Pia Herzog

Angstschweiß auf der Haut

Roman


Rediroma-Verlag


Copyright (2021) Re Di Roma-Verlag

Alle Rechte beim Autor

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Jeder kennt bestimmt den Gedanken an Rache. Vergesst die Rache. Sie schadet euch selbst!

 

INHALT

 

Kapitel 1

Der goldene Oktober

 

Kapitel 2

Schwarze Nelken

 

Kapitel 3

Das Messer am Hals

 

Kapitel 4

Die Rache beginnt

 

Kapitel 5

Unverhofft tot

 

Kapitel 6

Liebe aus dem Netz

 

Kapitel 7

Endlich frei!

An dieser Stelle möchte ich allen Menschen danken, die mir in meinem Leben begegnet sind und die es mir ermöglicht haben, soviel Fantasie zu entwickeln.

Kapitel 1

Der goldene Oktober

 

Wir schrieben das Jahr 2020, Pandemie, Lockdown, Covid-19, das waren die Worte des Jahres. Ich persönlich fügte das Wort Einsamkeit hinzu. Im März hatte ich mich von meinem Freund getrennt. Nun war es Oktober geworden, die bunten Blätter fielen vom Baum, die Tage waren kürzer, die Abende länger. Ich sehnte mich nach menschlicher Wärme. Da ging mir ein Gedanke durch den Kopf. Ob so eine Datingplattform auch etwas für mich wäre? Ich war schon 60 Jahre alt! „Hi, google, Datingapp für 60jährige?“

Antwort: Zweisam.de, 50 Plus, Elitepartner, Parship, alle elf Minuten verliebt sich ein Single bei uns. So lautete die Werbung. Nachdem ich die Preise gecheckt hatte, entschied ich mich für Zweisam.de. Eine neue Mailadresse war schnell eingerichtet, ein Nickname (Nelke) und schon war ich drin. Nun noch schnell ein Profil erstellen. Das war für mich das schwierigste, denn wer kann sich schon gut selbst beschreiben? Ich hatte blonde schulterlange Haare, grüne Katzenaugen, eine Zahnlücke wie Madonna (Die Schneidezähne standen etwas auseinander), war 164 cm klein und meine Figur war fraulich. Das waren die äußerlichen Fakten. Ich war humorvoll, konnte über mich selbst lachen, war loyal, treu, neugierig auf das Leben.

Nachdem ich mein Profil angelegt hatte, wartete ich ab, was passierte. BINGO, „Sie haben 342 Treffer mit Ihren Vorgaben (Nichtraucher, 55 bis 65 Jahre alt, Größe: 1,72 bis 1,85 cm groß, ich selbst war 1,64 cm groß, Entfernung höchstens 140 km). Na, das war ja einfach!

Also schaute ich mir das erste Profil an. Oh je, der Mann sollte 63 Jahre alt sein? Der sah ja aus wie 70 Jahre. Sofort schämte ich mich für diesen Gedanken. Ich war ja auch keine Heidi Klum, weder vom Aussehen noch von der Figur.

„Möchten Sie Kontakt aufnehmen?“

„Nein“, bloß nicht fügte ich in Gedanken hinzu.

Durch die App zu klicken, fühlte sich ein wenig an, als wenn ich beim Versandhaus Heine einen Mantel bestellen wollte. Ich klickte ca. 90 Männer nur nach dem Aussehen weg, schloss die Seite und war frustriert ohne Ende. Nachdem sich der Frust gelegt hatte, versuchte ich es erneut.

„Warum, liebe Männer, stellt ihr Bilder mit nacktem Oberkörper ein? Warum macht ihr eure schmalen Lippen spitz zum Kussmund? Warum fotografiert ihr euch mit dem Handy im Spiegel? Seid ihr so einsam, dass keiner von euch ein schönes Foto machen kann? Oder wisst ihr nicht, wie man ein Selfie macht? Warum stellt ihr Bilder ein mit einer Flasche Bier in der Hand? Warum benutzt ihr ein Pseudonym wie Hasi, Leckerli, ichbinderbeste, Unwiderstehlich, Schatzi usw.?“

Während ich noch vor meinem Computer den Kopf schüttelte, kamen die ersten Anfragen von Schatzi und Co. Sinngemäß mit folgendem Inhalt: „Hi„. Ja, was sollte ich darauf antworten? „Hi.“

Antwort von Schatzi: „Wollte mal sehen ob du da bist?“

Oh, Schreck, war meine Kamera an? Konnten die mich auch sehen, wenn ich vor dem PC saß? Puh, nein, ich hatte nachgeschaut, alles aus. Was soll so eine Frage?

„Hallo, ich heiße Emil, bin 78 Jahre alt, fühle mich aber wie 60 und bin topfit. Wie wär’s mit uns beiden? Du solltest nicht nur nach dem Alter gehen“, fügte Emil noch hinzu.

Ich schrieb Emil wirklich nett zurück. Das ist ein Altersunterschied von 18 Jahren! Nein, das war mir zu viel!

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und schrieb selber einen Mann an. 58 Jahre alt ca, 45 km von meinem Wohnort entfernt, geschieden, ohne Altlasten. Ja, ich hatte gesehen, dass er in seinem Profil den Wunsch geäußert hatte: Alter 40 bis 55 Jahre. Also fing ich an: „Ich bin Nelke, 60 Jahre alt, aber gefühlte 55 Jahre“ … usw. Das kam bei dem Empfänger gar nicht gut an.

Er schrieb zurück, er hätte schon jemanden gefunden. Dankeschön! Das ging knapp daneben. Computer ausgeschaltet. So lange gewartet, bis der Frust weg war und wieder nachgeschaut, was sich in meinem Postkasten getan hatte.

Endlich mal ein Mann, der mehr als 30 Worte versandt hatte. Schön und sehr gefühlvoll geschrieben. Da musste ja ein Haken sein? Die Entfernung fast 200 km. Meine Antwort: „Lieber … Du hast schön geschrieben, aber leider ist mir die Entfernung zu groß und Zweisamkeit will gelebt werden. Ich wünsche dir viel Glück bei deiner weiteren Suche.“

Was draufhin zurückkam, füllt ein ganzes Buch mit 300 Seiten. Welche Vorzüge er hätte, ich würde ihn nicht verstehen, Kilometer sind bei der großen Liebe nicht entscheidend und noch vieles, vieles mehr. Meine Antwort fiel knapp aber bestimmt aus. Er gab nicht auf und wieder sprengte die Mail mein Postfach. Ich ignorierte diese Mail und dann ließ er sein Potenzial ganz heraus. Ich sperrte ihn.

 

Nach drei Wochen Zweisamkeit hatte ich mein erstes Date. Aufgrund des Lockdowns trafen wir uns zu einem Spaziergang im Park in der nächstgelegenen Stadt. Schon als er aus seinem BMW ausstieg, wäre ich am liebsten umgekehrt. Er hielt sich am Türrahmen fest und drehte sich auf seinem Fahrersitz zur Tür. Dann verließ er in Zeitlupe das Auto. Sein Foto auf der Plattform ging bis zur Brust. Er sah nett aus. Was ich nun sah, war ein Mann, der einen Medizinball verschluckt hatte. Also, wer A sagt, muss auch B sagen, hätte meine Mutter gesagt. Ich quälte mich eine Stunde rum, ging im Schneckentempo mit ihm spazieren und wusste nach fünf Minuten nicht mehr, worüber ich mit ihm reden sollte. Mein größtes Hobby ist reisen, egal, wohin, ob Meer, Berge oder Städte.

Ja, seins auch, schrieb er mir in seiner ersten Mail. Jetzt gab er zu, er fuhr seit 20 Jahren immer in denselben Ort, weil es so schön sei zu wissen, wo der Bäcker ist und das beste Restaurant, wo man gut essen kann. Man muss sich an nichts gewöhnen. HILFE, hätte ich am liebsten geschrien. Nun gut, die Frage nach einem zweiten Date verneinte ich freundlich.

 

„Hallo mein Name ist H. Ich finde Ihr Profil sehr interessant und würde gerne mal mit Ihnen telefonieren.“

Ja, zugegeben, Herr H. sah ansprechend aus. Nur ein wenig zu groß, fand ich. Herr H. war 1,90 Meter groß und sehr schlank. Ich war gesagt 1,64 groß und hatte eher ein paar Kilos zu viel. Wir tauschten Handynummern aus und verabredeten uns zum Telefonieren. Das Gespräch war flüssig und sehr angenehm. Zwei Tage später beschlossen wir uns zu treffen. Auch wir gingen wegen der Pandemie spazieren. Meine Feststellung war: 1,90 Meter ist definitiv zu groß für mich, wir sehen ja aus wie Pat und Patachon. Naja, erst einmal abwarten, sagte ich zu mir selbst. Als der Weg im Park etwas matschig wurde, sah ich erst die Schuhe von Herrn H.. Gießweinschuhe in himmelblau (Schuhe aus Merino Wolle). Wie die hinterher aussahen, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht zu erwähnen. Herr H. war nett, aber nur nett reichte mir nicht. Also suchte ich im Netz weiter nach Mister right.

 

„Sie haben Post. Jemand interessiert sich für Sie.“

Ja? Da war auch schon die Mail von T. aus Bremen. Alter: 58, Größe: 1,82 Meter, geschieden, zwei erwachsene Kinder, modisch und offen für alles. Was meint ein Mann, wenn er schreibt, offen für alles? Ich wusste es nicht. Er sah nicht nur nett aus, er war attraktiv. Wir schrieben uns ca. zehn Mails über die Plattform, bis wir uns entschieden zu telefonieren. Die Stimme an sich klang gut, nicht zu tief, aber Gott sei Dank auch nicht zu hoch. Hohe Stimmen mag ich bei Männern überhaupt nicht. Beim längeren Zuhören glaubte ich zu erkennen, dass er leicht lispelte. Die Erklärung erfolgte fast in dem Moment, wo mir das Lispeln aufgefallen war. Herr T. hatte vor einem Jahr Zungenkrebs und ihm wurde ein Teil der Zunge entfernt. Ich wusste nicht, was ich darauf hin sagen sollte. Es tat mir leid. Ihm ging es heute wieder ganz gut und er musste regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchungen. Ich hatte eine ganze Nacht mit mir gerungen, ob ich das aushalten könnte, alle drei Monate auf das positive Ergebnis zu hoffen. Was wäre, wenn die nächste Untersuchung negativ ausfallen würde? Was wäre wenn der Krebs gestreut hätte? Ich war feige und schrieb, dass mir die Entfernung zu groß sei (wohl fühlte ich mich damit nicht).

 

Es waren ca. acht Wochen vergangen und irgendwie wiederholte sich auch alles, da schrieb ich einen Mann an. Herr Tlock (T für Thomas und lock für Lockdown) hieß im wahren Leben Thomas. Er lebte getrennt. Kinder: 2, Beruf: keine Angabe, Wohnort: 19 km von mir entfernt, Musik: keine Angabe, Reisen: Spanien, Italien, Portugal, Essen: alles.

Wie fängt man ein Gespräch an, wenn man keinen Aufhänger hat? Also schrieb ich: „Hallo Tlock, da dein Profil nicht viel aussagt, schlage ich vor, Du schaust Dir mein Profil an und wenn es Dir gefällt, was Du liest, würde ich mich über eine Antwort freuen. Lieben Gruß, Nelke.“

Die Antwort kam relativ schnell. Kurz und knapp: „Ja, gefällt mir. Gruß Tlock.“

Was nun?, fragte ich mich, also schrieb ich: „Wann und wo war denn dein letzter Urlaub?“

Antwort: „Portugal im März dieses Jahres.“