ISBN 9783753413945
Idee und Konzept: 2021 Iris Geuder
Bilder: Iris Geuder, Laura Geuder, Annalena Geuder und Frank Pohle
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Copyright 2021, 2. Auflage, Iris Geuder
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
Haben Sie sich auch schon einmal gewünscht, Ihr Pferd könnte sprechen und einfach sagen, was los ist, was es gerade denkt oder will?
Ganz so einfach wie bei uns Menschen ist das bei Pferden nicht, aber es gibt Möglichkeiten, den Gedanken und Gefühlen der Pferde ein Stück weit näher zu kommen. Ich möchte Ihnen einen Weg dorthin zeigen.
Immer wenn ich auf Menschen treffe, die sehr sicher und freundlich mit ihren Pferden umgehen, dann sind das Menschen, die versuchen, sich in die Welt der Pferde hinein zu denken. Sie denken darüber nach, wie das Pferd empfindet, und handeln dementsprechend. Die Pferde dieser Menschen machen einen ausgeglichenen, zufriedenen Eindruck.
Welche Faktoren beeinflussen denn auf den ersten Blick das Leben eines Pferdes?
Auf alle Fälle sind das der Stall und die Menschen, die sich um das Pferd kümmern. Normalerweise übernimmt ein neuer Reiter bzw. Pferdebesitzer die Regeln und Eigenheiten des Stalls, an dem er reiten lernt bzw. sein Pferd untergebracht hat. Er vertraut ein Stück weit darauf, dass die Leute, die sich schon länger um Pferde kümmern, wissen was sie tun.
Ich möchte dazu ermutigen, sich selber Gedanken über Pferde und speziell sein eigenes Pferd zu machen. Jeder darf ruhig auch mal kritisch hinterfragen, wieso etwas so und nicht anders gemacht wird. Meine Erfahrung während der letzten 30 Jahre ist, dass immer wenn ich kritisch nachfragte, die Antworten ausblieben, und wenn ich mich selbst schlau machte zu einem Thema, plötzlich neue Horizonte aufbrachen, die ich vorher nie für möglich gehalten hätte. Aber jedes Mal war mein Pferd sehr dankbar dafür.
Die gute Nachricht ist also: Wir haben viele Möglichkeiten, damit es unseren Pferden gut geht.
Die schlechte Nachricht ist: Das geht nicht von selbst, sondern wir müssen etwas dafür tun.
Den ersten Schritt machen Sie gerade, in dem Sie mein Buch lesen. Die Schritte danach liegen in Ihrer Hand. Ein Teil des notwendigen Wissens, die
Beispiele und Übungen, die Sie hier kennen lernen werden, helfen Ihnen, ein tieferes Verständnis für Pferde und speziell für Ihr Pferd zu entwickeln.
Schauen wir etwas wissenschaftlicher auf das Thema, dann sind es die Grundbedürfnisse des Pferdes, die sein Leben beeinflussen.
Diese und die Antwort auf die Frage, inwieweit sie unter den jetzigen Lebensbedingungen des Pferdes erfüllt bzw. abgedeckt werden, sind entscheidend für das Wohlbefinden des Pferdes.
Aus diesem Grunde möchte ich am Anfang dieses Buches einen Blick auf drei Grundbedürfnisse des Pferdes werfen. Diese Grundbedürfnisse haben alle Pferde auf dieser Welt, egal wo und wie sie gehalten werden bzw. leben dürfen, gemeinsam.
Nach den Grundbedürfnissen gehen wir darauf ein, was der Mensch daraus machen kann. Wir betrachten ein paar beispielhafte Haltungs- bzw. Lebensmöglichkeiten (Wildnis, Box, Offenstall) für Pferde, um Antworten zu finden, in-wie-weit die kennen gelernten Grundbedürfnisse von diesen Lebensbedingungen abgedeckt werden. Natürlich betrachten wir dann auch, wie das Pferd reagiert, wenn die Grundbedürfnisse abgedeckt- bzw. nicht abgedeckt werden.
Der Mensch ist verantwortlich für die Lebensbedingungen seines Pferdes und er ist Teil der Herde für sein Pferd. Ich möchte drei verschiedene mögliche Rollen (Beschützer, Rangniedriges Herdenmitglied, Raubtier) des Menschen beleuchten, wobei es Zwischenformen dieser und noch viele weitere gibt.
Dann schauen wir, wie sich Pferde in bestimmten Situationen fühlen, was sie mögen, was ihnen Angst macht, und gehen dann zum Kapitel der Übungseinheiten über. Diese Übungseinheiten können helfen, als Mensch von der einen in eine andere oben erwähnte Rolle zu schlüpfen, oder die Beziehung zum Pferd zu intensivieren.
Ich stelle auch einige Übungen zu ungewohnten Situationen vor und einige, bei denen der Mensch etwas von seinem Pferd lernen kann.
Im Anhang beschreibe ich, was jeder Pferdebesitzer oder Reiter über die lebenswichtigen Aufgaben der Hufe wissen sollte und wie er erkennt, ob sein Pferd Schmerzen hat, und wann er z.B. dringend den Arzt rufen sollte.
TIPP: Nehmen Sie sich bevor Sie weiterlesen einen Zettel und Stift zur Hand und schreiben Sie auf, was Sie an Ihrem jetzigen Stall und Ihrem Pferd besonders mögen und mit ihm z.B. besonders gerne machen. Was mögen Sie an beidem nicht so gerne? Ist Ihr Pferd gut versorgt und ist es glücklich? Was würden Sie heute schon gerne verändern?
Legen Sie den Zettel weg und schauen Sie erst am Ende des Buches wieder auf den Zettel und beantworten Sie die Fragen vielleicht noch einmal neu.
Bleiben Sie offen, Ihren eigenen Weg zu gehen. Nehmen Sie möglichst wenige Dinge ungefragt hin. Die Welt der Pferde steht Ihnen offen, treten Sie ein.
Nur das Natürliche ist das Wahre - die Wahrheit.
Wie leben meine Pferde bzw. was habe ich aus meinen Erfahrungen gelernt?
Meine Pferde leben in der uns größtmöglichen Freiheit. Sie haben Wiesen, Wald, Weiher, einen Bach und Unterstand für sich. Alles ist den Pferden den ganzen Tag, jeden Tag und in jeder Jahreszeit frei zugänglich. Sie bewegen sich als Herde in ihrem eigenen Tagesrhythmus von Wiese zu Wiese, durch den Wald und sie gehen, je nach Lust und Wetter, mal zum Weiher, mal zum Bach zum Saufen. Der Bach gefriert im Winter später ein als der Weiher, so haben sie entweder die Mühe, das Eis aufzustampfen oder sie saufen am Bach. Beides ist zu beobachten. Das entscheidet jedes Pferd für sich. Wir haben schon beobachtet, das ein neues Pferd, das zur Herde dazukommt, gleich in den ersten Minuten gezeigt bekommt, wo es Wasser gibt. Unser Chef-Wallach Thokki übernimmt diese Aufgabe gerne.
Tiere wollen Tiere sein und so natürlich wie möglich leben. Pferde haben Pferde-spezifische Charaktere und diese können sie nur entfalten, wenn sie frei sind. Sie wollen nicht modifiziert oder abgerichtet sein, das bedeutet auch, dass sie uns nicht ähneln wollen. Sie wollen nicht so leben, wie wir Menschen es uns als gemütlich vorstellen.
Sie wollen leben, ohne rational, analytisch betrachtet zu werden. Die Logik der Pferde hat nichts mit unserer menschlichen Logik zu tun. Pferde kennen so etwas nicht. Sie leben nach ihrem Instinkt und ihrer Natur. Genau das möchte ich den Pferden meiner Herde ermöglichen.
Dürfen Pferde ihre Natürlichkeit leben, dann gibt es nur noch Eines, was ich tun muss;
die Pferde pflegen, aus der Intuition heraus führen und auf dieser Basis mit ihnen arbeiten.
Das Pflegen der Pferde bedeutet, dass wir dafür Sorge tragen, dass es immer Futter und Wasser für die Pferde gibt, das keine umgefallenen Bäume die Zäune zerstören, in denen die Herde leben darf und dass keine menschlichen, gefährlichen Gegenstände, d.h. Nägel, Schrauben, Eisendrähte, etc. herumliegen. Pferdemist wird entfernt. Futter wird bereitgestellt.
Ansonsten besteht das Zusammenleben vor allem aus Beobachten und Fühlen auch z.B. während des Reitens. Nichts geschieht durch Zufall. Pferde verhalten sich unterschiedlich, je nachdem, welchen Besucher wir bei uns haben. Sie werden auch mal krank, ohne dass sie einen Arzt brauchen. Hinter allem liegen Informationen, die wir entschlüsseln sollten. Können wir das, wird eine solche Herde zum spannendsten Abenteuer, das es gibt. Pferde werden wieder gesund, wenn wir die Botschaft entschlüsselt haben. Einfach so. Von einem Tag auf den anderen ist ihr Humpeln beendet, das Asthma verflogen und der Husten weg. Finden wir nicht die Botschaft hinter dem Symptom, dann bleibt es so lange, bis wir es geschafft haben.
Gerade wenn es um Krankheits-symptome geht, sind alle Menschen darauf gepolt, den Arzt rufen zu müssen. "Das Tier darf nicht leiden", Medizin muss her. Meine Erfahrung ist, dass die Pferde das Symptom freiwillig zeigen, damit der Mensch hinschaut. Aber mit dem Herzen hinschaut, nicht mit dem Arzt. Das Herz sieht, was für das Auge unsichtbar ist. Pferde leben auf der Herzebene, diese Frequenzen nehmen sie wahr, das Magnetfeld unseres Herzens ist das, was auf sie wirkt. Warum? Das Magnetfeld unseres Gehirns ist um ein 1000 -faches schwächer als das Magnetfeld unseres Herzens. Pferde reagieren demnach immer nur auf das, was unser Herz wirklich möchte.
Wer von uns kennt schon seine wahren Herzenswünsche? Gibt es da nicht immer noch ganz andere, rationale Ziele, die wir uns setzen, besonders in Bezug auf ein Pferd, das teuer und aufwändig zu halten ist?
Dieser Gehirn (Denken) - Herz (Fühlen) - Konflikt ist oft die Quelle vieler "Pferd-Reiter-Probleme".
Sind wir Menschen also im Gegensatz dazu fähig, zu beobachten und zu fühlen, ohne das Beobachtete rational zu analysieren, dann bewegen wir uns mit den Tieren auf dem Weg zur Natürlichkeit.
Auch wenn es mir manchmal schwer fällt, das rational angelernte Wissen nicht anzuwenden, es zahlt sich aus, immer wieder mit Ruhe und Gelassenheit die Situationen, in die man gerät, zu betrachten. Hätte ich immer rational gehandelt, wären fast alle meiner Pferde längst eingeschläfert worden. Doch immer wieder hat mich ein Bauchgefühl davon abgehalten, dass zu tun, was man so tut.
Wer hatte nicht schon mal so ein "Bauchgefühl" und wenn sich dann das Denken einschaltet, wischen wir es weg, denn mit Logik hatte das Gefühl nichts zu tun. Aber genau um dieses Bauchgefühl, die Intuition, geht es.
Als meine betagte Stute Snaelda eines Tages vor mir stand, sie sah aus als wäre sie noch einmal so jung und wild wie damals, in diesem Moment war mir klar, sie macht sich jetzt auf den Weg zu sterben. Rational war dieser Gedanke nicht zu glauben, denn sie war gesund und munter, aber alt und zerbrechlicher als früher. Als sie sich dann wenige Monate später zum Sterben hin lag, war es nicht schlimm für mich. Gefühlt habe ich es ja schon lange, beobachten konnte ich, wie sie den Weg des Sterbens nahm: in Würde und Gelassenheit. Der Tod kam natürlich, ohne Hilfe von außen. Sie selbst lies ihren körperlichen Leib sterben. Ich spürte, es war richtig und gut, so wie es passierte.
Es war schon immer mit Snaelda so, dass ich das Gefühl hatte, wir schwingen auf einer Wellenlänge. Sie hatte immer wieder mal Asthma, wenn ich nicht kapierte, was zu tun war. Hatte ich es kapiert, stand sie vor mir, als wäre nie etwas gewesen. Ihre Lunge hätte schon vor Jahren ihr gesamtes Volumen verlieren müssen, so die Ärzte, aber im Gegensatz dazu, war sie im hohen Alter immer noch die gleiche Rennsemmel wie in jungen Jahren. Wir verstanden uns ohne Worte. Für mich ist klar, harmonisiert unsere Energie mit der Energie der Tiere, dann ist es möglich, das Menschen und Tiere ohne Worte miteinander kommunizieren.
Diese Art der Kommunikation beruht dann weniger auf einer angelernten Kommunikationstechnik als auf einem spontanen Gefühl, dass dann plötzlich genauso im Raum steht und Wahrheit ist.
Erlauben wir es also den Pferden, alle vom Menschen angelernten Modifizierungen und abgerichteten Verhaltensweisen abzulegen, dann darf das Pferd seine eigene, höchste Charakteristik leben.
Es ist immer wieder spannend anzuschauen, wie Pferde, die nach einem "unter Reitern betrachtet“ normalen Leben, zu uns finden, ihre ersten Schritte in der Freiheit machen. Sie wissen teilweise nicht, dass Gras zum Fressen da ist. Sie wissen nicht, dass sie selbst fähig sind, sich Fressen zu suchen. Sie wissen nicht, dass sie sich frei überall hin bewegen dürfen, wo keine Zäune, Bäume, Gewässer oder andere natürliche Gegenstände sie daran hindern. Sie wissen oft nicht, dass andere Pferde ihre Artgenossen sind und sie in dieser Herde Schutz finden können und Sicherheit im Umgang mit den Umständen der Jahreszeiten und natürlichen Phänomene. Sie wissen oft auch nicht, wie es ist, ohne Hufeisen zu laufen, den Boden zu spüren, auf dem sie sich bewegen. Und sie wissen nicht, dass man aus einem Weiher oder Bach einfach saufen kann. Wir mussten schon wochenlang einen Eimer mit dem gleichen Wasser gefüllt in den Weiher stellen, bis das neue Pferd aus Boxenhaltung begreifen lernte, dass im Eimer und nebendran das gleiche Wasser ist und es auch direkt aus dem Weiher trinken darf.
Aber sie lernen es. Dazu muss ich ihnen nichts beibringen. Ich brauche nur Geduld, Gelassenheit, Beobachtungsgabe und das Fühlen, Intuition.
Kommt ein Boxenpferd zu uns, dann muss es im ersten Winter mit Decke herumlaufen, weil kein oder kaum Winterfell wächst. Aber im zweiten Winter haben es bisher alle Pferde geschafft, eigenes Winterfell zu bekommen. Eine Decke war nie wieder nötig. Das liegt daran, dass nach einem ganzen Jahr das Wetter, die Temperaturunterschiede, den Regen, den Schnee auf dem Fell zu spüren, erlaubt es den kleinsten Muskeln in der Haut, wieder trainiert zu werden. Ist das permanente Training wieder vorhanden, wächst ganz
natürlich auch wieder ein dichtes Winterfell, mit dem sie jeden kommenden Winter überleben können.
Ich habe es bisher noch nie erlebt, dass ein Pferd sich nicht wieder in eine Herde und in seine natürliche Umgebung einfügen konnte. Es lernt anhand seines angeborenen Instinktwissens (und dadurch, dass ich diesen Lernprozess nicht durch neues Modifizieren und Abrichten störe) wieder seine eigene, höchste Pferde-Charakteristik zu leben. Aber es dauert, mal ein halbes Jahr, manchmal 2 Jahre.
Diese Pferde verändern sich, äußerlich und im Verhalten. Können wir das wertfrei betrachten, ist jede Veränderung zum höchsten Wohle des Pferdes. Rational betrachtet zeigt das Pferd vielleicht magerere Flanken als früher, dafür aber Lebensfreude in den Augen, weniger Muskelpakete an den Stellen, die der Mensch ihnen so gerne antrainiert, aber dafür eine Eleganz und Anmut in jeder einzelnen Bewegung. Die immer kurz geschnittenen Mähnen dürfen wachsen und im Wind wehend endlich wieder die Mücken vertreiben.
- "Wertfrei betrachten" ist das Zauberwort.
Wenn solch ein Pferd mit uns reiten geht, dann wissen wir, dass es das freiwillig tut. Reiten oder Bodenarbeit mit einem solch freien Pferd kann sich wie EINS-Seins anfühlen.
Wie versuche ich, aufgrund meiner Erfahrungen, den Menschen und Pferden zu dienen?
Kinder spüren noch viel Intuition und sie spüren, ob etwas oder jemand authentisch ist oder nicht. Das macht das Arbeiten mit Kindern und Pferden zu einem Fest. Ich zeige den Kindern, wie selbst heute noch, eine natürliche Art, mit Tieren zu leben, möglich ist.
Die Kinder bekommen bei mir die Möglichkeit, ihre Liebe zu den Tieren zu entdecken und weiter zu entwickeln. Sie lernen, mit