Über die Autorin
Nicole Vaatstra ist am 10. März 1970 in Thal SG in der Schweiz geboren. Schon als Kind träumte sie von weiten Sandstränden und Freiheit. Mit 17 Jahren absolvierte sie eine Berufslehre zur Klavierbauerin. Der Wunsch zu reisen liess sie aber nicht los. Im April 1992 erfüllte sie sich einen innigen Wunsch. Zusammen mit ihrem damaligen Freund und heutigen Ehemann bereiste sie für ein halbes Jahr Australien, Neuseeland und Teile der Südsee. Im August 1994 wurde sie stolzes Gotti (Patentante) von Natalie. Es folgten immer mal wieder verschiedenste Reisen unter anderem die dreimonatige Tour durch die USA. Im Jahr 1996 heiratete sie und im Juni 2000 erfüllte sich ein weiterer sehnlichster Wunsch. Sie wurde Mutter eines Jungen. Ziemlich genau fünfeinhalb Jahre später durften sie und ihr Mann das grosse Wunder nochmals erleben. Denn im Dezember 2005 kam ihre Tochter Colleen zur Welt.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2020 Nicole Vaatstra
Herstellung BoD und Verlag – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7494-0582-4
Es ist mit Worten nicht zu beschreiben, was es mit mir macht, wenn meine Schwester laut, ja schreiend weint, aus Sehnsucht nach ihrem geliebten Kind!
Leere Seite
In der Mitte des Buches befinden sich Fotos von Natalie, auch ein Gedicht und eine Geschichte, die Natalie selbst geschrieben hat. Hinzu kommt ein „inspirierter“ Text, in dem ich aufgeschrieben habe, was mir Natalie „mitteilte“.
Dieses Buch, welches Sie liebe Leser gerade in Ihren Händen halten, liegt mir sehr am Herzen. Die Geschichte, die ich darin erzähle, hat meine Sicht auf das Leben komplett verändert. Der Beginn dieser Geschichte liegt nun über zwei Jahre zurück. Meine Familie und ich erlebten ein Trauma, ein Schicksalsschlag, für welches es keine Worte gibt. So auf jeden Fall erlebte ich es. In dieser Zeit begann aber mein neuer Weg. Da ich zu dieser Zeit kein Zeitgefühl mehr hatte und mir auch nicht immer alles notierte, ist es mir heute leider nicht möglich genaue Zeitangaben mehr zu geben, was aber eigentlich keine Rolle spielt. Denn mein Anliegen ist es, Menschen zu helfen, die ein ähnliches Schicksal erlebt haben.
Dies ist mein erstes Buch. Obwohl ich Legasthenikerin bin und von Bücherschreiben keine Ahnung habe, möchte ich mich darauf einlassen. Meine Geschichte soll nicht nur berühren, sondern aufrütteln, Mut machen, Kraft schenken und jedem einzelnen Leser gute Energie zukommen lassen, damit er sich auf seinen ganz persönlichen Weg begeben kann.
Leere Seite
Wir schreiben den 5. November 2017. Es ist Sonntagmorgen. Zu dem Zeitpunkt befindet sich meine geliebte Nichte Natalie in Australien. Seit knapp zehn Wochen lebt sie in Noosa ihren Traum. Sie besucht eine Sprachschule, in der sie einen Abschluss in Englisch machen möchte.
An diesem besagten Sonntagmorgen klingelte unser Telefon. Mein Mann Rick nahm den Anruf entgegen. Sein Gesicht verzehrte sich sogleich angsterfüllt und er streckte mir den Telefonhörer entgegen. Sein Kommentar lautete nur: „Deine Schwester“. Ich nahm das Telefon und konnte meine Schwester sagen hören, dass Natalie einen schweren Unfall hatte. Sie liege auf der Intensivstation und sie sei nicht bei Bewusstsein. Die Ärzte könnten das Schlimmste nicht ausschliessen. Natalie sei während des Schwimmens in ihrem geliebten Ozean ertrunken. Ein zufällig anwesender Arzt habe sie zirka dreiviertel Stunden reanimiert, bis er endlich einen schwachen Puls feststellen konnte. Unter Schock sagte ich zu meiner Schwester Daniela, dass ich mich gleich zu ihr aufmache, denn sie und ihr Mann Hännes müssten so schnell wie möglich zum Flughafen und nach Australien reisen. Während ich meine Schuhe anzog, erzählte ich Rick vom Unglück und überliess ihn einfach seinen Gedanken. Ich fuhr so schnell wie möglich zu meiner Schwester. Vor lauter Tränen, Schock und Unverständnis sah ich die Strasse kaum, auf der ich fuhr und der Weg dauerte, so kam es mir vor, wie eine Ewigkeit. Als ich bei Daniela und Hännes eintraf, sah ich in angsterfüllte, von Schock gezeichnete Gesichter. Es war der blanke Alptraum. Der Bruder von Hännes traf mit seiner Frau kurz nach mir ein und wir alle funktionierten nur noch. Hännes setzte sich mit dem EDA in Verbindung, fragte nach, wie er vorgehen sollte für die rasche Einreise nach Australien. Bei der Zollbehörde erklärten sie ihm, wie das mit dem Visum abläuft und dem provisorischen Reisepass. Der Bruder von Hännes sorgte dafür, dass alle wichtigen Papiere eingepackt wurden. In der Zwischenzeit kümmerte ich mich zusammen mit Daniela um das Einpacken der nötigsten Sachen. Daniela hatte zwischendurch einfach aufgehört zu atmen. Der Schock hat sie gelähmt und die Angst um ihre überallesgeliebte Tochter, hat sie total blockiert. Also habe ich begonnen mit ihr zu atmen. Fast so wie bei einer Geburt, in der die Gebärende im Schmerz der Wehen auch oft das Atmen nicht mehr kontrollieren kann. Ich setzte Daniela auf die Bettkannte und atmete mit ihr in gleichmässigen Zügen. So fand sie dann wieder ihren Rhythmus. Als wir merkten, dass sie keine geeigneten Koffer besitzen, machte ich mich auf zu unseren Eltern, die ganz in der Nähe wohnen. Als ich bei meinen Eltern ankam, zeigte sich mir das gleiche Bild wie schon bei Daniela und Hännes. Blanker Schock! Ich nahm den Koffer und gleich auch meine Eltern mit ins Auto und fuhr schnellstmöglich zurück zu Daniela. Dort angelangt, packte ich nach kurzem nachfragen, Kleider ein, die wie ich dachte, bequem wären und Sinn machten. Ich fragte Daniela nach wichtigen Medikamenten, die Hännes regelmässig einnehmen muss und kurz danach ging es in Richtung Flughafen. Da der Bruder von Hännes zum Flughafen fuhr und ich auch auf Wunsch meiner Schwester mitfuhr, musste Rick unser Auto abholen. Wir organisierten, dass seine Mutter, also meine Schwiegermutter, ihn bei uns Zuhause abholte und zum Auto brachte. So konnte Rick auch gleich meine vor Schmerz und Angst erfüllten Eltern nach Hause bringen. Anschliessend fuhr er wieder zu unseren Kindern Jannik 17 Jahre und Colleen 11 Jahre. In dieser so schlimmen Zeit, konnte ich nicht bei ihnen sein. Was genau in diesem Moment in ihnen vorging, werden wir nie genau erfahren. Sie wurden damit konfrontiert, dass sie vielleicht ihre einzige Cousine Natalie 23 Jahre für immer verlieren könnten.
Am Flughafen angelangt, suchten wir zuerst die Flughafenpolizeistation auf. Dort wurde Daniela und Hännes ein provisorischer Reisepass ausgestellt. Anschliessend mussten wir zum Desk der Fluggesellschaft Emirates, wo ihnen ein provisorisches Visum ausgestellt wurde und gleichzeitig die Flüge gebucht wurden, die sogleich bezahlt werden mussten. Danach standen wir in der Schlange, um einzuchecken. Zum Glück durften Daniela und Hännes am First-class Schalter anstehen. Das ging dann wesentlich schneller. Als alles erledigt war, gingen wir wie in Trance oder wir Zombies durch die Flughafenhallen bis zum Zoll. Dort mussten wir uns verabschieden. Es brach mir das Herz, meine Schwester und meinen Schwager so ziehen zu lassen. Nicht zu wissen, was sie antreffen werden, welchem Schicksal sie in die Augen sehen müssen. Wir „Zurückgebliebenen“ mussten uns zuerst einmal etwas sammeln. Hännes Bruder, seine Frau und ich blieben schmerzerfüllt, ohnmächtig und machtlos zurück. Wir tranken noch einen Kaffee, um uns ein wenig unserer Emotionen Herr zu werden, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Als ich Zuhause alles erzählt und erklärt hatte, war jeder einzelne von uns in seinem eigenen Schockzustand. Wir konnten nicht fassen, was da gerade passierte. Wir waren gelähmt, nichts ging mehr. Ich loggte mich in den Flight-Tracker ein, suchte anhand der Flugnummer das Flugzeug, in dem meine geliebte Schwester und mein Schwager sassen. Den ganzen Flug über begleitete ich die Beiden via Computerbildschirm am Live-Flight-Tracker, auf ihrem Weg in ihr ungewisses Schicksal. Ich habe begonnen in Gedanken mit Natalie zu sprechen, habe ihr immer wieder gesagt, dass ihre Mum und ihr Dad auf dem Weg zu ihr seien, habe ihr erzählt, wie sehr wir uns alle auf sie freuen und wie sehr wir sie liebhaben. Den ganzen Tag über und beinahe die ganze Nacht wachte ich über dem Computer und verfolgte den Flug. Als Daniela und Hännes dann endlich gelandet waren, war ich mit voller Hoffnung gefüllt. Ich dachte, jetzt wird alles gut. Jetzt sind die drei wieder zusammen und Natalie wacht wieder auf. Was aber wirklich geschah, war ein nicht enden wollender Albtraum. Natalies Körper war absolut heil, sogar ihre inneren Organe erholten sich vom Sauerstoffmangel. Aber ihr Gehirn konnte sich nicht mehr regenerieren. Es begann ein schmerzerfüllter, kräftezerrender, herzzerreissender Leidensweg für Natalies Eltern, Daniela und Hännes. Wir, hier in der Schweiz, konnten nichts tun, ausser auf Nachrichten zu warten, welche wir nur über WhatsApp erhielten. Daniela und Hännes richteten einen Familienchat ein, zu dem die ganze Familie Zugang hatte. In diesem Chat haben sie uns dann auch gebeten, Sprachnachrichten für Natalie zu schicken. Die Hoffnung war, dass vielleicht vertraute Stimmen, Natalie wieder zum Aufwachen animieren könnten. Also begannen wir Sprachnachrichten aufzuzeichnen, in denen wir versuchten, Natalie fürs Leben zu motivieren. Diese Aufnahmen spielten dann die Eltern Natalie vor. Zwei qualvolle Wochen vergingen. Eine niederschmetternde Nachricht nach der andern erreichte uns. Alles war im Ausnahmezustand. Wir konnten nicht mehr klar denken. Unser aller Leben wurde aus den Fugen katapultiert. Trotz allem Schrecklichen musste das Leben weitergehen. Unser Sohn Jannik stand mitten in seiner Berufsausbildung und unsere Tochter Colleen stand vor dem Übertritt in die Oberstufe. In dieser so schwierigen Zeit war für mich der älteste Bruder von Hännes enorm wichtig. Er war wie ein Fels in der Brandung. Durch das er Hännes so gut einschätzen konnte, sprach ich vieles mit ihm ab, bevor ich handelte oder etwas ins WhatsApp schrieb. Wir alle wollten für Daniela und Hännes eine Stütze sein und sie nicht noch mehr belasten, als sie ohnehin schon waren. Uns war bewusst, dass alles was „nur lieb gemeint“ war, manchmal eher belastend daherkommt. Obwohl Daniela, Hännes und Natalie uns allen mehr als wichtig sind und wir die drei über alles lieben, konnten wir nicht mal erahnen, was diese schreckliche Zeit mit ihnen machte. Nach zwei Wochen hoffen, beten und bangen, meinten die Ärzte, sie könnten nicht mehr tun als abzuwarten. Somit entschieden sich Daniela und Hännes, Natalie nach Hause in die Schweiz zu bringen. Alles wurde in die Wege geleitet. Weil Natalie eine Rückführungsversicherung abgeschlossen hatte, wurde dies erst überhaupt möglich. Es wurde ein Datum festgelegt, dann wieder verschoben, weil der Gesundheitszustand von Natalie wieder instabil wurde. Nachdem die Ärzte dann endlich einwilligten, wurde Natalie durch einen sechsundzwanzig- stündigen Flug mit der Rega, nach Zürich geflogen. Am Anfang war noch nicht klar, ob die Eltern im Rega- Jet mitfliegen könnten, ob genug Platz vorhanden sein würde. Zum Glück war dies aber kein Problem und Daniela und Hännes konnten wenigstens an Natalies Seite sein. Vom Flughafen Zürich aus, wurde Natalie dann mit dem Krankenwagen ins Kantonsspital St. Gallen gebracht. Nun konnten die ganze Familie und ihre Freundinnen Natalie besuchen. Wir gaben nicht auf, wir alle konnten nicht glauben, was geschehen war. Wir alle, insbesondere Daniela und Hännes, versuchten alles, um Natalie aus dem Wachkoma, in dem sie sich mittlerweile befand, aufzuwecken. Es gab immer wieder Momente, in denen unsere Hoffnung wuchs. Momente, in denen wir glaubten, dass Natalies Augen den Stimmen folgten, wenn wir miteinander sprachen. Oder wenn wir dachten, sie weine, weil Tränen aus ihren Augen kullerten. Oder wenn sie kurz mit dem Arm zuckte. Die Ärzte jedoch erklärten…das mit den Augen wäre nicht möglich, das mit den Tränen sei wegen der Augentropfen, die von Pflegern verabreicht wurden damit die Augen nicht austrockneten und das Zucken seien Reflexe. Nach zwei unsäglich traurigen Wochen, in denen die Ärzte keine Veränderungen im Gehirn feststellen konnten, entschieden sich Daniela und Hännes für den Weg der Liebe. Sie willigten ein, den palliativen Weg zu gehen und somit Natalie ziehen zu lassen. Sie brachten es nicht übers Herz, nur aus egoistischen Gründen Natalie einfach am Leben zu erhalten. Nur damit sie ihre geliebte Tochter noch hier auf Erden hätten. Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, Natalie in ein Pflegeheim für Wachkomapatienten zu verlegen. Den mit Worten nicht zu beschreiben schweren Entscheid, den Daniela und Hännes gefällt hatten, war nur zu Gunsten von Natalie. Der Gedanke, dass Natalie für unzählige Jahre nur da liegen müsste, ohne Aussicht auf Besserung, war nicht aus zu halten. Sie wollten ihrem über alles geliebten Schatz diesen Leidensweg ersparen. Also entschieden sie sich für den für sie selbst schmerzvollsten Weg. Sie gaben die Seele ihrer Tochter frei.
Jeder hatte im Stillen noch Hoffnung, dass ein Wunder geschehen könnte. Dass Natalie auf einmal doch noch ihre lieben, schönen Augen öffnet und sich für das Leben hier auf Erden entscheidet. Am 30. November um 12.00 Uhr mittags kam das erschütternde WhatsApp. Natalie ist für immer eingeschlafen. Ich war mit Colleen allein Zuhause. Wir haben uns in die Arme geschlossen und geweint. Wir konnten es nicht fassen, der Schmerz war so unbeschreiblich gross. Plötzlich schoss mir aber mit Schrecken durch den Kopf, Jannik liest diese Nachricht auf der Arbeit in der Mittagspause und musste ganz allein damit klarkommen! Ich rief ihn sogleich an und fragte ihn, ob er nicht nach Hause kommen möchte. Er verneinte, er gab der Trauer keinen Raum, er wollte einfach nur arbeiten. Auch Colleen wollte nicht zuhause bleiben. Sie wollte in die Schule, das lenke ab. Also blieb ich allein zuhause. Ich musste an meine Schwester und Hännes denken, die gerade jetzt durch die Hölle gingen. Sie hatten ihr Allerliebstes verloren. Nichts und niemand konnte ihnen in diesem Moment helfen. Etwas Schlimmeres gibt es nicht. Alles wirkte still und kalt. Ich fühlte mich taub und leer. Atmen fiel mir schwer und ich schnappte buchstäblich nach Luft. Der Schmerz zerriss mir mein Herz. Die Ohnmacht und Hilflosigkeit zermürbten meine Gedanken und ich befand mich am Rande des Wahnsinns. Dabei dachte ich immer wieder an meine geliebte Schwester und meinen Schwager. Wie um Himmels Willen musste es ihnen ergehen, wenn ich schon nicht klar kam mit dieser schrecklichen Situation. Und wie musste es meinen Eltern ergehen, sie hatten ihre Enkelin verloren und gleichzeitig einen Teil ihrer eigenen Tochter. Denn ihnen war bewusst, Daniela wird nie mehr so sein, wie sie vorher war. Wir waren allesamt unter Schock. Eigentlich befanden wir uns seit dem 5. November konstant in diesem Schockzustand.
Wir waren doch gerade eben noch voller Hoffnung, dass ein Wunder geschehen möge und dann diese schreckliche Tatsache, dass Natalie für immer eingeschlafen ist. Uns allen fehlten die Worte. Stille legte sich auf jeden einzelnen der Familie. Schweigen breitete sich aus.
Für Daniela und Hännes war klar, Natalie sollte kremiert werden und sie sollte nicht auf einem Friedhof beigesetzt werden. Sie wollten Natalie zurück ins Meer bringen. Dorthin, wo sie zum ersten Mal gestorben ist. Natalie liebte das Meer, den Ozean mit all seinen Bewohnern. Also war es klar, Natalie muss zurück ins Wasser. Wie in einem Albtraum setzten Daniela und Hännes eine Todesanzeige zusammen und machten sich Gedanken darüber, wie sie die Abdankungsfeier ihrer geliebten Tochter ausrichten konnten. Eine kirchliche Feier kam für sie beide nicht in Frage, da sich Natalie ganz bewusst dazu entschieden hatte, aus der Kirche auszutreten. Sie brauchte die Kirche nicht um zu glauben, Natalie lebte ihren Glauben. Sie hatte schon damals das Wissen, dass nicht die Religion den Glauben ausmacht, sondern der Glaube an sich ist Religion. Hännes wurde ein Saal im Rathaus, wo er arbeitet, angeboten. Der Saal war gross genug und nur über einen Personenlift mittels passendem Schlüssel zu erreichen. Somit hatten sie die ideale Location gefunden. Am 9. Dezember half ich den Saal einzurichten. Vorne, auf zusammengeschobenen Tischen, drapierten wir die Urne. Die Urne erinnert an Wasser, mit Verzierungen wie Wellen. Um die Urne herum streuten wir Sand aus Australien, den Rick und ich von unserer Australienreise her noch hatten und setzten Muscheln in den Sand, so sah es aus wie am Strand. Wir stellten Engel auf und überall mit Sand gefüllte Gläser in denen Kerzen brannten. Für Daniela und Hännes war es sehr wichtig, dass es nicht nur ein Saal blieb, sondern ein Raum der Wärme und Liebe ausstrahlte. So, wie Natalie das auch immer getan hat….
Ich möchte hier nicht weiter ins Detail gehen, denn ich denke, es ist nicht nötig zu sagen, dass diese schwere Zeit mit Worten nicht zu beschreiben ist.
Auf jeden Fall wurde es nicht einfacher, nachdem die Abdankungsfeier vorbei war. Es wurde ruhiger. Jetzt erst begann der schwerste Prozess der Trauer. Nämlich das weiter leben ohne Natalie. In diesen ersten so schwierigen Wochen fragte mich meine Schwester immer wieder, wo denn jetzt ihre geliebte Maus sei. Sie wollte wissen, wo sie ist und ob es ihr gut ging. In dieser Zeit war ich mal zu Besuch bei der Schwägerin meiner Schwester. Dort drückte mir die Schwägerin eine Adresse von einem Medium in die Hand. Sie meinte, vielleicht könnte es ja Daniela helfen. Ich war etwas erstaunt, aber nahm die Adresse sehr gerne an mich. Ich erzählte Daniela davon, aber sie war sich nicht sicher, ob es gut für sie wäre. Ich versprach ihr aber, dass ich diesen Herrn mal anrufen würde, um heraus zu finden, was für ein Mensch er ist.
Ich rief also diesen Herrn, der von sich sagt, ein Medium zu sein, an. Er war überaus nett und sprach mit einer angenehm ruhigen Stimme. Ich erzählte ihm ein bisschen von unserer Situation und fragte ihn, ob er bereit wäre, einen Kontakt für meine Schwester zu machen. Der Herr meinte, er habe ein gutes Gefühl und er denke, dass dies sehr wohl möglich wäre, sofern meine Schwester dies möchte und bereit dazu sei. Es sei aber nicht zwingend, dass der Kontakt sofort geschehen müsse, es pressiere überhaupt nicht. Er gab mir zu verstehen, dass meine Schwester auch in zwei Jahren vorbeikommen könne. Es sei nicht von der Zeit abhängig. Viel wichtiger sei, dass meine Schwester bereit dazu sei. Das Telefonat überraschte mich sehr positiv. Dieses Medium wohnt und arbeitet aber nicht in der Schweiz, was absolut kein Problem darstellte, dennoch dachte ich für mich, es müsste doch auch in der Schweiz so jemanden geben. Als ich mich dann via Internet umsah, stiess ich auf den Namen Pascal Voggenhuber. Ich las dann einiges über ihn und sah mir einige Videos auf YouTube an. Als ich mit meiner Schwester telefonierte und ihr alles erzählte, meinte sie, sie hätte, so glaube sie, ein Buch von diesem Pascal im Bücherregal. Sie schaute gleich nach. Tatsächlich war sie im Besitz eines Buches von Pascal. Es war das Buch „Entdecke deinen Geistführer“. Bei der nächsten Gelegenheit holte ich mir das besagte Buch und verschlang es. Dieses Buch überraschte mich einerseits und doch wieder nicht. Aber es rüttelte mich auf und weckte meinen Hunger nach Wissen.