Die Zukunft gehört den Mutigen.
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ISBN 978-3-96789-017-4
1. Auflage 2021 © Rubikon-Betriebsgesellschaft mbH, München 2021
Lektorat: Susanne George, Konzept und Gestaltung: Buchgut, Berlin
VORSPIEL (KONTAKTLOS)
I .
DIE VERSCHWÖRUNG DES TEAM BILL
II .
DIE VERSCHWÖRUNG DES TEAM MENSCH
DANKSAGUNG
ANMERKUNGEN
JEDER MENSCH UNTER DREISSIG,
DER ÜBERHAUPT ETWAS ÜBER DIE
BESTEHENDE SOZIALE ORDNUNG
WEISS UND NICHT REVOLUTIONÄR IST,
IST NUR MITTELMASS.
GEORGE BERNHARD SHAW
WIRD DIE PANDEMIE UNS DIE TÜR IN
EINE BESSERE ZUKUNFT ÖFFNEN? […]
EIN NEUSTART IST EINE EHRGEIZIGE
AUFGABE, VIELLEICHT ZU EHRGEIZIG,
ABER WIR HABEN KEINE ANDERE WAHL,
ALS UNSER BESTES ZU GEBEN,
DIESE AUFGABE ZU BEWÄLTIGEN. […]
NICHT ZU HANDELN WÜRDE BEDEUTEN,
ZUZULASSEN, DASS UNSERE WELT
NIEDERTRÄCHTIGER, GESPALTENER,
GEFÄHRLICHER, EGOISTISCHER UND FÜR
GROSSE TEILE DER WELTBEVÖLKERUNG
EINFACH UNERTRÄGLICH WIRD. NICHTS
ZU TUN IST KEINE GANGBARE OPTION.
KLAUS SCHWAB
WIR LIEGEN HEUTE DEN KÜNFTIGEN
GENERATIONEN AUF DER TASCHE
UND HINTERLASSEN IHNEN EINEN MIT
SEHR HOHEN KOSTEN VERBUNDENEN
EXPLOSIVEN MÜLLEIMER, WÄHREND WIR
GLEICHZEITIG VERHINDERN, DASS SIE
VON IHRER ARBEIT LEBEN KÖNNEN.
PAUL JORION
WIR STEHEN WIE ANGEWURZELT UND
STAUNEN ÜBER DIESE NIE DAGEWESENE
SITUATION. HUNDERTE PFADE TUN
SICH VOR UNS AUF, STREBEN IN ALLE
HIMMELSRICHTUNGEN. MANCHE FÜHREN
IN DIE GLEICHE RICHTUNG, IN DIE WIR
SCHON UNTERWEGS WAREN. MANCHE
FÜHREN IN DIE HÖLLE AUF ERDEN.
UND MANCHE FÜHREN IN EINE WELT,
DIE HEILER UND SCHÖNER IST, ALS
WIR ES UNS IN UNSEREN KÜHNSTEN
TRÄUMEN AUSMALEN KONNTEN.83
CHARLES EISENSTEIN
IM TRAUM IST DER BERECHNENDE
MENSCH ABWESEND.
FABIAN SCHEIDLER
Wir haben viel gelernt aus der Krise. Unter anderem, verblüffend, schockierend, früh, dass die meisten von uns bis 2020 gar nicht wussten, dass Maßnahmen – wie Hände waschen, im Winter keinen anhusten, eine Maske tragen, den Griff des Einkaufswagens desinfizieren, die Kinder nicht krank in die Schule schicken – unterm Strich recht effektiv die Verbreitung von Husten, Schnupfen, Heiserkeit und sogar Grippewellen verhindern. All das war vor Covid offenkundig nicht bekannt. Dank Covid wissen das jetzt alle. Das ist gut. Wir haben aber auch gelernt, dass junge, mittelalte und gesunde Menschen, aber auch alte und sehr alte mit halbwegs intaktem Immunsystem an Covid nicht sterben.84 Auch das ist gut. Wir wissen jetzt, dass unser Immunsystem uns schützt. Und wir wissen jetzt sogar, wie wir unser Immunsystem stärken können, eigenhändig, selbstverantwortlich, mittels häufigem Einatmen von frischer Luft, Bewegung, gesunder Ernährung, Nichtrauchen, Nichtsaufen, guter Laune (gelegentlich sogar lautem, gemeinsamem Lachen), menschlicher Nähe sowie ein paar Vitaminen und Spurenelementen zusätzlich (sofern es uns an welchen mangelt, das kann man ja messen). Wir wissen aber auch, ganz neu: Viren können uns gefährlich werden. Viele Viren. Auch Coronaviren. Wie Covid, nachweislich, denn: »Etwa 0,2 Prozent aller Todesfälle bei den 20–29-Jährigen und etwa 1 Prozent bei den 80–89-Jährigen gehen tatsächlich auf COVID-19 zurück.«85. Sofern wir geschwächt sind, vorerkrankt oder schon fast hundert, können Viren uns, eben, sogar töten. Das war schon immer so. Jetzt wissen wir es. Alle.
Die Krise hat uns aber noch mehr gelehrt. Tatsächlich konnten wir durch unsere gemeinsam ergriffenen rigiden Maßnahmen, also mittels AHA, Lockdowns, Kontaktbeschränkungen, Versammlungs- und Weihnachtsverboten die Zahl der Atemwegserkrankungen insgesamt leicht senken und die Grippe förmlich ausrotten.86 Statt der befürchteten, global dramatischen pandemischen Übersterblichkeit von mehreren 100 Millionen blickten wir so Ende 2020 auf einen allenfalls leichten Anstieg der Verstorbenenzahlen87, global bewegt sich die Übersterblichkeit im – leider – unvermeidlichen Rahmen, Jahr für Jahr steigend88. Wir sterben, ja, aber wir sterben immer älter. Auch das ist gut. Allerdings mussten wir dafür diesmal Opfer bringen. Der Preis war hoch, nicht nur in finanzieller Hinsicht (die Rechnung ist in der Post), auch in zwischenmenschlicher. Und da wir alle – mit Ausnahme von Karl Lauterbach – unsere Zukunft nicht dauerisoliert voneinander verbringen möchten, haben wir zuletzt gelernt, dass es einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt: Impfungen. Die wir sehr schnell entwickeln können, dank der Findigkeit unserer Forscher und der Bereitschaft vieler Millionen, sich freiwillig als Versuchskaninchen zur Verfügung zu stellen – und so sich selbst vor der ganz neuen viralen Bedrohung zu schützen. Darüber, dass die Teilnahme an diesem Experiment wie auch die Impfung selbst nicht ganz freiwillig geschieht, wird noch zu reden sein.
Noch etwas aber haben wir gelernt. Schon früh, schon einst im April des Jahres 2020, lange bevor sich abzuzeichnen begann, dass der Ausnahmezustand keine Ausnahme sein wird und dass ein größerer Reset geplant und erforderlich ist, um uns alle zu retten, schon da ist uns bewusst geworden, dass wir auf Urlaubsfernreisen auch mal verzichten können, ohne umgehend schwere Depressionen zu entwickeln. Dass ein Himmel ohne Kondensstreifen gar nicht so übel aussieht. Dass Atemluft mit weniger Benzin- und Kerosinspuren drin besser riecht und schmeckt. Dass es im Urlaub nicht immer all inclusive in die republikanische Dominique gehen muss, sondern auch gern mal nix inclusive geht, zum Beispiel an die Nordsee.
Und wir haben ein neues Wort gelernt, nebst dessen inhaltlicher Bedeutung: »Systemrelevanz«. Was – und wen – wir temporäre Krisengeschüttelte dringend brauchen und was – und wen – nicht so dringend. Oder dringend nicht. Noch nicht abschließend geklärt haben wir bis heute, ob wir Künstler, Köche, Kellner und Kosmetikerinnen benötigen, und hinsichtlich der Systemrelevanz unserer 40–60 Prozent Bullshitjobber89, darunter etliche unserer behördlichen Verwalter, haben wir die Diskussion qua Weiterzahlung aller Löhne und Gehälter erstmal vertagt bis Mitte 2021 oder 2022, aber das hat ja auch Zeit und soll uns hier nicht vom Wesentlichen ablenken. Dem Wesentlichen – der Systemrelevanz. Denn die ist im Verlauf des Jahres vor lauter Streit um PCR-ct-Zyklen, Intensivbettenbelegung und Infektionsschutzgesetzfolgen in den Hintergrund gerückt, also wollen wir sie kurz wieder ins Licht holen, da sie von größter Bedeutung ist für unsere Zukunft.
Wir haben, beginnend im April, gesehen, was und wen wir brauchen, um selbst in der Krise gut und gern zu leben in diesem unserem paradiesisch ausgestatteten Land: Wir brauchen Ärzte und Pfleger, wir brauchen Bauern und Erntehelfer, die den Spargel aus der Erde holen, wir brauchen Menschen, die die Ernte (von Karotte bis Klopapier) an den zahlreichen Ausgabestellen verteilen (vulgo: Rewedekamila). Wir brauchen die Feuerwehr, die Müllabfuhr und diese Leute mit schicken Mützen, die Gauner jagen. (Nein, die Liste ist beileibe nicht vollständig). Was die Produktion von Handfestem betrifft (von Möhre bis Papier), haben wir im April festhalten dürfen, dass nur 25 rozent der Arbeitsplätze in Deutschland solches Handfeste herstellen90, wobei selbst von diesem prozentual wenigen Festen indes bei Betrachtung unterm Krisenlicht das meiste sich als Luxus oder jedenfalls als nicht essenziell erweist. Satte 75 Prozent des hierzulande »Erzeugten« (von 80 Prozent der deutschen Unternehmen) sind schlicht Dienstleistungen, der größte Teil dieser Dienste wird geleistet in den Bereichen Verwaltung, »Handel mit/Reparatur von Kraftfahrzeugen« sowie Unternehmensoptimierung, Werbung und Marktforschung. Der Anteil der Menschen hingegen, die »die Gesellschaft am meisten braucht (und) die wirtschaftlich am schlechtesten entlohnt (werden)« (Klaus Schwab)91, also jene, die reale und nützliche Dienste leisten – von Putzen bis Beackern, von Haareschneiden bis Kellnern, liegt seit hundert Jahren unverändert bei etwa 20 Prozent. Auf diesem Chassis, das durchaus etwas mit Fundamentalökonomie zu tun hat, rollt unser buntes, blinkendes, rasendes BIP-Hamsterrad mit all den schicken Gadgets. Das fällt normalerweise keinem auf, aber wenn dann doch mal kurz ein Kilo Sand zwischen Hamster und Getriebe fällt, dämmert es so manchem vage: Was die meisten von uns täglich so »arbeiten«, ist offensichtlich nicht essenziell, nicht wesentlich. Es füttert uns nicht, es macht uns nicht wieder gesund (eher krank), es stellt auch keine Tüte Mehl ins Regal. Und so beschleicht uns die Ahnung: Wir können vielleicht sogar ganz gut ohne Unternehmensanwälte leben, die im Interesse ihres Unternehmens gegen das Gemeinwohl agieren; ohne Steuerberater, Hartz-IV-Schikaneure und ohne Investmentbroker; ohne die hundertfach überbesetzten Verwaltungen von Krankenkassen und Versicherungen – zumal wir ja plötzlich auch ganz viele andere Dinge können. Zum Beispiel uns kollektiv, solidarisch einschließen, Fieber messen und Grenzen kontrollieren, klar, aber auch eine Billion Euro aus dem Nichts stampfen oder schöpfen, damit Millionen Menschen weiterhin ihre Vermieter und Stromversorger glücklich machen können, selbst wenn sie mal ein Jahr nicht arbeiten. Dächte man sich nun auch noch die ganze strikt restriktive Verwaltung weg, den fünf Millionen Mann und Frau starken Behördenapparat, der sich ohnehin weitestgehend aufs Verbieten und Bestrafen verlegt hat, weil wir ja alles Vernünftige schon selbst können, spürt man doch plötzlich und nicht ohne sonderbares Behagen einiges an Spielraum, viel Luft nach oben und nach allen Seiten.
Obendrein sind wir im April vergangenen Jahres daran erinnert worden, dass unser systemirrelevantes Treiben offenkundig permanent Ressourcen verbraucht, die wir nicht haben, und bei dieser irrelevanten Verheizung auch gleich noch unsere Atemluft wirksam versaut, nicht nur in Wuhan und Norditalien, sowie unseren Kindern die Zukunft. Das war, simpel, die erste Lektion, die Covid uns erteilt hat, unter der Venus am Frühlingshimmel, es ist, im Doppelsinn: genug!
Unsere Hoffnung, es liege tatsächlich die Möglichkeit zu nachhaltiger Veränderung in der Luft, war allerdings nur von kurzer Dauer. Denn wir haben direkt nach dieser ersten Lektion auch gleich eine zweite gelernt: Der gesunde Menschenverstand hat leider keine Lobby. Unsere ewiggestrigen, ewig fantasie- und mutlosen Vertreter, angeführt von Mutti, Wumms, Söderle und deren wirtschaftsweisen Schamanen, haben die im Raum stehende Option nicht einmal sekundenlang eines Blickes gewürdigt, stattdessen blitzartig erkannt, was alternativlos ist: Die Rettung. Der Wirtschaft.
Es führte zu weit, hier im Detail darzulegen, weshalb die von Merkel beschworene »marktkonforme Demokratie«92 weder marktkonform noch demokratisch ist. Hier soll uns die Feststellung genügen: Wer unter den seit März herrschenden neuen Bedingungen die aus der Luft geschöpften Abermilliarden ausgerechnet an die TUI überweist, hat offenbar ein Kilo Watte in den Ohren und hört Schüsse nicht mal mehr dann, wenn sie direkt neben dem eigenen Kopf abgefeuert werden. Die TUI? Die Lufthansa? VW? Kurzarbeitergeld bis zum Horizont für die Millionen Mitarbeiter von Firmen, die schon vor Covid nur noch unter »Zombies« liefen? Und all diese Maßnahmen und Entscheidungen werden unbeeindruckt, blind und taub für die systemrelevante Realität getroffen, als gäbe es »nach Covid« eine Rückkehr ins Old Normal, als könnte es eine solche Rückkehr überhaupt geben? Als wäre das wünschenswert?
Kürzen wir hier ab: Nach Ansicht und Willen unserer Anführer kehrt entweder die alte Normalität zurück, nur unter verschärften Bedingungen, weil wir alle und unsere Kinder für die wegen Covid aufgenommenen neuen Schulden aufkommen müssen, oder es kommt zum segensreichen New Normal, nur unter verschärften Bedingungen, weil wir alle und unsere Kinder für die wegen Covid aufgenommenen neuen Schulden aufkommen müssen und unterwegs auch noch unsere Freiheit abgeben. Weitere Optionen gibt es nicht.
Also nehmen wir eine von denen, die vernünftige.
Diesen Weg könnten wir den dritten nennen, wenn der »dritte Weg« nicht längst historisch kontaminiert wäre, also nennen wir unseren Weg doch gleich selbstbewusster beim Namen: den »Menschenweg«. Dieser führt weder rückwärts ins »Old Normal« noch abwärts ins »New Normal #1«, sondern vorwärts – und nimmt seinen Ausgangspunkt oberhalb der beiden Wege, die die Verschwörergruppen »Team Old« und »Team Bill« einzuschlagen planen. Die dritte Verschwörung ist die des »Team Mensch«.93 Ziele sowie Grundannahmen dieses Teams unterscheiden sich radikal von den Zielen und Grundannahmen der beiden anderen Verschwörungsgruppen.
Die Ziele und Grundannahmen des Team Old teilt Team Mensch ausdrücklich nicht.
Team Mensch teilt indes die Grundannahme des Team Bill wie des freitags für die Zukunft demonstrierenden Team Greta: Das Einzige, was die größten Probleme der Welt verbindet, sind wir. Es besteht insofern große Einigkeit, dass wir vieles grundsätzlich ändern müssen, wollen wir nicht untergehen. Team Bill, Team Greta und Team Mensch wissen, dass die Welt dringend neu geordnet werden muss. Hinsichtlich des »Wie« aber könnte die Uneinigkeit größer nicht sein.
Vor dem Blick auf die Überzeugungen, Ziele und konkret zeitnah zu treffenden Vorkehrungen von Team Mensch aber muss hier nun endlich doch noch auf den von Team Bill ins Zimmer gestellten Elefanten gedeutet werden, der nicht nur sehr groß ist, sondern obendrein einen schicken grauen Sprengstoffgürtel trägt.
Entscheidend und gern unter den Teppich gekehrt wird mit Hinweis auf »Uns wird schon was einfallen« die lange bekannte und seit März 2020 abermals bekräftigte Tatsache, dass wenigstens 60 Prozent der Jobs, die wir derzeit machen, überflüssig sind und nur dem BIP-Wachstum dienen. Das BIP BIP eignet sich aber als Maßstab unseres Wohlergehens ungefähr so gut wie ein Fieberthermometer zum Messen des Reifendrucks – wie nicht nur Klaus und Greta wissen, sondern auch etliche Staatsvertreter und Nobelpreisträger. Leider kommen wir diesbezüglich seit Jahrzehnten nicht weiter, und nachdem sich selbst Genies wie Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz an dem Teufelsding die Zähne ausgebissen haben, ist es wohl friedlich nicht zu besiegen.94 Bill und Klaus haben dieses Kernproblem erkannt, glasklar: »Die übermäßige Abhängigkeit der politischen Entscheidungsträger vom BIP
als Indikator für wirtschaftlichen Wohlstand hat zum gegenwärtigen Zustand der Erschöpfung natürlicher und sozialer Ressourcen geführt.«95 Und: »Wir wissen noch nicht, ob die ›Tyrannei des BIP-Wachstums‹ ein Ende haben wird. Verschiedene Signale deuten jedoch darauf hin, dass die Pandemie Veränderungen vieler unserer fest verankerten sozialen Normen beschleunigen könnte.«96 Also werfen wir mal einen genaueren Blick auf den Tacho, mit offenen Augen für das Undenkbare. Da wir 60 Prozent unserer Jobs nur machen, diese Jobs überhaupt nur erfunden haben, um das BIP zu steigern und immer mehr Geld hin und her zu bewegen, und sei es auch noch so sinnlos, werden mit Ende der »Tyrannei des BIP-Wachstums« 60 Prozent unserer Arbeitskräfte nicht mehr benötigt. Fragt sich nur, was diese 60 Prozent nach dem von Team Bill herbeigewünschten Neustart machen sollen. Klaus hält sich hierzu bedeckt, und auch WEF-Visionärin Auken übersieht oder verschweigt bei ihrem Blick in die schöne neue Zukunft etwas Wesentliches: Wenn 60 Prozent nicht mehr gebraucht werden, weder, wie einst, in den Fabriken noch auf den Feldern noch auf den Schlachtfeldern noch in der Verwaltung, geschweige denn, wie bis zuletzt, als Bullshitjobber, sind 60 Prozent schlagartig »Expendables« – Entbehrliche.
Das ist der doppelte Boden unter der Downside »Ende der Freiheit«. Nicht nur kommen wir zeitnah mittels moralischer Verpflichtung zur Dauerimpfung in den Genuss digitaler Pässe und totaler Sicherheitskontrolle – BIP-Ende, KI-Diktat und transhumanistischer Imperativ bedeuten eben auch, dass fortan sachliche, zweckdienliche Überlegungen anzustellen sind, ob denn der Erhalt einer so großen Zahl von Menschen überhaupt zielführend ist. Hierbei ist das übergeordnete Ziel ganz selbstverständlich als Überleben der Menschheit an sich definiert, denn eben jenes Überleben ist ja, wie wir alle wissen, durch den primär von Menschen verursachten Klimawandel massiv gefährdet. Und dabei wollen wir nicht verschweigen, dass die Hauptsubstanz dieser Riesengefahr ausgerechnet jene ist, die mit unserer allermenschlichsten Neigung engstens zusammenhängt.
Anders als Maschinen atmen wir nämlich.
Und wir atmen auch wieder aus. Nämlich CO2.97
Einen im Sinn: Das nächste große Problem, das Bill lösen will und wird, nachdem 7 Milliarden Menschen ihr Impf-Abo erworben haben, ist das Klimaproblem, und die Reduktion des CO2-Ausstoßes ist dabei solide etabliert als »missionskritisch«. Unsere kleine eigene CO2-Manufaktur, das Ausatmen, ist dabei nur ein wegweisendes Symbol, nicht das eigentliche Problem. Auch unsere Zahl, die derzeitigen 8 Milliarden, ist nicht das eigentliche Problem, denn die Welt ist nicht überbevölkert im Sinne von »voll« – stellte man die 8 Milliarden nebeneinander, passten immer noch alle Bewohner dieser Erde in die Grenzen unseres Bundeslandes Hessen.98 Das eigentliche Problem sind Verhalten und Ansprüche der 8 Milliarden, von der Kreuzfahrt bis zur Dauerwurst99 – bis hin zur grandiosen Idee, das durch unsere untauglichen Ideen verursachte Desaster durch weitere untaugliche Ideen beheben zu wollen (»grünes Wachstum«).
Emotionslos betrachtet (also aus der rationalen Sicht einer Maschine), lässt sich hier nur ganz sachlich festhalten: Andere Menschen könnte der Planet massenhaft verkraften, aber von diesen Menschen sind zu viele da. Mit dieser Schlussfolgerung aber wird es endgültig eng für uns, die 60 Prozent, denn nicht nur werden wir nicht mehr gebraucht, sondern wir gefährden obendrein durch unser unverbesserliches Tun und Treiben (fortwährende CO2-Ausatmerei symbolisch inklusive) das Überleben der ganzen Gruppe. Nun wissen wir natürlich, ebenso wie die Maschine, das zum Erhalt der Spezies Mensch schon zur Zeit der Toba-Katastrophe (vor 75.000 Jahren) nur 10.000 Exemplare erforderlich waren. Mit den etwa 10 Millionen, die wir vor 10.000 Jahren waren, vor unserem Abbiegen Richtung »Luxusfalle« landwirtschaftliche Revolution100, war unser Überleben unter den vielen Arten des Planeten definitiv für immer sichergestellt. Mit der guten einen Milliarde, die wir um 1800 zählten, kurz vor Beginn der industriellen Revolution, lässt sich gleich doppelt und dreifach ganz hervorragend auskommen und leben. Mit dem exponentiellen Wachstum danach tendenziell auch, aber nur, sofern alle sich benehmen und bescheiden. Und das tun sie ja nicht. Können sie nicht. Nachweislich. So ist die kommende »schöne neue Welt« des Team Bill und seiner KI-Rechenmaschinen, unausgesprochen, eine mit wesentlich weniger Menschen, es genügt völlig, wenn nur die Systemrelevanten bleiben (ohne Eigentum) sowie jene 10 Prozent, die alles besitzen.101
Das ist ein hässlicher, unmoralischer, kalter Gedanke. Könnte glatt von einer Maschine sein, auf so was kommt doch kein Mensch. Na gut, doch, Ted Turner, Gorbatschow, Cousteau sind ja schon vor Langem draufgekommen und haben die unangenehme Wahrheit sogar ausgesprochen: 500 Millionen reichen aus.102 Aber gemach – das ist natürlich Unsinn, halten wir den Ball ein bisschen flacher, denn unsere 10 Prozent Allesbesitzer, das sind ja schon 800 Millionen, die bleiben wollen und müssen, und diese 800 Millionen brauchen neben ihren smarten Maschinen garantiert auch weiterhin 1,2 Milliarden billige Sklaven (überall dort, wo sich das Konstruieren und Hinstellen von Maschinen partout nicht rechnet). Die Systemrelevanten dürfen also auch bleiben.
Das bedeutet aber immer noch: 6 von 8 Milliarden sind grundsätzlich … über.
Die können weg. Grundsätzlich.
Auf diese Idee könnte jemand kommen. Ja, es steht zu befürchten, dass diese Idee bereits kursiert. Sie ist ja durchaus nahe liegend. Und sie steht unausgesprochen hinter der Vision, die Welt, den ganzen Planeten in eine blühende Landschaft zu verwandeln. Ja! Absolut! Das geht. Für alle. Für die ganzen 2 Milliarden. Sicher, diese so dringend notwendige Reduzierung der Menschheit ließe sich auch auf dem Weg erreichen, den das Team Bill offen propagiert, seit Jahrzehnten, dem Weg der Geburtenkontrolle. Gratis beim Impfen mitgelieferte Verhütungshormone sind ein denkbarer, wenngleich bislang nicht erprobter Weg103 – aber es ginge ja auch anders, nämlich mittels Bildung, Emanzipation, gerechterer Verteilung. Wir wissen doch längst, dass die Reproduktionszahl in Richtung » < 1« sinkt, je größer die Unabhängigkeit und der Bildungsgrad von Gesellschaften, insbesondere der Frauen, sind. Und weniger Kinder bedeuten eben zwangsläufig, langfristig, einen ganz natürlichen Rückgang der Gesamtbevölkerung. Wir müssen also lediglich erreichen, dass im Jahresverlauf weltweit mehr Menschen auf natürliche Weise versterben, als Menschen geboren werden.
Aber das dauert. Optimistischen UN-Schätzungen zufolge nähern wir uns dem Equilibrium, in dem jährlich gleich viele Menschen geboren werden und sterben, auf kurz oder lang – nach dem Jahr 2099.104 Bis dahin ist von einem jährlichen globalen Bevölkerungszuwachs von wenigstens einem Prozent auszugehen, also umgerechnet alle 365 Tage einem neuen Deutschland, 80 Millionen netto. Moderat veranschlagt. Einer der Leiter von Bills Forschungslaboren für rechnergestützte Naturwissenschaften (Computational Sciences), Stephen Emmott, wies aber schon 2013 in seinem kleinen Weltbesteller 10 Milliarden darauf hin, ändere sich an der bestehenden Geburtenrate nichts, landeten wir zur Jahrtausendwende nicht bei 10, sondern bei 28 Milliarden. Das Fazit des Microsoft-Laborleiters lautete schon damals: »Wir sind nicht zu retten« – außer wir unternehmen etwas tatsächlich Radikales. (Und bringen unseren Kindern parallel das Schießen bei).105 Gleich wie – ob wir auf 10 oder auf 28 Milliarden zusteuern: Das Klimaproblem, Bills neues Steckenpferd, können wir nicht erst 2025 in Angriff nehmen, das Klimaproblem drängt, und Pandemien wie die derzeitige leisten schon gar keinen Beitrag zur Lösung, denn die im Jahresverlauf 2020 angefallenen tragischen An-und-Mit-Covid-Verluste von 2 Millionen Leben konnten wir überaus erfreulich ausgleichen, mittels Geburten. Binnen einer Woche. Also alljährlich 52-fach.106
Einer Maschine kann das alles nicht zielführend erscheinen. Eine Maschine muss doch ganz entschieden zu dem Schluss kommen: Die Lage ist ernst. Es eilt. Und der Schlüssel kommt direkt aus dem Maschinenraum: 2 Milliarden genügen. Alle anderen können weg.
Zeit für ein Pausenzeichen – und für einen kurzen Ausflug ins Grundsätzliche. Sich den Worst Case vorzustellen deutet nicht auf eine zugrunde liegende Neigung zur depressiven Schwarzsicht, sondern ist Ausweis eines Planungswunsches. Nur wer den Worst Case erkennt, kann versuchen, ihn zu verhindern oder sich auf die Folgen vorzubereiten. Team Mensch geht also nicht davon aus, dass Team Bill 2021 mit selbst gezüchteten SARS-CoV-3.0-Varianten unter der falschen Flagge »Bioterrorismus«107 direkt zum Großangriff auf 6 Milliarden überflüssige Kohlenstoffeinheiten losgeht, sondern Team Mensch konstatiert lediglich, sehr bescheiden, dass auf eine so verwerfliche Idee durchaus jemand kommen könnte, da ja sogar schon das gar nicht verwerfliche Team Mensch darauf gekommen ist.
Team Mensch weiß aber auch, dass an einer Erörterung dieses Worst-Case-Szenarios derzeit noch keinerlei Bedarf bei den 80–90 Prozent besteht, die wahlweise blind abwärtsträumen von einer Rückkehr zur alten Normalität – oder deren finanzielles Überleben direkt oder indirekt vom Funktionieren des Staatswesens abhängt, in dem sie sich seit ihrer Geburt aufhalten. Team Mensch erkennt die Trägheit der Masse als naturgesetzlich gegeben an und hat obendrein viel Verständnis für bequeme Denkverweigerung. Wir sind ja alle nur Menschen.