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* ELF LEBENSWEGE: Facettenreiche Pfade zum Glück der bedingungslosen Liebe
Copyright: | © 2020 Barbara Nobis |
Verlag und Druck: | tredition GmbH Halenreie 40-44 22359 Hamburg |
Autorin: | Barbara Nobis |
Korrektorat: | Ina Kleinod |
Illustrationen: | Portraits gezeichnet von Raden Norfiqri Umsetzung des Covermotivs und des Backgrounds durch Oliver J. Steinbach Symbole erstellt von Barbara Nobis |
Buchsatz: | Barbara Nobis HTML/XML/CSS-Optimierung durch Oliver J. Steinbach |
ISBN: | Paperback: 978-3-347-08725-5 Hardcover: 978-3-347-08726-2 e-Book: 978-3-347-08727-9 |
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Dieses Buch widme ich meinem Seelengefährten, der mich nach seinem Tod für eine gewisse Zeit mit seiner unermesslichen Liebe begleitete. Für dich will ich den Weg der bedingungslosen Liebe gehen, du schöne Seele und Herzensfreund – von so vielen schmerzlich vermisst!
Dieses Buch wendet sich ebenso an jene, die sich am Beginn ihres spirituellen Weges wähnen. Wenn die Lektüre auch nur einen Menschen auf seinem Seelenweg inspiriert, hat dieses Buch seinen Zweck erfüllt.
Ich danke all jenen, die mich in meinem ›Sosein‹ angenommen und mir so Liebe gezeigt haben. Dies gilt insbesondere für meinen Mann Frank und meine Schwiegereltern.
Liebe Eltern, habt Dank dafür, dass Ihr mir die Erfahrungen dieses Lebens ermöglicht habt.
Marc, du warst und bist das größte Geschenk in meinem Leben. Fühl dich geliebt auf deinem Weg.
Angela, Dominik, Griet, Ingrid, Katrin, Renate und Ulrike – vielen, vielen Dank fürs Zuhören, für Eure Geduld und Eure hilfreiche Kritik.
Gleicht die Religion, in die wir hineingeboren werden, nicht einem Gewand? So heißt es in der Bibel: »Ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt (Gal 3,26–27).« Genau dies symbolisierte das weiße Kleid, das ich bei meiner Taufe trug. Zugleich versprachen meine Eltern, mich zu einer guten Katholikin zu erziehen. Eine Leitlinie war ihnen dabei der Katechismus[1], wobei sich in unserem Bücherschrank ebenfalls ein bebildertes Lehrwerk für Kinder befand.
Hier stand nicht nur geschrieben, dass die katholische Kirche die alleinseligmachende sei, um den Menschen zum ewigen Glück zu führen. Gleichfalls las ich, dass ein Priester bei der Taufzeremonie den Teufel, der seit der Erbsünde Macht über uns Menschen habe, zweimal beschwor, vom Täufling abzulassen. Diese Aussage ängstigte mich genauso wie das Kapitel über die Todsünde, die zu meiner ewigen Verdammnis führen würde.
Besorgt um mein Seelenheil nahmen mich meine Eltern seit frühster Kindheit zum Gottesdienst mit, der für zwei Dekaden verpflichtend war. Anfangs schien ich in das Kostüm meiner Konfession hineinzuwachsen. Ich erinnere mich immer noch gerne an die festliche Stimmung, die mich während der Feier der Osternacht ergriff. Gleiches gilt auch für andere Festgottesdienste wie etwa die Christmette, die ich später mit anderen Familienmitgliedern musikalisch unterstützte.
Dennoch: Ohne Naht und Nadelstiche war es nicht, mein Leben als junge Christin. Das lag unter anderem an den Predigten des äußerst konservativ denkenden Gemeindepfarrers. Was ich von ihm hörte, passte ganz und gar nicht zu dem, was ich fühlte und mir wünschte. Selbstverwirklichung? Diese entsprach dem Tanz um das Goldene Kalb (2 Mo 32).
Wohlstand war für jene, die nicht beabsichtigten, nach ihrem Tod ins Reich Gottes zu gelangen. Da es zudem hieß, Jesus habe nur Männer zu seinen Nachfolgern berufen, hatte sich ebenfalls die Frage erledigt, ob wir Mädchen als Messdienerinnen den Pfarrer unterstützen durften. (vgl. Mt 10,2 / Eph 5,24 / 1 Mo 3,16). Ich stieß mich daran, dass es hieß, wir Menschen seien geschaffen, um den mächtigen Gott zu verherrlichen und zu lieben.
Darüber hinaus lehrte der Katechismus, dass es verwerflich sei, eine Hellseherin oder einen Astrologen aufzusuchen, weil dies gegen das erste Gebot verstoße: »Ich bin der HERR, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.«
Wie sollte ich diesen fernen Gott lieben? Als ich meine Mutter danach fragte, sagte sie, ich müsste halt darum beten. Gleichwohl faszinierten mich die Biografien der Heiligen, wobei es mir schien, als verlangte Gott von uns Menschen, dass wir im groben Büßerhemd über diese Erde wandelten, uns aufopferten und alles Leid bereitwillig annähmen. In der Familie wurde immer wieder über das Erscheinen der Gottesmutter in Fatima und Medjugorje gesprochen. Sie verlangte Sühne, Reue und Gebet. Sinnenfreude und Lebenslust schienen anrüchig zu sein. Es galt, Fleißkärtchen fürs Jenseits zu sammeln – zumal es familienintern hieß, uns stehe der dritte Weltkrieg unmittelbar bevor.
Dies war mit ein Grund dafür, dass in meinem Jugendzimmer das Bild der Jungfrau Maria samt den drei Hirtenkindern von Fatima hing. Täglich betrachtete ich die hell erleuchtete Himmelskönigin, während ich eine gewisse Anzahl von Ave Marias verrichtete. In jenen Tagen glaubte ich noch an die unmittelbare Kraft des Gebets – zumal es in unserer Familie eine chronisch kranke Person gab, der es jedes Mal besser ging, sobald ich für sie gebetet hatte.
Als mystisch veranlagter Teenager führte ich Zwiegespräche mit meinem Schutzengel und der Gottesmutter. Wie viele meines Alters wünschte ich mir ein glückliches, erfülltes Leben und einen liebevollen Freund. Dieser sollte attraktiv und kein Duckmäuser sein. Ich sehnte mich nach nicht weniger als der großen, unvergänglichen Liebe!
Glauben Sie an die romantische Liebe? Sind Sie überzeugt davon, dass es eine verwandte Seele gibt, jemanden, der bis zum Schluss zu Ihnen steht? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Immerhin betrug vor zehn Jahren die Scheidungsquote in Deutschland fast 50 Prozent.[2] Zudem bezweifelt ein Viertel derjenigen, die in einer Beziehung leben, dass der Mensch, mit dem sie abends vor dem Fernseher sitzen, wahrhaft »the one and only« ist. Sich deshalb trennen? Es läuft doch vergleichsweise gut! Da gibt es die noch nicht volljährigen Kinder, gemeinsame finanzielle Verpflichtungen – und eventuell das einst gegebene Versprechen, das da lautete: »Ich will dich lieben und ehren, bis dass der Tod uns scheidet.«
In meiner Jugend schien mir solch eine Liebe möglich – trotz eines Umfelds, in dem es an Herzenswärme mangelte. Zudem gab es vielerlei Arten von Leid, so etwa Krankheit, Geldmangel oder den frühen Tod meines Vaters. Aber hatte Jesus nicht von seinen Jüngern verlangt, ihr Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen? (vgl. Mt 16,24) Während mich die Sorgen trieben und meine Sehnsucht nach Intimität wuchs, geschah eines Tages etwas Verwunderliches: Nach dem Abendgebet schien es mir, als gäbe es da ein Gegenüber. Dies irritierte mich ein wenig. Andererseits sprach ich doch auch mit den Engeln und Maria.
Im Verlauf der Zeit ergaben sich immer wieder Zwiegespräche mit dieser fernen und doch so nahen Seele. Bildete ich mir das Ganze bloß ein? Selbst wenn ich anfangs an der Echtheit dieser Begegnung zweifelte, wirkte unser Beisammensein völlig real. In diesem unglaublichen Miteinander vergingen Stunden wie Minuten, sodass ich irgendwann die Gewissheit spürte, dass sie sich so anfühlen musste, die große Liebe!
Wir verabredeten Zeichen und ich spürte wieder einmal die Präsenz meines Seelengefährten, als ich auf der Wiese unseres blühenden Obstgartens saß. Bei dieser Gelegenheit nahmen wir uns vor, Wege zu finden, um auch im wirklichen Leben zusammenzukommen. Doch unser Plan blieb aus verschiedenen unumstößlichen Gründen eine Utopie, die hier zu entfalten müßig wäre. Ich lebte weiterhin meinen Alltag: Ich diskutierte jedoch in der Familie zunehmend offener die Regeln des katholischen Glaubens, die ich für herzlos hielt. Obwohl ich weiterhin im Gitarrenkreis aktiv war und christliche Lieder sang, zeichnete sich in meinem Herzen unaufhaltsam der Bruch ab.
So schmetterte ich eines Tages eine neue Hymne: ›Nobody’s on nobody’s side‹. Der Song des Musicals ›Chess‹, aus dem diese Liedzeile stammte, spiegelte das, was ich tief in mir wahrnahm: Niemand ist auf der Seite von niemandem! Weiterhin beherrschten Krankheit, Geldnot und Sorgen das Familienleben. An diesem Elend, so mutmaßte ich, hatten die religiösen Dogmen einen nicht ganz unerheblichen Anteil. Den christlichen Glauben empfand ich mittlerweile als einengendes Korsett, das meiner Sehnsucht nach der Liebe und dem Leben den Atem abzuschnüren schien.
Hatte es etwas genutzt, auszuharren, zu beten sowie das Beste für die anderen und mich zu hoffen? Und hatte ich mich nicht darum bemüht, mein Herz auf diesen allgewaltigen Gott auszurichten? Angesichts der Not, die ich in mir und um mich herum wahrnahm, hatte ich den Weltenschöpfer viele Male um Beistand gebeten – es schien vergebens.
Er hatte geschwiegen, sodass ich meinem Schutzengel eines Abends vor dem Einschlafen erklärte, dass Gott mir allzu lange zu viel zugemutet habe und ich nun andere Wege gehen würde. Bei diesen Worten drehte mein schemenhaft erkennbarer, himmlischer Begleiter entsetzt seinen Kopf zur Seite, was aber nichts an meinem Entschluss änderte. Ich hörte tatsächlich auf, intensiv für andere zu beten. Ich glaube, ich betete eine Zeit lang überhaupt nicht mehr. Ich kümmerte mich schlichtweg darum, so zu werden wie alle anderen. Indes bestand nach wie vor der innige Kontakt zu meinem Seelenfreund. Wenn ich schon nicht mehr an Gottes Liebe glauben konnte, hoffte ich doch weiterhin auf die ›wahrhaftige Liebe‹ zwischen zwei Menschen. Diese Ansicht entsprach zu diesem Zeitpunkt dem, was ich innerhalb der Beziehung zu meinem Seelengefährten fühlte.
Erst viel später sollte ich in einem Seminar des Jenseitsmediums Bettina Suvi Rode erfahren, dass es sich bei dieser Verbindung um eine Dualseelen-Beziehung handelte, auf die sich bereits die Kabbalah, also die mystische Tradition des Judentums, bezieht.[3] Viele spirituelle Lehrer erklären das Phänomen der Dualseelen damit, dass zwei Seelenhälften in derselben Frequenz schwingen. Begegnen sich seelenverwandte Menschen, scheint Magie im Spiel zu sein. Sie fühlen sich außergewöhnlich nah und verstanden. Der Gleichklang ihrer Seelen erinnert sie an die göttliche Einheit und die bedingungslose Liebe jenseits der materiellen Welt.
Da der jeweils andere der Schlüssel zu dieser allumfassenden Liebe zu sein scheint, verspüren Dualseelen eine unermessliche Sehnsucht nacheinander. Erwähnen möchte ich ebenfalls, dass zum Beispiel der persische Dichter Rumi solch eine außergewöhnliche Beziehung erlebte, als er seiner Dualseele Shams-e Tabrizi begegnete. Dieses Verständnis war mir in jungen Jahren noch nicht zugänglich. Zudem traute ich mich damals nicht, mit jemandem über jene Erfahrungen zu sprechen, die mich emotional aufwühlten. Ebenfalls scheute ich den Gang zum Psychologen. Ich war mir sicher, dass er mir in netten Worten sagen würde, was vernünftige Leute dachten: »Sie sind verrückt!« Nicht selten stellte ich mir ja selbst diese Diagnose.
Hinzu kamen ein ganz besonderes Einheitsgefühl mit der Natur und weitere magische Phänomene (die gleichwohl typisch für Dualseelen-Paare sind). Ich wertete dies als weiteres Indiz dafür, kurz davor zu sein, den Verstand zu verlieren.[4]
Daran änderte auch der Umstand wenig, dass sich Mal für Mal meine Anlage zur Hellhörigkeit und Hellfühligkeit bestätigte. Noch heute weiß ich mitunter die Vornamen von Personen, die mir begegnen, ein bis zwei Tage im Voraus. Gleiches gilt für glückliche oder unglückliche Ereignisse.
Viele spirituelle Lehrer erklären das Phänomen der Dualseelen damit, dass zwei Seelenhälften in derselben Frequenz schwingen.
Je mehr Zeit verstrich, desto bedrückender empfand ich die Tatsache, um die Existenz einer mir nahen Seele zu wissen, aber mit ihr keine reale Liebesbeziehung führen zu können. Deshalb verbot ich mir im Stillen die Sehnsucht nach meinem Gefährten, was dazu führte, dass ich meine Empfindungen kontrollierte: Verstand über Gefühl! Meine mediale Gabe betrachtete ich als Übel.
Was hatte ich davon, wenn mir meine innere Stimme beispielsweise angesichts einer scheinbar gewöhnlichen Erkältung mitteilte, ich müsse ins Krankenhaus, würde es aber überleben? Zwei Tage später lag ich trotzdem mit einer Gehirnhautentzündung auf der Intensivstation und hatte vier Wochen lang mit heftigem Fieber und Schmerzen zu kämpfen.
Wie sollte ich auf den Umstand reagieren, dass es aussichtslos schien, die wahre Liebe im wirklichen Leben zu erleben? Wo sollte ich Lebenssinn finden, wo mir doch meine Religion wie eine verschlissene Robe erschien, die darüber hinaus nicht für Menschen wie mich genäht worden war? Als junge Frau konzentrierte ich mich auf den Erfolg im Außen: Ich studierte, ich hatte Beziehungen. War ich glücklich? Sicherlich nicht. Letztlich begegnete ich kurz nach der Jahrtausendwende meinem jetzigen Ehemann, der intelligent, sensibel und liebevoll ist. Grund genug, ihn zu heiraten.
All you need is love? Ja bitte, aber dann doch die vernünftige Liebe! Bitte jene Beziehung, die mich nicht in den Abgrund reißen und zerbrochen zurücklassen würde. Bitte jenen Partner, der meine mühsam unterdrückte Medialität nicht auf den Plan riefe – so wie es vor allem mein Seelenfreund vermochte. Und dennoch weinte ich bei meiner kirchlichen Hochzeit vor dem Altar um die vereitelte große Liebe. Außerdem zweifelte ein Teil in mir arg daran, meinen Bräutigam immerwährend selbstlos lieben zu können – so wie im viel zitierten Hohelied beschrieben:
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht, (…) sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles. Die Liebe höret nimmer auf, so doch die Weissagungen aufhören werden und die Sprachen aufhören werden und die Erkenntnis aufhören wird (1 Kor 13,4–8).
Mein pragmatisch-realistischer Anteil ließ die Tränen versiegen. Ihm hatte ich es ebenfalls zu verdanken, dass ich trotz einer ungünstigen Lebensmitgift als junge Frau in den üblichen Rollen funktionierte: Uni-Absolventin, freie Journalistin, Freundin, Tochter – und nun auch kirchlich getraute Ehefrau.
Schon in den Jahren vor der Jahrtausendwende hatte ich mich hin und wieder gefragt, was mich mit meinem Seelenfreund verband. Warum fühlte ich in gewissen Momenten, die für einen von uns bedeutsam waren, diese Nähe? Was wollte mich diese seltsame Liebe lehren? Ging es bei dieser Verbindung darum, die Liebe in ihrer selbstlosen Form schätzen zu lernen?
Fakt war, dass das Band zwischen mir und meiner Dualseele im Verlauf der Zeit wohl dünner wurde, aber nie wirklich riss. Glich das Leben mit meinem Mann einem schützenden Wollschal, so entsprach die Beziehung zu meinem Seelengefährten den schimmernden Silberfäden darin, die an einigen Stellen zwischen den Wollmaschen hervorlugten.
Es waren diese bestimmten Tage im Jahr, an denen wir einander wahrnahmen. Darüber hinaus gab es manchmal Situationen, wo einer den anderen ums Zuhören bat. Unvermittelt registrierte der eine, wenn der andere litt. Ich erzählte noch immer niemandem von dieser rätselhaften Beziehung und war mir sicher, dass ich mein Geheimnis mit ins Grab nehmen würde.
Und die Religion? Nachdem mein Mann und ich einen Sohn bekommen hatten, ließen wir ihn katholisch taufen und erzogen ihn undogmatisch christlich. Als er sich auf seine erste heilige Kommunion vorbereitete, besuchte ich mit ihm einen Gottesdienst in unserer Dorfkirche. Die Orgel brauste, die Menschen sangen Lieder vom liebenden, mächtigen Gott, aber ich spürte nur Trauer – die tiefe Erschütterung, nicht dazuzugehören, weil ich die Dogmen nicht glaubte.
Ich spürte den Verlust, denn dieser Ort war mir schon lange keine Heimat mehr. Lebte ich, die ich seit Jahrzehnten nicht mehr zur Beichte und zur Kommunion gegangen war, nicht in Todsünde? Nein, meine katholischen Wurzeln und mein damaliges Lebensgefühl waren wahrlich keine guten Freunde, was allerdings nicht ausschloss, gelegentlich für meine Jugendliebe zu beten. Mittlerweile streute ich in die Bitten die guten Wünsche der buddhistischen Metta-Meditation ein: »Möge es dir wohl ergehen! Mögest du frei von Schmerz und Leid und deren Ursachen sein!«
In der zweiten Hälfte des Jahres 2016 bemerkte ich allerdings, dass mein Seelengefährte schon längere Zeit nicht mehr frei von Leid war. Seit Oktober hörte ich innerlich an drei oder vier Abenden ein »Mir geht es nicht gut« und ein »Ich sterbe«. An einem Wintertag kurz vor Jahresende suchte er den Kontakt zu mir und fragte mich, ob ich Zeit für ihn hätte. Da ich damals beruflich und familiär eingespannt war, vertröstete ich ihn auf die übernächste Nacht. Da ergäbe sich eine Gelegenheit, ungestört zu sein.
»Glaubst du noch an die große Liebe?« Seine Frage stand im dunklen Raum.
»Nein«, erwiderte ich. »Du lebst in einer Beziehung. Ich bin verheiratet, habe einen lieben Mann und ein Kind.«
Momente der Stille, in denen mein Gegenüber intensiv ins Dunkel zu lauschen schien, abwog. Trauer in mir, Trauer in ihm.
»Dann sollten wir es für immer lassen.«
Dennoch verharrten wir in Stille beieinander. Wieder spürten wir die alte Sehnsucht, den unerhörten Gleichklang zwischen uns. Irgendwann schlief ich ein, wobei ich morgens von meiner Dualseele geweckt wurde. Zugegeben, das empfand ich als ungewöhnlich. Gleiches gilt für jenes intensive Gefühl, das ich spürte, während ich wieder einmal die Worte »Ich sterbe« vernahm. Mein Seelengefährte schien zu schweben.
Als ich etwas später an diesem Morgen im Bad auf meinen Mann traf, plagte mich mein schlechtes Gewissen, doch ich schwieg wie immer. Auch das Erlebnis des darauffolgenden Tages vertraute ich meinem naturwissenschaftlich orientierten Ehemann nicht an: Unvermittelt hatte ich in mir sehr eindringlich und klar die Worte »Ich liebe dich« vernommen. Oha! Das musste meine innere Stimme sein, die immer nur dann so deutlich wird, wenn etwas Schlimmes ansteht.
Tatsächlich erreichte mich wenige Stunden später die Nachricht, dass mein Seelenfreund tot aufgefunden worden war. Damit begann eine Zeit unendlicher Trauer und eine Phase der Selbstvorwürfe über Versäumtes. Überdies schnellten von jetzt auf gleich diverse außersinnliche Wahrnehmungen hervor und konfrontierten mich mit all dem, was ich über drei Jahrzehnte lang unter den Teppich gekehrt hatte. Die Büchse der Pandora war geöffnet.
»Glaubst du noch an die große Liebe?« Mit diesem Satz, gesprochen in jener Nacht, begann mein Umgekrempelt-Werden. Der erste Schritt in diesem Prozess entsprach einem Geständnis: Unter Tränen erzählte ich meinem Mann von der Verbindung zu meinem verstorbenen Seelengefährten, was letztlich dazu führte, dass wir zu einer größeren Offenheit im Umgang miteinander gefunden haben.
Insbesondere im ersten Jahr nach dem Tod seiner menschlichen Körperhülle begleitete mich mein Seelengefährte mit immenser Liebe. Er versuchte, Wege zu ebnen und mir die Furcht vor der ›Geistigen Welt‹ zu nehmen. Er sagte dazu: »Ich habe dich über die Schwelle getragen«. Allerdings überforderten mich nach wie vor all diese Erfahrungen. Es schien mir, als sollte ich erneut jenes verminte Gelände betreten, das vor einer gefühlten Ewigkeit mit einem unübersehbaren Verbotsschild gekennzeichnet worden war.
Ich reagierte folglich mit Abwehr, weshalb meine Dualseele seine Begleiter fragte, worum ich so empfände. Darauf antworteten sie, ich hätte vergessen »wer ich wirklich sei«. Ich musste schmunzeln, als ich einen ähnlichen Satz Monate später im Buch von Neale Donald Walsch entdeckte.[5] Überdies fand ich kürzlich in der Lektion 68 des Buches ›Ein Kurs in Wundern‹[6] die Anmerkung, »Groll hegen heißt vergessen, wer du bist«. Zum Zeitpunkt, als ich diesen Satz in mir wahrnahm, kannte ich weder die eben genannten Bücher noch andere Publikationen dieser Art.
Groll hegen heißt vergessen, wer du bist.
Weiterhin hieß es, ich möge mich der bedingungslosen Liebe öffnen. Diese Begrifflichkeit konnte ich zunächst nicht über den Grundsatz des biblischen Hoheliedes hinaus verorten. Ich setzte mich folglich vor meinen Computer und gab den Begriff ›bedingungslose Liebe‹ in eine Suchmaschine ein. Daraufhin gelangte ich auf die Seite einer sogenannten Lichtarbeiterin, die eine Anleitung zur Selbstheilung anbot.[7] Gewisse Ansichten, die diese Dame vertrat, gingen meinem verstandesorientierten Persönlichkeitsanteil allerdings eindeutig zu weit. Deshalb blieb es bei einigen wenigen Versuchen, in mir bedingungslose Liebe zu erzeugen.
Ungeachtet dessen waren mir über einen längeren Zeitraum hinweg ein paar Momente beschieden, in denen ich die unbeschreibliche Liebe spüren durfte, die in der Geistigen Welt vorherrscht. Final fragte mich mein Seelengefährte, ob ich bereit wäre, für ihn den Weg der bedingungslosen Liebe zu gehen. Zweifellos wollte ich das – auch wenn ich nicht wusste, wie ich mein Versprechen in die Tat umsetzen sollte. Immerhin hatte ich mittlerweile erfahren, dass es bei der bedingungslosen Liebe zunächst darum ging, sich selbst mit all den eigenen Schwächen zu bejahen. Über das Selbst-Mitgefühl würde ich am Ende fähig werden, ebenso meine Mitmenschen in Gänze anzunehmen – und zwar in jener absoluten Form der Liebe, auf die sich das Hohelied im Korintherbrief bezieht. Was für eine enorm große Aufgabe! Wer konnte mich dabei begleiten?
Willst du für mich den Weg der bedingungslosen Liebe gehen?
Hinsichtlich meiner Dualseele hatte ich das Gefühl, sie in dieser Angelegenheit nicht auf Dauer in Anspruch nehmen zu können. Ich mutmaßte zudem, dass die Erlebnisse mit ihr einzig dem Zweck gedient hatten, mir meine Sehnsucht nach der allumfassenden Liebe bewusst zu machen. Und war es nicht am Ende die Aufgabe der Religionen, mich auf meinem Weg zu dieser absoluten Liebe anzuleiten? Nach Jahren des Gefühls, vom katholischen Glauben ausgeschlossen zu sein, wollte ich endlich eine spirituelle Heimat finden – am liebsten in der Sicherheit einer anerkannten religiösen Gemeinschaft.
Ich hoffte, allem Anschein zum Trotz, einem christlichen Repräsentanten zu begegnen, der meine Fragen zur Stellung der Frau glaubwürdig beantwortete und meine medialen wie nachtodlichen Erlebnisse weder als frevelhaft noch als befremdlich einstufte.
Ich streckte mich auch in fernöstliche Richtungen aus. So las ich beispielsweise auf einer Internetseite, dass Hinduisten, die Bhakti-Yoga betreiben, mit der Zeit eine allumfassende Liebe in sich spüren. Darüber hinaus schien diese Religion keine Probleme mit mystischen Erfahrungen zu haben – im Gegenteil. War der Hinduismus also mein Weg? Oder gar die mystische Ausprägung des Islam, der Sufismus?
Durch Zufall war ich auf Irina Tweedies Buch ›Der Weg durchs Feuer‹ gestoßen und hatte ihre Tagebuchaufzeichnungen gelesen. In diesen beschrieb die gebürtige Russin, wie sie durch die Schulung eines Sufi-Meisters zur Gottesliebe gefunden hatte. Ein Plan reifte heran: Ich wollte Christen, Hinduisten, Buddhisten, Muslime und Juden kennenlernen, die Ähnliches wie ich erlebt hatten und die mir einige Schritte voraus waren.
Meine Erfahrungen wollte ich nicht für mich behalten, sondern mit jenen teilen, die sich ebenfalls darum bemühten, der Sehnsucht in ihrem Herzen Rechnung zu tragen. Ich recherchierte und erhielt Einblicke in die spirituelle Praxis verschiedener Traditionen. Auch war es mir vergönnt, auf Menschen zu treffen, denen es gelungen war, sich im Rahmen ihrer spirituellen Suche der allumfassenden Liebe zu nähern.
Durch diese Begegnungen war es mir möglich, das Spektrum religiöser Menschheitserfahrungen zu erforschen. Auf kreative wie beherzte Art hatten sich die Porträtierten ihrem inneren Widerspruch zwischen freien spirituellen Empfindungen und fest kartierten Glaubenslehren gestellt und individuelle Lösungen für sich gefunden. Weiterhin stellte ich fest, dass ihre Schilderungen bestätigten, was so viele Mystiker bereits vor Jahrtausenden gesagt hatten: Die Liebe ist der universelle Baustoff aller Religionen. Eben dieses erfahren jene, die sich auf den Weg machen, um ihrer Sehnsucht nach der absoluten Liebe nachzukommen.
In diesem Buch porträtiere ich elf Menschen und deren lehrreiche Lebenswege, die teilweise außergewöhnlich sind. Im Anschluss stelle ich in lebendigen Diskursen fünf Experten vor, denen innerhalb ihrer religiösen Gemeinschaft die Funktion eines Lehrers zukommt. Dabei erheben weder die Diskurse noch die Porträts den Anspruch, umfassend über jede Religion zu informieren. Die Porträts erscheinen in der Reihenfolge, in der die Gespräche geführt wurden, und spiegeln jene Erkenntnisse, die ich aus der jeweiligen Begegnung gewinnen konnte. Ich hoffe, dass diese Einsichten Ihnen eine Hilfe sind, wenn Sie sich selbst am Beginn ihres spirituellen Wandlungsprozesses wähnen und nach Orientierung und Inspiration suchen.
Unabhängig davon, ob und wie Sie Ihr Leben umkrempeln werden, um Ihrem inneren Ruf zu folgen – ich wünsche Ihnen, dass Sie eines Tages die allumfassende Liebe in Ihrem Herzen spüren werden!
Ihre Barbara Nobis
The sun goes up the horizon
the sun goes up, goes down
What only matters is love
Love doesn‘ t go up
doesn‘ t go down
We dance beneath the stars
in eternity
and will do so forever
and ever and ever
Diese Botschaft ließ mir mein Seelengefährte aus dem Mund des Jenseitsmediums Bettina Suvi Rode zukommen, als ich spontan an einem philosophischen Abend im Dezember 2019 teilnahm.