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Suzanne Kapelari/Andrea Möller/
Philipp Schmiemann (Hrsg.)

Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik Band 9

Suzanne Kapelari/Andrea Möller/
Philipp Schmiemann (Hrsg.)

Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik

Band 9

„Naturwissenschaftliche Kompetenzen in der Gesellschaft von morgen“

Internationale Jahrestagung
der Fachsektion Didaktik der Biologie im VBIO und der Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik Wien 2019

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© 2021 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

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ISBN 978-3-7065-6159-4

Buchgestaltung nach Entwürfen von himmel. Studio für Design und Kommunikation, Innsbruck / Scheffau – www.himmel.co.at

Satz und Umschlag: Maria Strobl – gestro.at

Coverfotos: Kay Vollert, ARGUS/Das Foto, Sylke Hlawatsch, Klaus-Jürgen Hövener/Schering AG

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Theresa Heidenreich/Harald Gropengießer

Vorstellungen zum inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung – die Fachliche Klärung als Herausforderung für Lehramtsstudierende

Patricia Schöppner/Claudia Nerdel

Evaluation einer Lehrerfortbildung zum praktischen Einsatz von biotechnologischen Methoden im Unterricht

Emanuel Nestler/Carolin Retzlaff-Fürst

Die Förderung der Kompetenzentwicklung von Studierenden in Praxisphasen des Biologieunterrichts durch die Qualifizierung von Mentor*innen

Yvonne Rath/Annette Marohn

Stolpersteine im Lehrerhandeln: Aufbau eines Handlungsrepertoires durch videobasierte Reflexion

Kerstin Röllke/Norbert Grotjohann

Entwicklung der professionellen Kompetenz von Studierenden in einer nach dem Forschenden Lernen konzipierten Praxisphase im Schülerlabor

Friederike Vogt/Philipp Schmiemann

Entwicklung der selbst eingeschätzten Diagnosekompetenz und der Selbstwirksamkeitserwartung von Biologielehramtsstudierenden im Lehr-Lern-Labor

Katharina Düsing/Roman Asshoff/Marcus Hammann

Von Stoffe verfolgen zu einem kohärenten Verständnis der biochemischen Umwandlungen kohlenstoffhaltiger Verbindungen im Kohlenstoffkreislauf

Torsten Kreher/Carolin Retzlaff-Fürst

Forschungsinstrumente zur Erhebung von Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern zum Wesen der Naturwissenschaften – Übersetzung und Pilotierung

Johannes C.S. Zang

Facilitating students’ understanding of causal complexity in genetics: the river dwarf model

Julia Arnold/Sarah Dannemann/Ilka Gropengießer/Benedikt Heuckmann/Lea Kahl/Sonja Schaal/Steffen Schaal/Kirsten Schlüter/Uwe Simon/Ulrike Spörhase

Gesundheitsbildung und -förderung als Aufgaben des Biologieunterrichts – Ergebnisse eines Round-Table-Gesprächs

Julia Holzer/Doris Elster

Einflussfaktoren für die Intention Jugendlicher zu einer Stammzellenspende

Christian Hörsch/Eva-Maria Waltner/Katja Scharenberg/Werner Rieß

Bildung für nachhaltige Entwicklung als fächerübergreifende Aufgabe – Merkmale von Lehrkräften und Unterrichtspraxis in verschiedenen Fachkulturen

Jürgen Paul/Yelva Larsen/Jorge Groß/Moritz Schneider

Warum digitale Lernspiele Vorstellungen zur Nachhaltigen Entwicklung fördern können

Autor*innenverzeichnis

Vorwort

Dieser Band ist der neunte in der Reihe „Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik“, in der die Fachsektion Didaktik der Biologie (FDdB) im Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland (VBIO) im zweijährlichen Rhythmus aktuelle Forschungsarbeiten veröffentlicht.

Hier vereint finden Sie eine Auswahl von Beiträgen der internationalen FDdB-Tagung „Naturwissenschaftliche Kompetenzen in der Gesellschaft von morgen“, die im September 2019 gemeinsam mit der Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik (GDCP) an der Universität Wien durchgeführt wurde. Für Biologielehrer*innen fand im Rahmen der Tagung zudem das Forum „Wissenschaft und Schule“ des AK Schulbiologie im VBIO statt, das der Information und dem Austausch über neue fachdidaktische Entwicklungen und guter Unterrichtspraxis gewidmet ist.

Lernende und Lehrende sowie Kompetenzmodelle, Kompetenzerfassung und die konkrete Umsetzung von Kompetenzorientierung wurden in Wien in den Blick genommen, reflektiert und weiterentwickelt. Die gemeinsame Tagung eröffnete nach über 10 Jahren wieder einmal Raum für einen intensiven interdisziplinären Austausch über Erkenntnisse und Erfahrungen sowie Ziele kompetenzorientierten Lehrens und Lernens in den Fächern Biologie, Chemie und Physik. Neben diesem Schwerpunkt wurden aber auch viele andere Themenfelder diskutiert. Diese Vielfalt spiegelt der hier vorliegende Forschungsband mit seinen Beiträgen wider.

Aufgrund der gemeinsamen Tagung mit der GDCP, die traditionell kein Peer-Review-Verfahren für Tagungsbeiträge durchführt, hat auch die FDdB in diesem Jahr auf ihr angestammtes Peer-Review-Verfahren verzichtet. Die in diesem Band publizierten Beiträge wurden jedoch wie bisher einem Begutachtungsverfahren unterzogen. An diesem Auswahlverfahren haben sich viele Kolleginnen und Kollegen beteiligt und so zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung beigetragen. Insofern freuen wir uns, hier dreizehn Beiträge präsentieren zu können, die von den Gutachtenden nach kritischer Prüfung zur Veröffentlichung empfohlen wurden. Für die geleistete Arbeit bedanken wir uns sehr herzlich bei den folgenden Gutachtenden (in alphabetischer Reihenfolge):

Dr.in Julia Arnold, Fachhochschule Nordwestschweiz

Dr. Roman Asshoff, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Dr.in Melanie Basten, Universität Bielefeld

Dr.in Anna Beniermann, Humboldt-Universität zu Berlin

Prof.in Dr.in Susanne Bögeholz, Georg-August-Universität Göttingen

Prof. Dr. Franz X. Bogner, Universität Bayreuth

Dr. Till Bruckermann, Leibniz Universität Hannover

Dr.in Sarah Dannemann, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Prof. Dr. Arne Dittmer, Universität Regensburg

Prof.in Dr.in Doris Elster, Universität Bremen

Prof. Dr. Michael Ewig, Universität Vechta

Dr. Christian Förtsch, Ludwig-Maximilians-Universität München

Dr.in Dagmar Frick, Ludwig-Maximilians-Universität München

Prof. Dr. Dittmar Graf, Justus-Liebig-Universität Giessen

Prof. Dr. Helge Gresch, Universität Trier

Prof. Dr. Harald Gropengießer, Leibniz-Universität Hannover

Prof. Dr. Jorge Groß, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Prof. Dr. Jörg Großschedl, Universität zu Köln

Prof. Dr. Norbert Grotjohann, Universität Bielefeld

Prof. Dr. Marcus Hammann, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Prof.in Dr.in Ute Harms, Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN)

Prof.in Dr.in Lissy Jäkel, Pädagogische Hochschule Heidelberg

Prof.in Dr.in Suzanne Kapelari, Universität Innsbruck

Ass.-Prof.in Dr.in Lena von Kotzebue, Paris-Lodron-Universität Salzburg

Prof.in Dr.in Kerstin Kremer, Leibniz-Universität Hannover

Prof. Dr. Dirk Krüger, Freie Universität Berlin

Dr. Hagen Kunz, Universität Siegen

Dr.in Yelva Larsen, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Prof. Dr. Martin Lindner, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Prof.in Dr.in Maike Looß, Technische Universität Braunschweig

Prof. Dr. Armin Lude, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Prof. Dr. Jürgen Mayer, Universität Kassel

Prof.in Dr.in Anke Meisert, Stiftung Universität Hildesheim

Prof.in Dr.in Andrea Möller, Universität Wien

Prof.in Dr.in Claudia Nerdel, Technische Universität München

Prof. Dr. Kai Niebert, Universität Zürich

Prof.in Dr.in Sandra Nitz, Universität Koblenz-Landau

Prof. Dr. Christoph Randler, Eberhard Karls Universität Tübingen

Prof.in Dr.in Carolin Retzlaff-Fürst, Universität Rostock

Prof. Dr. Werner Rieß, Pädagogische Hochschule Freiburg

Prof.in Dr.in Angela Sandmann, Universität Duisburg-Essen

Dr.in Sonja Schaal, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Prof. Dr. Steffen Schaal, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Dr. Franz-Josef Scharfenberg, Universität Bayreuth

Prof.in Dr.in Annette Scheersoi, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Prof. Dr. Martin Scheuch, Hochschule für Agrar- & Umweltpädagogik Wien

Prof.in Dr.in Kirsten Schlüter, Universität zu Köln

Prof. Dr. Philipp Schmiemann, Universität Duisburg-Essen

Dr.in Mona Schönfelder-Beer, Universität Bayreuth

Prof. Dr. Uwe K. Simon, Karl-Franzens-Universität Graz

Prof.in Dr.in Ulrike Spörhase, Pädagogische Hochschule Freiburg

Prof. Dr. Holger Weitzel, Pädagogische Hochschule Weingarten

Prof. Dr. Matthias Wilde, Universität Bielefeld

Prof. Dr. Jörg Zabel, Universität Leipzig

Die Herausgeber*innen:

Univ. Prof.in Dr.in Suzanne Kapelari, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Univ. Prof.in Dr.in Andrea Möller, Universität Wien

Univ. Prof. Dr.
Philipp Schmiemann, Universität Duisburg Essen

Theresa Heidenreich & Harald Gropengießer

Vorstellungen zum inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung – die Fachliche Klärung als Herausforderung für Lehramtsstudierende

Zusammenfassung

Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion ist als Rahmen für fachdidaktische Forschung und Unterrichtsplanung konzipiert. Die Aufgabe der Fachlichen Klärung als Teil der Didaktischen Rekonstruktion können Lehramtsstudierende für eigene Forschungsarbeiten lösen, wie sich in Bachelor- und Masterarbeiten zeigt. Für die berufspraktische Unterrichtsplanung, für die im Alltag eher wenig Zeit zur Verfügung steht, zeigt sich jedoch ein Lernbedarf: Lehramtsstudierende sollten es lernen, Inhalte für den Unterricht fachlich zu klären und didaktisch zu rekonstruieren. Zudem besteht ein Forschungsbedarf: Die Fachliche Klärung ist fachlich zu klären und für Lehramtsstudierende verständlich aufzuarbeiten. Dafür werden in einer Teilstudie Vorstellungen von Lehramtsstudierenden zum inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung und zur Fachlichen Klärung untersucht. In diesem Beitrag werden zentrale Ergebnisse dieser Teilstudie vorgestellt. Diese dienen als Lernausgangslagen für die Formulierung von Leitlinien zu einer Seminarkonzeption für die universitäre Vermittlung der Fachlichen Klärung an Lehramtsstudierende.

Abstract

The Model of Educational Reconstruction (short: MER) provides a frame for science teacher education research, like this study, and for lesson content planning. The scientific clarification as a part of the MER is a key feature but there is still a need for research: The scientific clarification needs to be scientifically clarified. Thus, conceptions of preservice science teachers about the lesson content planning and the scientific clarification have to be examined as one part of applying the MER. This article presents the results of this partial study, which is one step along the way to formulate empirically based guidelines for the university instruction of the scientific clarification for preservice science teachers.

1 Einleitung

Lehrpersonen sind „Fachleute für das Lehren und Lernen“ und es gehört zu ihrer „Kernaufgabe“, Unterrichtsinhalte für ihre Lerngruppen „fach- und sachgerecht“ zu planen (KMK, 2004), auch wenn in der Praxis oft nur wenig Zeit dafür zur Verfügung steht. Lehramtsstudierende sollten ebenso „wissen, was bei der Planung von Unterrichtseinheiten beachtet werden muss“ (KMK, 2004). Eine besondere Bedeutung kommt dem inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung zu. Dazu wird Folgendes postuliert: „ein fachlicher Inhalt [muss] mit dem Ziel einer nachhaltigen Erlernbarkeit neu konstruiert, neu strukturiert werden, sodass eine Sachstruktur für den Unterricht entsteht“ (Komorek, Fischer & Moschner, 2013, S. 43). Lehramtsstudierende müssen deshalb lernen, sich kritisch in Vermittlungsabsicht mit fachwissenschaftlichen Inhalten auseinanderzusetzen, um Inhalte für den Unterricht zu erarbeiten. Dies ist u.a. wichtig, weil Fach- und Schulbücher oftmals fachliche Fehler oder missverständliche Darstellungen enthalten und das fachliche Vorwissen der Lernenden nicht immer einbeziehen (z.B. King, 2010; Staub & Stern, 2004). Inhalte sind für den Unterricht daher fachlich zu klären und didaktisch zu rekonstruieren (Kattmann et al., 1997). Der Fachlichen Klärung (kurz: FK) als eine Untersuchungsaufgabe der Didaktischen Rekonstruktion kommt dabei eine Schlüsselrolle zu (Duit et al., 2012), denn damit werden fachlich geklärte Konzepte erarbeitet, welche als thematische Zielvorstellungen für den Unterricht dienen.

Empirische Befunde zeigen jedoch, dass eine Auseinandersetzung mit Fachinhalten im Rahmen der Unterrichtsplanung für Lehramtsstudierende diverser Fächer eine Herausforderung darstellt (z.B. Gassmann, 2013). Obwohl es Lehramtsstudierenden in eigenen empirischen Abschlussarbeiten meistens gelingt Fachliche Klärungen durchzuführen, ist für sie eine FK im Kontext der inhaltlichen Unterrichtsplanung schwierig. Eine „unzureichende Fachliche Klärung“ erschwert die inhaltliche Unterrichtsplanung (Dannemann, Heeg & Schanze, 2019, S. 9).

Um im Sinne einer „Didaktik der Fachdidaktik“ lernförderliche universitäre Vermittlungsangebote für Lehramtsstudierende zu entwickeln, wird eine systematische Forschung in der Lehrerbildung gefordert, die die Vorstellungen von

Lehramtsstudierenden einbezieht (Lohmann, 2006, S. 66). Das Forschungsprogramm der Didaktischen Rekonstruktion (kurz: DR) kommt dieser Forderung nach, denn es zielt „auf eine Verbesserung von Unterrichtspraxis und Lehrerausbildung“ (Komorek, Fischer & Moschner, 2013, S. 46) ab. Die DR wurde zwar als Rahmen für fachdidaktische Lehr-Lernforschung entwickelt, sie soll darüber hinaus aber auch Orientierung für die berufspraktische Erarbeitung von Inhalten für den Unterricht bieten (Duit et al., 2012). Jedoch konstatieren Labudde & Möller (2012) noch Forschungsbedarfe im Hinblick auf die DR. Strömdahl (2012) fordert zudem eine Fachliche Klärung von (fach-) wissenschaftlichen Termini und Vorstellungen für den Unterricht. Zur Fachlichen Klärung besteht somit ein Forschungsbedarf: Inwiefern kann die Fachliche Klärung aus dem Forschungskontext für die inhaltliche Unterrichtsplanung praxistauglich adoptiert werden? Das zentrale Ziel dieser Studie ist es demnach, die FK zu untersuchen, um sie verständlich für Lehramtsstudierende aufzuarbeiten. Dazu sollen Vorstellungen von Lehramtsstudierenden zum inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung und zur FK untersucht werden, um Lernausgangslagen zu identifizieren. Hierzu werden in diesem Beitrag die zentralen Ergebnisse vorgestellt. Dies ist ein Schritt, um nach der DR – unter Einbezug der entsprechenden Vorstellungen von FachdidaktikerInnen – empirisch basierte Leitlinien für die universitäre Vermittlung einer FK zu formulieren. Darauf basierend wird ein hochschuldidaktisches Seminar konzipiert und evaluiert.

2 Theoretischer Rahmen

Im Folgenden werden nun zwei Theorien dargestellt, die für die Erhebung und Analyse von Vorstellungen und ebenso für ein Verständnis der Fachlichen Klärung zentral sind.

2.1 Die konstruktivistische Sicht auf Fachinhalte und Lernen

Aus erkenntnistheoretischer Sicht sind alle Vorstellungen individuell konstruiert (z.B. Duit, 1995). Fachwissenschaftliche Erkenntnisse sind somit genauso konstruiert wie Alltagsvorstellungen, mit dem Unterschied, dass wissenschaftliche Vorstellungen einer breiteren, systematischen Erfahrungsbasis entstammen und ihnen daher eine (zumindest zeitweise) operationale Gültigkeit und Erklärungsmacht zugesprochen wird (Duit et al., 2012), d.h. sie sind viabel. In der Fachliteratur sind daher keine ‚wahren‘ Sachstrukturen zu finden, sondern begutachtete individuelle Darstellungsweisen fachwissenschaftlicher Inhalte eines Themas, die auf einem Konsens einer WissenschaftlerInnengemeinschaft beruhen. Dies kann fachlich adäquat, aber auch missverständlich repräsentiert werden. Fachliteratur ist für eine bestimmte Zielgruppe, i.d.R. ExpertInnen geschrieben. Als Konsequenz kann eine fachwissenschaftliche Sachstruktur nicht direkt als eine Sachstruktur für den Unterricht übernommen werden, sondern ist von Lehrpersonen für ihre Lernenden fachlich zu klären und didaktisch zu rekonstruieren – Unterrichtsinhalte sind ebenfalls Konstrukte.

Auch wenn Lernende üblicher Weise über eine weniger differenzierte Erfahrungsbasis als WissenschaftlerInnen verfügen, sind sie eigenständige Konstrukteure ihrer Vorstellungen. Folglich ist es aus konstruktivistischer Sicht mit Blick auf Lehr-Lernprozesse eine „Illusion, daß Sprache an und für sich die Fähigkeit habe, Begriffe und somit Wissen von einer Person zu einer anderen zu übermitteln“ (Glasersfeld, 1995). Wissen oder Vorstellungen können nicht direkt an andere Personen weitergegeben werden. Dennoch ist Sprache ein wichtiges Werkzeug für fachliches, fachdidaktisches und verstehendes Lernen (Gropengießer, 2010). Sprache kann Vorstellungen bezeichnen und ähnliche Vorstellungen hervorrufen.

2.2 Erfahrungsbasiertes Verstehen

Die Theorie des erfahrungsbasierten Verstehens (kurz: TeV) beschreibt den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken sowie die Entstehung unseres kognitiven Systems aus unseren Erfahrungen mit der Umwelt (Gropengießer, 2007). Unsere Erfahrungen bewirken die Bildung der grundlegenden Strukturen unserer Kognition, die für uns direkt verständlich sind. Diese sogenannten verkörperten Vorstellungen nutzen wir dann, um abstrakte Sachverhalte imaginativ zu verstehen (Lakoff & Johnson, 1980). Imagination meint dabei die Übertragung der Struktur von Basisbegriffen und Schemata auf den zu verstehenden Zielbereich. Dies ermöglicht das Verstehen abstrakter Bereiche mit Hilfe der kognitiven Strukturen eines konkreten Bereiches. Daher können sprachliche Äußerungen untersucht werden, um auf Vorstellungen und Metaphern zu schließen. Wichtig ist hierbei zwischen der Ebene der Sprache und der Ebene der Vorstellungen zu unterscheiden.

3 Stand der Forschung

Insgesamt ist der Forschungsstand zu Vorstellungen über die inhaltliche Unterrichtsplanung von Lehramtsstudierenden der Biologie eher fragmentiert. Es gibt jedoch empirische Befunde, die zeigen, dass die Auseinandersetzung mit Fachinhalt in Vermittlungsabsicht für Lehramtsstudierende diverser Fächer eine Herausforderung darstellt. Die nachfolgende Tabelle 1 gibt einen Überblick über Vorgehensweisen bei der inhaltlichen Planung von Lehramtsstudierenden und listet die empirischen Studien, die dies jeweils zeigen.

Tabelle 1: Übersicht über Vorgehensweisen von Lehramtsstudierenden diverser Fächer beim inhaltlichen Planen und über empirische Studien, die den jeweiligen Befund zeigen.

Vorgehensweisen von Lehramtsstudierenden beim inhaltlichen Planen

Empirische Studien

Als Kern der inhaltlichen Planung erfolgen kurze und knappe Sachanalysen.

Gassmann (2013)

Übernehmen von – aus studentischer Sicht – korrekten Fachinhalten als Unterrichtsinhalte.

Dannemann (2018); Hunger (2013)

Curriculare Planungsrichtlinien werden wörtlich als Zielvorgaben des inhaltlichen Planens verstanden.

Weingarten (2019); Tänzer (2011); Westermann (1991)

Schülervorstellungen werden beim inhaltlichen Planen kaum oder nicht berücksichtigt.

Weitzel & Blank (2019)

Im Vordergrund der inhaltlichen Planung steht die geplante Lehrtätigkeit (Lehrerzentrierung).

Weingarten (2019); Dannemann (2018); John (1991)

Primärer Fokus liegt auf der Auswahl und teils Entwicklung von Unterrichtsmaterialien.

Weitzel & Blank (2019); Tänzer (2011); Nilssen (2010); John (1991)

Die Befunde in der Tabelle 1 kennzeichnen Vorgehensweisen, die der Komplexität der Aufgabe nicht gerecht werden. Die Erarbeitung und Gestaltung von fachspezifischen Inhalten für den Unterricht stellt somit eine Herausforderung für Lehramtsstudierende diverser Fächer dar. Unterrichtinhalte werden primär aus dem Curriculum abgeleitet, aus gängiger Literatur übernommen und dabei kaum auf Schülervorstellungen bezogen (s. Tabelle 1). Es werden kurze und knappe Sachanalysen erstellt, jedoch liegt der Fokus innerhalb der Unterrichtsplanung vielmehr auf Überlegungen zur Auswahl von Unterrichtsmaterialien und -methoden (z.B. Weitzel & Blank, 2019). Anstatt fachwissenschaftliche Inhalte für den Unterricht fachlich zu klären und didaktisch zu rekonstruieren, werden inhaltliche Überlegungen insgesamt vernachlässigt (Nilssen, 2010). Die Planungen erfolgen zudem meistens lehrerzentriert, d.h. Überlegungen zur eigenen Lehrtätigkeit stehen im Fokus des Planens.

Lehramtsstudierende der Fächer Mathematik, Geografie, Sachunterricht, Musik, Politik und Sport zeigen insgesamt ähnliche Vorgehensweisen. Für das Schulfach Biologie gibt es vergleichsweise jedoch wenige bis keine empirischen Befunde zur inhaltlichen Unterrichtsplanung von Lehramtsstudierenden und auch die gymnasiale Schulform wird in bisherigen Studien meistens vernachlässigt. Hier besteht ein Desiderat.

4 Forschungsfragen

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Theorien, der DR und des Standes der Forschung ergibt sich das Erkenntnisinteresse dieser Teilstudie. Für die inhaltliche Unterrichtsplanung mit der DR kommt der Fachlichen Klärung eine Schlüsselrolle zu (Duit et al., 2012). Folgende Fragestellungen [F] sind zu untersuchen:

[F1] Über welche Vorstellungen zur Fachlichen Klärung als Teil der inhaltlichen Unterrichtsplanung verfügen Biologie-Lehramtsstudierende des gymnasialen Lehramts?

[F2] Welche Lernschwierigkeiten sind anhand der Ergebnisse vorauszusehen?

5 Untersuchungsdesign und Methodik

Die DR gibt das Forschungsprogramm dieser Studie vor und zielt „auf eine Verbesserung von Unterrichtspraxis und Lehrerausbildung“ (Komorek, Fischer & Moschner, 2013, S. 46). Dabei sind die drei in wechselseitiger Beziehung stehenden Untersuchungsaufgaben der DR empirisch zu bearbeiten (Duit et al., 2012) (s. Abbildung 1). Besonders die Lernpotentialdiagnose ist wichtig, weil hochschuldidaktische Forschung u.a. Vorstellungen von Lehramtsstudierenden einbeziehen sollte (Lohmann, 2006). Vorstellungen über die Fachliche Klärung als Teil der inhaltlichen Unterrichtsplanung bilden den Untersuchungsgegenstand dieser Teilstudie. Daher wurden leitfadengestützte Einzelinterviews mit Lehramtsstudierenden im Master des Faches Biologie geführt, die alle audio- und videographiert wurden. Die jeweiligen Aussagen wurden mit der Qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring, 2015; Gropengießer, 2008) und der systematischen Metaphernanalyse (Schmitt, 2017) analysiert, um im Sinne der TeV auf Vorstellungen zu schließen. Es geht darum, Kategorien der Vorstellungen von Lehramtsstudierenden herauszuarbeiten.

Die Auswahl der Probanden für die leitfadengestützten Interviews (N = 10, w = 6, m = 4) erfolgte nach diesen Kriterien: Die Personen studieren im Master Lehramt an Gymnasien (Fach Biologie), haben grundlegende fachdidaktische Lehrveranstaltungen absolviert und verfügen über erste Praxiserfahrungen in der Schule und mit der inhaltlichen Planung von Unterricht, d.h. es wurde mind. das Allgemeine Schulpraktikum und möglichst das Fachpraktikum in Biologie absolviert. Die Teilnahme an den Interviews erfolgte freiwillig. Rekrutiert wurden die Studierenden über Aufrufe in fachdidaktischen Lehrveranstaltungen. Jedes Interview wird zunächst als Einzelfall analysiert, bevor im Rahmen einer übergeordneten Kategorienbildung die Einzelfälle kontrastiert und verglichen werden.

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Abbildung 1: Die Fachliche Klärung als Untersuchungsgegenstand dieser Studie und Teil der Didaktischen Rekonstruktion (in Anlehnung an Duit et al., 2012).

6 Ergebnisse

Aus Platzgründen können an dieser Stelle nicht alle Ergebnisse der erfolgten Interviews mit den Lehramtsstudierenden (N = 10) beschrieben werden. Um dennoch zentrale Ergebnisse zu den Vorstellungen und Handlungen nachvollziehbar darzustellen, werden im Folgenden nun zwei Fälle von Lara und Nora vorgestellt. Daran werden charakteristische Weisen des Planens von Inhalten für den Unterricht deutlich, was Vorstellungen über die Fachliche Klärung einschließt. Außerdem werden zentrale Lernschwierigkeiten genannt. Aus Gründen der Übersicht und Vergleichbarkeit werden dazu Konzepte und exemplarische Aussagen verwendet (mit Zeilennummern des Transkriptes).

Zum Interviewbeginn

Zu Beginn des jeweiligen Interviews werden alle Probanden gebeten, einen Unterrichtsinhalt für eine 10. Klasse am Gymnasium zum Thema Blutkreislauf zu planen. Dafür standen Materialien zur Verfügung, die Lehrkräfte üblicher Weise in der Praxis verwenden: ein Schulbuch, Fachbücher, entsprechende Auszüge aus dem KC und ein Notebook mit Internetzugang, Papier und Stifte. Die Probanden entschieden selbst, wie viel Zeit sie für ihr initiales inhaltliches Planen aufwenden. Anschließend erfolgte das leitfadenstrukturierte Interview.

[F1] Fall 1: Lara

Lara plant ihren Unterrichtsinhalt fast ausschließlich mit dem Schulbuch, das für sie sowohl die Inhaltsstruktur als methodische Überlegungen für den Unterricht vorgibt: „Ja erst einmal würde ich mir ein Schulbuch nehmen, [...] also das was die Schüler auch haben in der zehnten Klasse, und dann gucken, welche Inhalte darin stehen“ (24f.). Sie sichtet den Inhalt des Schulbuches zum Blutkreislauf und schreibt die einzelnen Teilthemen ab. Ihre Begründung für dieses Vorgehen lautet: „wenn [man] schon ein Buch hat, in der zehnten Klasse war irgendwie ein Buch vorgegeben, dass man das dann auch nutzt. Da sind Aufgaben drin, die hat sich ja auch jemand überlegt, die passen zu den Inhalten, dass man die dann auch nutzt“ (153–156). Nach dieser Aussage sind Schulbuchinhalte für Lara per se angemessen, das Schulbuch somit Inhalte zum Blutkreislauf für ihre Unterrichtseinheit vor (Schulbuch gibt Unterrichtsinhalte vor), die implizit von Lara auch als fachlich richtig vorgestellt werden (Schulbuchinhalte sind fachlich richtig).

Zum weiteren Vorgehen sagt Lara: „Dann einen Plan machen: Welche Themen will man thematisieren. Irgendwelche Reihenfolgen, macht es Sinn, die zu thematisieren? [...] Dann die Struktur überlegen und dann würde man weiter gucken, mit welchen Methoden und so weiter man das umsetzen würde“ (247–250). Nachdem sie eine Themenauswahl getroffen hat, legt sie die Reihenfolge fest, die ihre inhaltliche Struktur darstellt. Dabei übernimmt sie beim Planen die Struktur aus dem Schulbuch, ebenso wie die dargestellten Aufgaben. Lara überlegt sich Gründe, die für diese jeweiligen Inhalte sprechen, z.B. ist ihr, neben ihren persönlichen Präferenzen, auch ein „Alltagsbezug“ (140, 236, 797) wichtig. Für Lara sollen Lernende alltägliche Dinge richtig erklären können (Unterrichtsinhalte brauchen einen Alltagsbezug). Dies verbindet Lara mit alltäglichen Schülervorstellungen, die in den Unterricht mitgebracht werden. Sie möchte Schülervorstellungen einbeziehen, damit sie die von ihr als „fachlich nicht ganz richtig“ (515) bewerteten Vorstellungen „überprüfen“ (171, 816) und „vorbeugen“ (208) kann. Lara verfügt somit hierbei über eine Defizitorientierung (Schülervorstellungen sind Defizite). Doch obwohl sie von Vorstellungen der Lernenden spricht, bezieht sie diese bei ihrem Vorgehen nicht ein: „Wobei ich das dann auch ziemlich schwierig finde, das irgendwie umzusetzen, auch gerade, wenn es um Schülervorstellungen [geht]“ (506f.). Es besteht somit eine Diskrepanz zwischen ihrem Wissen und ihren Handlungen.

Lara ist zwar auch wichtig, dass ihr Inhalt mit „Vorgaben aus Schulcurriculum und Kerncurriculum übereinpasst“ (139), aber insgesamt erfolgt ihre Inhaltsauswahl für den Unterricht primär durch das Schulbuch. Eine Fachliche Klärung ist für Lara in diesem Kontext „inhaltlich alles, was dazu gehört“ (525f.) (Fachliche Klärung ist eine Ideensammlung). Dabei verortet Lara die Fachliche Klärung zwar adäquat als Teil der DR, aber sie versteht die Fachliche Klärung im Sinne einer Sachanalyse: „für den kompletten Inhalt erst einmal, damit ich einmal weiß, was ich machen muss [...] Also es ist wichtig, ja einmal für mein Wissen [und] für das Wissen, was ich weitergeben will“ (549–551). Eine kritische Perspektive in Vermittlungsabsicht wird nicht eingenommen, vielmehr möchte sie ihr Wissen mit dem Fachinhalt in der (Fach-)Literatur abgleichen. Dargestellte Inhalte in Fachliteratur sind für Lara fachlich richtig (Fachliteratur hat Autorität). Laras Aussage zeigt auch, dass sie fachlich richtiges Wissen an ihre Lernenden metaphorisch gesehen weitergeben will. An dem Zitat und im gesamten Interview wird eine transmissive Vorstellung vom Lehr-Lernprozess deutlich, wonach sie ihr Wissen einfach durch Sprache an die Lernenden übergeben kann (metaphorisches Konzept: Lehr-Lernprozess Ist Weitergabe von Wissen).

Die hier vorgestellten zentralen Vorstellungen von Lara hängen inhaltlich miteinander zusammen, denn wenn sie z.B. denkt Fachliteratur hat Autorität, ist ein Hinterfragen von fachwissenschaftlichen Darstellungen für sie nicht notwendig. Die Vorgehensweise im Fall von Lara kann als Typus ‚(rezeptive) Lehrwerksorientierung‘ bezeichnet werden (s. Abbildung 2).

[F1] Fall 2: Nora

Für Nora gibt das Kerncurriculum (kurz: KC) den Inhalt, die Struktur und methodische Überlegungen vor: „zuerst mal würde ich in das Kerncurriculum gucken, was da gefordert wird, [...] und mir dann einen Plan machen. Ok, das wird verlangt. Dann vielleicht ins Schulbuch gucken, was wird da noch zusätzlich abgedeckt und daraus dann versuchen [Unterrichtsinhalt] zu entwickeln“ (14–17). Ähnlich wie bei Lara, gibt auch für Nora das Schulbuch Unterrichtsinhalte vor (Schulbuch gibt Unterrichtsinhalte vor) – mit dem Unterschied, dass das KC Noras inhaltliche Planung strukturiert. Nora versteht die curricularen Richtlinien als inhaltliche Vorgaben für ihren Unterricht und schreibt zunächst beim Planen Passagen aus dem KC ab (Kerncurriculum gibt Unterrichtsinhalte vor). Danach ergänzt Nora diese Abschrift mit fachlichen Stichpunkten aus dem Schul- und Fachbuch. Dabei wird deutlich, dass zumindest aktuelle Fachliteratur auch für Nora Autorität hat (Aktuelle Fachliteratur hat Autorität), sie sagt z.B. zu wissenschaftlichen Vorstellungen: „Ja das, was die Wissenschaftler halt so postulieren, dass es da zwei Kreisläufe gibt“ (67). Dabei übernimmt sie die fachlich fehlleitende Darstellung des Blutkreislaufs (zwei Kreisläufe) unhinterfragt als Unterrichtsinhalt. Für Nora ist Fachliteratur „sehr abstrakt, sehr schwierig“ (78), weshalb sie leichter zu verstehende Literatur, wie das Schulbuch, vorzieht. Fachliche Unsicherheiten bereiten ihr Schwierigkeiten. Über eine Fachliche Klärung sagt Nora: „Fachliche Klärung ist, dass man sich erstmal mit den Fachinhalten auseinandersetzt, indem man guckt: ok welchen Stand haben die Wissenschaftler, was sagen sie. Und, dass man dann auch guckt: was ist schwierig zu verstehen im Hinblick auf Schüler“ (236–238). Ähnlich wie Lara möchte Nora mit dem fachwissenschaftlich richtigen Stand der Erkenntnisse arbeiten und nutzt Fachliteratur, um ihr eigenes Fachwissen abzugleichen (Aktuelle Fachliteratur hat Autorität). Anders als bei Lara, gehören für Nora kritische Überlegungen aus Vermittlungsperspektive zur Fachlichen Klärung (Eine Fachliche Klärung ist eine kritische Auseinandersetzung mit Fachliteratur). Jedoch übernimmt Nora fachlich fehlleitende Darstellungen als Unterrichtsinhalt. Noras Fachliche Klärung ist eine fachliche Zusammenfassung: „ich habe mir jetzt erstmal die Dinge, wo es um das Herz ging herausgeschrieben und mir dann Begrifflichkeiten markiert, die schwierig waren. [...] Dass dann zusammengefasst und dann das Ganze reduziert auf das Wesentliche“ (281–288). Hier besteht eine Diskrepanz zwischen ihrem Wissen über eine Fachliche Klärung und ihrem Handeln. Zudem will Nora zwar Schülervorstellungen in ihren Unterricht einbauen (137), sie berücksichtigt diese jedoch nicht bei ihrem Vorgehen; es besteht hier eine weitere Diskrepanz. Insgesamt kann der Fall von Nora als ‚Curriculumorientierung‘ beschrieben werden (s. Abbildung 2).

Insgesamt konnten im Rahmen der Kategorienbildung mehrere Vorgehensweisen von Lehramtsstudierenden beim fachlichen Klären als Teil des inhaltlichen Planens herausgearbeitet werden. Die folgende Abbildung 2 bietet eine Übersicht darüber.

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Abbildung 2: Übersicht über charakteristische Vorgehensweisen von Lehramtsstudierenden beim fachlichen Klären als Teil des inhaltlichen Planens.

Insgesamt verfügen die Studierenden (N = 10) über mehrere Vorstellungen zur Fachlichen Klärung als Teil der inhaltlichen Unterrichtsplanung:

Eine Fachliche Klärung ist eine kritische Auseinandersetzung mit Fachliteratur

Eine Fachliche Klärung dient der Absicherung des eigenen Fachwissens

Eine Fachliche Klärung ist eine Reduktion

Eine Fachliche Klärung ist eine fachliche Zusammenfassung

Eine Fachliche Klärung ist eine Informationssammlung

[F2] Zentrale Lernhindernisse:

Anhand der hier vorgestellten Ergebnisse der Teilstudie können zentrale Lernschwierigkeiten in Form von Konzepten formuliert werden:

Fachliteratur hat absolute, unhinterfragte Autorität

Schul- und Fachbücher sind fachlich richtig

Curricula geben Unterrichtsinhalte vor

Eine Fachliche Klärung ist eine fachliche Zusammenfassung

Eine Fachliche Klärung ist eine Informationssammlung

Schülervorstellungen sind Defizite

Lehr-Lernprozess Ist Weitergabe von Wissen

Fachliche Unsicherheiten

7 Fazit und Ausblick

Unsere Ergebnisse bestätigen weitgehend die Ergebnisse von bereits durchgeführten Studien, die Schwierigkeiten beim inhaltlichen Planen zeigen (s. Tabelle 1): Lehramtsstudierende übernehmen aus ihrer Sicht korrekte Fachinhalte als Unterrichtsinhalte und verstehen teils curriculare Richtlinien wörtlich als inhaltliche Zielvorgaben (z.B. Nora). Vor diesem Hintergrund sind die Ideen von einer Fachlichen Klärung als z.B. eine Reduktion oder Zusammenfassung nachvollziehbar. Bei den befragten Lehramtsstudierenden besteht häufig eine Diskrepanz zwischen ihren verfügbaren, teils angemessenen Vorstellungen und ihrem Handeln. Mit Blick auf das zentrale Ziel der Studie, die Fachliche Klärung für die Vermittlung fachlich zu klären, sind diese Lernausgangslagen zu berücksichtigen. Die erschlossenen Vorstellungen der Studierenden zur Fachlichen Klärung bieten aber auch Anknüpfungsmöglichkeiten für ein fachdidaktisch angemesseneres Verständnis, wie z.B. das Konzept Eine Fachliche Klärung ist eine kritische Auseinandersetzung mit Fachliteratur. Bei der Formulierung von Leitlinien zur universitären Vermittlung einer Fachlichen Klärung sind die Vorstellungen von Lehramtsstudierenden mit jenen der ExpertInnen in Beziehung zu setzen. Eine so entwickelte grundlegende Leitlinie lautet: Zwischen Fachlicher Klärung und Sachanalyse unterscheiden. Die empirisch basierten Leitlinien sollten dann auf dem Weg zu einer „Didaktik der Fachdidaktik“ (Lohmann, 2006) in weiteren empirischen Studien evaluiert und weiterentwickelt werden.

8 Literatur

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Claudia Nerdel & Patricia Schöppner

Evaluation einer Lehrerfortbildung zum praktischen Einsatz von biotechnologischen Methoden im Unterricht

Zusammenfassung

Biotechnologische Forschung ist ein bedeutendes Zukunftsthema. Zielsetzung des Projekts ist daher die Kompetenzförderung bei Lehrkräften zu gut etablierten biotechnologischen Methoden am Beispiel aktueller, schülerrelevanter Forschungsthemen, z.B. Theorie und Praxis der PCR und Agarose- Gelelektrophorese zur Analyse bitterer Geschmackswahrnehmung. Didaktische Begleitmaterialien runden das Fortbildungskonzept ab, um Lehrkräften die Implementation der Themen und Arbeitsweisen zu erleichtern. Die Lehrerfortbildung ist regional organisiert und kostenlos. Die Kurstage werden in den Fachräumen einer Schule durgeführt, um schulische Umsetzbarkeit zu zeigen. Idealerweise sollten sich zwei Lehrkräfte pro Schule anmelden, um sich bei der schulischen Implementation zu unterstützen. Per Fragebogen wurden Fortbildungsqualität und geplante Einbindung der Fortbildungsinhalte in den Biologieunterricht untersucht. Die fünf Skalen zur Instruktionsqualität, Materialqualität/schulpraktischer Nutzen, Selbsteinschätzung eigener fachlicher/fachdidaktischer und praktischer Expertise sowie Motivation zur Vertiefung der Biotechnologie und Implementationsabsicht weisen gute Reliabilitäten auf. Die positive Beurteilung der Instruktionsqualität sowie der Materialqualität/des schulpraktischen Nutzens weisen auf hohe Akzeptanz des Angebots und Zufriedenheit mit der Lehrerfortbildung hin. Gemeinsam mit der Selbsteinschätzung fachlicher/fachdidaktischer Expertise sind diese Skalen geeignet, Implementationsabsicht vorherzusagen. Die umfangreiche Ausleihe von biotechnologischem Equipment für den Unterricht im Nachgang zur Fortbildung unterstreicht zusätzlich die beabsichtigte Implementation.

Abstract

Biotechnological research is an important future topic. The aim of the project is therefore to promote the competence of teachers in biotechnological methods using well-established research topics, e.g. theory and practice of PCR and agarose gel electrophoresis to analyze the bitter taste perception. To facilitate the implementation of biotechnological topics and methods, besides the teacher training additional didactics material is provided. The teacher training is organized regionally and free of charge. The courses are executed in the schools to demonstrate the implementation under teachers’ everyday conditions. Ideally, two teachers per school should register that they can support themselves during the implementation in their biology classes. The quality of the teacher training and the planned integration of biotechnology in biology classes were examined using a questionnaire. The five scales for self-assessment of instruction quality, material quality/benefit for biology class, biotechnological/didactic and practical expertise as well as motivation to deepen biotechnology and intended implementation show good reliabilities The positive evaluation of the instruction quality as well as the material quality/benefit for biology class indicates high acceptance and satisfaction for the teacher training. In common with the self-assessment of biological/didactic expertise, they are suitable for predicting the intended implementation. Subsequent to the teacher training the extensive loan of equipment for the biology classes further emphasizes the intended implementation.

1 Biotechnologie im Unterricht

Biotechnologische Forschung bietet Chancen, z.B. für die Verbesserung von medizinischer Diagnostik und Therapie sowie für die Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung. Gleichwohl bergen Eingriffe in das Erbgut von pflanzlichen und tierischen Organismen Risiken. Entsprechend ist die Haltung und Akzeptanz verschiedener Stakeholder zu diesen Forschungsbereichen in der politischen und gesellschaftlichen Debatte ambivalent. Um die fachwissenschaftliche Basis einer faktenorientierten Beurteilung biotechnologischer Themen und Methoden zu gewährleisten, sind die Bereiche Genetik und Gentechnik Bestandteil des Kompetenzbereichs Bewertung (KMK, 2005) sowie der Biologielehrpläne (z.B. ISB 2015). Ziel ist es, bereits in der Schule biotechnologische Techniken und deren Einsatzgebiete kennenzulernen. Obwohl diese Themen und Methoden eine große Bedeutung haben, kann ihre Behandlung im Biologieunterricht häufig nur theoretisch erfolgen. Gründe sind fehlende Ausstattung für die praktische Arbeit sowie geringe Gelder an Schulen, um die kostspieligen Geräte und Reagenzien anzuschaffen. Darüber hinaus sind Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, z.B. bei rekombinanter DNA-Klonierung und in Bereichen der Proteinbiochemie, in Schulen nicht erlaubt. Obwohl universitäre und privatwirtschaftliche Forschungsinstitute Lehrerfortbildungen gestalten und diese Arbeitsweisen zumeist in einem professionellen Forschungslabor erproben lassen (z.B. Universität Bayreuth1, EMBL Heidelberg2 oder BASF3