Hasso Grabner
Der Takt liegt auf dem linken Fuß
Gedichte
ISBN 978-3-96521-308-1 (E-Book)
Umschlaggestaltung: Ernst Franta
Das Buch erschien 1958 im Aufbau-Verlag Berlin
2020 EDITION digital
Pekrul & Sohn GbR
Godern
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Pinnow
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Dem 40. Jahrestag der Gründung der KPD gewidmet
Ihr könnt den Gleichschritt nicht mehr stören
und wenn ihr, selbst mit allem Bleche,
das Töne gibt, verwirrend Spiel beginnt,
erschreckt erkennend, was jetzt euer Los ist.
Es wird am Ende niemand auf euch hören,
weil voller Zorn der Letzte sich besinnt,
wie eure Zeche
ungeheuer groß ist.
Die wird jetzt auf den Pfennig präsentiert
Und wo ein Morgen ist,
da ist er uns zum Gruß,
uns, deren Zeichen schon
der Himmel hisst
und nicht dem Pentagon
und seinem Pakt.
Und wenn marschiert wird,
wird bei uns marschiert.
Der Takt, der Takt
liegt auf dem linken Fuß.
Die dieses Werk getan
mit Herz und harter Hand
in jener großen Nacht
im Smolny-Saal,
sie zündeten
der Freiheit Feuerbrand,
und leuchtend gab er
aller Welt Signal.
In ihrem ersten Wort,
da schwang die Sehnsucht mit,
die jede dunkle, schwere
Nacht erhellt.
Und Friede, Friede
pflanzte es sich fort
an Alle, Alle, Alle
in der Welt.
In ihrem zweiten Wort,
da klingt der alte Zorn
des Mannes, der gebückt
in Furchen geht,
dass ihm nicht eigen
Acker ist und Korn,
und Fremde ernten, was
sein Schweiß gesät.
In ihrem dritten Wort
pflanzt sich die Fahne auf,
die allen Kämpfen kühn
vorangeweht,
und deren Träger wussten,
dass des Weltrads Lauf
sich unaufhaltsam siegend
vorwärts dreht.
In dreier Worte
großem Donnerschlag
versank des Krieges Toben
und die Not
des armen Mannes. Und aufstand
unser Tag,
durchglüht von aller
Menschheit Morgenrot.
Wer so wie ihr
in den zu Pylonen
geformten Händen
in Schmerzen das Feuer trug,
wem so wie euch
für der Millionen
Leiden das Herz
in Zorn und Trauer schlug,
wer so wie ihr
alles, was feige verraten,
aus tiefem Schmutz
in den Morgenwind hob,
wem so wie euch
unsterblicher Taten
Gewicht
unsterblichen Lorbeer wob,
ist der Geschlechte
pulsendem Schlag
für immer verbündet
als große Gerechte,
die noch der fernste Tag
verneigend verkündet:
Karl und Rosa
Millionen
haben sie Jahr für Jahr
in den Mai getragen.
Generationen
wachten, dass sie nicht welke.
Trotzig funkelte sie in schlechten Tagen,
leuchtend erstrahlte sie in guten Tagen,
immer aber blühte sie wunderbar,
die rote Nelke.
Millionen
haben sie Jahr für Jahr
in den Mai getragen,
junge Bekenner
an riemengesicherter Mütze,
eisgraue Männer
am zerbeulten Revers
des Arbeitslosenjacketts,
Frauen mit kühnen
Augen, nicht fürchtend die Spitze
des Bajonetts
am Gewehr
der Grünen.
Einige
gab es im Lande,
die holten sie Jahr für Jahr,
als Dreck
und Schande
mit dem Maientag war.
aus tiefem Versteck
für Minuten ans Licht.
Dann trugen sie ihre Farben
in dem von Kummer und Darben
gezeichneten Gesicht.
Die russischen Brüder
erschlugen
den braunen Tod.
Nun trugen
Millionen wieder
ihr helles Rot
aus tiefer Nacht
in das Maienlicht
und geben acht,
dass sie nicht
noch einmal welke,
trotzige, liebliche,
heimliche, flammende
Nelke.
Monokelverklemmte Fressen
feiern
blutdurstgestillt
den Sieg der Übermacht
der Granaten
über den Frühling der Mietskasernen,
indessen
unter sinkenden Sternen
tiefe Nacht
der Räterepublik Bayern
Arbeiter und Soldaten
umhüllt.
Die rote Armbinden trugen,
liegen, jenseits von Wohl und Weh,
in den Kehrichträumen
des Ostfriedhofes zusammengedrückt
zwischen Gartengerät und Abfalltonne,
für immer vereint.
Sie sind nun eingerückt
zu Karl Liebknechts Armee
und träumen
vom Tag, für den ihre Herzen schlugen,
da Freiheit, aller Sonnen Sonne,
für immer scheint.
Einer aber ist nicht
zu diesem letzten Appell erschienen,
einer, der in jeder Gefahr,
gegen alle Gewalten
bei ihnen,
mit ihnen war
eh und je.
Ihn ruft noch eine Pflicht,
in Ketten den Henkern Gerichtstag zu halten.
Eugen Leviné.
Wir sehen ihn stehen,
gegen Kruzifix, Orden, Talare
und kalte Gesichter
allein im Saal.
Er spricht nicht für die gekauften Richter
und ihren Sumpf.
Wo aber seiner Worte Fanal
über die Mauern hinaus die Massen mahnen,
da wehen
noch einmal die geschändeten Fahnen
Zeugnis für alles Wahre
und letzten Triumph.
Dem Klotz in der Staatsanwaltsrobe wird bange,
dass dieser Bekenner
letztlich Gültiges zeige
und über die Ordnung des Ostfriedhofs siege.
Er säumt nicht lange
und schmäht ihn feige,
weil er nicht als einer der Männer
dort draußen liege.
„Der Herr Staatsanwalt vergisst:
Mich trifft er nicht,
mich kann er nicht einmal streifen.
Wo meiner Ehre gutes Gewicht gesichert ist,
wird sein Wort gar nicht gewogen.
Ich habe in sechzehn Jahren
revolutionären Bestrebens
manchen Gefahren
ins Gesicht
gesehn.
Bald wird ja ihr Urteil vollzogen,
Herr Staatsanwalt! - Ich lade Sie ein,
kommen Sie mit,
um dabeizusein
und zu begreifen,
wie Kommunisten den letzten Schritt
ihres Lebens
gehn.“
Dem Herrn Oberbürgermeister
zu Händen
und zu Händen seinen dienstbaren Geistern,
dem Herrn Polizeipräsidenten
und den anderen Herren von ihrem Schlag,
was weiß ich.
Leipzig, am Welterwerbslosentag,
6. März 1931.
Wenn wir euch sagen wollten,
was ihr vergessen habt,
dass wir hungern und frieren,
wenn wir euch fragen wollten,
ob ihr für uns nichts zu essen habt
und keine Wärme unseren Elendsquartieren,
wollten wir euch unsere Schuhe zeigen,
oben zerrissen, unten Zeitungspapier
und die geflickten Hintern
unserer Hosen
und die traurigen Augen, die allen Kindern
der Arbeitslosen
eigen
sind,
da wusstet ihr wie der Wind
darauf zu sagen:
Das ist die Krise,
die niemand verschont.
Der eine verspürt sie im Magen,
der andere durch eine Erfrierung
dritten Grades
an den Zehen,
Doch so wie diese
spüren sie auch die obern Zehntausend des Staates
an der täglichen Börsennotierung
sehr,
wenn die Aktienkurse fallen,
und so macht die Krise allen
das Leben schwer.
Ihr gabt euch erstaunt,
dass solcher Reden
freundliches Öl der knurrenden
Magen Hunger nicht stillt,
die arbeitslosen Proleten
nicht besser launt,
sondern mit murrendem
Zorn erfüllt.
Da wart ihr um eine zweite
Antwort nicht verlegen,
die stand euch viel besser
zu Gesicht.
Sie hatte schon immer als letztlich bereite
in den Händen eurer Uniformierten gelegen,
für unnützer Esser
Hunger probates Gericht.
Scharfes Kommando ertönt.
Peitsche und Bajonette,
Gummiknüppel und Blei
machen die Straße frei
und das Pflaster rot,
wo der Hungrigen Schrei
„Arbeit und Brot“
wütend dröhnt.
Blut ist geflossen.
Vier Augenpaare
starren nun leer
in dieses Märztages
fahles Gesicht.
Vier Menschen spüren für alle Zeit
ihres Herzschlages
steten Genossen,
den Hunger, nicht
und die Kälte nicht mehr
und sind so auf wunderbare,
auf eure Weise befreit.
Das mit Verlaub.
Um die Antwort braucht ihr euch nicht zu bemühn.
Worauf ihr auch bautet,
was ihr auch schwört,
wir werden euch einst zur Verantwortung ziehn.
Unsere Anklage lautet:
Vorsätzlicher Mord nach vollendetem Raub
und wird erhört.