Henry David Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat
Übersetzt von David Adner
Neuausgabe.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Benjamin D. Maxham, Daguerreotype of Henry David Thoreau, 1856.
ISBN 978-3-8430-8207-5
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-8430-8131-3 (Broschiert)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Originaltitel: »The Resistance to Civil Government«. In der ersten Werkausgabe wurde daraus »Civil Disobedience« und später »On the Duty of Civil Disobedience«. Diese Übersetzung von David Adner steht unter einer Creative Commons Namensnennung Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.
Ich bejahe von Herzen den Wahlspruch: »Die beste Regierung ist die, die am wenigsten regiert.«1 Gerne würde ich sehen, dass schneller und gründlicher nach ihm gehandelt wird, denn dies würde schließlich zu etwas führen, das ich ebenfalls glaube: Die beste Regierung ist die, die überhaupt nicht regiert«. Sobald die Menschheit dafür bereit ist, wird dies die Regierung sein, die sie hat.
Regierungen sind auch im besten Fall nicht mehr als ein Notbehelf, und dabei sind die meisten Regierungen für gewöhnlich unnötig, und alle Regierungen sind es gelegentlich. Die zahlreichen, schwerwiegenden und auch berechtigten Einwände, die gegen eine stehende Armee vorgebracht werden,2 können ebenso gegen eine ständige Regierung vorgebracht werden. Die stehende Armee ist nur ein Arm der ständigen Regierung. Eine Regierung ist nur die Form, die das Volk gewählt hat, um seinen Willen auszuführen. Aber genau wie die Armee ist sie anfällig dafür, missbraucht und zweckentfremdet zu werden, bevor das Volk durch sie handeln kann. Ein Zeugnis dafür gibt der gegenwärtige Krieg gegen Mexiko,3 in dem einige Wenige die ständige Regierung als ihr Werkzeug benutzen, denn zu Beginn des Krieges hat das Volk diesem nicht zugestimmt.
Diese amerikanische Regierung – ist sie nicht nur eine Tradition, die versucht, sich unbeeinträchtigt an die kommmenden Generationen weiterzugeben, dabei aber jedes mal ein Stück ihrer Redlichkeit verliert? Sie hat nicht die Dynamik und Kraft eines einzigen Mannes, denn ein einziger Mann kann sie seinem Willen unterwerfen. Sie ist dem Volk ein defektes und unzuverlässiges Werkzeug. Aber sie ist dennoch notwendig, denn das Volk braucht irgendeine komplizierte Maschine und muss ihr Getöse hören, um seine Vorstellung von Regierung zu befriedigen. Regierungen zeigen, wie erfolgreich Menschen eingeschränkt werden können und sich sogar freiwillig Beschränkungen auflegen, wenn es ihrem Vorteil dient. Das ist in der Tat bemerkenswert. Und doch hat diese Regierung aus sich heraus noch nie ein Unternehmen auf eine andere Weise vorangebracht als durch ihre Bereitwilligkeit, ihm aus dem Wege zu treten. Nicht sie wahrt die Freiheit des Landes.
Nicht sie besiedelt den Westen. Nicht sie schafft Bildung. Das amerikanische Volk hat alles getan was erreicht wurde, und es hätte mehr getan, wenn die Regierung ihm nicht hin und wieder im Wege gestanden hätte. Denn Regierungen sind Einrichtungen, in deren Gegenwart Menschen dazu neigen, sich voneinander abzuwenden. Und wie gesagt wird: Wenn die Regierung am notwendigsten wäre, sind die Regierten am meisten allein gelassen. Wären Gewerbe und Handel nicht gleichsam aus Gummi, würden sie es nie schaffen über die Hindernisse zu springen, die die Gesetzesgeber ständig in ihren Weg legen. Wenn die Regierenden nur nach den Folgen ihres Tuns gerichtet werden sollten und nicht auch nach ihren guten Absichten, müssten sie zusammen mit den übel gesonnenen Menschen eingereiht und bestraft werden, die Blockaden auf den Schienen errichten.
Aber um praktisch und als ein guter Bürger zu sprechen: Anders als jene, die sich Anarchisten nennen, wünsche ich nicht eine sofortige Abschaffung, sondern eine sofortige Besserung der Regierung. Jeder Mann sollte bekannt geben, welche Art von Regierung seinen Respekt gewinnen würde, und dies wäre der erste Schritt hin zu dieser Regierung.