Hasso Grabner
Am Baugerüst unserer Welt
Gedichte
ISBN 978-3-96521-306-7 (E-Book)
Umschlaggestaltung: Ernst Franta
Das Buch erschien 1960 im Aufbau-Verlag Berlin
2021 EDITION digital
Pekrul & Sohn GbR
Godern
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Leuchten des Zwingers Fassaden
wieder im Reinen,
jubeln des Springquells Kaskaden
auf neuen Steinen.
Wehn uns Madonnengewänder
wieder entgegen,
unseres Herzbluts Bänder
auf allen Wegen.
Braust in gewaltigen Chören
drängendes Streben,
Schätze und Stimmen gehören
dem neuen Leben.
Schweben silberne Flügel
gleich einer Wolke,
Schlösser auf hohem Hügel
lächeln dem Volke.
Summen gewaltige Werke
eherne Rhythmen,
die unsrer Klasse Stärke
dienend sich widmen.
Arbeitersöhne studieren,
tiefer begreifend.
Neue Ideen triumphieren,
wachsend und reifend.
Großer Gelehrter Bemühen
mächtig entfaltet.
Unser Morgen wird blühen,
gültig gestaltet.
Zwinger, Madonnen und Chöre,
Flügel, Werke, Ideen,
dass es dem Menschen gehöre,
fand es ein Auferstehn.
Auferstehn ohnegleichen,
aus unsrer Hände Takt
wuchs es, mit allen Zeichen
unserer Freiheit beflaggt.
Vergesst die Zeit des großen Dürstens nie,
da trockner Sand die Brunnentiefen füllte,
und unsrer Träume ungestillte
Besessenheit zu stummen Himmeln schrie.
Die sich nicht öffneten, dem, der danach verlangte,
und der vergeblich seine Hände hob,
weil dunkler Gassen Trauer ihn umwob,
obwohl sein Herz um jeden Lichtstrahl bangte.
Der bittren Sinnes wahrnahm, wie die Welt
von ihm sich nicht wahrnehmen lassen wollte,
weil er im Wissenlosen leben sollte,
solang den Sklavenvögten es gefällt.
Ihm standen keine hohen Tore offen,
und die da leichten Fußes Treppen stiegen,
sie sahen seine Sehnsucht dort nicht liegen
und waren toten Blickes seinem Hoffen.
Für ihn war Leben Fron, und Fron war Leben,
und nur an manchen Tagen fiel ihm ein,
dass nichts als seine Hände Stein um Stein
für fremder Herren Hohe Schulen geben.
Dann kam der Tag des großen Rechts ins Land,
im Marschtritt weitgereister Bataillone,
da wurde aus des Landes ärmsten Sohne
sein wahrer Herr, ihm ganz nun zugewandt.
Da tat er zögernd seine ersten Schritte
ins neue Leben, voll Beklommenheit
und war doch anfangs schon Vollkommenheit
als dieses Lebens ausgewogne Mitte.
Der Stein bei Stein setzt mit exakter Fuge,
wer Brücken über breite Ströme schlägt,
wer jeden Hebekranes Hub bewegt,
das ist doch der im Leben wahrhaft Kluge.
Wenn er nun durch die hohen Tore
geht,
die weit ihm offen stehen und bereit,
so geht der taterprobte Herr der Zeit
durch seine Welt, die seinen Atem weht.
Du reichster Sohn des Landes, du Student,
dein ist der Himmel und die Tiefen dein,
das wird so lange und so sicher sein,
solang der Klasse Feuer in dir brennt.
Es hat das reiche Leben viele Quellen,
sie fließen aus den Händen, aus den Hirnen
Millionen Hingegebener zu allen Stunden.
Dort, wo auf Baugerüsten Männer stehn,
und Köpfe übers Mikroskop sich beugen,
wo Bauernkraft und Klugheit sich vereint,
wo klarer Stimmen Klang der Auditorien
vertieftes Lauschen füllt, dort fließen sie.
Sie fließen aber auch an unserm Rhein,
wo Menschen fackeltragend Wache stehen,
damit Hiroshima nicht wiederkehrt,
der Morgen nicht den Gestrigen sich beugt.
Lind weiter fließen sie, die halbe Erde
ist unsres reichen Lebens Quellgebiet.
Sie fließen aus den Puddelöfen Chinas,
aus Dubnas starken Strömen brechen sie,
in Czepel, Brünn, in Lodz und in Hanoi,
allüberall sind Wasser unsres Lebens.
Sie fließen auch aus der Vergangenheit,
aus Stalingrads erfülltem Richterspruch,
am Guadalajara sprudeln sie.
Es konnten keine Salven sie ersticken,
am Wedding nicht, nicht auf der Wahner Heide,
nicht an der Lena, nicht am Père
Lachaise.
Denn sie sind unversiegbar, seit durch Londons Nebel
hindurch ein Licht die ganze Welt erhellte.
Viel Quellen aber,
viel Quellen sind rot
vom Blut der Märtyrer
der Menschheitswende.
Was ihnen das Leben,
das liebe, bittre gebot,
sie haben’s gelebt
und erfüllt bis zum Ende.
Sie gingen von uns,
und sie blieben bei uns,
es starb nicht einer vergebens.
Es ist ihres Blutes unbändiger Quell
Quelle des neuen Lebens.
Hütet den Quell
und haltet Wacht.
Unvergängliche Wache
haltet auf Kind und Kindeskind
denen, die in der dunkelsten Nacht
treu der Fahne geblieben sind,
treu unsrer Arbeitersache.
Viel Blut ist hier geflossen
und jeder Stein getränkt,
Blut unsrer besten Genossen,
die sich uns ganz geschenkt.
Die in den dunklen Tagen
das Zaudern nicht gekannt,
der Wahrheit Wort getragen
ins künftige Vaterland.
Die Menschentum bewahrten
in dieser Welt des Knechts,
im Sterben offenbarten
die Kraft des höhern Rechts.
Die niemandem sich beugten,
Gewalt nicht und nicht List,
die noch im Tode zeugten:
Hier steht ein Kommunist.
Wo Kommunisten stehen,
sind sie der Klasse treu,
und ihre Fahnen wehen
am Morgen wieder neu.
Viel Blut ist hier geflossen,
du stehst voll Gram und weinst.
Doch siehe, unsre Genossen
sind unter uns wie einst.
Sie kamen aus Wien und Warschau,
aus Zürich, Brüssel und Prag,
aus Leipzig, Lyon und Kiew
zum bitteren Sterben vor Tag.
Doch war ihnen eine
Sprache,
die klang beim letzten Licht:
Das Sterben auf diesem Hofe,
das ist das Ende nicht.
Breiten wir unseres Blutes
Fahne über den Stein,
wird sie der ganzen Menschheit
heiliges Zeichen sein.
Sie wird der Welt verkünden:
Hier starben aus jedem Land
Menschen, die unserer Freiheit
große Idee verband.
Sie wird einmal wieder wehen,
trotz allen Sterbens vor Tag,
in Leipzig, Lyon und Warschau,
in Wien und Brüssel und Prag.
Zu dir kamen die Kinder
mit den großen Augen
und der nackten Not
im schmalen Gesicht.
Ihr empfängliches Herz
lernte von dir, unsre Sache zu lieben
und zu ahnen,
dass eben jene Not
nicht unabänderlich ist.
Zu dir kamen die Jünglinge
mit den trotzigen Augen
und dem frühreifen Wissen
um Dreck und Hunger.
Ihr empfänglicher Sinn
lernte von dir für die Sache zu kämpfen,
die Dreck und Hunger aufhebt
für alle Zeit.
Zu dir kamen die Männer
mit den steilen Falten
und dem festen Willen,
den Weg zu suchen nach vorn.
Ihr grübelnder Geist
lernte von dir, was uns Lenin gewiesen,
dass man die Hand nicht lassen darf
vom Fahnenschaft.
Drei Generationen
lernten von dir,
wie man den stolzen Namen
Kommunist im Leben erwirbt
und im Tod nicht verliert.
Drei Generationen
warst du Erzieher
und wirst es noch
dreimal drei Generationen sein.