht etwa sein Ziel, das südliche Ende eben dieses Kontinents zu finden – das bekannte und nicht nur für Segelschiffe so gefährliche Kap Hoorn –, sondern Magellan machte sich sogleich in Richtung Westen auf. Die Entdeckung von Kap Hoorn für die christliche Seefahrt sollte er dem englischen Freibeuter und Seehelden Francis Drake überlassen, der gut 60 Jahre später die Südspitze Amerikas, wenn auch mehr oder weniger zufällig, umfuhr. Allerdings gab Magellan dem Pazifik den bis heute bestehenden Namen, da er nach seiner Fahrt durch die später nach ihm benannte Schifffahrtsstraße aus dem eher rauen Atlantik auf ein ruhigeres Meer stieß, und auch an Bord der verbliebenen drei Schiffe beruhigten sich fürs Erste die Gemüter ein wenig, da man seiner Hypothese, man könne Südostasien auch über den Seeweg in Richtung Westen erreichen, nunmehr doch Glauben zu schenken begann.
Den Pazifischen Ozean hatte Magellan im November des Jahres 1520 erreicht, und sein Optimismus war nunmehr so groß, dass er davon ausging, am angestrebten Ziel innerhalb nur eines weiteren Monats eintreffen zu können. Dem war aber nicht so, denn erst Anfang März 1521 traf sein Schiffsverband nach einer langen, entbehrungsreichen Überfahrt, die einen Teil der Mannschaft das Leben gekostet hatte, erstmals auf bewohnten und zugleich auch bekannten Inseln ein, den Marianen. Nach einigen Konflikten mit der ansässigen Bevölkerung segelte Magellan weiter in Richtung Westen, um im Bereich der philippinischen Inselwelt daran zu gehen, für Spanien jenes Kolonialreich aufzubauen, das er später selbst vertragsgemäß hätte verwalten sollen. Doch es kam alles anders: Nach anfänglichen Erfolgen kam nämlich Magellan am 27. April 1521 bei dem Versuch ums Leben, einem Inselvolk bei Mactan das Christentum mit Feuerwaffen beizubringen, als er dort von einem vergifteten Pfeil getroffen wurde. Nach diesem Ereignis erhoben sich auch die bislang bezwungenen Ureinwohner wieder gegen die Spanier, die schwere Verluste erlitten und notgedrungen mit nur noch zwei Schiffen fliehen mussten, da man ein Drittes nicht mehr mit einer genügend starken Mannschaft hätte ausrüsten können. Das Kommando übernahm nunmehr Kapitän Juan Sebastián Elcano, der seine Aufgabe darin sah, zumindest zwei Schiffe zurück in die spanische Heimat zu bringen. Über Borneo gelangte der neue Leiter des Unternehmens doch noch zu den Molukken, wo man einen Gewürzhandel unter Umgehung des portugiesischen Seehandelsmonopols vereinbarte und reichlich Waren an Bord nahm. Zwei Schiffe, die Victoria und die Trinidad, die Magellan selbst befehligt hatte, waren verblieben, und große Teile der ursprünglichen Mannschaft waren im Zuge von Meutereien, durch die großen Entbehrungen, aber auch durch Auseinandersetzungen mit der philippinischen Bevölkerung umgekommen. Und auch für die Weiterfahrt trennten sich die beiden Schiffe, da an der Trinidad noch umfangreiche Reparaturarbeiten ausgeführt werden mussten. Doch während die Victoria unter Kapitän Elcano trotz massiver Schäden und der portugiesischen Bemühungen, eine Rückkehr nach Spanien zu verhindern, am 6. September des Jahres 1522 im Heimathafen eintraf, gelang es den Portugiesen zumindest die Trinidad, das frühere Flaggschiff Magellans aufzubringen, die eine Überfahrt nach Südamerika versucht hatte. Alles in allem waren jedoch die Opfer sehr groß, die diese erste erfolgreiche Weltumsegelung gekostet hatte: Denn nur eines der ursprünglichen fünf Schiffe kam zurück und von der Mannschaft, die mit insgesamt 256 Offizieren und Matrosen in See gestochen war, erreichten nur 18 wieder die spanische oder italienische Heimat. Gleichwohl ließ sich die gesamte Unternehmung mit einem Gewinn von gut 500 Golddukaten abschließen, da die Victoria mit gut 25 Tonnen Gewürzen in Spanien eintraf, die die Investoren unter sich aufteilen konnten – zumal Magellan als einer der möglichen finanziellen Nutznießer die Reise nicht überlebt hatte.
Den Spaniern erwuchs jedoch die Erkenntnis, dass der Gewürzhandel über den Seeweg nach Westen keine Aussicht auf hinreichenden Gewinn versprach. Die Reise zu den Molukken war zu lang, zu beschwerlich und mit zu großen Gefahren verbunden, als dass man auf diese Weise einen auf Dauer Erfolg versprechenden Handel hätte etablieren können. Magellan hatte ganz einfach die lange Reise von Südamerika über den Pazifik unterschätzt, da man vor der ersten Erdumsegelung naturgemäß keine richtige Vorstellung von der Größe des Globus haben konnte. Auch besaß man in Spanien zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch nicht genügend militärisches Potential, um in Südostasien ein eigenes Kolonialreich aufzubauen – was erst unter König Philipp II. gelingen sollte, nachdem er die portugiesische Königswürde hatte an sich ziehen können.
In der nachträglichen Beurteilung wird Magellan also doch zu dem Entdecker, der er eigentlich nicht hatte sein wollen. Durch seine Reise erhielt man Kenntnis von der Magellanstraße, die nach wie vor als nautische Ausweichstrecke zur Umgehung des stürmischen Kap Hoorn genutzt wird, der Pazifische Ozean erhielt seinen Namen und wurde in seinen wahren Ausmaßen erfasst und nicht zuletzt erhielten die Menschen der frühen Neuzeit endlich ein zutreffendes und sicheres Bild von der Gestalt der Erde und ihrer wirklichen Größe. Als Eroberer hat Ferdinand Magellan jedoch nicht wirklich viel leisten können. Dafür waren die politischen Spannungen zwischen Portugal und Spanien, den wichtigsten Seemächten seiner Zeit, doch zu gravierend. Das Königreich Kastilien gab denn seine Ansprüche auf die Gewürzinseln im Vertrag von Saragossa, der 1529 unterzeichnet wurde, vorübergehend auf.
Mit der Weltumsegelung Magellans gewann die Menschheit jedoch auch einen sicheren Eindruck von der räumlichen Begrenztheit der Erde. Denn wenn man in Europa bislang davon ausgehen konnte, in immer neue Welten vordringen zu können und dort neue wirtschaftliche Ressourcen zu entdecken, so revidiert sich dieses Bild seit Beginn der frühen Neuzeit: Der grenzenlosen Expansion und dem daraus resultierenden kapitalistischen Prinzip eines nie enden dürfenden wirtschaftlichen Wachstums sind natürliche Grenzen gesetzt, die es zu respektieren gilt. Die Welt und ihre Bodenschätze sind endlich. Für uns heute kann und muss der spannende Bericht über die erste Weltumsegelung durch Fernando Magellan und Juan Elcano daher auch Anlass zum Nachdenken geben – dass wir nämlich mit den nur begrenzt zur Verfügung stehenden natürlichen und wirtschaftlichen Ressourcen sorgfältig umgehen müssen.
Lars Hoffmann
Weiterführende Literatur:
Daria Perocco (Hrg.), Itinerario da Vienna a Costantinopoli: Marc Antonio Pigafetta. Padua 2008.
Antonio Pigafetta, Relazione del primo viaggio attorno al mondo. Testo critico e commento di Andrea Canova. Padua 1999.
Robert Longo, Magellan. Köln 1997.
Adriana Chemelio, Antonio Pigafetta e la letteratura di viaggio nel Cinquecento. Verona 1996.
Laurence Bergreen, Magellan’s Terrifying Circumnavigation of the Globe. New York, NY, 1994.
Rebecca Steffof, Ferdinand Magellan and the Discovery of the World Ocean. London 1990.
Paul Werner Lange, Der Sonne gleich… Das Leben des Fernando de Magellanes und die erste Weltumsegelung. Leipzig 1983.
Die Erde ist eine Scheibe – umflossen von einem riesigen Ozean. Wer sich mit seinem Schiff an die Grenze dieser Scheibe heranwagt, stürzt ab und ist für immer verloren! Diese oder ähnliche Vorstellungen prägen das Bild der Menschen im Altertum vom Aussehen und der Form der Erde. Noch die berühmten griechischen Schriftsteller und Naturforscher Homer und Thales von Milet sind zwischen 800 und 600 vor Christus von der Richtigkeit dieser Vermutungen überzeugt.
Die Erde ist rund! Der erste Wissenschaftler, der sich mit dieser Idee auseinandersetzt, stammt ebenfalls aus Griechenland. Es ist der berühmte Philosoph und Mathematiker Pythagoras (um 570 bis 496 vor Christus), dem es mehr als 500 Jahre vor Christus allerdings schwerfällt, seine Vermutung mit Beweisen zu untermauern.
Die Erde ist rund! Aristoteles (384 bis 322 vor Christus), dem großen griechischen Philosophen und Schüler des Platon, gelingt es um 350 vor Christus, erste Beweise für diese Hypothese vorzulegen. Er erkennt, dass ankommende Schiffe zunächst mit ihren Masten und Segeln sichtbar werden, wenn sie sich einem Hafen oder dem Land nähern. Auch die Beobachtung, dass die Erde bei einer Mondfinsternis einen runden Schatten auf die Oberfläche des Erdtrabanten wirft, unterstützt seine Annahme von der Kugelgestalt der Erde.
Mehr als 100 Jahre später gelingt es dem Alexandriner Eratosthenes (276 bis 195 vor Christus), den Erdumfang auf der Grundlage der damaligen Kenntnisse einigermaßen genau zu berechnen. Die von ihm ermittelten Werte liegen mit 44 500 Kilometern zwar um etwa 10 Prozent über dem tatsächlichen Erdumfang von 40 075 Kilometern, angesichts der verfügbaren Messmethoden liefert er aber einen erstaunlichen Leistungsbeweis der Geometrie und wird damit zu einem der wichtigsten Mitbegründer des Vermessungswesens. Seine Forschungsergebnisse verarbeitet Eratosthenes später zu ersten Ideen für eine Erdkarte mit Längen- und Breitengraden.
Die Erde ist rund! Obwohl die Wissenschaftler im alten Griechenland von dieser Tatsache überzeugt sind, fällt es auch ihnen schwer einzusehen, dass die Erde nicht im Mittelpunkt aller Himmelsbewegungen steht. Noch Archimedes (287 bis 212 vor Christus), der geniale Universalgelehrte, baut ein Himmelslaboratorium, bei dem sich die bis dahin entdeckten Planeten zwar um die Sonne drehen; in diesem geozentrischen Weltbild lässt er aber diese Himmelskörper alle gemeinsam um die Erde kreisen.
Die Erde ist ein rechteckiger Kasten! Christliche Geschichtsschreiber wie Lactantius im 3. Jahrhundert nach Christus oder Kosmas Indikopleustes 300 Jahre später verwerfen die frühen »heidnischen« Theorien der Griechen von der Kugelgestalt der Erde und weisen sie ins Reich der Fabel. Angeblich sind ihre Entdeckungen und Forschungsergebnisse mit den Schriften der Bibel nicht vereinbar. In großen Teilen Europas gerät das Wissen aus dem Altertum für Jahrhunderte in Vergessenheit.
Auch später, etwa ab dem 12. Jahrhundert, bekämpfen die Hüter der religiösen Dogmen allzu fortschrittliche Philosophen, die sich auf die Schriften des Aristoteles berufen, mit allen Mitteln. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte!
Die Erde ist rund! Den endgültigen Beweis für diese Annahme bringt nicht ein Astronom oder Wissenschaftler. Ein stiller, verschlossener Seefahrer und Entdecker, ein Kriegsheld ist es, der das Rätsel vom Aussehen, von der Form der Erde für alle Zeiten löst. Als Fernando Magellan am 20. September 1519 mit seiner aus fünf Schiffen bestehenden Flotte den Hafen von Sanlúcar de Barrameda an der spanischen Atlantikküste verlässt, ahnt er noch nichts davon, dass er mit seiner Fahrt in die Geschichte eingehen wird. Im Auftrag des spanischen Königs Karl V. macht er sich auf die Suche nach dem westlichen Seeweg zu den Gewürzinseln der Molukken. Magellan ist davon überzeugt, dass es irgendwo südlich des Río de la Plata eine Durchfahrt vom Atlantik in den Pazifik geben muss. Die will er finden, um von da aus den Pazifik, den Balboa 1513 von Panama aus als erster Europäer gesichtet hat, zu überqueren. Dann, so hofft Magellan, dürften die Gewürzinseln in greifbarer Nähe und leicht zu finden sein. Mit an Bord ist der junge, entdeckungslustige Italiener Antonio Pigafetta, der Magellan treu ergeben ist und alle Erlebnisse während der Reise sorgfältig in seinem Tagebuch festhält.
Schon wenige Monate nach dem Segelsetzen haben die Entdecker die bekannten Regionen der Erde hinter sich gelassen und die Forschungsfahrt wird zu einer Tour ins Ungewisse. Drei Jahre lang kämpfen sich Magellan und seine Männer durch unbekannte Gewässer, trotzen Hunger und Durst und den größten Gefahren und kommen schließlich tatsächlich ans Ziel ihrer Träume. 1520 finden sie die sagenumwobene Verbindung zwischen den beiden Ozeanen, die später nach ihrem Entdecker »Magellanstraße« genannt wird, durchqueren den Pazifik und erreichen nach einem Zwischenstopp auf den Philippinen die Gewürzinseln der Molukken. Im November 1521 ist die eigentliche Mission des großen Entdeckers erfüllt. Aber schon hier ist Magellan selbst nicht mehr dabei. Der vom spanischen König ernannte Generalkapitän der Expedition fällt am 27. April 1521 im Kampf gegen Einheimische auf der kleinen philippinischen Insel Mactan. Der Mann, der diese Reise gegen alle Widerstände durchgesetzt hat, der seinem Land Portugal den Rücken gekehrt hat und in spanische Dienste getreten ist, der auf der Fahrt eine Meuterei niedergeschlagen hat, kann seinen Triumph nicht mehr auskosten.
Sebastiano del Cano, der letzte Kapitän der »Victoria«, ist es, der Magellans Reise zu Ende führt und die Legende perfekt macht. Als die »Victoria«, eine kleine Karavelle, am 6. September 1522 schwer beladen mit Gewürzen als einziges Schiff der Flotte wieder in den Heimathafen zurückkehrt, ist die erste Weltumsegelung perfekt. Pythagoras, Aristoteles und Eratosthenes hatten Recht, die Erde ist rund. Doch die Entdeckungstour forderte einen hohen Tribut. Nicht nur Magellan selbst ist umgekommen. Ganze 18 von 237 Mann Besatzung betreten nach dreijähriger Fahrt wieder spanischen Boden und können sich als Helden feiern lassen.
Die Erde ist rund. Neben dem bahnbrechenden Beweis für die Lehre der alten Griechen hat Magellans Expedition um die Welt aber auch noch andere unmittelbare Erfolge zu verbuchen. Der Verkauf der weit über 20 Tonnen Gewürze, die die »Victoria« unter Sebastiano del Cano mit nach Sevilla bringt, deckt nicht nur alle Kosten der beiden »Sponsoren« der Unternehmung, des spanischen Königs Karl V. und des flandrischen Reeders und Kaufmanns Christobal de Haro, es bleibt sogar noch ein stattlicher Gewinn übrig.
Was aber brachte die erste Weltumsegelung noch an Erkenntnissen? Welchen Einfluss hatte sie auf Wissenschaft und Kultur? Da endlich die ungefähre Größe der Erde bekannt ist, können die Seefahrer und Entdecker nach Magellan ihre Standorte und die Routen auf dem Globus besser berechnen und damit zukünftige Expeditionen genauer planen. Der gewaltige neue Ozean, den Magellan als erster Europäer befahren und auf den Namen »mar pacifico«, Stiller Ozean, getauft hat, wird in die modernen spätmittelalterlichen Weltkarten eingetragen. Viele Seefahrer nach Magellan müssen allerdings die Erfahrung machen, dass der Name »Stiller Ozean« trügerisch und irreführend ist. Das günstige Wetter und die ruhige See während Magellans historischer Reise, die ihn bewogen haben dem neuen Weltmeer seinen Namen zu geben, erweisen sich später jedenfalls als untypisch für diese Region. Unbekannt dagegen sind auch nach Magellans Reise immer noch die Dimensionen Feuerlands, die Lage Australiens und die Inselwelt der Südsee, an der der große Entdecker so haarscharf vorbeigesegelt ist.
Und noch eines wird für Magellans Zeitgenossen offensichtlich: Kolumbus hatte 1492 ganz sicher nicht, wie er selbst sogar bis zu seinem Tod glaubte, Indien, sondern einen neuen, selbstständigen Kontinent (wieder)entdeckt.
Batista Agnese zeichnet kurze Zeit nach der ersten Weltumsegelung eine neue, verbesserte Weltkarte, in der die Ost-West-Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik bereits eingetragen ist und die Größe des Stillen Ozeans ziemlich genau dargestellt wird.
Die Erde ist rund und sie dreht sich um die eigene Achse! Und noch eine seltsame Entdeckung ist Magellan und in diesem Fall vor allem Antonio Pigafetta auf die Liste ihrer Erfolge zu schreiben: Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr hat Pigafetta während der dreijährigen Reise penibel Tagebuch geführt. Als die beinahe seeuntüchtige »Victoria« aber auf der Heimfahrt nach Spanien die Kapverdischen Inseln erreicht, stimmt Pigafettas Kalender nicht mehr mit dem der übrigen Welt überein. Nach Pigafettas Zeitrechnung ist es Mittwoch, der Rest der Welt schreibt aber bereits Donnerstag. Doch es ist kein Irrtum möglich, denn auch der Logbuchführer des Schiffes bestätigt Pigafettas Zählung.
Als erste Menschen machen Magellans Leute am eigenen Leib die Erfahrung, dass derjenige, der die Erde in Richtung Westen umrundet, einen Tag »verliert«. Wer dagegen von Westen nach Osten reist, erlebt zweimal das gleiche Datum, gewinnt also einen Tag hinzu. Dieses Phänomen hängt mit der Erdrotation, mit der Drehung der Erde um ihre Achse, zusammen. Pigafetta beschert seine sensationelle Entdeckung die Aufmerksamkeit von großen Teilen der wissenschaftlichen Welt. Die Lehre des griechischen Philosophen Heraklit, der zwischen 550 und 480 vor Christus lebte und vermutete, dass das Universum in ständiger Bewegung ist – »alles fließt« – und dass auch die Erde nicht reglos im Weltall liegt, sondern sich im stetigen Rhythmus um die eigene Achse dreht, wird durch Pigafettas Beobachtung gestützt.
Jules Verne, der berühmte französische Schriftsteller, hat das von Pigafetta entdeckte Phänomen 300 Jahre später in seinem Roman »In 80 Tagen um die Welt« aufgegriffen und ihm damit zu Weltruhm verholfen. Sein Held, der stocksteife Gentleman Phileas Fogg – im Film grandios verkörpert vom Schauspieler David Niven –, macht sich mit seinem Diener Jean Passepartout von London auf die Reise. Er will eine Wette gegen die anderen Mitglieder des Reform-Clubs gewinnen, die nicht glauben wollen, dass man in der unglaublich kurzen Zeit von 80 Tagen die Welt umrunden kann. 20 000 Pfund stehen auf dem Spiel. Obwohl Fogg, nachdem er allerlei Abenteuer und Schwierigkeiten gemeistert hat, London und den Reform-Club fünf Minuten zu spät erreicht, kann er seine Wette doch noch gewinnen. Passepartout, sein aufmerksamer Diener, bemerkt, dass sie auf ihrer Reise offenbar einen Tag hinzugewonnen haben, weil sie in östlicher Richtung um die Erde gefahren waren.
Die Erde ist rund. Spanien, ja ganz Europa jubelt 1522 über die Entdeckung des westlichen Seewegs zu den Gewürzinseln und der Ost-West-Verbindung zwischen Atlantik und »Stillem« Ozean. Ganz Europa jubelt? Nein, ein kleines Land im äußersten Südwesten des Kontinents jubelt nicht. Ganz im Gegenteil! Portugal zittert, zittert um die Vorherrschaft im europäischen Handel mit den einträglichen Kräutern aus Südostasien.
Gewürze, Europa lechzt danach! Endlich scheint für Spanien der schnellste und kürzeste Weg gefunden, sich mit der härtesten Währung des Mittelalters zu versorgen. Das Monopol der islamischen Händler, die die wertvollen Güter über Land nach Europa transportieren, und der Portugiesen, die den östlichen Seeweg kontrollieren, scheint gebrochen.
Gewürze? Der moderne Mensch kann sich gar nicht vorstellen, welche Faszination allein dieser Begriff bei den Menschen des Mittelalters auslöst. Gewürze! Das klingt nach köstlichen exotischen Speisen, weihrauchdurchzogenen Kirchen, kostbaren orientalischen Düften und lebenserhaltenden Heilmitteln. Ganz anders sieht dagegen das »normale«, alltägliche Leben in Europa zu der damaligen Zeit aus. Von Kaffee oder Nikotin gibt es noch keine Spur, Mahlzeiten und Lebensmittel bleiben notgedrungen häufig fade und werden ausschließlich mit Salz und einheimischen Kräutern gewürzt und haltbar gemacht.
Der Siegeszug der begehrten Pflanzen wie Pfeffer, Muskatnuss, Nelken oder Zimt beginnt in den Fürstenhäusern, die schnell immer mehr von den seltenen Gütern fordern. Aber auch den kleinen Leuten erscheint das teure Gut bald interessant, ja fast lebensnotwendig. Für lange Zeit werden Gewürze in Europa das Maß aller Dinge, Zahlungsmittel, Medikament, Prestigeobjekt und natürlich Würzmittel. Europa ist regelrecht süchtig nach Gewürzen.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Venezianische und islamische Händler kontrollieren den Handel mit Gewürzen bis Ende des 15. Jahrhunderts. In zahllosen Karawanen gelangen die feinen Kräuter über Land von Südostasien nach Europa. Die Sucht nach Gewürzen hat deshalb für die Abnehmer in Europa einen gravierenden Nachteil.
Diese mittelalterlichen Luxusgüter sind teuer und müssen mit Gold bezahlt werden. Schnell leeren sich die Staatskassen der Königs- und Fürstenhäuser.
Europa beginnt deshalb nach Möglichkeiten zu suchen, auf einem anderen Weg an die begehrten Kräuter zu gelangen. Was liegt näher, als über den Seeweg die eigenen Fesseln zu sprengen, um an die Reichtümer des Orients zu gelangen. Nicht reiner Entdeckergeist ist es deshalb, der die Seefahrer in den folgenden Jahrzehnten auf ihren Fahrten antreibt, sondern auch das Streben nach Ruhm und Reichtum, die Suche nach den Gewürzinseln.
Gewürze! Bald entwickelt sich ein Wettlauf zwischen Spanien und Portugal, um den Weg nach Indien zu finden und an das Ziel aller Träume zu gelangen. Ist zunächst eine Fahrt bis zu den Kanaren für die Seefahrer noch ein Abenteuer, gehört sie wenige Jahre später schon zur Normalität. 1474 überquerte Lopo Gonçalves den Äquator. 14 Jahre später umrundet der Portugiese Bartolomëu Diaz als erster Europäer das Kap der Guten Hoffnung. Der Weg in den Indischen Ozean ist endlich frei. 1492 kommt es zur legendären Reise von Christoph Kolumbus, der im spanischen Auftrag mit seinem Schiff »Santa Maria« Amerika wiederentdeckt.
Um den Streit zwischen Portugal und Spanien zu mildern, teilt der amtierende Papst Alexander VI. 1494 im Vertrag von Tordesillas die Erde wie einen Apfel in zwei Hälften. Die Spanier erhalten die Souveränität über den westlichen Teil, die Portugiesen die über den östlichen.
Vier Jahre nach diesem Friedensschluss durchquert der Portugiese Vasco da Gama 1498 als erster Europäer die Straße von Mosambik und gelangt dann über das Arabische Meer nach Indien. Der östliche Seeweg in die Gewürzländer ist gefunden. Portugal hat damit den Schlüssel zum Handel mit den exotischen Kräutern in der Hand und entwickelt sich innerhalb weniger Jahre zur Weltmacht.
Per Dekret teilt der Papst 1514 alle Gebiete, die auf dem östlichen Seeweg zu erreichen sind, den Portugiesen zu. Umso wichtiger für Spanien ist die Entdeckung des westlichen Seewegs zu den Gewürzinseln durch Magellan und seine Männer. Jetzt endlich, im Jahr 1522, nach dem erfolgreichen Abschluss der Expedition, scheinen sie den Portugiesen ein zumindest ebenbürtiger Gegner im Handel mit den edlen Kräutern zu werden. Kein Wunder, dass Portugal um seine Macht zittert! Doch schon bald kehrt in Spanien Ernüchterung ein.
Die Erde ist rund. Wie außergewöhnlich und bewundernswert die Leistung Magellans und seiner Männer wirklich ist, zeigen die nächsten Jahrzehnte. Den nachfolgenden spanischen Expeditionen gelingt es nicht, das Kunststück Magellans zu wiederholen. Ausnahmslos scheitern sie alle spätestens in der Magellanstraße. Schon bald meiden die Seefahrer die Gewässer zwischen Patagonien und Feuerland wie die Pest. Zu gefährlich ist der Weg, zu groß sind die Verluste, zu viele Menschenleben hat er bereits gekostet. Der Traum von der Magellanstraße als wichtigstem Handelsweg von Europa nach dem Fernen Osten ist schnell ausgeträumt. Statt den neuen Seeweg im Süden Amerikas zu benutzen, werden Gewürze und andere Reichtümer von den Spaniern lieber mühsam mit Karawanen über den Landweg, die Meerenge Panamas, transportiert und dann nach Europa verschifft. Innerhalb weniger Jahre gerät die Magellanstraße fast vollständig wieder in Vergessenheit.
Auch andere Erfolge Magellans erweisen sich als wenig dauerhaft. Die Entdeckung und Inbesitznahme der Gewürzinseln im Auftrag Spaniens, für die der Generalkapitän und viele seiner Männer ihr Leben gegeben haben, wird vom spanischen König letztlich zum reinen Handelsobjekt. Nach heftigem Streit mit Portugal verkauft Karl V. die spanischen »Rechte« an den Molukken 1529 zum Dumpingpreis von 350 000 Dukaten an den Herrscher ganz im Südwesten Europas.
Den Ruhm für die erste Reise um die Welt aber kann Magellan keiner nehmen. Und schon die bloße Wiederholung seiner legendären Tat bleibt auch Mitte des 16. Jahrhunderts noch eine schier unüberwindliche Hürde. Erst 50 Jahre nach Magellan gelingt dem berüchtigten Piraten und Entdecker Francis Drake Ende der 70er-Jahre die zweite Weltumsegelung. Auf seiner (vergeblichen) Suche nach dem legendären reichen Südkontinent Terra Australis Incognita muss auch er 1578 vor der Durchquerung der Ost-West-Passage in Port San Julián eine Meuterei niederschlagen, ehe er die Durchfahrt wagen kann. Am anderen Ende angekommen, gerät die kleine Flotte in einen Sturm und Drakes Schiff, die »Golden Hind«, wird nach Süden verschlagen.
Als erster Europäer gelangt Drake dabei nach Kap Hoorn und erkennt den wahren Wert der Magellanstraße. Sie trennt nur Feuerland und Südamerika voneinander und nicht zwei Kontinente. Nach einer erfolgreichen Kaperfahrt entlang der südamerikanischen Küste in Richtung Norden gelangt er über die Molukken nach England zurück. Am 26. September 1580 erreicht Drake schließlich den Heimathafen Plymouth. Endlich hat Magellan einen Nachfolger gefunden. Die erste britische – und nach Magellan die zweite Weltumsegelung überhaupt – ist vollbracht. Die Königin ist »amused« und Drake wird zum Sir ernannt.
In den Jahrzehnten und Jahrhunderten danach erhält die Magellanstraße doch noch ihre Würdigung. Nach und nach entwickelt sich ein reger Schiffsverkehr rund um Kap Hoorn und durch den »Kanal« zwischen Feuerland und Patagonien. Städte wie Punta Arenas im heutigen Chile, die von Handel und Fischfang leben, werden entlang der Magellanstraße gebaut. Ein später Erfolg der Reise Magellans.
Spätestens 1913 aber steht die Magellanstraße als blühender Handelsweg doch vor dem Aus. Der US-amerikanische Präsident Wilson eröffnet in diesem Jahr feierlich den Panama-Kanal. Damit gibt es eine – wenn auch künstliche – Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik in Äquatornähe und der weite und gefährliche Weg Richtung Süden wird für viele Schiffe überflüssig. Harte Zeiten für die Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Region!
Seitdem wird die Magellanstraße gerne von Kreuzfahrtschiffen befahren, die die Pinguinkolonie auf der Insel Magdalena ansteuern, die Stadt Punta Arenas besuchen und von dort weiter über die argentinische Siedlung Ushuaia auf Feuerland bis nach Puerto Williams, den südlichsten Ort der Welt, vordringen.
Auch zahlreiche Segelboote, die die ruhigere Magellanstraße dem Weg um Kap Hoorn vorziehen, suchen sich ihren Weg durch die Kanäle zwischen Patagonien und Feuerland.
In den letzten 20 Jahren zeigt sich für die Menschen ganz im Süden des amerikanischen Kontinents aber ein Silberstreif am Horizont. Im Bereich der Magellanstraße haben Geowissenschaftler größere Erdöllagerstätten gefunden, die mittlerweile auch kommerziell ausgebeutet werden. Eine neue sprudelnde Einnahmequelle hat sich für die Region aufgetan, von der Magellan noch nichts ahnte: das schwarze Gold.
Die Erde ist rund! Die erste Weltumsegelung und die Entdeckung der Passage zwischen Atlantik und Pazifik haben Magellan auf der ganzen Welt so berühmt und populär gemacht, dass sein Name auch heute noch in keinem Atlas fehlt. In vielen Ländern der Erde gibt es Orte oder Regionen, die seinen Namen tragen. Reiseveranstalter versuchen mit der Bezeichnung »Magellan« die Phantasie der Reisefreaks zu beflügeln und damit Kunden zu werben. Denkmäler, Stiftungen oder andere Projekte erinnern nicht nur in Südamerika an seine historische Tat. Sogar eine hübsche Pinguinart, die unter anderem in den Gewässern der Magellanstraße lebt, ist nach ihm benannt worden. Magellan, also ein makellos strahlender Held, ein untadeliger Seemann und Kapitän, ein humaner Entdecker und Menschenfreund?
Versucht man hinter die Kulissen zu blicken und betrachtet den Menschen Magellan und sein Leben genauer, beginnt die schöne Fassade zu bröckeln. Vieles, was über ihn berichtet wird, ist aus einer sehr europäischen Sicht der Dinge geschrieben.
Schon die Schilderung der Vorgänge bei seinem Tod auf der philippinischen Insel Mactan macht dies deutlich. Fernando Magellan, ein Weißer, ein berühmter Seefahrer und Entdecker, wird am 27. April 1521 von »wilden und blutgierigen Insulanern« getötet. So hat es Pigafetta überliefert, so oder so ähnlich sehen es zeitgenössische, aber auch moderne europäische Chronisten.
Aber waren die Einwohner Mactans wirklich die Aggressoren und Mörder und die Weißen in Person ihres Generalkapitäns nur bemitleidenswerte Opfer? Was konnten die Europäer den Insulanern schon vorwerfen? Nicht unterwürfig genug waren sie und dem Willen der Europäer hatten sie sich nicht widerstandslos gebeugt. Dem Verständnis der europäischen Entdecker nach eine ausreichende Begründung, die Insel zu überfallen und den »Aufständischen« eine Lehre zu erteilen. Sie dringen in ihr Hoheitsgebiet ein, lassen ein Dorf abbrennen und viele Insulaner töten. Magellan ein Held?
Wie so viele andere Entdecker vor und nach ihm treten die Männer um Magellan überall, wo sie Station machen, als erobernde Eindringlinge auf. Für nichts anderes interessieren sie sich als dafür, ihren eigenen Reichtum, ihre eigene Macht zu vergrößern. Wo dabei andere Interessen im Wege stehen, werden sie ausgeräumt, zur Not mit Gewalt. Begeistert hat man sie fast überall begrüßt, zum Teil als Götter verehrt. Der einheimischen Bevölkerung bringen die Weißen aber oft nur Tod und Unterdrückung, Krankheiten und eine völlige Veränderung ihrer Religion und Kultur. Magellan und seine Männer sind dabei keine Ausnahme. Durch ihr Wirken werden sie sogar zu entscheidenden Wegbereitern der Kolonialisierung Südostasiens. Magellan ein Held?
Aber nicht nur im Umgang mit den Bewohnern der besuchten Regionen zeigt sich der Zeitgeist der europäischen Entdecker und Seefahrer im Mittelalter. Auch die eigenen Matrosen haben unter ihrem Anführer Magellan nicht viel zu lachen. Bewusst verschweigt er seinen Männern beim Anwerben beispielsweise das eigentliche Ziel der Reise und die Strapazen, die ihnen bevorstehen. Magellan und seine »Sponsoren« handeln so, »damit sie (die Mannschaft) nicht vor Staunen und Angst unwillig wären, ihn auf so einer langen Reise zu begleiten«, wie Pigafetta schreibt, und so die Ziele der Entdeckungsfahrt gefährden.
Hart gegen sich selbst und gegen andere und ohne Rücksicht auf Verluste zieht Magellan seine Entdeckertour später dann auch durch. Eine Meuterei lässt er brutal niederschlagen, viele Menschen sterben während der Fahrt an Skorbut, Infektionen oder im Kampf mit den Einheimischen. Selbst als bei der Pazifiküberquerung extremer Hunger und Durst die Mannschaften quälen, gibt es keinen Gedanken an Aufgabe. Ganze 18 von 237 Mann der ursprünglichen Besatzung der fünf Schiffe kehren nach drei Jahren schließlich zurück in den Heimathafen. Magellan ein Held?
Aber Magellan ist kein Einzelfall. Kaum ein Kapitän der damaligen Zeit kümmert sich wirklich um das Wohl seiner Mannschaft. Keiner versucht, drohende Krankheiten durch gute Reisevorbereitungen und gesunde Ernährung auf ein Minimum zu reduzieren. Reich wollen sie werden, die damaligen Entdecker und Seefahrer, Ruhm wollen sie ernten, als große Helden wollen sie in die Geschichte eingehen. Für Humanität und Menschlichkeit bleibt da keine Zeit.
Erst 250 Jahre nach Magellan revolutioniert der berühmte Brite James Cook die Seefahrt in dieser Hinsicht. Ihm gelingt es endlich, die Geißel der Seefahrt, den Skorbut, durch vitaminreiche Kost zu besiegen und so die Verluste unter den Matrosen während seiner drei Reisen in den Pazifik gering zu halten. Magellan ein Held?
Der historische Wert der Leistung Magellans und seiner Gefährten soll durch diese Gedanken allerdings nicht geschmälert werden. Die Erde ist rund. Die erste Weltumsegelung und der damit verbundene Beweis für die Kugelgestalt der Erde führten dazu, dass die Menschen des 16. Jahrhunderts endgültig Bescheid wussten über die Größe, die Form ihres eigenen Planeten. Nur wenige Geniestreiche in der Geschichte der Menschheit sind mit diesem Kunststück Magellans vergleichbar. Allenfalls die erste Nonstop-Überquerung des Atlantiks per Flugzeug durch Charles Lindbergh im Jahre 1927, die Eroberung des Weltalls durch Juri Gagarin in der Wostokkapsel 1961 oder die erste Mondlandung durch die amerikanische Apollo 11-Besatzung 1969 verdienen es wohl, mit der Leistung Magellans in einem Atemzug genannt zu werden.
Dieter Lohmann
»Wahrlich, die achtzehn nach Spanien zurückgekehrten Seeleute wären ewigen Ruhmes würdiger als die Argonauten, und ihr Schiff, die ›Victoria‹, verdiente es eher als die Argo, unter die Sterne versetzt zu werden.«
MAXIMILIANUS TRANSILVANUS AN DEN ERZBISCHOF VON SALZBURG
– VORWORT DES HERAUSGEBERS –