Inhaltsverzeichnis
Informationen zum Buch
Impressum
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nachwort
Lass dich verzaubern ...
Der schwarze Drache von Karinth
Geboren des nachts, dem Wasser entspringt,
Genährt von Wut, die alles verschlingt,
Gestärkt von Macht, vier Elemente vereint,
Getrieben von Rache, bis der Himmel weint.
Es ist eine alte Prophezeiung – eine Warnung, ausgesprochen von einem Drachen in einer Stunde tiefster Trauer und Wut. Doch was geschah damals wirklich auf der Halbinsel Brun? Wieso wurde der schwarze Drache von Karinth geboren?
Die Autorin
C. M. Spoerri wurde 1983 geboren und lebt in der Schweiz. Sie studierte Psychologie und promovierte im Frühling 2013 in Klinischer Psychologie und Psychotherapie. Seit Ende 2014 hat sie sich jedoch voll und ganz dem Schreiben gewidmet. Ihre Fantasy-Jugendromane (›Alia-Saga‹, ›Greifen-Saga‹) wurden bereits tausendfach verkauft, zudem schreibt sie erfolgreich Liebesromane. Im Herbst 2015 gründete sie mit ihrem Mann den Sternensand Verlag.
www.sternensand-verlag.ch
info@sternensand-verlag.ch
1. Auflage, Dezember 2018
© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2018
Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski | Kopainski Artwork
Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick
Satz: Sternensand Verlag GmbH
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
C. M. Spoerri
Der schwarze Drache
von Karinth
Fantasy
11 260 der ersten Epoche
Abermals stolperte der Mann, der nur noch ein Schatten seiner selbst war, und konnte sich gerade noch fangen, ehe er auf den vom Regen aufgeweichten Waldboden stürzte.
Er war bis auf die Haut durchnässt. Seine Kleider hingen klamm an seinem Körper, ebenso wie sein langes, dunkles Haar, das ihm übers Gesicht fiel. Überall auf seinem Umhang war Blut und der dicke Wollstoff wies an einigen Stellen Risse auf, da er mehr als einmal an Dornenranken und Geäst hängen geblieben war, während er Hals über Kopf floh. Noch immer hatte er den Geruch des Rauches in seiner Nase, der sich mit demjenigen des nassen Erdbodens vermischte.
Seinen Bogen hatte er ebenso verloren wie den Köcher. Ohne Pfeile hätte dieser ihm ohnehin nichts mehr genützt. Nur der Dolch war ihm geblieben, den er mit einer Hand umklammerte, als sei er das Einzige, das ihn noch in dieser Welt hielt.
Jeder Schritt war eine Qual, jede Bewegung erinnerte ihn an die klaffende Wunde über seinem Bauch, die immer noch blutete. Er hatte viel Blut verloren. Viel zu viel.
Sein ganzer Körper schrie danach, sich endlich hinlegen zu dürfen, diese unmenschlichen Strapazen nicht mehr ertragen zu müssen. Seine Muskeln brannten, die Beine zitterten bei jedem Schritt.
Doch eine innere Kraft verbot ihm, sich auszuruhen. Er wusste, dass es sein Ende bedeuten würde, wenn er sich der Müdigkeit hingäbe, die in seine Knochen kroch und ihn zu überwältigen drohte.
Er musste weiter. Runter von dem Brun-Gebirge. Musste seine Familie und das Dorf warnen.
Was seine Augen erblickt hatten, wollte sein Verstand immer noch nicht als Wahrheit anerkennen. Und doch war da die Gewissheit, tief in seiner Seele, die ihn schaudern ließ: Das Verderben war nah. So nah, dass er es regelrecht im Rücken spüren konnte.
Geboren des nachts, dem Wasser entspringt …
Er hatte es gesehen, hatte es gefühlt und es hatte ihn fast das Leben gekostet, Zeuge dessen zu sein, was die Alten seit Jahrzehnten prophezeit hatten. Beinahe wäre er gestorben. Genauso wie …
Ein Schrei der Trauer, gepaart mit Verzweiflung, drang über seine Lippen, als die Bilder der anderen Jäger vor seinem inneren Auge erschienen, die einer nach dem anderen ihm zum Opfer gefallen waren. Sie hatten keine Möglichkeit gehabt, sich zu wehren, alles war viel zu schnell gegangen. Er hatte sie regelrecht zerfetzt, ihre Körper in Stücke gerissen und verschlungen.
Der Mann hatte mit Schrecken feststellen müssen, dass menschliche Waffen nichts gegen ihn auszurichten vermochten. Er war einer der besten Bogenschützen des Dorfes und doch waren seine Pfeile in tausend Splitter geborsten, ehe sie Schaden anzurichten vermochten.
Er war einfach zu mächtig und über sie hergefallen wie ein Wolf über eine verschreckte Horde Schafe, hatte alles und jeden getötet, der in seine Reichweite gelangte. Hatte alle verbrannt mit seinem Atem, welcher aus den wutschnaubenden Nüstern gedrungen war.
Wie es dem Mann gelungen war, ihm zu entkommen, konnte er nicht mehr nachvollziehen, dafür arbeitete sein Kopf nicht mehr schnell genug, da allein ein einziger Gedanke zählte: Warne die anderen, rette sie!
Er musste bereits seit einigen Kerzenlängen unterwegs sein. Die Nacht war inzwischen weit vorangeschritten. Er konnte in der Dunkelheit den Weg nur erahnen, verließ sich größtenteils auf seinen Instinkt und die jahrelange Erfahrung, die ihm schon manches Mal im Wald zugutegekommen war.
Immer wieder wurde der Himmel von Blitzen erhellt, auf die der Donner mit erschütterndem Grollen antwortete. Der Regen prasselte dem Mann hart ins Gesicht, als wolle er ihn aufhalten, während der Wind an seinen Kleidern zerrte und ihn mit unsichtbaren Fingern zur Eile drängte. Die Kälte, die von seinem Herzen Besitz ergriffen hatte, wurde mit jedem Schritt eisiger, drohte, ihm seinen Verstand zu rauben.
Nur noch ein paar hundert Schritt, dann hätte er den Wald hinter sich gelassen und befände sich auf der Anhöhe, von der aus er bereits das Dorf erblicken könnte.
Er stolperte weiter, schlang seinen durchnässten Umhang um den geschundenen Körper und trotzte den Elementen, indem er den Kopf wie ein Stier senkte und stetig einen Fuß vor den anderen setzte.
Endlich, als er schon glaubte, all seine Kräfte würden ihn verlassen, trat er aus dem Wald heraus und erreichte wenig später den Hügel, auf dem die drei Pappeln wuchsen. Sie wurden ›die Fremden‹ genannt, da es anmutete, als beäugten sie die Ansammlung von Häusern, die zu ihren Füßen lag und hinter denen das Meer sich schwarz zwischen den Klippen ausbreitete, voller Skepsis. Beinah so, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie das Dorf betreten, oder doch lieber daran vorbeigehen sollten. Also standen sie seit Menschengedenken in ihrer Unentschlossenheit und wachten über die Bewohner des kleinen Dörfchens hier auf der Halbinsel Brun, welche nur selten Besucher zu bewirten hatten.
Es war keinem Reisenden zu verdenken, dass die armselige Häusergruppe nicht Ziel seiner Wanderung zu waren. Schließlich handelte es sich bei den Dorfbewohnern nur um einfache Jäger, die versuchten, sich und ihre Familien mit dem Verkaufen von Fellen zu ernähren. Sie lebten von dem, was die Natur ihnen überließ und von dem, was ihre unermüdlichen Hände aus der Erde zu holen vermochten. Allerdings würde über die Hälfte der Väter heute Nacht nicht nach Hause zurückkehren …
Denn dies war die Nacht, in welcher die Prophezeiung sich erfüllte, welche seit Generationen von einem Mund zum nächsten getragen wurde. Die ihnen weissagte, dass sie für das, was ihre Vorväter den Göttern angetan hatten, bestraft werden würden.
Für die Kinder war es nicht mehr als eine Geschichte, die ihren Herzschlag höher und ihre Träume unruhiger werden ließ. Aber die Erwachsenen, die den Sinn in den Worten erkannten, fürchteten sich vor dem Tag, an dem sich die Prophezeiung erfüllen würde.
Geboren des nachts, dem Wasser entspringt,
Genährt von Wut, die alles verschlingt …
Das Herz des Mannes begann beim Anblick seines Zuhauses schneller zu schlagen und eine unsichtbare Schlinge schnürte seinen Hals zu.
Wie lange würden diese Gebäude dort unten noch auf ihren Grundmauern stehen? Waren es wenige Augenblicke oder vielleicht Tage?
Eines war gewiss: Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr, denn was er gesehen hatte, würde das Verderben über Brun bringen und alles, was er je gekannt hatte, dem Erdboden gleichmachen.
Er war nah – verflucht nah! Und er hatte bereits die ersten Opfer gefordert.
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