Roman
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel
»Occupied City« bei Faber & Faber, London.
Das Motto dieser Ausgabe wird zitiert nach:
Antonin Artaud, »Das Theater und sein Double«.
Übertragen von Gerd Henniger. Berlin (Matthes & Seitz) 2010.
© David Peace 2009
© Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2010
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Marc Müller-Bremer, München
Umschlagmotiv: Alex Gross, Pasadena
eISBN 978-3-95438-132-6
Für meine Mutter
Der Sohn, bislang gehorsam und tugendhaft, tötet seinen Vater; der Züchtige treibt sodomitische Unzucht mit seinem Nächsten. Der Lasterhafte wird rein. Der Geizhals wirft sein Gold mit vollen Händen zum Fenster hinaus. Der Kriegsheld steckt die Stadt an, für deren Rettung er sich einst aufgeopfert hat.
Antonin Artaud
DIE ERSTE KERZE
DIE ZWEITE KERZE
DIE DRITTE KERZE
DIE VIERTE KERZE
DIE FÜNFTE KERZE
DIE SECHSTE KERZE
DIE SIEBTE KERZE
DIE ACHTE KERZE
DIE NEUNTE KERZE
DIE ZEHNTE KERZE
DIE ELFTE KERZE
DIE ZWÖLFTE UND LETZTE KERZE
IN DER BESETZTEN STADT bist du Schriftsteller, und du fliehst.
Im Winter, mit Papieren unter dem Arm, in einer Januarnacht, und du fliehst durch die Straßen Tokios, nur fort vom Tatort; fort von Schnee und Schlamm, von der Bank und von den Leichen; du fliehst vor dem Tatort und den Wörtern des Buchs; Wörter, die dich erst verführten und verzauberten, dich dann betrogen und besiegten, und nun bist du umgarnt und umzingelt.
Unter einem Himmel, bedrohlicher als Nacht, bedrohlicher noch als Schnee, schnaufst und keuchst du, du japst und schnappst nach Luft.
Denn du hörst sie, du hörst sie kommen, Schritt für Schritt, sie flüstern und murmeln. Du hörst sie, hörst sie näherkommen, Schritt für Schritt-Schritt, sabbernd und knurrend, Schritt für Schritt-Schritt für Schritt …
»Eine nächtliche Parade von Hundert Dämonen« …
Im Nachtgewanke fällt dir die Brille von der Nase. Im Schneegestolper fallen dir die Blätter aus der Hand. In Nacht und Schnee kämpfst du um deine Brille und deine Blätter, du suchst nach deiner Sehkraft und deiner Arbeit. Doch nun ist der gespensterschwere Wind über dir, umfängt dich die geisterhafte Luft. Sie stiehlt dir die Blätter und zerschlägt deine Brille, sie verwandelt die losen Seiten in einen Blätterwirbel, die Gläserscherben in einen Splittersturm, und du krallst dich durch den drückenden Wind, kämpfst dich vor durch die Geisterluft …
Doch dann erstirbt der Wind, die Luft ist fort, die Blätter schweben herab, die Scherben fallen zu Boden. Du schnappst dir Brille, Papiere, Manuskript; das Manuskript des
im Werden begriffenen Buchs;
des Buchs, das
nichts
werden wird.
Des unfertigen Buchs ungelöster Fälle. Dieses Winterbuch, Mörderbuch, Pestbuch.
Die weißen Blätter in Händen, das leere Brillengestell auf der Nase, und jetzt siehst du das Schwarze Tor vor dir, und du rennst wieder los, durch die Januarnacht, schnaufst und keuchst durch die Straßen Tokios, japst und schnappst.
Du bleibst stehen.
Unter dem Schwarzen Tor suchst du Schutz. Du kauerst dich in die klammen Schatten. Sonst ist hier niemand unter den Dachvorsprüngen, nur die Nachtfingerspitzen, die Schneefußschritte. Dieses Tor, einst ein Juwel, ist ein Trümmerhaufen, beinahe; doch noch steht es, bietet vielleicht Zuflucht. Heute Nacht keine Krähen, keine Füchse, keine Schlägertypen, keine Nutten. Nur Nacht, nur Schnee, Kältefingerspitzen und Matschfußschritte. Du atmest schwer, dein Mantel durchgeweicht, du spuckst Blut, deine Blätter rot verfärbt. Dein Atem stinkt, dein Bauch ist aufgedunsen, deine Augen blutunterlaufen, dein Gesicht verquollen.
Doch hier, unter dem Schwarzen Tor, in diesen klammen Schatten, hier wirst du dich verstecken. Hier drinnen, hier …
Hier versteckst du dich …
Fort! Fort!
Von dieser Stadt, keine Luft, von dieser Stadt, keine Zeit. Diese verfluchte Stadt; Stadt der Plünderungen und der Erdbeben, Stadt der Attentate und des Aufruhrs, Stadt der Bomben und des Feuers, Stadt der Seuchen und des Hungers, diese Stadt der Niederlage, der Niederlage und der Kapitulation.
Diese verfluchte Stadt, Stadt der Überfälle
und Vergewaltigungen, Stadt der Morde,
der Morde und der Pest.
All die Dinge, die du gesehen, die du aufgeschrieben hast, mit der Tinte, die du vergossen, auf den Blättern, die du besudelt hast.
Hier drinnen, hier
drinnen …
»… ein in der Edo-Zeit beliebtes Spiel des Erzählens von Geistergeschichten. In der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich diese Form bei den Samurai als spielerische Mutprobe durchgesetzt; zu Anfang des 19. Jahrhunderts war daraus eine auch im einfachen Volk weit verbreitete Form des Zeitvertreibs geworden. Eine Gruppe von Menschen setzt sich bei Einbruch der Dämmerung im Schein von hundert brennenden Kerzen zusammen, von denen jede mit einem blassblauen Papierschirm versehen ist. Nacheinander erzählt jeder der Anwesenden eine Geschichte voll übernatürlichen Schreckens; am Ende jeder Geschichte wird eine der Kerzen gelöscht. Je später es wird und je weiter sich die Geschichten entwickeln, umso dunkler und düsterer wird es, bis nach der hundertsten Geschichte die letzte Kerze ausgeblasen wird und der Raum in völliger Finsternis versinkt. In diesem Augenblick, so glaubt man, tauchen in der Dunkelheit tatsächlich Ghule oder Ungeheuer auf, die durch das schauerliche Geschichtenerzählen herbeigerufen wurden …«
Die Blutflecken, die Tränenspuren, die toten Buchstaben und die toten Sätze. Du schaust von deinen Blättern auf, erblickst eine Treppe, eine breite Treppe ins obere Stockwerk, ein Stockwerk entfernt von der Stadt. Du raffst deine Blätter zusammen, du rennst die Treppe hinauf, leise Fingerspitzen folgen dir, weiche Fußschritte geben das Echo zu deinen Schritten …
Ein Schritt, zwei Schritte, drei Schritte, vier …
Auf halber Höhe bleibst du stehen, treppenstill,
treppenschief, du kauerst dich hin,
atemstill …
In der Kammer im oberen Stockwerk, hoch oben unter dem Dach ist Licht über deinem Kopf, hier in dem Schwarzen Tor,
hier bist du nicht allein, hier bist du gegenwärtig …
Du gehst weiter, du bleibst wieder stehen, und du siehst …
In der Kammer ganz oben, in einem okkulten Kreis …
Zwölf Kerzen und zwölf Schatten.
In der besetzten Stadt, unter dem Schwarzen Tor, in der oberen Kammer, in diesem okkulten Kreis der zwölf Kerzen,
bist du jetzt auf Knien.
Plötzlich wird die Decke der Kammer von einem Blitz erhellt. Du schaust, du lauschst. Du hörst den Donner grollen, Regen prasselt schwer aufs Dach. Du lauschst, du schaust …
Im Schein der Kerzen siehst und hörst du jetzt auch eine Handglocke, die geschüttelt wird; hörst und siehst eine Glocke und eine Hand …
Die rote Glocke und die weiße Hand, der weiße Arm und der rote Ärmel, das rote Gewand und das weiße Gesicht einer Frau …
Die Frau, ein Medium, vor dir.
Im Zentrum des Kerzenrings,
im Flackerring steht sie …
Haar und Gewand wallen in einem plötzlichen Sturm auf, denn der gespensterschwere Wind hat dich wieder, wieder diese Geisterluft,
und wieder schüttelt das Medium die Glocke, wieder und wieder …
Die Glocke, dann der Klang einer träge geschlagenen Trommel,
und das Medium beginnt zu tanzen, sich zu drehen und zu wirbeln …
Wie verrückt klingelt die Glocke, der Wind heult,
die Trommel schlägt, wieder und immer wieder …
Füße bewegen sich durch das zersplitterte Holz,
tanzen, drehen und drehen, wirbeln …
Plötzlich bleibt sie stehen, reglos,
erstarrt, die Glocke fällt ihr aus der Hand.
Abrupt schaut sie dich an und sagt:
»Spielen wir das Spiel der Geschichten …«
Dann stürzt das Medium auf dich zu,
in dieser verfluchten Stadt …
fällt vor dir zu Boden, setzt sich, aufrecht, angespannt und regungslos, und nun öffnet sich ihr Mund zum Sprechen. Mit körperloser Stimme spricht es. Es spricht die Worte der Toten …
»Wir sind wegen dir hier«, flüstern sie. »Wegen dir, unserem lieben, süßen Schriftsteller, wegen dir …«
Wegen dir ist die Stadt ein Sarg. Im Schnee. Hinten auf einem Laster. Vor der Bank. Im Eisregen. Unter der schweren, feuchten Plane. Durch die Straßen. Im Regen. Zum Krankenhaus. Ins Leichenschauhaus. Im Eisregen. Zur Leichenhalle. Zum Tempel. Im Schnee. Zum Krematorium. Zu Erde und Himmel.
In unseren zwölf billigen Holzsärgen …
In diesen zwölf billigen Holzsärgen liegen wir. Aber wir liegen nicht erstarrt da. Wir kämpfen in diesen zwölf billigen Holzsärgen. Nicht in der Dunkelheit, nicht im Licht; wir kämpfen im Grau; denn hier ist alles grau, hier gibt es nur Kampf.
An diesem grauen Ort,
der kein Ort ist,
kämpfen wir ununterbrochen, schon immer, schon lange …
An diesem Ort, Nichtort, zwischen zwei Orten. Wo wir einst waren, wo wir sein werden …
Die tödlich Lebenden,
die lebendigen Toten …
Zwischen diesen zwei Orten, zwischen diesen beiden Städten:
Zwischen der besetzten Stadt und der toten Stadt leben wir, zwischen der verwirrten und der posthumen Stadt.
Hier leben wir in der Erde, bei den Würmern,
am Himmel, bei den Fliegen, wir, die wir nicht mehr im Dasein beheimatet sind. Jenseits von Verlust fallen Vogelschwärme vom Himmel und lassen ihre blutigen Federn und abgerissenen Flügel auf uns herabregnen. Aber wir hören dich immer noch. Wir, die wir nun im Nichts beheimatet sind. Jenseits von Verlust springen Fischschwärme aus dem Meer und lassen ihre blutigen Eingeweide und abgerissenen Köpfe auf uns herabfallen. Wir sehen dich immer noch. Wir wollen wieder atmen, aber das können wir nie mehr. Jenseits von Verlust stürmen Viehherden von den Weiden und zertrampeln uns mit ihren blutigen Kadavern und abgetrennten Körperteilen. Wir hören dich. Wir wollen zurückkehren, aber das können wir nie mehr. Jenseits von Verlust. Wir beobachten dich immer noch. Durch unsere Schleier …
Schleier, die nicht mehr vor unseren Augen liegen, sondern dahinter, Fäden, gesponnen aus Tränen, Netze, gewoben aus Tod, Schleier, die unsere Namen ersetzen, unser Leben.
Durch diese Schleier
schauen wir noch immer hindurch …
Wir beobachten, wir beobachten dich …
Unsere Münder schon immer offen, schon lange offen. Aber wir sprechen nicht mehr, wir können nicht sprechen, hier können wir nur hauchen, hauchen:
Interessieren wir dich? Haben wir das je?
Unsere Münder schreien,
schon immer, Schreie,
die hauchen:
Deine Gleichgültigkeit ist unsere Krankheit, ist uns eine Plage …
Wir hausen jenseits des Kummers. Du verschließt deine Münder. Wir hausen jenseits des Schmerzes. Du verschließt deine Augen. Jenseits der Trauer, der Verzweiflung. Du schließt deine Ohren, denn du hörst uns nicht, du hörst nicht auf uns …
Und wir sind müde, so müde, so überaus müde …
Doch noch immer hausen wir zwischen diesen beiden Orten …
Jenseits von Verfall liegen wir da. Betrunken hältst du uns Strafpredigten. Jenseits von Wahrnehmung warten wir. Nüchtern ignorierst du uns. Vergessen und vernachlässigt, verscharrt oder verbrannt, verfolgt und ruhelos, unter der Erde und über dem Himmel, traumlos, schlaflos. Du siehst unser Leid nicht. Wir sind so müde, so überaus müde. Du hörst unser Flehen nicht. Wir weinen tränenlos, wir schreien tonlos,
und noch immer warten wir, noch immer
beobachten wir …
Zwischen der besetzten Stadt und der toten Stadt, zwischen der verwirrten Stadt und der posthumen Stadt warten wir, wir beobachten und kämpfen. Hier an diesem grauen Ort, an dem wir warten,
beobachten und kämpfen:
Verflucht seist du, der du uns hierher verbannt hast! Verflucht seist du, der du uns hier festhältst! Launisch bist du, so launisch …
Launisch seid ihr, die Lebenden …
Vergessen sind wir, vergessen und verleugnet …
Vergessenes, verleugnetes Leben …
Denn du gibst uns unseren Tod nicht …
Verleugnest uns und sperrst uns ein …
In der verwirrten Stadt, der posthumen Stadt, unter der besetzten Stadt, vor der toten Stadt sind wir eingesperrt, eingesperrt im Grau, in dieser Stadt. In dieser Stadt, die keine ist,
an diesem Ort, der keiner ist.
Hier gehen wir langsam mit unseren Schachteln im Kreis herum. Hast du unsere Schritte in deinem Herz gehört? Tragen unsere eigene Asche um den Hals, unsere eigenen Knochen in diesen Schachteln. Hast du unsere Fingerspitzen in deiner Haut gespürt? Wir heben die Schultern, die Gesichter, die Blicke. Bist du gekommen, uns zurück ans Licht zu führen? Wir gehen langsam zurück ans Licht. Zurück in die besetzte Stadt? Wir gehen langsam durch die besetzte Stadt, um diese zwölf Kerzen, gehen langsam um sie herum, immer weiter im Kreis …
Zurück in der besetzten Stadt sind wir wieder die Opfer.
Hier sind wir niemals die Zeugen; immer, schon immer die Opfer.
Und wir weinen. Immer, schon immer die Weinenden …
Hier, dir wir einst die Lebenden waren …
Weinen wir nun die ganze Zeit, hier …
Hier heut Nacht, weinen wir …
In der besetzten Stadt, wo die Weinenden die Lebenden suchen. Aber die Lebenden sind nicht hier, nicht heute Nacht vor diesen Kerzen.
Heute Nacht sind hier nur die Weinenden …
Heute Nacht hier nur wir:
Heute Nacht sind wir wieder Takeuchi Sutejiro, Watanabe Yoshiyasu, Nishimura Hidehiko, Shirai Shoichi, Akiyama Miyako, Uchida Hideko, Sawada Yoshio, Kato Teruko, Takizawa Tatsuo, Takizawa Ryu, Takizawa Takako und Takizawa Yoshihiro.
Und noch immer weinen wir. Sind immer, schon immer die Weinenden, schon wieder die Weinenden: In der besetzten Stadt ist es schon wieder der 26. Januar 1948.
Hier ist es immer, schon immer der 26. Januar 1948.
Immer dieses Datum, schon immer unsere Wunde …
Die niemals verheilen wird …
Hier, hier, wo es immer, schon immer dieses Datum, diese Zeit ist; immer, schon immer das letzte Mal:
Zum letzten Mal erwachen wir am Morgen in unseren Betten. In unseren Betten, die nicht mehr die unseren sind. Zum letzten Mal kleiden wir uns an. In unseren Wohnungen, die nicht mehr die unseren sind, unsere Kleidung, die nicht mehr die unsere ist. Zum letzten Mal essen wir weißen Reis. Jetzt essen wir nur noch schwarzen Reis, den schwarzen Reis, der unsere Mägen leert. Zum letzten Mal trinken wir klares Wasser. Hier trinken wir nur das schwarze Wasser, das uns die Münder leert. Zum letzten Mal verabschieden wir uns in unseren genkans von Müttern und Vätern, Brüdern und Schwestern, Frauen und Söhnen, Gatten und Töchtern, die nicht länger unsere Mütter und Väter sind, nicht länger unsere Brüder und Schwestern, unsere Frauen und Söhne, unsere Gatten und Töchter. Zum letzten Mal gehen wir durch den Schnee zur Arbeit, die nicht länger unsere Arbeit ist. Zum letzten Mal fahren wir in der Menschenmenge mit Eisenbahnen und Bussen. Eisenbahnen und Busse, die nicht länger unsere Eisenbahnen und Busse sind …
Zum letzten Mal eilen wir durch die besetzte Stadt.
Wir eilen weg von der Haltestelle Shiinamachi. Im Eisregen. Zum letzten Mal. Die Straße entlang. Wir eilen durch den Schlamm. Zum letzten Mal. Zur Teikoku Bank. Die Teikoku Bank, die keine Bank mehr ist …
Zum letzten Mal öffnen wir die Tür. Die Tür, die keine Tür mehr ist. Zum letzten Mal ziehen wir die Schuhe aus. Wo sind unsere Schuhe jetzt? Zum letzten Mal ziehen wir unsere Hausschuhe an. Wo sind sie? Zum letzten Mal sitzen wir an unseren Schreibtischen. An unseren Tischen, die nicht länger unsere Tische sind …
Zum letzten Mal …
Warten wir zwischen den Unterlagen und Hauptbüchern darauf, dass die Bank geöffnet wird. Zum letzten Mal an diesem letzten Tag, dem 26. Januar 1948 …
Schauen wir zu, wie die Zeiger der Uhr auf halb zehn springen. Zum letzten Mal wird die Bank geöffnet, beginnt der Tag. Zum letzten Mal bedienen wir die Kunden. Zum letzten Mal schreiben wir in die Hauptbücher.
Zum letzten Mal …
Im Schein der Lampen, in der Wärme der Heizkörper, hören wir, wie der Schnee zu Eisregen wird, der Eisregen zu Regen, der aufs Dach der Bank prasselt. Und wir fragen uns, ob wohl heute die Bank früher schließen wird. Wir fragen uns, ob wir heute früher gehen können, nach Hause zu unseren Familien. Wegen des Wetters,
wegen des Schnees …
Aber der Schnee ist zu Eisregen geworden und zu Regen, also wird die Bank heute nicht früher schließen und wir werden nicht früher nach Hause gehen können,
zu unseren Familien …
Also sitzen wir an unseren Schreibtischen in der Bank, im Schein der Lampen, in der Wärme der Heizkörper, und wir beobachten die Zeiger der Uhr und schauen zu unserem Filialleiter hinüber, der an seinem Schreibtisch hinten im Raum sitzt; wir wissen, dass es Herrn Ushiyama, unserem Filialleiter, nicht gut geht. Das können wir an seinem Gesicht erkennen und an seiner Stimme hören. Wir wissen, dass er starke Magenschmerzen hat. Wir wissen, dass er unter diesen Schmerzen seit fast einer Woche leidet. Wir alle wissen, worum es sich dabei handeln könnte; es könnte Ruhr sein, es könnte Typhus sein. In der besetzten Stadt,
wissen wir alle, was das bedeutet …
In der besetzten Stadt wissen wir,
es könnte den Tod bedeuten, Tod …
Aber er wird es überleben,
er wird es durchleben …
Zum letzten Mal sehen wir, wie die Zeiger 14.00 Uhr erreichen, und wir sehen, wie Herr Ushiyama sich von seinem Schreibtisch erhebt; sein Gesicht ist kreidebleich, und er hält sich den Bauch. Zum letzten Mal sehen wir, wie Herr Ushiyama sich verbeugt, und wir hören, wie er sich bei allen entschuldigt. Zum letzten Mal sehen wir, wie Herr Ushiyama früh nach Hause geht.
Und wir alle wissen, was das bedeuten könnte …
Wir wissen, es könnte den Tod bedeuten …
Aber er wird überleben, er wird leben. In seinem Haus, das noch immer sein Haus ist, bei seiner Familie, die noch immer seine Familie ist …
Nur wir gehen nicht früh nach Hause zu unseren Familien. Wir sitzen an unseren Schreibtischen, im Schein der Lampen, in der Wärme der Heizkörper, und kümmern uns um unsere Kunden und unsere Hauptbücher. Wir lauschen dem Klang des Regens.
Und wir beobachten die Zeiger der Uhr.
Wir sehen, wie die Zeiger 15.00 Uhr erreichen, und wir schauen zu, wie die Bank für heute schließt. Inmitten all der Belege stellen wir den Tagesumsatz zusammen. Zum letzten Mal inmitten all der Belege rechnen wir die Tagesbilanz aus. Zum letzten Mal. Und dann hören wir es an der Seitentür klopfen. Zum letzten Mal …
Wir schauen zu den Zeigern der Uhr hinauf …
Zum letzten Mal: es ist jetzt 15.20 Uhr, Montag, 26. Januar 1948.
15.20 Uhr in der besetzten Stadt.
Es klopft an die Seitentür …
15.20 Uhr, und er ist hier …
Unser Mörder ist hier. Wir sehen, wie Fräulein Akuzawa aufsteht und unserem Mörder die Seitentür öffnet. Man sagt, er sei zweiundvierzig. Unser Mörder zeigt seine Visitenkarte vor: Dr. Yamaguchi Jiro; Amtsarzt; Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt. Man sagt, er sei vierundfünfzig. Unser Mörder wünscht den Filialleiter zu sprechen. Man sagt, er sei sechsundvierzig. Fräulein Akuzawa bittet unseren Mörder, zur Vordertür zu kommen. Man sagt, er sei achtundfünfzig. Unser Mörder geht wieder hinaus. Man sagt, er sei einen Meter zweiundsechzig groß. Unser Mörder öffnet die Vordertür. Man sagt, er sei einen Meter sechzig. Fräulein Akuzawa gibt ihm ein Paar Hausschuhe. Man sagt, er sei einen Meter fünfundsechzig. Unser Mörder zieht im genkan seine Schuhe aus. Man sagt, er sei einen Meter fünfundfünfzig. Wir hören zu, wie Fräulein Akuzawa unserem Mörder erklärt, dass der Filialleiter schon gegangen sei, dass der stellvertretende Filialleiter ihn aber empfangen werde. Man sagt, er sei schlank. Wir schauen zu, wie der Mörder nickt und Fräulein Akuzawa dankt und wie sie ihn durch die Bank geleitet. Man sagt, er sei von mittelgroßer Statur. Wir schauen zu, wie unser Mörder an uns vorbeikommt, während wir an den Schreibtischen sitzen und arbeiten. Man sagt, er sei von durchschnittlicher Statur. Wir hören zu, wie Fräulein Akuzawa unseren Mörder dem stellvertretenden Filialleiter vorstellt. Man kommt überein, er sei recht dünn. Unser Mörder verbeugt sich. Man sagt, er habe ein ovales Gesicht. Unser stellvertretender Filialleiter bietet unserem Mörder einen Platz an. Man sagt, er habe ein schmales Gesicht. Unser Mörder setzt sich mit dem Gesicht nach rechts gewandt. Man sagt, er habe eine große Nase. Unser stellvertretender Filialleiter besieht sich die Visitenkarte: Dr. Yamaguchi Jiro; Amtsarzt; Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt. Man sagt, er habe ein angenehmes Gesicht. Unser Mörder erklärt dem stellvertretenden Filialleiter, es habe in der Gegend einen Ausbruch von Ruhr gegeben. Man sagt, er sei blass. Unser stellvertretender Filialleiter überreicht nun seine eigene Visitenkarte: Yoshida Takejiro; Stellvertretender Direktor; Teikoku Bank; Zweigstelle Shiinamachi, Nagasaki-chō, Bezirk Toshima, Tokio. Man sagt, seine Haut habe gelbsüchtig gewirkt. Unser Mörder erklärt Herrn Yoshida, dass der öffentliche Brunnen vor dem Aida-Wohnhaus in der Nagasaki 2-chōme der Ausgangspunkt des Krankheitsausbruchs sei. Man sagt, er habe zwei braune Flecken auf der linken Wange. Herr Yoshida nickt und erklärt, dass Herr Ushiyama, der Filialleiter, wegen heftiger Magenschmerzen bereits nach Hause gegangen sei. Auf der rechten Wange. Unser Mörder teilt Herrn Yoshida mit, dass einer von Herr Aidas Mietern an Ruhr erkrankt sei, und dass dieser Mann heute eine Einzahlung in unserer Filiale getätigt habe. Man sagt, er habe eine Schramme an der linken Wange. Herr Yoshida ist erstaunt, dass das Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt so schnell von dem Fall gehört habe. Eine Narbe auf der rechten Wange. Unser Mörder erklärt Herrn Yoshida, dass der Arzt, der Herrn Aidas Mieter aufgesucht habe, den Fall sofort gemeldet habe. Man sagt, er habe kurzgeschnittene Haare. Herr Yoshida nickt. Man sagt, sein Haar sei grau. Unser Mörder sagt, er sei von Lieutenant Parker entsandt worden, dem die Einsatzgruppe für Desinfektion in dieser Gegend unterstellt sei. Man sagt, sein Haar sei recht lang und angegraut. Herr Yoshida nickt erneut. Man sagt, sein Haar sei dunkel. Unser Mörder hat den Auftrag erhalten, alle Personen gegen Ruhr zu impfen und alle Gegenstände zu desinfizieren, die vielleicht mit dem Erreger in Kontakt gekommen sind. Man sagt, er würde einen braunen Straßenanzug tragen. Herr Yoshida nickt ein drittes Mal. Man sagt, er würde einen alten Winteranzug tragen. Alle Angestellten, alle Räume, alles Bargeld, alles Geld in dieser Filiale, sagt unser Mörder. Man sagt, er würde Uniform tragen. Herr Yoshida besieht sich wieder die Visitenkarte: Dr. Yamaguchi Jiro; Amtsarzt; Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt. Du bist sicher, es war eine Uniform. Unser Mörder erklärt, niemand dürfe gehen, bis er seine Arbeit beendet habe. Man sagt, er würde einen braunen Mantel tragen. Herr Yoshida schaut auf seine Uhr. Man sagt, er würde einen Mantel tragen. Lieutenant Parker und seine Leute werden bald eintreffen, um zu überprüfen, ob die Arbeit ordentlich erledigt worden ist, sagt unser Mörder. Man sagt, er habe einen Mantel angehabt und einen zweiten bei sich getragen. Herr Yoshida nickt. Man sagt, er würde einen Frühlingsmantel tragen. Unser Mörder stellt seine kleine olivgrüne Tasche auf Herrn Yoshidas Schreibtisch. Man sagt, er würde braune Gummischuhe tragen. Herr Yoshida schaut zu, wie unser Mörder die Tasche öffnet. Man sagt, er würde orangebraune Gummistiefel tragen. Unser Mörder nimmt eine kleine Metallschachtel und zwei unterschiedlich große Flaschen mit englischer Aufschrift heraus. Man sagt, an seinen Schuhen sei Schlamm gewesen. Herr Yoshida liest auf der kleineren 200-ml-Flasche FIRST DRUG und auf der 500-ml-Flasche SECOND DRUG. Man sagt, seine Stiefel seien sauber gewesen. Unser Mörder teilt Herrn Yoshida mit, dass dies ein äußerst wirksamer oraler Impfstoff sei, den die Amerikaner erst kürzlich bei Experimenten mit Palmöl gewonnen hätten. Man sagt, er würde eine weiße Armbinde am linken Arm tragen. Herr Yoshida nickt. Man sagt, in roten Zeichen habe dort »Leitung des Desinfektionsteams« gestanden. Es sei so wirkungsvoll, sagt unser Mörder, dass wir gegen Ruhr immun seien. Man sagt, er trage eine Armbinde der Tokioter Stadtverwaltung. Herr Yoshida nickt erneut. Man sagt, dort stünde in schwarz »Arzt für Seuchenbekämpfung«. Unser Mörder warnt Herrn Yoshida, dass die Verabreichung des Impfstoffes kompliziert und ungewöhnlich sei. Man sagt, er trage eine Armbinde des Bezirks Toshima. Wieder besieht sich Herr Yoshida die Visitenkarte auf seinem Schreibtisch: Dr. Yamaguchi Jiro; Amtsarzt; Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt. Man sagt, dort würde Team für Seuchenbekämpfung stehen. Unser Mörder bittet Herrn Yoshida darum, seine Angestellten zusammenzurufen. Man sagt, er würde eine kleine olivgrüne Schultertasche über der rechten Schulter tragen. Auch der Hausmeister, seine Frau und zwei Kinder? fragt Herr Yoshida. Oder war es die linke? Unser Mörder nickt. Man sagt, er würde eine Arzttasche tragen. Herr Yoshida erhebt sich von seinem Platz. Eine schwarze Arzttasche. Herr Yoshida ruft uns zu sich. Ich bin Takeuchi Sutejiro, neunundvierzig, aber ich bin nicht länger Takeuchi Sutejiro und nicht mehr neunundvierzig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Wir erheben uns von unseren Schreibtischen. Ich bin Watanabe Yoshiyasu, dreiundvierzig, aber hier bin ich nicht länger Watanabe Yoshiyasu und nicht mehr dreiundvierzig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Wir eilen durch die Bank. Ich bin Nishimura Hidehiko, achtunddreißig, aber hier bin ich nicht länger Nishimura Hidehiko und nicht mehr achtunddreißig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Wir versammeln uns um Herrn Yoshidas Schreibtisch. Ich bin Shirai Shoichi, neunundzwanzig, aber hier bin ich nicht länger Shirai Shoichi und nicht mehr neunundzwanzig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Wir schauen alle zu, wie sich unser Mörder an Fräulein Akuzawa wendet und sie bittet, genügend Teetassen für alle Angestellten der Filiale zu holen. Ich bin Akiyama Miyako, dreiundzwanzig, aber hier bin ich nicht länger Akiyama Miyako und nicht mehr dreiundzwanzig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Fräulein Akuzawa bringt auf einem Tablett sechzehn Teetassen. Ich bin Uchida Hideko, dreiundzwanzig, aber hier bin ich nicht länger Uchida Hideko und nicht mehr dreiundzwanzig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Unser Mörder öffnet die kleinere Flasche mit der Aufschrift FIRST DRUG. Ich bin Sawada Yoshio, zweiundzwanzig, aber hier bin ich nicht länger Sawada Yoshio und nicht mehr zweiundzwanzig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Unser Mörder fragt uns, ob alle anwesend seien. Ich bin Kato Teruko, sechzehn, aber hier bin ich nicht länger Kato Teruko und nicht mehr sechzehn; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Unser stellvertretender Filialleiter zählt nach und nickt, alle da. Ich bin Takizawa Tatsuo, sechsundvierzig, aber hier bin ich nicht länger Takizawa Tatsuo und nicht mehr sechsundvierzig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Unser Mörder hält eine Pipette wie einen Dolch in der Hand. Ich bin Takizawa Ryu, neunundvierzig, aber hier bin ich nicht länger Takizawa Ryu und nicht mehr neunundvierzig; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Wir alle schauen zu, wie unser Mörder etwas klare Flüssigkeit in jede einzelne Teetasse träufelt. Ich bin Takizawa Takako, neunzehn, aber hier bin ich nicht länger Takizawa Takako und nicht mehr neunzehn; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Wir hören alle zu, wie unser Mörder uns auffordert, unsere Tassen zu nehmen. Ich bin Takizawa Yoshihiro, acht, aber hier bin ich nicht länger Takizawa Yoshihiro und nicht mehr acht; jetzt kämpfe ich nur noch, hier weine ich nur noch. Jeder von uns greift nach seiner eigenen Tasse. Wir, die wir jetzt hier im Grau sind. Nun hebt unser Mörder die Hand zur Warnung. Wir, die wir immer, schon immer kämpfen. Wir hören alle zu, wie uns unser Mörder vor der Stärke des Serums warnt, vor dem Schaden, den es an Zahnfleisch und Zähnen anrichten kann, wenn wir nicht genau zuschauen, wie es unser Mörder vormacht, wenn wir den Anweisungen unseres Mörders nicht ganz genau Folge leisten. Wir, die wir immer, immer schon nur noch weinen. Wir schauen zu, wie unser Mörder eine Spritze aus der Tasche nimmt. Du machst uns zu Opfern. Wir alle schauen zu, wie unser Mörder seine Spritze in die Flüssigkeit taucht. Du verdammst uns zu Opfern. Wir sehen, wie unser Mörder etwas Flüssigkeit in der Spritze aufzieht. Du bist froh, dich an uns in dem Schwarz und Weiß unseres Todes zu erinnern. Wir alle sehen, wie unser Mörder den Mund öffnet. Du kennst uns nicht in den Farben unseres Lebens. Wir alle sehen, wie unser Mörder seine Zunge auf die unteren Schneidezähne legt und sie dann unter die Unterlippe rollt. Wir sind die Beweise an einem Tatort. Wir schauen zu, wie unser Mörder sich die Flüssigkeit auf die Zunge tröpfelt. Wir sind Leichen in einem Kriminalroman; Leichen, keine Charaktere. Wir schauen zu, wie unser Mörder den Kopf nach hinten legt. In unserem Leben kannten Sie uns nicht. Wir schauen zu, wie unser Mörder auf seine Armbanduhr schaut, die rechte Hand in die Höhe gereckt. Nur in unserem Tod haben Sie uns gefunden. Wir schauen zu, wie die Hand unseres Mörders herabsinkt. Am Tatort. Wir hören zu, wie unser Mörder uns erklärt, dass dieses Serum unser Zahnfleisch und unsere Zähne schädigen könne und wir alle schnell schlucken müssen. In einem Krimi. Wir nicken. Unsere Namen, unsere Gesichter. Wir hören zu, wie unser Mörder erklärt, dass er uns exakt eine Minute, nachdem wir die erste Medizin genommen haben, die zweite Medizin verabreichen wird. Gedruckt und auf Fotos. Wir alle starren die 500-ml-Flasche mit der Aufschrift SECOND DRUG an. Auf eine Zahl reduziert. Wir hören zu, wie unser Mörder versichert, dass wir Wasser trinken oder uns den Mund ausspülen können, wenn wir die zweite Medizin genommen haben. Zwölf, stets wirst du 12 schreiben. Jetzt fordert er uns alle auf, unsere Tassen zu erheben. In dieser Zahl, dieser 12. Wir nehmen unsere Tassen. In dieser Zahl sterben wir erneut. Und wir trinken. Wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder. Unser Mörder fordert uns auf, die Flüssigkeit auf die Zunge tropfen zu lassen. Dabei sind wir gar nicht 12. Wir alle schmecken die bittere Flüssigkeit. Wir sind Takeuchi Sutejiro, Watanabe Yoshiyasu, Nishimura Hidehiko, Shirai Shoichi, Akiyama Miyako, Uchida Hideko, Sawada Yoshio, Kato Teruko, Takizawa Tatsuo, Takizawa Ryu, Takizawa Takako und Takizawa Yoshihiro. Wir alle schlucken sie hinunter. Wir, die wir nun im Grau sind. Wir hören, wie unser Mörder erklärt, er werde die zweite Medizin in exakt sechzig Sekunden verabreichen. Wir, die wir immer, schon immer kämpfen. Wir sehen, wie unser Mörder auf seine Armbanduhr schaut. Wir, die wir immer, schon immer weinen. Wir sehen, wie er auf die Uhr starrt. Weinen und warten. Wir alle warten auf die zweite Medizin. Warten und schauen. Wir schauen zu, wie unser Mörder die zweite Medizin in unsere Teetassen gießt. Schauen und greifen. Wir greifen nach unseren Tassen. Greifen und wieder warten. Wieder warten wir alle, während unser Mörder auf die Armbanduhr schaut, wieder warten wir alle auf das Zeichen. Auf das Lächeln. Jetzt sehen wir, wie unser Mörder ein Zeichen gibt, wir sollen wieder trinken. Mit einem Lächeln. Wir trinken. Und du lächelst dabei. Wir sehen, wie unser Mörder wartet. Noch immer lächelnd. Wir sehen, wie uns unser Mörder immer noch beobachtet. Dieses Lächeln auf den Lippen. Jetzt spüren wir die zweite Flüssigkeit im Mund, in der Kehle, im Magen. Aber du lächelst. Wir hören, wie uns unser Mörder auffordert, den Mund auszuspülen. Noch immer lächelnd, noch immer …
15.20 Uhr, Montag, 26. Januar 1948 in Tokio, ich trinke und ich trinke und ich trinke und ich trinke und ich trinke und ich trinke und ich trinke und ich trinke und ich trinke und ich trinke und jetzt, jetzt eilen wir, wir würgen, wir wanken und stolpern, wir fallen, fallen und fallen …
Wir sind infiziert und fallen und fallen …
Wir fallen. Wir fallen …
Wir fallen unter Tränen …
Unter Tränen, Tränen …
Wir weinen. Wir weinen …
Wir weinen ununterbrochen …
Immer, schon immer weinen wir hier. Doch in der besetzten Stadt ist es zwanzig Minuten nach drei, jetzt einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Minuten …
In der besetzten Stadt werden die Minuten und Stunden, die Tage und Wochen, die Monate und Jahre vergehen. Doch in der verwirrten Stadt, der posthumen Stadt zwischen zwei Orten werden die Minuten und Stunden, die Tage und Wochen, die Monate und Jahre nicht vergehen.
Hier, wo es immer, schon immer Januar ist, wo der Januar aber keiner ist; hier, wo es immer, schon immer 1948 ist,
1948 aber nicht 1948;
hier, wo wir nicht altern …
In der verwirrten Stadt, in der posthumen Stadt, wird es immer, schon immer zwanzig nach drei sein …
Doch noch immer schauen wir zu, wie du alterst, schauen, wie du alterst und vergisst …
Hier, wo es immer, schon immer zwanzig nach drei ist …
Hier, wo es immer, schon immer grau ist …
Ins Grau falle ich, ich falle, ich falle, ich falle, ich falle, ich falle, ich falle, ich falle …
Ich falle, ich falle …
Ich falle …
Falle …
Hier in der verirrten Stadt, der posthumen Stadt, dieser Stadt, die keine ist, an diesem grauen Ort, diesem Ort, der keiner ist,
fallen wir alle, weg vom Licht,
von der besetzten Stadt,
fallen wir alle in die Erde und an den Himmel,
fallen wir, fallen, fallen …
Aus deiner Stadt in unsere Särge …
Zwölf billige Holzsärge …
Deine Stadt, unser Sarg …
Hier, hier …
Im Schnee. Hinten auf einem Laster. Vor der Bank. Im Eisregen. Unter der schweren, feuchten Plane. Durch die Straßen. Im Regen. Zum Krankenhaus. Ins Leichenschauhaus. Im Eisregen. Zur Leichenhalle. Zum Tempel. Im Schnee. Zum Krematorium. Zu Erde und Himmel. In unseren zwölf billigen Holzsärgen …
Asche als Haar, Erde als Haut, zwischen Klumpen und Soden / Widerstehen wir Feuer und Rechen, Spaten und Grab / Dem Grab in der Erde, dem Grab am Himmel / In den Abgründen des Himmels und der Erde / Deiner Erde, deines Himmels. Nicht unseres Himmels,
unserer Erde, nicht hier, nicht jetzt /
Jetzt fallen wir in die Höhe, in die Tiefe …
In diese zwölf Särge, in denen wir liegen. Aber wir liegen nicht still. Wir kämpfen in diesen zwölf Särgen. Wir kämpfen in dem Grau, in dieser Stadt. Wir kämpfen und wir weinen, weinen die Worte:
Wo ist das Gesetz, fragen wir im Fall vom Sein ins Nichtsein, im Kampf zwischen einem Ort und keinem Ort,
Unter Tränen, wo ist das Gesetz?
Im Abgrund, im Ungrund, dem Entgrund, dem Nichtgrund / Hier in diesem Andererseits benennen andere Stimmen diesen Anderort mit Andernamen …
An diesem Unort, in dieser Unstadt, zwischen zwei Orten, in diesem Andererseits / Gibt es keine Schwalben, hier fliegen sie nicht / Hier gehen wir langsam über den Teppich ihrer Kadaver, hin und zurück, geblähte Bäuche, kahle Flügel / Hier, wo ihre stummen Augen uns anklagen, gelb / Hier, wo die leeren Schnäbel offen stehen, gelb …
An diesem Nichtort liegen wir. Es hat einen Namen
und auch nicht. Also sage ihn, sag ihn jetzt: Zäsur …
Zwischen uns …
An diesem Ort …
Nichtort / Unort – diesem Ort namens Zäsur, diesem Ort, der uns den Atem raubt, der uns weinen lässt. Immer weinen. Schon immer weinen …
Du bist taub, du bist stumm und blind, du kannst und wirst uns nicht hören, kannst und willst uns nicht helfen, oder …
In der verwirrten Stadt, der posthumen Stadt, in Zäsur, immer, schon immer …
Du wirst uns nicht helfen, oder, lieber Schriftsteller?
Die erste Kerze ausgeblasen …
Immer, schon immer aus …
In Zäsur, in-different …
UNTER DEM SCHWARZEN TOR, in der oberen Kammer, im okkulten Kreis, fällt das weiße Gesicht des Mediums, flattert ihr rotes Gewand, und nun liegt sie flach auf dem Boden vor dir. Wind, Glocke, Trommel, alles schweigt, das Medium stumm und ausgestreckt auf dem Boden,
dem blut- und tränenbefleckten Boden …
In-different und in Zäsur …
Die erste Kerze gelöscht, das Medium erschöpft …
Un-in-korporiert …
Nicht länger besessen, bist du allein. Hier in der besetzten Stadt, allein und taub, stumm und blind.
Und doch versuchst du noch immer zu schreiben,
deinen Stift zu nehmen,
wieder zu schreiben,
hier an diesem Ort zwischen dem, was du getan und was du nicht getan hast, zwischen dem, was du gefühlt und nicht gefühlt hast, zwischen dem, was du gesagt und nicht gesagt hast,
hier an diesem Ort zwischen der Tat und der Untat, dem Gefühl und Ungefühl, dem Wort und dem Unwort …
Und noch immer versuchst du zu schreiben,
weiter zu schreiben.
Doch hier kann die Tat nicht ungeschehen sein,
die Untat nie geschehen …
Hier kann das Gefühl nicht ungefühlt sein,
Das Ungefühlte nie gefühlt …
Das Gesagte nicht ungesagt,
das Ungesagte nie
gesagt …
Hier, wo du weißt, das Geschriebene kann nicht ungeschrieben sein, und wo du fürchtest, das Ungeschriebene,
das Ungeschriebene kann nie geschrieben werden,
nie geschrieben
hier. Hier, wo dein Sehen verblasst, dein Hören vergeht. Hier und jetzt, wo Albträume und Kopfschmerzen deine Tage und Nächte plagen. Hier und jetzt, wo du die Sonne für den Mond hältst, Mondschein für Sonnenlicht, Sonnenfall für Regenschein,
Leben für Tod, hustest du, Tod für Geburt. Hier …
In diesem okkulten Kreis der elf Kerzen, in der oberen Kammer des Schwarzen Tores, hustest du, hustest-hustest, siehst verblassend, hörst vergehend, du hustest und hustest-hustest, Blutflecken und Tränenspuren. Hier zwischen den blanken Tränen und den fallenden Seiten hustest du, du hustest-hustest, und du drehst dich, drehst und drehst, kannst nicht schreiben, kannst nichts sehen,
Noch immer halb taub den Treppenfußschritten gegenüber, den Sirenen und Telefonen …
»Keine Tränen mehr«, flüstert eine Stimme, die Stimme eines alten Mannes. »Keine Tränen mehr, keine mehr für ihn …« Du lässt deinen Stift fallen, deinen tintentrockenen Stift. Du schlägst die Augen auf, deine rottrockenen Augen. Die elf Kerzen sind fort, fort ist das Schwarze Tor, die Besetzte Stadt. Du stehst in einem Schuppen oder einer Scheune im Erdgeruch, Modergeruch. Du siehst einen älteren Mann, der Pappschachteln öffnet, Akten herausnimmt, staubverwebt und spinnbedeckt, dann blättert der Alte durch Papiere und Unterlagen, Unterlagen und Notizen, Berge von Notizen …
»Das ist schon viele Jahre her«, sagt der Alte. »Es gibt nicht mehr viele, die sich noch daran erinnern, wie es beim Teigin-Fall wirklich zuging.
Aber ich erinnere mich. Ich war nämlich im Ermittlungsraum; Abteilung Zwei der Ersten Ermittlungsabteilung der Tokioter Polizei. Und Abteilung Zwei kümmerte sich um alle Morde.
Leiter der Ermittlungsabteilung war Suzuki, und der Leiter unserer Abteilung war Minegishi …
Aber Sie wollen wissen, was passiert ist, richtig?« fragt der alte Mann. »Oder wollen Sie die Wahrheit wissen? Entscheiden Sie sich! Was wollen Sie wissen? Was passiert ist oder die Wahrheit? Was meinen Sie damit, das sei doch dasselbe? Natürlich nicht! Ich kann glauben, dass etwas passiert ist, aber das macht es noch nicht zur Wahrheit …
Oder?
Ich kannte zum Beispiel mal einen Kriminalbeamten. Verheiratet. Kinder. Alles. Na, jedenfalls glaubt dieser Beamte, dass seine Frau eine Affäre hat. Ein Seitensprung. Mit einem Amerikaner. Soldat. Hatte sie nicht. Aber das hielt ihn nicht davon ab, es zu glauben. Er erzählte mir: letzte Nacht war meine Frau weg und hat mit diesem amerikanischen Soldaten rumgemacht. Stimmte nicht. Aber das hielt ihn nicht davon ab, das zu glauben. Er glaubte es. Er hielt das für wahr. Es war für ihn die Wahrheit. Für ihn war das real, und am Ende für sie auch. Doch das ist eine andere Geschichte. Aber Sie verstehen, worauf ich hinauswill, oder? Na, egal, wenn Sie wissen wollen, was passiert ist, dann sage ich es Ihnen. Ist alles hier drin …
Hier in diesen Schachteln, in diesen Notizbüchern …
Aber nicht vergessen, keine Tränen …
Keine Tränen mehr für ihn …«
Die Stadt ist ein Notizbuch. Bleistift auf Papier,
dicker Bleistift, grobes Papier …
IN DER BESETZTEN STADT
Schrieb ich diese Worte:
26/1/1948; 16.00 Uhr: Schnee / Freier Tag / Im öffentlichen Bad / Anruf vom Präsidium / »Zehn Tote im Zuständigkeitsbereich des Polizeireviers Mejiro.« / »Ein weiterer Yakuza-Krieg?« / »Viel schlimmer. Massenvergiftung. Melden Sie sich sofort zum Dienst!« / Oberleitungsbus von Naka-Meguro nach Ebisu / Taxi zum Tatort / Zweigstelle Shiinamachi der Teikoku Bank, 39 Nagasaki 1-chōme, Toshima-ku, Tokio / Einstöckiges Gebäude / Gegenüber vom Nagasaki-Schrein / Die Hölle / Zehn Leichen nebeneinandergelegt in einem der beiden Zimmer des Hausmeisters / Augen offen / Münder offen / Blut und Erbrochenes / Kreidemarkierungen, wo man sie gefunden hat / Hinter dem Schalter / Auf der Toilette / Im Flur / Im Wohnzimmer des Hausmeisters / Sechs Überlebende wurden in das Katholische Krankenhaus Seibo gebracht / Ärzte, Nachbarn und Reporter in der Bank / Spuren am Tatort unbrauchbar / Beweismaterial zerstört oder verlegt / Meine Abteilung – Abteilung Zwei (Mordkommission) der Ersten Ermittlungsabteilung der Tokioter Kriminalpolizei – bekommt den Fall vorerst übertragen.
Erster Abschnitt (die ersten zwanzig Tage der Ermittlungen; 26. Januar bis 14. Februar 1948)
26/1/1948, 23.00 Uhr: Zweiter Stock des Polizeireviers Mejiro / Einrichtung der Zentrale für Sonderermittlungen / Erste Besprechung der Einheit Sonderermittlungen / Bericht aufgrund der am Tatort vorgefundenen Spuren und der Aussagen eines der Überlebenden / Erfassung der schon bekannten Tatsachen / Zwei der sechs Überlebenden inzwischen verstorben / Bislang zwölf Opfer / noch vier Überlebende / Datum und Uhrzeit des Verbrechens: Eine Viertelstunde gegen 15.30 Uhr, 26. Januar (Montag) 1948 / Ort des Verbrechens: In der Zweigstelle Shiinamachi der Teikoku Bank, 39 Nagasaki 1-chōme, Toshima-ku, Tokio. Das Gebäude, früherer Sitz der Pfandleihe Fujita, ein einstöckiges Gebäude mit drei Eingängen, liegt inmitten des Geschäfts- und Wohnbezirks vor dem Nagasaki-Schrein, etwa sechzig Meter nordöstlich der Haltestelle Shiinamachi entlang der Eisenbahnstrecke Seibu Agricultural (früher Musashino-Linie) / Opfer: Yoshida Takejiro (43), momentan in Behandlung, wohnhaft 812 Oguchi-machi, Ota-ku; Watanabe Yoshiyasu (43), verstorben, letzte Anschrift 758 Oizumi-machi, Itabashi-ku; Nishimura Hidehiko (38), verstorben, 10 Shin Ogawa-machi 2-chōme, Ushigome, Shinjuku-ku; Shirai Shoichi (29), verstorben, 519 Asagaya 3-chōme, Suginami-ku; Sawada Yoshio (22), verstorben, 449 Fujisawa, Fujisawa-mura, Irima-gun, Präfektur Saitama; Tanaka Tokukazu, momentan in Behandlung, 793 Kami-ochiai 2-chōme, Shinjuku-ku; Akiyama Miyako (23), verstorben, c/o Akiyama Kunosuke, 18 Nagasaki 1-chōme, Toshima-ku; Uchida Hideko (23), verstorben, 5 Kita Toyotama, Nerima-ku; Akuzawa Yoshiko (19), momentan in Behandlung, c/o Akuzawa Shobei, 14 Nagasaki 1-chōme, Toshima-ku; Kato Teruko (16), verstorben, 1–713 Ikebukuro 2-chōme, Toshima-ku; Takeuchi Sutejiro (49), verstorben, 170 Horikiri-chō, Katsushika-ku; Takizawa Tatsuo (46), Hausdiener, seine Frau Ryu (49), seine Tochter Takako (19) und sein Sohn Yoshihiro (8), alle verstorben, alle ehemals wohnhaft in der Zweigstelle Shiinamachi der Teikoku Bank / Täter: Name und Anschrift unbekannt / Gab sich als medizinischer Angehöriger der Sanitätsabteilung der Tokioter Stadtverwaltung und der Wohlfahrtsabteilung im Wohlfahrtsministerium aus und hatte einen Doktor der Medizin / Auf der überlassenen Visitenkarte steht: »Yamaguchi Jiro - Dr.med.; Amtsarzt; Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt.« / Beschreibung: Alter vierundvierzig bis fünfzig, etwa einen Meter sechzig, ziemlich dünn, ovales Gesicht, große Nase, blasse Haut, kurzes Haar, eventuell auch langes, gekräuseltes Haar / Trug einen Straßenanzug (braun, gemustert, nicht neu); dazu einen Mantel oder Übergangsmantel über dem Arm; braune Gummischuhe (nicht sicher); eine weiße Armbinde am linken Arm (darauf in Rot das Zeichen der Tokioter Stadtverwaltung, darunter in gut leserlicher Schrift in schwarz »Leiter des Desinfektionsteams« oder »Arzt für Seuchenbekämpfung«) / Gegenstände im Besitz des Täters: Eine Metallschachtel, etwa 3 cm × 15 cm, wie sie häufiger von Ärzten verwendet wird (er nahm das Gift aus dieser Schachtel); eine kleine und eine mittelgroße Arzneiflasche aus Glas (darin das Gift) / Besonderheiten: Zwei braune Flecken von anderthalb Zentimetern auf der linken Wange (keine Narben von einer Brandverletzung oder Entzündung, sondern eher wie Altersflecken). Gut aussehend; ruhig, mit dem Auftreten eines intelligenten Mannes / Kurze Darstellung des Falls: Die Opfer öffneten die Bank wie üblich um 9.30 Uhr; der Bankdirektor Ushiyama Senji ging gegen 14.00 Uhr mit Magenschmerzen nach Hause, die Angestellten arbeiteten bis 15.00 Uhr weiter, schlossen dann den Haupteingang ab und beendeten die Tagesarbeit / Etwa gegen 15.30 Uhr erschien der Täter plötzlich am Nebeneingang, zeigte seine Visitenkarte (die, wie oben erwähnt, mit einem falschen Titel versehen war) Akuzawa Yoshiko, einem der Opfer, und äußerte den Wunsch, mit dem Bankdirektor zu sprechen. Sie führte ihn in den Büroraum, und Yoshida Takejiro, der Stellvertreter, sprach mit ihm / Der Täter erklärte, es habe unter denjenigen Personen, die Wasser von einem öffentlichen Brunnen vor dem Haus Aida getrunken hätten, eine Reihe von Ruhr-Erkrankungen gegeben; das sei Leutnant Porton (oder so ähnlich klingend) und der japanischen Polizei gemeldet worden. Ein Team für Desinfektion der Alliierten Streitkräfte sei im Anmarsch, erklärte er. Er selbst sei von dem Leutnant vorab geschickt worden, um Untersuchungen durchzuführen, die zu dem Ergebnis geführt hätten, dass ein Mitbewohner eines an der Ruhr Erkrankten an jenem Tag die Bank aufgesucht hätte. Aufgrund dessen müsse alles, was sich in der Bank befinde, auch die Bücher, Papiere, Banknoten, etc., einer Desinfektion unterzogen werden, deshalb dürfe bis zum Eintreffen des Desinfektionsteams nichts aus dem Haus entfernt werden / Als Yoshida den Täter fragte: »Wie haben Sie nur so schnell davon erfragen?«, antwortete dieser: »Offen gesagt, hat der Arzt, der den Kranken aufgesucht hat, umgehend Meldung bei den Besatzungsbehörden gemacht.« / »Das Einschub:Memorandum des Leiters der Kriminalabteilung der Tokioter Polizei an die Leiter aller Polizeireviere, Betreff: Anweisung im Hinblick auf den Mordfall in der Teikoku Bank:Gegen 15.30 Uhr am heutigen Tag wurden die sechzehn Angestellten der Zweigstelle Shiinamachi der Teikoku Bank, gelegen im Zuständigkeitsbereich des Reviers Mejiro, von einem Mann, der sich als Mitglied der Sanitärabteilung der Tokioter Stadtverwaltung ausgab, aufgefordert, ein flüssiges Gift zu schlucken, von dem er behauptete, dass es sich um eine Vorsorge gegen Ruhr handelte, und das sie auf Befehl der Besatzungstruppen zu sich zu nehmen hätten; zehn der Opfer starben auf der Stelle, zwei weitere im Krankenhaus. Die anderen vier werden medizinisch behandelt, doch ist ihr weiteres Schicksal noch ungewiss. Das Verbrechen, das bei Geschäftsschluss der Bank vorgeblich im Namen der Besatzungstruppen begangen wurde und dem so viele Menschenleben zum Opfer fielen, dazu noch der Versuch, eine große Summe aus der Bank zu stehlen, zählt zu den ungewöhnlichsten und ruchlosesten Verbrechen in der Geschichte. Angesichts der ungeheuren Auswirkungen, die dieser Fall in der Bevölkerung hat, müssen wir durch die Kooperation der gesamten Polizeistreitkräfte die allergrößten Anstrengungen unternehmen, den Täter zu fassen. Aus diesem Grunde werden Sie gebeten, sich die außergewöhnliche Bedeutung des Falls vor Augen zu führen und, nachdem Sie Ihre Untergebenen in Einvernehmen mit den folgenden Ermittlungsanweisungen instruiert haben, der Ermittlungszentrale sofort Bericht zu erstatten, wann immer Sie der weiteren Untersuchungen dienliche Informationen haben, all dies immer mit besonderer Vorsicht, dass nichts davon nach außen dringt. Einzelheiten zum Tatort, zu den Opfern, dem Täter und kurzer Abriss des Tathergangs anbei / nota bene: Ihr umgehender Bericht wird umgehend in der Ermittlungszentrale erwartet, sobald Sie Ihre Ermittlungen abgeschlossen haben /Ende des Memorandums