Plastik, Feinstaub & Co. – was wir über Umwelteinflüsse und ihre Gesundheitsrisiken wissen sollten
Für unsere Zukunft
VORWORT
1 PLASTIK & MIKROPLASTIK
Leicht, bunt, billig – und schädlich?
2 PESTIZIDE
… in aller Munde
3 LEICHT- & SCHWERMETALLE
Alltagsbegleiter Aluminium, Quecksilber & Blei
4 LUFTVERSCHMUTZUNG
Feinstaub, Stickstoffdioxid & Ozon
5 INNENRAUM
Dicke Luft in unseren vier Wänden
6 HANDY & CO.
Komplett verstrahlt oder alles harmlos?
7 LÄRM
Nervt, stresst und macht krank
8 KLIMAKRISE
Sind wir noch zu retten?
GLOSSAR
LITERATUR
ANMERKUNGEN
„Sind wir noch zu retten?“ Zugegeben, das klingt etwas dramatisch. Wenn wir genauer hinsehen und Sie vielleicht ein paar Seiten weiterblättern, werden Sie aber merken: Vor unseren Augen spielt sich tatsächlich ein Drama ab. Wir leben in einer industrialisierten, globalisierten Welt, die wir uns möglichst bequem, möglichst einfach eingerichtet haben, mit zahlreichen Errungenschaften, die uns unseren Alltag erleichtern. Zumindest scheinbar. Denn bei vielen chemischen Stoffen, vielen groß gefeierten Erfindungen, vielen technologischen Fortschritten beginnt die Fassade zu bröckeln. Seien es Dieselmotoren, die uns mobil machen, Pestizide, die die Ernte möglichst ertragreich machen und vor „Schädlingen“ schützen sollen, oder Chemikalien, die Plastik zu einem überall einsetzbaren Wunderstoff machen – unter dem Deckmantel des Fortschritts wurden die Schattenseiten gerne ignoriert. Dass diese Stoffe gesundheitliche Auswirkungen haben können, ist ein unangenehmer Nebeneffekt, über den man lieber hinwegsieht. Dass wir die Augen so lange vor den Kollateralschäden verschlossen haben, gipfelt nun nicht zuletzt in der Klimakrise. Es scheint also, als schlage die Umwelt zurück. Demnach ist die Frage „Sind wir noch zu retten?“ eine, die gestellt werden muss. Und sie wirft vor allem die Frage nach dem „Wie?“ auf.
Alle Themen, die Sie in diesem Buch finden, gehören in den Forschungsund Aufgabenbereich der Umweltmedizin/Umwelthygiene. Begriffe, mit denen viele auf den ersten Blick wenig anfangen können. Tatsächlich sind aber alle Lebenssituationen Gegenstand umwelthygienischer bzw. umweltmedizinischer Forschung, und deren Ergebnisse haben unser Leben beeinflusst und beeinflussen es noch immer. Einiges davon haben wir aufgegriffen. Dieses Buch soll ein Wegweiser und eine Orientierung sein, und vor allem Antworten auf Fragen bieten, die sich im Alltag unweigerlich stellen, wenn man ein bisschen genauer hinsieht.
Wir haben uns im Sommer 2019 dazu entschlossen, viele dieser Fragen, die uns im Alltag gestellt werden, zusammenfassen – seien es Fragen, die von besorgten Verbraucherinnen oder Verbrauchern an Hans-Peter Hutter als Mediziner gestellt werden oder an Judith Langasch als Journalistin. Denn die Nachrichtenlage ist beinahe unüberschaubar, zu jeder Studie, die veröffentlicht wird, gibt es eine Studie, die anscheinend das Gegenteil belegt. Diese Fragen verständlich zu beantworten ist darum wichtiger als je zuvor, denn nur so können wir uns selbst retten.
In diesem Buch haben wir den aktuellen Stand der Wissenschaft abgebildet, aber klar ist, wenn Sie dieses Buch aus dem Regal nehmen, dann wird bereits weiter geforscht und weiter veröffentlicht worden sein. Das soll Sie an dieser Stelle nicht weiter verunsichern, denn: Ja, es wird neue Studien geben, die neue Ergebnisse und Erkenntnisse bringen. Viele der in diesem Buch getroffenen Aussagen sind jedoch grundlegend und werden sich durch neue Forschung nicht von heute auf morgen ändern.
Geschrieben haben wir dieses Buch letztlich während der Corona-Krise. Einer Zeit, in der die meisten dieser Themen in den Hintergrund rückten und von der weltweiten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise überschattet wurden. Obwohl diese Pandemie ja ebenfalls eine Konsequenz des Raubbaus an der Natur und der Störung des ökologischen Gleichgewichts ist. Öfters haben wir uns gefragt: Ist das der richtige Zeitpunkt? Werden diese Themen jemals wieder die angemessene Aufmerksamkeit bekommen? Wir sind überzeugt: Ja, denn es muss sein. Die Corona-Krise wird vorbeigehen, und dann stehen wir vor denselben Problemen wie zuvor. Mit einem einzigen Unterschied: Wir haben Zeit verloren. Denn bei einigen dieser Themen drängt die Zeit, manche Verluste und Schäden sind auch gar nicht mehr rückgängig zu machen, wir können nur weitere verhindern oder die Konsequenzen der eingetretenen abmildern. Letztlich geht es um unser aller Gesundheit, um Ihre, um unsere, um die Ihrer Eltern, Ihrer Kinder, Ihrer Freunde. Wir alle wollen ein Leben führen, das möglichst wenig von Krankheiten beeinträchtigt wird. Und dazu können Sie selbst einiges beitragen.
Und auch, wenn das alles sehr ernst klingt: Dies soll kein „schweres“ Buch sein. Es soll nicht belasten, manches ist provokant, manches wird Sie vielleicht zum Schmunzeln bringen, anderes wird Sie zum Weiterdenken anregen und vielleicht sogar dazu führen, neue Verhaltensweisen zu erproben. Und wir können jetzt schon versprechen: Manche Fakten werden im Gespräch mit anderen zu hitzigen Diskussionen führen. Lassen Sie sich darauf ein!
Hans-Peter Hutter & Judith Langasch, 31. 12. 2020
Kunststoffe sind allgegenwärtig in der Arbeitswelt, im Haushalt, im Auto, bis hin zur Medizin. Überall sind sie nützlich und haben offensichtliche Vorteile. Bei den Nachteilen schauen wir aber gerne weg.
Es fühlt sich etwas anders an, denke ich mir, als ich die Äpfel aus dem Sackerl nehme, das ein großer „Bioplastik“-Aufdruck ziert. Die Zeiten des herkömmlichen Plastiksackerls sind vorbei, verschiedenste Varianten von Papier oder eben Bioplastik warten nun im Supermarkt darauf, als Transportmittel für Obst und Gemüse verwendet zu werden. Ist das so viel besser als herkömmliches Plastik? Fakt ist: Während ich die Lebensmittel ausräume, auspacke und in den Kühlschrank verfrachte, wächst der Müllberg, darunter unzählige Plastikverpackungen – der Mistkübel ist praktisch wieder voll. Ein bisschen schlechtes Gewissen plagt den umweltbewussten Menschen da ja schon, aber mal ehrlich: Wer im herkömmlichen Supermarkt einkauft, hat praktisch keine Chance, verpackungsarm heimzugehen. Weiter geht’s: Das Mineralwasser in den Abstellraum – zugegebenermaßen: Auch das in der Plastikflasche. Hier ist der Gewichtsfaktor entscheidend, mehrere Glasflaschen hätten den Heimweg beschwerlicher gemacht.
Die nächste Plastikverpackung wartet darauf, verstaut zu werden: Es ist das Waschmittel. Nachdem ich zumindest den Wäscheberg im Badezimmer selbst bezwingen kann, kommt es auch gleich zum Einsatz. Hemden, Blusen, Sportgewand, die Trommel wird vollgestopft, bei 30 Grad beginnt sich die Ladung zu drehen. Und damit werden tausende Mikrofasern aus den Stoffen freigesetzt und gelangen damit in unsere Abwässer, letztlich in die Meere – und gesellen sich zu weiteren zwölf Millionen Tonnen Plastik, die dort schon schwimmen. Wussten Sie nicht? Will man vielleicht auch gar nicht so genau wissen.
Während sich die Wäsche weiterdreht, ist Zeit für ein bisschen Entspannung in der Sonne. Ich verteile die Sonnencreme auf meiner Haut und halte kurz inne. Gut möglich, dass ich gerade Mikroplastik auf meinem gesamten Körper verteile. Ebenso, wenn ich Nagellack oder Lippenstift auftrage – hier isst man das Mikroplastik praktisch auf. Und zwar ganz freiwillig. Mikroplastik in der Natur ist also die eine Sache, Mikroplastik im eigenen Körper eine andere. Sieht es in unseren Blutbahnen also ein bisschen aus wie in den Weltmeeren? Und wenn ja, was bedeutet das eigentlich? Ein nicht besonders angenehmer Gedanke. Ich greife zum Handy und wähle. „Hutter hier!“, sagt der Mediziner, der keine einzige Nummer im Telefon speichert und sich komplett auf sein Zahlengedächtnis verlässt – er hat auch meine erkannt.
Zunächst einmal: Was ist dieses Plastik eigentlich, von dem wir praktisch komplett umgeben sind?
Kunststoffe – also das, was wir gemeinhin als Plastik bezeichnen – bestehen aus (halb-)synthetisch erzeugten Polymeren mit organischen Gruppen. Das klingt jetzt zugegebenermaßen ein bisschen kompliziert, darum belassen wir es bei dieser Erklärung.
Was Kunststoff aber vor allem für die Industrie so besonders macht, sind seine technischen Eigenschaften (Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur-, Wärmeformbeständigkeit und chemische Beständigkeit), die sich durch die Auswahl von Ausgangsmaterial, Herstellungsverfahren und Beimischung von Zusatzstoffen nach Belieben verändern lassen – und damit ist mit Plastik praktisch alles möglich.
Ist Plastik eigentlich gleich Plastik, oder gibt es Kunststoff von der gefährlicheren und der ungefährlicheren Sorte?
Tatsächlich gibt es zwischen den Kunststoffen durchaus Unterschiede: Polyvinylchlorid, den meisten besser bekannt als PVC, ist aufgrund seiner gesundheits- und umweltschädigenden Wirkung sicher ein klassisches Beispiel für einen sehr problematischen Kunststoff. Demgegenüber ist Polyethylen als eher unproblematisch anzusehen. Generell ist eine einfache Klassifizierung aber eher schwierig und von den Folgen auf Gesundheit und Ökosysteme abhängig. So kann etwa Kunststoffen, bei deren Herstellung die ArbeitnehmerInnen schutzlos bestimmten Schadstoffen ausgesetzt sind, sicher kein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Das gilt auch für jegliche Kunststoffprodukte, die in großen Mengen produziert werden und dann als Müll hunderte Jahre in der Umwelt verbleiben.
Jetzt wirst du vielleicht sagen: Aber gerade im Medizinbereich werden viele Kunststoffprodukte verwendet. Stimmt. Beim Einsatz in der Medizin geht es einerseits um die Sicherheit der PatientInnen, andererseits um den Umweltschutz und Ressourcenschonung, was ebenfalls zentral im Sinne eines ganzheitlichen Gesundheitsschutzes ist. Das zu gewichten ist häufig sehr schwierig. Plastikprodukte werden aber auch in Krankenhäusern viel zu oft unreflektiert eingesetzt.
Allgemein geht es weniger darum, Plastik komplett zu verbannen, als darum, zu überlegen, wo man es tatsächlich braucht und welche Art von Plastik man wofür verwendet – aber auch, auf welche Kunststoffe und Zusätze wir vielleicht verzichten können.
„Kunststoffe stellen ein Risiko für Umwelt und Gesundheit dar.“
Folglich gibt es keine einfache Lösung. Man kann nicht sagen, dass Plastik nur Vorteile oder Nachteile hat – es liegt definitiv am Blickwinkel. Ja, Kunststoffe erleichtern den Alltag, teilweise aus Bequemlichkeit, teilweise aus funktioneller Nützlichkeit. Auf der anderen Seite verursachen sie eine Menge an Problemen und stellen ein Risiko für Umwelt und Gesundheit dar.
Jetzt habe ich das Handy samt Hülle in der einen Hand, den Kugelschreiber in der anderen und neben mir liegen noch die Kopfhörer. Das kann doch nicht alles gefährlich sein? Welche Stoffe sind es denn genau, die das Plastik „ungesund“ machen, und wie nehmen wir sie auf?
Abgesehen von PVC ist oft gar nicht der Kunststoff selbst gesundheitsbedenklich oder sogar gesundheitsschädlich, sondern vielmehr das, was wir dem Kunststoff beimengen. Das sind bestimmte UV-Stabilisatoren, Farbstoffe, Weichmacher oder Flammschutzmittel. Problematisch ist jedenfalls, dass es in jeder dieser Gruppen von Zusatzstoffen eine fast unüberschaubare Anzahl an Stoffen gibt, die hinsichtlich ihrer chronischen Wirkungen praktisch kaum untersucht sind. Und all diese Zusatzstoffe bleiben häufig nicht einfach im Kunststoff, sondern werden wieder freigesetzt und gehen somit in die Raumluft, den Hausstaub oder sogar in Lebensmittel über.
Nehmen wir einmal die Weichmacher, so genannte Phthalate: Sie lagern sich bei der Verarbeitung zwischen den Molekülketten des Polymers an und lockern so deren Gefüge auf – sie machen das Plastik damit biegsam und weich. Sie sind aber nicht chemisch gebunden, daher können Phthalatmoleküle an die Oberfläche der Kunststoffpartikel gelangen und von dort auf andere Materialien oder Oberflächen übergehen, wie z. B. von der Verpackung auf das Lebensmittel.
Diese Zusatzstoffe können aber auch durch Speichel aus dem Material (z. B. aus Spielzeug oder aus dem berühmten angeknabberten Denker-Kugelschreiber) gelöst werden, oder sie können durch Wärme oder bei Materialermüdung aus dem Material abdampfen, verdunsten und eingeatmet werden.
„Es gibt eine fast unüberschaubare Anzahl an Zusatzstoffen, die hinsichtlich ihrer chronischen Wirkungen praktisch kaum untersucht sind.“
Sie können aber auch, über die Haut aufgenommen, direkt in die Blutbahn gelangen, etwa über Infusionsschläuche. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass im Rahmen etlicher wissenschaftlicher Studien diese Stoffe oder deren Abbauprodukte (Metaboliten) in Blut und Harn der Bevölkerung nachgewiesen wurden.
Einige dieser Stoffe werden rasch und unverändert ausgeschieden, andere werden verstoffwechselt und es entstehen andere Stoffe (Metaboliten), manche wiederum werden im Organismus abgelagert, deswegen kann man auch nicht alle Kunststoffarten über einen Kamm scheren.
Demnach muss jeder von uns schon unzählige Plastikpartikel im Körper haben. Und wie beeinflussen die jetzt unsere Gesundheit?
Aufgrund der Vielfalt an chemischen Stoffen, die etwa als Zusatzstoffe eingesetzt und aufgenommen werden können, sind natürlich auch die gesundheitlichen Folgen vielfältig. Es wurden bereits verschiedene Effekte auf praktisch alle Organsysteme beobachtet. Bekannt sind Wirkungen auf das Hormonsystem und die Fortpflanzungsfähigkeit sowie auf das Nervensystem und die Atemwege; aber auch Stoffe, die Krebs verursachen können, finden sich unter diesen Chemikalien.
Abseits von gesundheitlichen Effekten durch direkten Kontakt mit den entsprechenden Konsumgütern, die häufig in der Öffentlichkeit thematisiert werden, sind andere Folgen weniger bekannt oder werden schlicht vernachlässigt, sprich: Die Gesundheit von ArbeiterInnen, die in der Erdölförderung oder in der Herstellung von Kunststoffprodukten etwa in asiatischen oder afrikanischen Produktionsstätten beschäftigt sind, interessiert bei uns kaum jemanden. Angesichts der mangelhaften Arbeitsschutzbestimmungen (falls überhaupt vorhanden) und den daraus resultierenden, für uns unvorstellbaren, unwürdigen Arbeitsbedingungen muss man davon ausgehen, dass es beim Umgang mit Kunststoffprodukten im Produktionsprozess zu sehr hohen Belastungen etwa mit gesundheitsschädlichen Chemikalien kommt. Beispielsweise ist zur PVC-Herstellung Vinylchlorid notwendig – diese Chemikalie gilt als krebserregend.
Gerade der Weichmacher Bisphenol A ist in Verruf geraten – der Chemikalie wird nachgesagt, sie sei krebserregend und hormonschädigend. In Babyprodukten, wie Schnullern oder Fläschchen, ist Bisphenol A mittlerweile verboten – in anderen Produkten aber nicht. Wie ist das möglich?
Die chemische Verbindung mit dem Kürzel BPA wird zur Herstellung von Kunststoffen wie Polycarbonaten und Epoxidharzen verwendet, aus denen vor allem Behälter und Flaschen für Lebensmittel und Getränke hergestellt werden oder auch Innenbeschichtungen von Getränke- und Konservendosen. Eine weitere BPA-Quelle sind Thermopapiere, auf die z. B. Kassenbons gedruckt werden.
„Es wurden bereits verschiedene Effekte auf praktisch alle Organsysteme beobachtet.“
Und diese Industriechemikalie kann durchaus in manchen Lebensmitteln nachgewiesen werden. Denn BPA kann aus Innenbeschichtungen von Konservendosen in die Nahrung übergehen, indem der Weichmacher durch eine chemische Reaktion mit Wasser aus der gebundenen Form wieder herausgelöst und freigesetzt wird.
BPA ist zwar nur gering akut giftig und wird relativ rasch wieder ausgeschieden, dennoch ist davon auszugehen, dass in unseren Körpern ein konstanter „Spiegel“ besteht, da immer wieder „neues“ BPA aufgenommen wird, und damit ist es sehr wohl bedenklich, denn Bisphenol A ist eine hormonaktive Chemikalie („endokriner Disruptor“). Die Chemikalie beeinflusst das Hormonsystem von Tieren und Menschen, indem sie sich an die natürlichen Andockstellen (Rezeptoren) von natürlichen Hormonen bindet. Und damit wird es gefährlich: BPA verstärkt die Wirkung weiblicher Sexualhormone und schwächt die Wirkung männlicher Sexualhormone ab – das bringt wiederum den Hormonhaushalt durcheinander und beeinflusst so die Fortpflanzungsfähigkeit. Auch eine Hemmung der Schilddrüsenhormone und ein Zusammenhang mit dem Auftreten von Diabetes wurden beobachtet. Zuletzt deuten auch zahlreiche tierexperimentelle Studien darauf hin, dass bereits niedrige BPA-Konzentrationen das Verhalten, Lernvermögen und bestimmte Hirnstrukturen verändern, speziell bei den Nachkommen der Tiere, die dem Stoff ausgesetzt waren.
„BPA bringt den Hormonhaushalt durcheinander und beeinflusst so die Fortpflanzungsfähigkeit.“
Wenn man sich also die bisher vorliegenden Studien über die Gesundheitseffekte von Bisphenol A ansieht, gibt es zahlreiche Hinweise auf mögliche Risiken für die menschliche Gesundheit. Eines muss man aber auch sagen: Bei einigen Aspekten der Risikobewertung bestehen zurzeit noch deutliche Wissenslücken und Unsicherheiten. Es ist deshalb jedenfalls gerechtfertigt, Vorsorgemaßnahmen für zumindest jene Bevölkerungsgruppen zu fordern, die aufgrund ihrer Empfindlichkeit am ehesten gefährdet sind, um sie diesem Stoff möglichst wenig auszusetzen. Und das sind auf jeden Fall auch Babys und Kinder. Denn Kinder haben im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht eine größere Hautoberfläche sowie eine intensivere Atmung. Außerdem haben sie oft intensiveren Kontakt mit Produkten als Erwachsene, sie stecken etwa viele Gegenstände in den Mund oder knuddeln ihre Spielzeuge stundenlang. Nicht zuletzt krabbeln Kleinkinder am Boden herum und nehmen auch so deutlich mehr Hausstaub auf, an dem sich wiederum Bisphenol A angelagert haben kann.
Und obwohl die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Bisphenol A für unbedenklich hält, sogar für Kinder und Säuglinge, hat die EU basierend auf dem Vorsorgeprinzip dennoch entschieden, BPA in Babyfläschchen zu verbieten.
„Weichmacher“ sind eine viel genutzte Industriechemikalie und halten Kunststoffprodukte „geschmeidig“. Zu den wichtigsten beziehungsweise am häufigsten eingesetzten Phthalaten zählen Di-2-ethylhexyl-Phthalat (DEHP), Di-isonyl-Phthalat (DINP) und Di-butyl-Phthalat (DBP). Diese Substanzen finden sich unter anderem in Bodenbelägen, Tapeten, Folien, Beschichtungen, Kabeln, Kfz-Bauteilen, Lacken, Textilien wie Duschvorhängen, aber auch in Spielzeug, Kosmetika und in Medizinprodukten wie z. B. Infusionsschläuchen. Wesentlich dabei ist, dass die Stoffe während der gesamten Lebenszeit der entsprechenden Produkte freigesetzt werden können.
Da sie heute überall aufzufinden sind und über viele Pfade (Nahrungsmittel, Luft, Wasser, Hausstaub – speziell bei Kindern durch den Hand-Mund-Kontakt von Bedeutung) aufgenommen werden können, ist es schwer, die Gesamtbelastung gegenüber dieser Substanzgruppe abzuschätzen. Seitdem spezifische Stoffwechselprodukte dieser Substanzen im Harn bestimmt werden können, ist jedoch bekannt, dass die durchschnittliche tägliche Aufnahme etwa von DEHP höher ist als bisher angenommen. Für spezielle Bevölkerungsgruppen (Kinder!) liegt diese sogar über der zulässigen Grenze.
Obwohl Umweltschutzorganisationen immer wieder vor diesen Chemikalien gewarnt hatten, wurde viele Jahre lang die Gefährlichkeit von Phthalaten unterschätzt. Immer mehr Studien beobachten neben einem fruchtbarkeitsschädigenden auch ein hormonschädigendes Potenzial bei diesen Stoffen. Es gibt Hinweise auf Beeinträchtigung der Samenqualität bei Männern durch Phthalate und vorzeitige Geschlechtsreife bei Mädchen. Außerdem können die Chemikalien die Plazentaschranke passieren und bereits das Kind im Mutterleib beeinträchtigen.
Andere Studien wiederum belegten Einflüsse auf die Lungenfunktion und geben Hinweise auf entzündliche Effekte bei der Einatmung. So zeigte sich u.a. ein deutlicher Zusammenhang zwischen Phthalat-Konzentrationen im Hausstaub aus Kinderzimmern und dem Auftreten von Asthma, Ekzemen und Katarrhen der Nasenschleimhaut bei den betroffenen Kindern.
Anzumerken ist aber, dass nur einige Phthalate hinsichtlich ihrer toxikologischen Eigenschaften umfassend untersucht sind. Auch aus diesem Grund sollten diese Stoffe so weit als möglich vermieden werden.
Warum kann man nun nicht einfach sagen: Auf diese Chemikalie müssen wir verzichten, sie ist zu gefährlich? Wie kann es sein, dass die Beurteilung von „Plastik-Chemikalien“ so schwammig und scheinbar nicht eindeutig ist?
Eines der vorrangigen und schwierigsten Probleme ist die Beurteilung der (gleichzeitigen) Einwirkung vieler chemischer Stoffe in zumeist sehr geringen Mengen, die aus vielen Quellen stammen können. Wir nehmen im Alltag praktisch einen Cocktail aus den unterschiedlichsten Chemikalien zu uns, denn Menschen sind meist nicht nur einem (dominanten) Schadstoff ausgesetzt, sondern höchstkomplexen Substanzgemischen mit unterschiedlichen oder ähnlichen Wirkungsweisen.
Und hier konnte schon vor Jahren gezeigt werden, dass beim Einwirken von mehr als zehn Stoffen in geringerer, „unschädlicher“ Konzentration, also unter jener Schwelle, wo Effekte zu sehen sind, andere, durchaus relevante Wirkungen auftreten („Cocktaileffekt“), das heißt, sie verstärken ihre Wirkung gegenseitig.1
Nun ist es aber so, dass Chemikalien in der Regel nur als Einzelsubstanz toxikologisch geprüft werden, was die Beantwortung der Frage, welcher Stoff für welche Gesundheitsfolgen verantwortlich ist, bei gleichzeitiger Einwirkung vieler dieser Stoffe sehr schwierig oder fast unmöglich macht.
Außerdem ist bei vielen Chemikalien die Datenlage zu gesundheitlichen Effekten bei einer langfristigen, dauerhaften Belastung spärlich. Das ist zumindest für WissenschaftlerInnen wenig überraschend, denn es gibt erhebliche methodische Probleme bei der Erforschung eines Gefährdungspotenzials für die Bevölkerung. Tierexperimentelle Untersuchungen oder Zellversuche können beispielsweise die Anfälligkeit für Erkrankungen beim Menschen nur begrenzt abbilden.2 Tierversuche können auch keinen Aufschluss über Beeinträchtigungen des Wohlbefindens geben, die beim Menschen aber sehr wohl von Bedeutung sein können.
Wenn nun ein Stoff als gefährlich beurteilt und deshalb verboten wird, dann wird er von der Industrie natürlich durch chemisch ähnliche Stoffe ersetzt, damit weiterhin die gewünschte Funktion erhalten wird. Doch über diese Ersatzstoffe weiß man oft noch deutlich weniger. Es vergeht dann wieder Zeit, bis erkannt wird, dass auch diese Ersatzstoffe gesundheitlich bedenklich sind (Beispiel: Bisphenol A wird durch andere Bisphenole ersetzt).
Außerdem darf man nicht vergessen, dass selbst lange, nachdem verbotene Substanzen durch neue ersetzt wurden, die früher verwendeten noch immer in die Umwelt zirkulieren können, wenn es sich um schwer abbaubare Stoffe handelt. Solche Stoffe können noch Jahrzehnte in der Umwelt, aber auch im menschlichen Gewebe nachgewiesen werden. Oft zeigt es sich also, dass wir im Streben, uns das Leben leichter zu machen und rasch Erfolge zu erzielen, unseren Nachkommen eine Bürde auferlegen. Nicht nur im Ressourcenverbrauch leben wir auf Kosten zukünftiger Generationen.
Nicht erst, wenn Kinder am Boden krabbeln, nehmen sie Schadstoffe auf. Die Belastung kann schon viel früher beginnen. Mit Zunahme vorliegender Forschungsergebnisse rücken speziell hormonähnlich wirkende Chemikalien stärker in den Vordergrund. Insbesondere, wenn ein Stoff die Plazentaschranke passiert, können solche Substanzen schon während der Schwangerschaft in das ungeborene Kind praktisch eingeschwemmt werden. Eine Reihe von Studien belegt, dass bereits diese chemischen Belastungen während der Schwangerschaft Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes haben können. Der Grund: Der menschliche Organismus reagiert während der embryonalen und fötalen Phasen besonders empfindlich auf Störungen des Hormonhaushalts.
So wurde etwa ein Zusammenhang zwischen mütterlicher Phthalat-Exposition und einem anti-androgenen Index (verminderter Abstand zwischen Anus und den Genitalien) bei männlichen Neugeborenen beobachtet. Es konnte auch gezeigt werden, dass männliche Babys und Kleinkinder ein erhöhtes Risiko für Hodenhochstand (Kryptorchismus) und einen kleineren Penis haben, wenn die Mutter vor der Geburt Weichmachern ausgesetzt war.3
Eine kindliche, nachgeburtliche Exposition kann u.a. auch zu Fortpflanzungsstörungen (z. B. verminderte Spermienzahl) führen. Außerdem werden diese hormonell wirksamen Chemikalien mit Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes, metabolischem Syndrom und Übergewicht in Verbindung gebracht.
Im Zuge der deutschen Kinder-Umwelt-Survey wurde für einige hormonell wirksame oder vermutlich hormonell wirksame Substanzen bei Kindern (3 bis 14 Jahre) nachgewiesen, dass die Belastung bei Kindern in Deutschland jedenfalls zu hoch ist.
Biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe werden häufig als mögliche Lösung für die Ansammlung von Plastikmüll angesehen. Am Markt gibt es derzeit viele Materialien, und das macht es für die KonsumentInnen schwer, sich zu orientieren.
So sind beispielsweise sogenannte „biobasierte“ Kunststoffe ganz oder auch nur zu einem Teil aus Biomasse hergestellte Kunststoffe (z. B. Mais, Zuckerrohr). Diese müssen nicht zwingend auch biologisch abbaubar sein. Hingegen bestehen „biologisch abbaubare“ Plastiksackerl aus Kunststoffen, die sich quasi selbst zersetzen. Diese können aus pflanzlichen Rohstoffen sein, aber genauso auch aus erdölbasierten Polymeren.
In dieser Kategorie wird noch zusätzlich unterschieden zwischen „biologisch abbaubarem“ und „kompostierbarem“ Kunststoff. Kompostierbar heißt, dass der jeweilige Kunststoff durch Mikroorganismen überwiegend in Wasser, Kohlendioxid und Biomasse „zerlegt“ wird. Das geschieht allerdings in einem kontrollierten Prozess mit definiertem Zeitrahmen.
Bei biologisch abbaubaren Kunststoffen läuft der Abbau vergleichbar ab. Er könnte zwar auch in der freien Natur von alleine stattfinden, würde dafür aber deutlich länger dauern.
Wenig berauschend sind sogenannte „oxo-abbaubare“ Kunststoffe. Diese Materialien werden zwar verhältnismäßig schneller abgebaut (sie enthalten Metallionen, die oxidiert werden). Es ist aber schwierig zu berechnen, wie lange ein oxo-abbaubares Plastiksackerl tatsächlich braucht, bis es abgebaut ist. Unter ungünstigen Bedingungen zerfällt es gar nicht oder nur in kleine Mikroplastikfragmente, die sich dann kaum weiter zersetzen. Daher finden sich auch immer mehr Stimmen, die ein generelles Verbot solcher Kunststoffe befürworten.
Zusammenfassend kann man, wenn überhaupt, nur schwer Vorteile finden, die diese „Bio-Sackerl“ haben. Nur eines ist sicher: Wir müssen unseren Verbrauch an Einwegsackerln dringend reduzieren bzw. vermeiden: Immer eigene Taschen oder alte Sackerl mitnehmen. Wenn doch einmal ein neues Sackerl nötig ist – egal, ob aus Plastik oder Papier: dieses so oft wie möglich wieder benutzen.
Aber auf Plastik zu verzichten ist in etwa so, als würde ich sagen, ich verzichte auf Strom – das ist schlicht nicht möglich. Können wir uns trotzdem schützen oder sollten wir mit bestimmten Plastikarten jedenfalls nicht mehr in Berührung kommen?
Das ist schwer zu sagen, weil man ja nie sicher sein kann, was bzw. welche Additive in welchem Kunststoffprodukt eigentlich genau enthalten sind – schon aufgrund der oft fraglichen Herkunft der Produkte.
Dennoch kann man nach einer einfachen Regel die Produkte auswählen: Je mehr ein Kunststoff „kann“, also je mehr Eigenschaften diesem zugeschrieben werden, wie z. B. farbenfroh, UV-beständig, beduftet etc. zu sein, desto mehr Zusatzstoffe werden vermutlich auch eingesetzt worden sein, um diese Eigenschaften „herbeizuzaubern“. Desto größer ist daher aber auch deren potenzielle Gefährlichkeit.
Eine weitere einfache Probe ist, daran zu riechen: Wenn ein Produkt chemisch oder auffällig riecht, ist davon auszugehen, dass aus dem Kunststoff diverse flüchtige Substanzen ausgasen und die Qualität nicht wirklich geprüft wurde.
„Rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff werden weltweit pro Jahr produziert.“
Viele andere Substanzen sind aber praktisch nicht zu riechen, wie etwa Weichmacher. Hier ist es ratsam, auf Hinweise wie etwa „phthalatfrei“ zu achten. Vorsichtiger sollte man generell mit Gegenständen sein, also auch mit diversen Kunststoffprodukten, wenn wir mit ihnen im Alltag häufiger, intensiver und/oder über eine längere Zeit Kontakt haben. Das betrifft etwa kindernahe Produkte (z. B. Spielzeug).
Jeder kann aber auch bei den Herstellern nachfragen, ob etwa diverse Additive in ihren Kunststoffen eingesetzt werden. Diese sind auskunftspflichtig, wenn das Produkt mehr als ein Gramm pro Kilogramm des Schadstoffes aufweist. Laut Europäischem Gerichtshof gilt diese 0,1-Prozent-Grenze bei Erzeugnissen, wenn sie aus mehreren Teilen zusammengesetzt sind, auch für die Einzelkomponenten.
Generell weniger Plastikprodukte zu verwenden bzw. zu kaufen ist aber natürlich immer der sicherste Weg.
Auf all diese Chemikalien möchte ich in Wahrheit meinem Körper zuliebe verzichten, aber das ist wohl nicht der einzige Grund, warum man seinen Plastikkonsum im Auge behalten sollte, oder?
Keineswegs, denn Fakt ist: Die Rohstoff- und Ressourcenverschwendung sowie die anwachsende Verunreinigung aller Umweltmedien mit Kunststoffrückständen und Mikroplastik einzudämmen ist von stark wachsender Dringlichkeit. Man kann sich kaum vorstellen, dass rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff weltweit pro Jahr produziert werden. Auf Verpackungen entfällt mehr als ein Drittel aller hergestellten Kunststoffe. Und die Produktionsmenge wächst noch immer – und ein großer Teil dieser Produktion landet im Müll.
„Auch verbotene Stoffe können oft noch Jahrzehnte in der Umwelt, aber auch im menschlichen Gewebe nachgewiesen werden.“
Für ein Kilo Polyethylen benötigt man rund zehn Liter Wasser, und natürlich Erdöl, einen wertvollen Rohstoff, den wir für unnötige Produkte unseren Nachkommen entziehen, denn Erdöl wächst nicht nach. Immerhin acht Prozent des jährlich geförderten Erdöls gehen in die Plastikproduktion. Allein für die Herstellung von rund 16,4 Milliarden Plastikflaschen für Deutschland sind pro Jahr 665.000 Tonnen Rohöl erforderlich, das muss man sich mal vor Augen halten. Und in Österreich finden immerhin 1,5 Milliarden Plastikflaschen jährlich ihren Weg auf den Markt. Ein Ersatz dieser durch Mehrweg-Pfandflaschen würde eine Plastikreduktion um 45.000 Tonnen ausmachen – pro Jahr.
Betrachtet man nun die umweltschädigenden Folgen von Erdölproduktion und -transport wie etwa Tankerunglücke oder Ölverschmutzungen durch „havarierte“ Bohrinseln, Plattformen (Brent Spar) oder die Leckagen in Pipelines (z. B. Nigeria), die Gesundheitsprobleme der Bevölkerung in den Ölfördergebieten und so weiter, kann man wohl schon sagen, dass es eine Menge (ökologischer und gesundheitlicher) Gründe gibt, sich einzuschränken.
Aber das ist nur der Anfang, es geht ja an den Arbeitsplätzen in der Kunststoffproduktion weiter. Stichwort: Chemische Belastungen in den Fabriken.
Und zum Schluss: Ein erheblicher, sehr großer Teil des erzeugten Plastiks landet nach sehr kurzer Nutzungs- bzw. Verwendungszeit (Plastiktrinkflasche) nagelneu in der Umwelt. Vor allem in Ländern ohne bzw. mit mangelhaftem Recycling und Abfallbehandlung sind diese Folgen augenscheinlich in der Natur abgebildet, wo es dann möglicherweise hunderte Jahre dauert, bis der Plastikmüll abgebaut ist. Und nicht nur, dass wild deponierter und nicht recycelter Müll jährlich riesige Mengen an Treibhausgasen produziert, ist auch ein anderes Problem augenscheinlich: Mikroplastik.
Inspiriert vom sehenswerten Dokumentarfilm „Plastic Planet“ (Regie: Werner Boote) hat eine fünfköpfige Familie aus der Steiermark im privaten Haushalt monatelang radikal auf Kunststoffe verzichtet. Umweltmediziner der MedUni Wien haben sie dabei im Rahmen einer Interventionsstudie begleitet.
Familie K. hat Mitte November 2009 begonnen, sich von Kunststoffen im eigenen Haus zu befreien, ein weltweit bisher einzigartiges Experiment. Alle Kunststoffprodukte des täglichen Lebens wurden, soweit möglich, durch entsprechende kunststofffreie Produkte ersetzt – bis hin zu Zahnbürsten aus Holz mit Tierhaarborsten. Zugleich wurde akribisch darauf geachtet, Lebensmittel nur dann zu essen, wenn sie vorher nicht oder kaum mit Kunststoff in Berührung gekommen waren. Schon das war eine große Herausforderung beim Einkaufen. Daran kann man sehen, wie facettenreich die Kunststoffproblematik unseren Alltag durchdringt.
Diese Human-Biomonitoring-Studie sollte klären, ob sich durch einen radikalen Verzicht die innere Belastung, speziell an Phthalaten, verändert. Dazu wurden zu Beginn des Experiments und nach einer zweimonatigen Phase mit intensiver privater Kunststoffvermeidung – in Arbeit und Schule war das nur in weitaus geringerem Ausmaß möglich – 14 gesundheitsrelevante Weichmacher im Morgenharn gemessen.4
Das Fazit: Selbst wenn auf privater Ebene jeder mögliche Kontakt mit Kunststoffen vermieden oder zumindest minimiert wird, bleibt eine bestimmte innere Belastung bestehen. Experiment und Studienergebnisse zeigen, dass wir alleine praktisch chancenlos sind, dieser Belastung gänzlich zu entkommen. Ein Freibrief zur hemmungslosen Kunststoffverwendung ist das allerdings nicht: Die Familie hat bereits vor ihrem „Plastikfasten“ gesundheitsbewusst gelebt, weshalb die Belastung durch Kunststoffe schon im Vorfeld unterdurchschnittlich war. Neben weiteren gesellschaftlichen Anstrengungen braucht es dringend auch energische politische Rahmenbedingungen, um Plastik und bestimmte Zusatzstoffe zu vermeiden. Kunststoffvermeidung ist daher vor allem ein Beitrag zum Ressourcen- und zum Umweltschutz.
Im Scheinwerferlicht steht in den letzten Jahren aber immer mehr das Mikroplastik. Eine neue Studie besagt, dass allein in den oberen Wasserschichten des Atlantiks 21 Millionen Tonnen Mikroplastik schwimmen. Das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Was versteht man überhaupt unter Mikroplastik?
Von Mikroplastik (MP) spricht man, wenn es um Kunststoffpartikel geht, die kleiner als fünf Millimeter sind. Partikel, die kleiner als ein Mikrometer (= ein Tausendstel Millimeter) sind, gelten als Sub-Mikroplastik, wenn sie kleiner als 100 Nanometer sind, werden sie als Nanoplastik bezeichnet
Zu unterscheiden ist das primäre Mikroplastik, also eigens hergestelltes Mikroplastik in mikroskopischer Größe – etwa für Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel –, von sekundärem Mikroplastik. Diese Art von Teilchen entsteht u.a. durch Zersetzung und Zerteilung größerer Kunststoffteile.
„Mikroplastik kann auch mit Schadstoffen belastet sein.“