Josef Engling (1898 – 1918)

Selbsterziehung im Schützengraben.

Eine kleine Biografie nach seinen eigenen Zeugnissen.

Von Manfred Probst SAC

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Herkunft und Familie

Der Wunsch, Missionar in Kamerun zu werden

Im Studienheim der Pallottiner in Schönstatt

Zeuge des Kriegsbeginns in Ostpreußen

Schüler unter erschwerten Bedingungen

Apostolat in den Sommerferien 1915

Präfekt der Congregatio Minor

Gedanken zum Sinn des Krieges

Aktivierung der Soldaten-Sodalen

Die Sommerferien 1916 in Erwartung der Einberufung

Als Soldat in Hagenau

Kontakt mit seinem Seelenführer und Beichtvater

Einsatz an der Ostfront in Russland

Reaktionen auf Menschenschinderei beim Militär

Soldat vor Verdun an der Westfront

Das Apostolatsprogramm

Josef Engling im Spiegel dreier Klassenkameraden

Vorwort

Die kurze Lebensspanne von 20 Jahren, die Josef Engling (1898 – 1918) nur vergönnt war, ist zugleich eine Zeit des Abbruchs und Umbruchs, der sich bereits vor dem ersten Weltkrieg andeutete und dann durch ihn herbeigeführt wurde. Ihm voraus gingen im preußisch dominierten deutschen Kaiserreich eine Phase der Kolonisierung in Afrika und Ozeanien sowie einer wirtschaftlichen Prosperität. Zur gleichen Zeit gab es unter den deutschen Katholiken große Missionsbegeisterung und die Bereitschaft, in fremde Länder zu ziehen und dort den katholischen Glauben zu verkünden.

Man kann dies an der Gemeinschaft der Pallottiner ablesen, die sich im Gespräch mit der deutschen Reichsregierung und der Zentrumspartei anbot, deutsche Missionare in die damalige Kolonie Kamerun zu schicken. Dies war auch ein Thema bei dem Katholikentag 1890 in Koblenz, an dem der Reichstagsabgeordnete Reichensberger und der Leiter der ersten Expedition der Pallottiner, P. Heinrich Vieter, teilnahmen. Voraussetzung war die Erlaubnis der preußischen Regierung, Schulen für die Ausbildung junger Männer einzurichten, die sie zum Abitur führen sollten. Auch die Einrichtung einer philosophisch-theologischen Lehranstalt gehörte dazu, um die höheren Studien betreiben zu können. Man wurde sich einig. Bereits 1890 machten sich die ersten deutschen Pallottiner auf die gefährliche Seereise nach Kamerun. Diese ersten deutschen Missionare hatten ihre Ausbildung in der italienischen Stadt Masio erhalten. Erst 1892 gelang es, in Limburg an der Lahn ein Missionshaus aufzubauen. Weitere Schulen wurden eingerichtet 1893 in Ehrenbreitstein und 1901 in Vallendar, wo 1912 ein stattlicher Neubau „auf der Klostermauer“ errichtet wurde. Hier begann der Ostpreuße Josef Engling 1912 seine Gymnasialstudien, aber auch die aus dem nahe gelegenen Westerwald stammenden Richard Henkes und Alexander Menningen. Sie gehörten zu den Schülern, die die erste Klasse bevölkerten. Zugleich wurde P. Josef Kentenich, bis dato Lehrer in Ehrenbreitstein, zum Spiritual des neuen Hauses ernannt.

Die Pallottiner hatten sich auf die Eröffnung des Hauses gründlich vorbereitet. In drei oder vier Kleinschriften hatten sie ihre Vorstellungen über Erziehung und Schule für die Lehrer, Erzieher, die Hausleitung sowie die Schüler zusammengefasst. 1 Jeder eintretende Schüler erhielt ein Exemplar der „Statuten für die Studenten des Studienheims Kloster Schönstatt, Vallendar, Limburg 1912“. Es umfasste 70 Seiten und enthielt alle notwendigen Orientierungen. 1912 wurde die neue Schule mit einem Festakt eröffnet.

Vgl. dazu Manfred Probst, Einige bedeutende Personen im Studienheim Schönstatt, in: Pallotti-Institut Vallendar (Hg.), 100 Jahre „auf der Klostermauer“ – eine Schule des Apostolates und der Heiligkeit (Beiträge zur pallottinischen Forschung Band) 2, Friedberg 2012, 24 Anm. 1– 5.

Herkunft und Familie

Josef Engling wurde am 5. Januar 1898 in Prositten in Ostpreußen geboren. Der Vater war Schneidermeister. Die Familie hatte sechs Kinder, vier Jungen – August, Josef, Johannes und Valentin und zwei Mädchen, Elisabeth und Luzia. Josef konnte eine sorglose, frohe Kindheit erleben. Josef wird ein angeborener Schaffenstrieb nachgesagt, der ihn drängte, bei jeder Arbeit in Haus und Feld herzhaft zuzupacken, aber auch eigene Initiativen zu ergreifen. So fertigte er sich während der Vorbereitung auf die Erstkommunion selber ein Tagebuch an. Die Idee dazu kam ihm, als er eine Geschichte „Aus dem Tagebuch einer Erstkommunikantin“ las. In seinen Aufzeichnungen notierte er Gedanken und Geschichten aus dem Erstkommunionunterricht des Pfarrers und den Predigten, denen Josef jeweils einen Vorsatz für sein Leben anschließt. Er weiß also früh, dass das Gehörte in das Alltagsleben umgesetzt werden muss. Ein kurzes Beispiel: „4. Mai Nr. 4 Der wahre Mönch. Ein Weltweiser gab einst einem Mönch einen Backenstreich. Ohne sich aufzuregen bot der Mönch ihm auch die andere Wange dar. Da sprach der Weltweise: ‚Du bist ein wahrer Mönch‘.

Vorsatz. Ich will mich nicht aufregen, wenn mich jemand schlägt.“ 2 Bei einer so intensiven persönlichen Vorbereitung konnte die Feier der ersten heiligen Kommunion am 29. Juni 1910 Josefs empfängliche Seele tief beeindrucken. Er war damals ein Junge von zwölf Jahren, der sich selbst streng beurteilte. So schreibt er am 1. Januar 1911 in sein Tagebuch: „Das alte Jahr ist vergangen und ich viel Böses getan (sic). Aber wie steht es mit dem Guten? Sehr schlecht. Gott hat mir das Böse verziehen. Nun trete ich in das neue Jahr, in das Jahr 1911 mit frohen Hoffnungen und mit dem Vorsatz 1. alle Sünden und die Gelegenheit derselben zu meiden. 2. recht viel Gutes zu tun. Möge mir Gott helfen, diesen Vorsatz auszuführen.“ 3

Josef Engling, Tagebücher 3. Sein Klassenkamerad Richard Henkes hebt später den Verzicht auf Gewalt des starken, kräftigen Jungen gegen seine Schulkameraden hervor; vgl. Bericht über Josef Engling, in: M. Probst (Hg.) Lebensweg eines Glaubenszeugen, Friedberg 2016, 94 – 97, hier 95. In der Militärzeit war er allerdings einmal in eine Schlägerei verwickelt; vgl. Engling III, Briefe 427.

Engling, Tagebücher 8.

Der Wunsch, Missionar in Kamerun zu werden

Im Sommer 1911 gibt Josef eine Zustandsbeschreibung von sich selbst. Er schreibt nach der Angabe von Ort und Datum seiner Geburt: „Als ich 11 ½ Jahre alt war trat ich im Sommer bei einem Besitzer in Landau in Dienst. Hier bin ich nun schon den dritten Sommer. Auf Martin werde ich nach Hause zu den Eltern ziehen. Dann wollen wir Geschwister uns alle treffen. Zu Hause will ich dann bis Weihnachten bleiben. Dann komme ich aus der Schule (sic). Von Weihnachten an bin ich bis Martini 1912 bei meinem alten Dienstherrn. Was ich weiter tun werde weis ich nicht.“ 4 Sein Wunsch, Missionar zu werden, muss also 1912 aufgekommen sein.

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Studienheim der Pallottiner; Quelle: Archiv der Pallottiner, Limburg

Engling, Tagebücher 11.

In seinem ersten Tagebuch ist die letzte Eintragung vom 3. Dezember 1911. Ihr schließen sich zwei Seiten mit lateinischen Begriffen der Grammatik an.