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© 2021 L. R. Cerna y March

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7534-5009-4

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Bruno Ehmer

Beerkamp war ein ziemlich gottverlassenes Dorf, das aber aus unerfindlichen Gründen schon seit 1320 Stadtrechte besaß und mitten in einer Hügellandschaft des Odenwalds auf etwa 450 Meter Höhe lag. Gisela holte Balthild auf dem Weg zum Realgymnasium in der Turmstraße routinemäßig ab und beide konkretisierten an einem sonnigen Frühlingsmorgen des Jahres 1988 ihre Pläne für die Zeit nach der Schule

- »Bleibt es dabei, dass wir uns als Arzthelferinnen ausbilden lassen?« fragte Gisela nach der Begrüßung und überreichte Balthild einen Apfel, während sie an ihrem Apfel genüsslich knabberte

- »Ja! es bleibt dabei. Meine Eltern sind damit einverstanden« sagte Balthild, nahm den Apfel und biss laut in ihm

- »Meine Eltern auch. Meine Erkundigungen haben folgendes ergeben: Für die Ausbildung als Arzthelferin müssen wir eine 2-jährige praktische Lehrzeit mit begleitendem Besuch einer Berufsschule absolvieren, damit wir zur Prüfung vor der Ärztekammer zugelassen werden« dozierte Gisela, während sie sich intermittierend dem Apfel zuwandte

-»Meine Erkundigungen haben das Gleiche ergeben… wir müssten nun entscheiden, ob wir nach Micheldorf oder ins Ausland nach Eberfluss gehen wollen« ergänzte Balthild, warf den übrig gebliebenen Apfelkern in den nächsten Mülleimer und leckte sich die Finger sauber

- »Micheldorf ist billiger und hat eine bessere Anbindung für uns« sagte Gisela und tat es ihr nach

- »Das Diplom aus Hessen oder Baden-Württemberg ist gleichwertig und wird auch im ganzen Bundesgebiet anerkannt« sagte Balthild und winkte den anderen Mitschülern, die aus allen Richtungen in den Haupteingang der Schule hineinströmten

- »Also, auf nach Micheldorf« beschloss Gisela, während sie sich im Klassenzimmer bequem machten und das Mathebuch für die erste Stunde aus ihren Ranzen gelangweilt herausholten

- »Wir können uns ein möbliertes Zimmer nehmen und am Wochenende nach Hause fahren« träumte Balthild laut

- »Genau das schwebte mir vor« pflichtete Gisela ihr bei, bevor die Stunde begann.

Die zwei Mädchen beendeten erfolgreich die Schule und fanden einen Ausbildungsplatz im begehrten Micheldorf. Die Suche nach einem passenden möblierten Doppelzimmer war auch erfolgreich und sie verbrachten dort eine schöne Zeit, die ihre Bindungen stärkte.

Nach dem Erwerb des Diploms trennten sich ihre Wege für eine Weile, aber sie hielten telefonisch und schriftlich den engen Kontakt zueinander aufrecht. Von Zeit zu Zeit trafen sie sich auch persönlich. Gisela fand eine Stelle in Micheldorf, wo sie blieb, bis sie Gustav Lehr, einen Tatzenheimer, kennen lernte, der dort an einem Fortbildungskurs seiner Firma teilnahm und den sie 1994 heiratete und zu dem sie dorthin zog

- »Servus Balthild, ich habe Neuigkeiten, Gustav hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden möchte und ich glaube ich werde ihn heiraten« sagte Gisela am Telefon mit der hastigen Stimme eines erfolgreichen Jägers ohne das geringste schlechte Gewissen

- »Schön, ich freue mich für dich!« fügte Balthild hoch erfreut hinzu, während sie zu ihrem Entsetzen Schweißflecken auf ihrer neuen Bluse entdeckte, die sie gleich auszog und in die Waschmaschine zur bereit stehenden Feinwäscheladung steckte

- »Ich möchte gerne, dass du meine Trauzeugin wirst« ergänzte Gisela, die sich über die Nebengeräusche wunderte

- »Ehrensache, sage mir wann, damit ich entsprechend disponieren kann« antwortete Balthild, während sie mit dem Hörer jonglierte und ein Shirt aus dem Schrank holte

- »Wahrscheinlich im Februar 1994, aber ich gebe dir noch rechtzeitig Bescheid… was sind das für Nebengeräusche?«

- »Nichts… ich habe nur meine verschwitzte Bluse ausgezogen und ein frisches Shirt aus dem Schrank geholt und angezogen… und wo möchtet ihr heiraten?« sagte Balthild, die stolz auf ihre Leistung zurückblickte

- »Wohl in Tatzenheim, wo ich hinziehen werde, wenn alles geregelt ist« sagte Gisela, während sie versuchte, sich Balthilds Verrenkungen bei der Prozedur vorzustellen

- »Habt ihr schon eine Wohnung in Aussicht?« wollte Balthild wissen, als sie sich Wasser in ihren Humpen einschenkte

- »Gustav hat zwar eine Wohnung, aber er versucht, von seiner Firma eine geräumigere Dienstwohnung zu einem vernünftigen Preis zu kriegen« erwiderte Gisela, während Balthild einen lauten Schluck Wasser aus besagtem Humpen zu sich nahm und einen unüberhörbaren Seufzer der Zufriedenheit von sich gab

- »Schön. Ich meinerseits habe mich im Eberfluss einigermaßen eingelebt, mache beim Gemeindechor mit und habe eine neue Stelle bei einem angenehmen Internisten, Dr. Diehlmann, bei dem das Leben nicht so stressig ist, wie bei meiner ersten Stelle hier… du weißt, bei dem chaotischen Allgemeinmediziner, Dr. Albrecht« sagte sie und hörte, wie Gisela am anderen Ende der Leitung eine Sprudelflasche mit viel Zischen öffnete

- »Ja, ich weiß noch, wie du mir die Ohren voll gejammert hast und wie er euch alle auf Trab hielt« fasste Gisela Balthilds Abeitserlebnis mit Dr. Albrecht zusammen

- »Nicht für Ungut. Jetzt habe ich Ruhe und werde das Leben langsam angehen« gab Balthild unumwunden und herausfordernd zu, um ihre Gefühlswelt in der falschen Offenheit sorgfältig zu verstecken

- »Wie waren deine Exerzitien für Berufstätigen letzte Woche?« wechselte Gisela geschickt das Thema, denn sie wusste, dass Balthild sich seit Tagen auf diese Auszeit vom 30. August bis 3. September gefreut hatte

- »Es war eine gepflegte Betrachtung der religiösen Wahrheiten in der befristeten Einsamkeit der kirchlichen Räume mitten in der Stadt. Es waren Kurzexerzitien in der Gruppe, die es einem ermöglichen Gebets- und Übungsweisen kennen zu lernen. Der Austausch in der Gruppe war beabsichtigt und die Sitzungen endeten jedes Mal mit einer Eucharistiefeier. Die Exerzitien fanden an fünf aufeinander folgenden Tagen, Montag bis Freitag, von 18 bis 20 Uhr mit anschließendem Gedankenaustausch im Gemeindehaus bis 22 Uhr statt« sagte Balthild in dem Bewusstsein, dass Gisela mit ihrer Frage auch daran gedacht hatte, dass die Exerzitien kirchenrechtlich vorgeschriebene Meditationsübungen bei bestimmten Gelegenheiten und in bestimmten Abständen für Geistliche und Laien sind, die den Teilnehmern Möglichkeiten eröffnet, neue Kontakte zu knüpfen

- »Also, konntest du dein eigenes religiöses Leben fördern« fasste sie Balthilds Geschwafel diplomatisch zusammen, damit sie mehr aus ihrem unbedenklichen und sentimentalen Tagebuch erzählte, das zu ihrem derzeit etwas überspannten Naturell passte

- »Nicht nur das, ich konnte auch ein bisschen Buße tun und habe neue und nette Bekanntschaften gemacht« verriet sie kryptisch, als ginge es darin um das Schicksal der gesamten Menschheit und gönnte sich einen weiteren Schluck Wasser aus ihrem Stammhumpen

- »Hmm, ist da was im Busch?« fragte Gisela neugierig und nahm sich eine Dattel aus einer halboffenen Schachtel auf dem Tisch

- »Es ist noch zu früh, ich warte in Ruhe ab und lasse die Sachen sich von alleine entwickeln« sagte Balthild in Gedanken und sie verabschiedeten sich.

Die Auszeit hatte Balthild eigenartige Momente und viel Abwechselung gebracht. Der Exerzitienleiter, ein erfahrener Mönch aus dem Kloster Altburg, hatte schon bei der ersten Sitzung alle 6 Minuten abwechselnde Paarbildungen beim Gebet vorgeschlagen und dies war eine sehr gute Idee, um den Umgang unter den Teilnehmern zu lockern. So hatte Balthild gleich am ersten Abend Gelegenheit gehabt, 10 verschiedene Gebetspartner auszuprobieren, fünf Männer und fünf Frauen.

Das erste Gebet mit Heiko Rack hatte bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen, gerade weil ihr die Führung zufiel

- »Sage, dass du Buße tun möchtest und bitte darum, dass ich dir dabei helfe« las Balthild aus dem Handzettel mit der einen Hälfte der Teilnehmern inbrünstig vor, rückte dabei in der Reihe eine Position weiter, bis sie eine günstige Position vis-à-vis dem nächsten Partner einnahm

- »Confiteor… Confiteor… Confiteor…« sagte Heiko Rack im demütigen Dialog mit seiner nächsten Partnerin, Balthild Tuchert, die beim bloßen Anblick Blut und Saft im seinem Körper in kochenden Strömen fließen ließ

- »Miseratur tui… Miseratur tui… Miseratur tui…« antwortete Balthild jeweils und sie schlugen sich dabei jedes Mal dreimal auf der Brust

- »Indulgentiam« schreien alle Teilnehmer nach jedem Schlag leise und mit vor Reue verzerrtem Gesicht und wünschte sich dabei alle Leiden dieser Welt fort, fort und fort, für immer fort

- »Absolve Domine« sagte anschließend der Exerzitienleiter und sie gaben sich noch einmal drei Schläge an besagter Stelle, die bei allen etwas rot angelaufen war, und die eine mollige Wärme ausstrahlte

- »Mein Gott, mein Herz brennt wie Feuer« dachte Balthild und vermied den direkten Blickkontakt mit Heiko Rack und war froh, dass wieder Partnerwechsel angesagt war. Nach zwei weiteren Partnerwechseln befassten sie sich mit Bibeltexten und der üblichen Gewissenserforschung in der Stille.

Nach der Sitzung gingen sie alle ins Gemeindehaus, wo sie sich bequem machten, ihre mitgebrachte Brote aßen und sich fleißig austauschten. Es war eine homogene und diskussionsfreudige, manchmal sogar diskussionswütige Gruppe und um 22 Uhr gingen die Teilnehmer planmäßig nach Hause.

Am Dienstag befassten sie sich nach der abwechselnden Paarbildung beim Gebet mit dem Thema Sünde, was in dem abschließenden Gedankenaustausch im Gemeindehaus für lebhafte Diskussionen aus verschiedenen Standpunkten sorgte, denn es gab mindestens so viele Meinungen wie Teilnehmer plus eins.

Am Mittwoch kamen nach der abwechselnden Paarbildung beim Gebet wieder Bibeltexte dran und am anschließenden Beisammensein unterhielt sich Balthild zum ersten Mal ausgiebig mit Heiko, als sie mehr als zufällig Platz nebeneinander nahmen

- »Ich bin die Balthild und Sie sind?« sprach Balthild Heiko direkt an, nachdem sie sich auf dem Stuhl bequem gemacht hatte und aus ihrer Tasche ihren Proviant herausholte

- »Ich heiße Heiko und freue mich Ihre Bekanntschaft zu machen« sagte Heiko und holte seinerseits seine belegte Brote aus einer etwas in die Jahre gekommene Aktentasche

- »Ich habe Sie hier in der Kirche noch nie gesehen« sagte Balthild und biss mit Appetit in ihr Brot, dem sie in jenem Moment ihre volle Aufmerksamkeit schenkte

- »Ich komme von auswärts extra zu den Exerzitien« gab Heiko zu Protokoll und bemühte sich dabei einfach natürlich und lässig beim Verzehr seines Brotes zu wirken

- »Von auswärts…?« hakte Balthild nach, ohne zu selbstbewusst und neugierig wirken zu wollen, sie wollte ihm einfach wissen lassen, dass sie sich in der Gruppe wohl fühlte

- »Ich komme aus Tatzenheim und habe mir diese Woche Urlaub genommen, weil ich an den Exerzitien teilnehmen wollte und dies war der nächste Ort und der günstigste Termin für mich, wie ich in meiner Pfarrei erfahren hatte« erklärte Heiko, wie er auf die Ortschaft Eberfluss gekommen war, die eigentlich etwas abseits von seinem Wohnort lag

- »Und so sind Sie in Eberfluss gelandet…« resümierte Balthild und dachte sich beim gründlichen Kauen ihren Teil und nahm sich anschließend viel Zeit, bis sie ihre Trinkflasche aus der Tasche herausholte und einen Schluck trank

- »Ganz genau. Sie wohnen also hier…« setzte Heiko vorsichtig an und nahm zur Kenntnis, dass sie nicht viel mit Make-up anfangen konnte oder wollte, ein bisschen hatte sie doch verwendet, aber nicht zu viel, genau richtig…

- »Richtig, ich wohne und arbeite hier« sagte Balthild und war froh, dass sie sich während der Exerzitien vorgenommen hatte, sich nicht viel Make-up ins Gesicht zu klatschen

- »Und ich wohne und arbeite in Tatzenheim« sagte Heiko und dachte, dass sie vornehm reserviert wirkte, auch mit ihren Haaren, Nägeln und Kleidung, sie ergab für ihn ein einstimmiges Bild

- »Fahren Sie direkt nach den Exerzitien zurück nach Hause?« fragte Balthild beiläufig, bevor sie sich ganz konzentriert mit ihrem Brot weiter beschäftigte

- »Nein, ich bleibe bis Sonntagnachmittag hier und erkunde weiter die Stadt… zusammen mit den anderen auswärtigen Teilnehmern, die mich schon dazu eingeladen haben« sagte Heiko und war angetan von der Tatsache, dass Balthild offensichtlich wert auf ihr Aussehen legte und dass sie sich um sich selbst kümmerte, ohne sich selbst untreu zu bleiben

- »Schön für Sie und Ihre Gruppe, denn es ist fürs Wochenende trockenes Wetter vorhergesagt worden. Ich meinerseits muss am Samstagvormittag dringend meine Wocheneinkäufe erledigen, denn durch die Exerzitien wurde meine Einkaufsroutine etwas durcheinander gebracht und in meiner Küche ist ziemlich Ebbe« überlegte Balthild laut, nachdem sie einen Schluck aus ihrer Schorleflasche genommen und sich die Lippen mit einen Papiertaschentuch abgetupft hatte

- »Nach unserem Stadtbummel werden wir im Kurhaus einkehren und weitere heimische Teilnehmer treffen…« mischte sich Bruno charmant in das Gespräch ein, der links von Balthild saß und offensichtlich alles mitgekriegt hatte

- »Die wohl mit den Einkäufen fertig sind« unterstrich Balthild mit einem Wohlfühl-Lächeln nach links zu Bruno und nach rechts zu Heiko

- »Ganz recht, wir würden uns alle freuen, Sie dort zu treffen, falls Sie nichts besseres vorhaben…« sagte Bruno und Heiko im Chor und prosteten ihr mit seinen Flaschen zu

- »Ich überlege es mir mal, aber vorab vielen Dank für die Einladung« sagte Balthild und nach einem anregenden Gespräch in der Runde verabschiedeten sich die Teilnehmer planmäßig

Am Donnerstag war nach der abwechselnden Paarbildung beim Gebet das Thema die Auferstehung, was in dem abschließenden Gedankenaustausch im Gemeindehaus die üblichen lebhaften Diskussionen auslöste. Alle Teilnehmer waren dabei sehr engagiert und es gab keine ruhige Ecke, wo man sich dem Trubel hätten entziehen können.

Am Freitag wurde nach der abwechselnden Paarbildung beim Gebet die Schöpfung behandelt, was in dem abschließenden Gedankenaustausch im Gemeindehaus für lebhafte Diskussionen aus verschiedenen Standpunkten sorgte. Diesmal war Heiko besser vorbereitet und fand eine Möglichkeit, sich mit Balthild im Gang zu unterhalten, während sich die anderen im Saal die Köpfe heiß redeten

- »Mein Gott, waren wir gestern streitsüchtig« sagte Balthild, als sie auf dem Weg von der Toilette zum Saal Heiko traf, der sie gut abgepasst hatte

- »Es hat aber unheimlich viel Spaß gemacht« ergänzte Heiko, der ihr sofort nachgeeilt war und die ganze Zeit im Gang auf sie gewartet hatte und so tat, als sei er gerade aus dem Saal gekommen

- »Ja, in der Tat… wann treffen wir uns morgen im Kurhaus? fragte Balthild und rückte ihr Kleid diskret zurecht, während Heiko mit gestohlenem Blick ihre vom Kleid geschmeichelte Figur bewunderte

- »Ab 17 Uhr wurde mir gesagt« sagte Heiko geschäftsmäßig und bemühte sich, seine Erregung zu verbergen

- »Also, dann bis morgen« sagte Balthild und verschwand in den Saal, während Heiko zur Toilette ging, wo er sich lange die Hände wusch, da er nur für das kurze Gespräch ihr nachgegangen war.

Danach wurde wie üblich weiter lebhaft über die 7 Tage der Schöpfung diskutiert, die wohl keine Tage von 24 Stunden waren, bis es 22 Uhr wurde und alle Teilnehmer nach Hause gingen.

Nach den Einkäufen und dem Mittagessen am folgenden Tag verbrachte Balthild viel Zeit, damit, eine passende Garderobe auszusuchen, bis sie etwas fand, was ihr schmeichelte und sie süß aussehen ließ und worin sie sich wohl fühlte und in ihren Augen nicht aufdringlich wirkte. Sie entschied sich nach langem Ringen für ihr grünes Kleid, das sie vor drei Wochen als Sonderangebot bei Jedermann ergattert hatte, und eine leichte Übergangsjacke, da dieser Tag im September sonnig, warm und trocken war. Um 16:45 verließ sie ihre Wohnung und entschied sich für den längeren Weg über die Altstadt, wo viele Geschäfte waren, die zum Schaufensterbummel einluden. Am Rathaus entschied sie sich, den Weg durch die Unterführung zu nehmen, die direkt von den Parkplätzen zum Kurhaus führte, wo sie um 17:05 Uhr ankam. Der Weg zum Restaurant führte im Erdgeschoss rechts von der zur Zeit geschlossenen Multifunktionshalle über eine großzügig angelegte Empfangshalle zum Eingang des Restaurants und einen breiten Korridor mit Garderobe an der Küche und Theke vorbei zum großen Saal und Terrasse, die auch über einen direkten Zugang durch die Parkanlage verfügte und zur Zeit von Wespen unsicher gemacht wurde. Auf der Terrasse wurde wespenbedingt kein Essen serviert und die Getränke würden nur mit Bierdeckeln zugedeckt zu Tisch getragen. Die Terrasse war deshalb nur von hartgesottenen Sonnenanbetern bevölkert. Die Gruppe hatte schon im Jägerzimmer Platz genommen und war nicht zu überhören. Die Wände des Jägerzimmers waren naturgemäß mit unzähligen Jagdtrophäen mit der zugehörigen Patina bis unter die Decke dekoriert. Balthild drehte brav ihre Ehrenrunde, begrüßte alle Teilnehmer und nahm sich die Zeit, mit jedem ein kurzes Gespräch zu führen, bevor sie zwischen Bruno und Heiko Platz nahm, die ihr schon anfangs gedeutet hatten, dass sie für sie einen Platz reserviert hatten

- »Ein schönes Kleid haben Sie an« sagte Bruno mit einem gewissen lasziven Blick in den Augen, den er sofort verbarg, was Balthild dazu veranlasste, sich um die eigene Achse naiv zu drehen, bevor sie elegant Platz nahm und sich nach Bruno und Heiko mit übertriebener Höflichkeit aus vergangenen Jahrhunderten vorbeugte und dabei eine angenehme und gut riechende Fahne aus ihrem Körper und Haar herausströmte, die Brunos und Heikos olfaktorische Wahrnehmungen anregte

- »Von einer frischen grünen Farbe, die Ihnen ausgezeichnet steht« pflichtete Heiko bei und überlegte fieberhaft, wie er Bruno aus dem Rennen um Balthilds Gunst ausbooten könnte

- »Genug Süßholz geraspelt, ich finde Sie beide sympathisch, aber wir kennen uns noch zu wenig. Ich heiße Balthild Tuchert, bin Arzthelferin und wohne und arbeite hier im Eberfluss« sagte Balthild und hoffte endlich mehr von den beiden Kandidaten in Erfahrung zu bringen

- »Ich heiße Heiko Rack, wohne und arbeite im Tatzenheim als Verwaltungsangestellter beim Gericht und hoffe, demnächst verbeamtet zu werden« gab Heiko einen kurzen Steckbrief seiner Person, der von Bruno und Balthild genau und sofort aus unterschiedlichen Blickwinkeln zur Kenntnis genommen wurde

- »Und ich heiße Bruno Ehmer, wohne und arbeite im Lusthafen als Berufsfahrer bei einer großen Firma« gab Bruno einfach natürlich und lässig zu Protokoll.

Bei diesem Treffen lachten sie viel, sahen glücklich aus und versprühten positive Energie. Das ließ Balthild offen wirken und es fiel Bruno und Heiko leicht sie abwechselnd anzusprechen. Die Konversation war flüssig und jeder erzählte aus einer vornehmen Zurückhaltung, was sie mochten oder gerne machten, so dass sie herausfinden konnten, wo gemeinsame Interessen zu finden wären. Sie vermieden aber den Eindruck zu erwecken, sie wurden sich gegenseitig aufdringlich ausfragen. Das Abendessen verlief harmonisch und als Bruno den Tisch Richtung Toilette verließ, nutzte Heiko die Gelegenheit

- »Ich fahre am Sonntagnachmittag, also am 5., zurück nach Hause… hätten Sie Lust mit mir einen Spaziergang Sonntagvormittag zu machen?«

- »Dies ist ein verlockender Vorschlag, den ich geneigt bin, anzunehmen« überlegte Balthild laut, was sie schon längst beschlossen hatte, denn sie hatte schon auf etwas in dieser Richtung gehofft

- »Dann sagen Sie einfach: Ja!« drängte Heiko sie sanft und versuchte dabei, ruhig zu wirken, was nicht einfach bei seiner inneren Erregung war

- »Ja!« war Balthilds schlichte Antwort, die leise aber unüberhörbar für Heiko war und die bei ihm ein mittleres Beben in seiner Gefühlsabteilung verursachte

- »Treffpunkt?« setzte Heiko sofort nach, der von Balthild fasziniert war und sich bei Kräften bemühte, dies nicht offen zu zeigen

- »Hier vor dem Kurhaus um 10 Uhr« schlug Balthild vor, während sie sich die Haare mit einer lässigen Handbewegung in Ordnung brachte

- »Einverstanden« sagte Heiko und sie wechselten schnell das Thema, denn sie wollten nicht von Bruno in konspirativer Zwietracht erwischt zu werden, wenn er von der Toilette zurückkam. So erzählten sie sich harmlose Witze, bis Bruno zurückkam. Etwas später war Balthild an der Reihe und die zwei Männer wechselten harmlose Höfflichkeiten, bis sie zurückkam. Heiko bestellte ein zweites Bier und Bruno erneut eine große Apfelsaftschorle. Dann verschwand Heiko und Bruno nutzte seinerseits die Gelegenheit für einen Vorstoß

- »Ich muss heute noch nach Lusthafen zurück, denn ich habe morgen früh ab 5 Uhr Bereitschaftsdienst«

- »Sie armer!« sagte Balthild und ihre Augen glänzten ein bisschen, fast unmerklich, voller positiver Energie, was Bruno leichter machte, sein Anliegen sachgerecht vorzutragen

- »Danke für das Mitgefühl… ich würde mich aber glücklich schätzen, wenn Sie mit mir nächstes Wochenende, am 11. und 12. September, etwas unternehmen würden« sagte Bruno ganz mutig

- »Kein Bereitschaftsdienst?« fragte Balthild lässig, in der Absicht ihn zu ermuntern, in seinem Vorhaben nicht locker zu lassen

- »Ganz recht! Dieser Sonntag ließ es sich nicht vermeiden, da wir zur Zeit krankheitsbedingt eine knappe Personaldecke in der Abteilung haben, dafür habe ich das nächste Wochenende frei« erläuterte Bruno die Situation in seiner Firma und schaute sie verstohlen an

- »Samstagnachmittag würde ich vorschlagen« wagte Balthild in direkter Zurückhaltung zu formulieren, bevor sie einen Schluck Wasser zu sich nahm

- »Einverstanden! für alle Fälle haben Sie hier meine Telefonnummer« sagte Bruno und übergab ihr eine seiner Visitenkarten mit seiner privaten Nummer auf der Rückseite, die er mit einer beiläufigen Bewegung aus seiner rechten Rocktasche herausholte

- »Und ich gebe Ihnen für Notfälle die Nummer von meiner Arbeitsstelle« sagte Balthild, nachdem sie geschwind seine Visitenkarte in ihre Handtaschen einsteckte und ihm eine Visitenkarte der Praxis übergab

- »Uhrzeit und Treffpunkt?« fragte Bruno, während er ihre Visitenkarte in seine Tasche verschwinden ließ, dabei stellte er zu seiner Zufriedenheit fest, dass Heiko erst dann am anderen Ende des Saals zu sehen war

- »15 Uhr hier vor dem Kurhaus« sagte Balthild, die seinem Blick verfogte und Heiko aus der Ferne kommen sah

- »Ausgezeichnet, jetzt muss ich mich von der Gruppe verabschieden« sagte Bruno, als Heiko wieder zurückkam und Brunos letzten Teilsatz mitkriegte

- »Sie wollen uns schon verlassen?« fragte Heiko scheinheilig, schüttelte ihm die Hand zum Abschied und nahm wieder Platz

-»Die Pflicht ruft« merkte Bruno kurz an

- »Er hat morgen früh ab 5 Uhr Bereitschaftsdienst« bedauerte Balthild ihn aufrichtig, trank einen Schluck Wasser und tupfte sich die Lippen mit der Serviette

- »Schade! Es hat mich trotzdem gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen« floskelte Heiko mit versteckter Freude aus seinem Platz

- »Mich auch, leben Sie wohl« sagte Bruno, verabschiedete sich anschließend von der Gruppe und fuhr dann nach Lusthafen zurück. Heiko und Balthild unterhielten sich noch eine Weile mit der Gruppe und als sie ausgetrunken hatte, sagte sie

- »Ich glaube ich werde mich auch verabschieden… bis Morgen dann!« gab ihm die Hand und stand züchtig auf

- »Bis Morgen, kommen Sie gut heim« sagte Heiko und er sah voller Sehnsucht wie sie ihre Abschiedsrunde drehte, bevor sie das Lokal verließ.

Balthild konnte es noch nicht fassen, dass die Exerzitien, die eine gepflegte Betrachtung der religiösen Wahrheiten in der befristeten Einsamkeit der kirchlichen Räume mitten in der Stadt waren, ihr ganz nebenbei zwei aussichtsreiche Verehrer gebracht hatten und so levitierte sie den Weg nach Hause und hatte süße Träume. Sie hatte zwar neue Gebets- und Übungsweisweisen in der Dynamik einer Gruppe kennen gelernt, aber hierdurch auch die Möglichkeit, Bruno und Heiko näher kennen zu lernen. Es war aufregend und stimulierend zugleich. Morgen würde sie Heiko treffen und sie hatte sich vorgenommen, zurückhaltend zu sein und nicht gleich alle Karten auf den Tisch legen. Ein kleiner Flirt sollte sein Interesse und den Wunsch wecken, sie wieder zu sehen.

Am nächsten Morgen wachte Balthild schon um 7 Uhr ganz ausgeruht auf. Sie entschied sich für Milchkaffee, ein gekochtes Ei, Toast und Butter, was sie mit gesundem Appetit aß, bevor sie den Toilettengang erledigte und eine Dusche nahm. Dann hatte sie noch Zeit, die zwei Hosen zu bügeln, die sie am Vortag nicht mehr geschafft hatte und ging zeitig aus dem Haus, so dass sie Punkt 10 Uhr vor dem Kurhaus ankam, wo Heiko schon auf sie wartete

- »Guten Morgen, haben sie gut geschlafen?« begrüßte sie Heiko warmherzig, als sie sich gegenseitig die Hand reichten

- »Danke der Nachfrage, ich war müde und habe sehr gut geschlafen. Wie haben Sie geschlafen?« antwortete Balthild und schob die erwartete Gegenfrage nach, als ihre Hand wieder frei war

- »Auch sehr gut. Ich schlage vor, da wir schönes Wetter haben, dass wir auf der anderen Seite des Flusses wandern und unterwegs einkehren. Ich habe Zeit bis 17 Uhr« wollte Heiko ihr mit seinen Ortskenntnissen imponieren

- »Gute Idee, dieser Vorschlag ist aber nicht auf ihrem eigenen Mist gewachsen oder?« fragte Balthild, denn sie wusste, dass Heiko zum ersten Mal im Eberfluss war

- »Gut kombiniert… ich habe meine Wirtin in der Pension gefragt und sie hat diese Tour vorgeschlagen« antwortete Heiko, als sie sich auf den Weg Richtung Brücke machten

- »Wir können Wanderweg 4 nehmen und oben auf dem Berg im Talblick einkehren« schlug Balthild spontan vor, kurz bevor sie die Brücke über einen Treppenweg erreichten

- »Wie lange brauchen wir bis dahin?« fragte Heiko und öffnete dabei den Reißverschluss seiner Jacke etwa 10 cm

- »Für den Weg dahin brauchen wir etwas mehr als eine Stunde, wenn wir gemächlich laufen« erklärte Balthild und blieb am Aussichtspunkt der Brücke stehen und genoss dabei die schöne Rundumsicht

- »Einverstanden« ergänzte Heiko und machte es ihr nach.

Sie setzen ihren weg automatisch fort und nach der Brücke folgten sie der Beschilderung zunächst durch die am Südhang des Rebbergs gelegenen Parzellen bis Ende der ersten Anhöhe, wo ein kleiner Wald anfing. Dann kam eine Lichtung mit zum Verweilen einladenden Sitzbänken mit einem schönen Ausblick übers Tal, wo sie eine ganze Weile blieben und sich kurzweilig über dies und jenes unterhielten, bis sie auf die Uhr schaute

- »Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Es ist schon 20 vor zwölf. Es ist besser wir setzen die Tour vor, damit wir nicht zu spät zum Talblick kommen und noch einen angenehmen Platz kriegen« sagte Balthild und sie liefen weiter, bis sie das Lokal noch vor 12 Uhr erreichten.

Sie haben einen Fenstertisch noch erwischt und als sie bestellten, wurde das Lokal ganz schnell voll und es gab keinen einzigen freien Platz mehr. Das Mittagessen war solide Hausmannskost für hungrige Ausflügler und der Geräuschpegel war entsprechend hoch. Sie ließen die Ruhe der Unruhe über sich ergehen und versuchten vorauszusagen, welchen frivolen Streich die anwesenden Kinder zum Verdruss ihrer geplagten Eltern als nächsten anstellen würden. Störenfriede waren Friedensstifter und umgekehrt. Hierbei gab es erste Hinweise darauf, dass Heiko eigentlich ein humorloser Mensch war, aber Balthild übersah sie. Nach einer neunzigminütiger Mittagspause verließen sie das Lokal und kehrte nach Eberfluss zurück. Sie wanderten dann zeitlos durch die Stadt, bis sie an der Kirche vorbeikamen, wo sie die Exerzitien gemacht hatten

- »Erstatten wir der Kirche einen kurzen Besuch?« fragte Heiko beiläufig, als sie um eine Ecke abbogen und die Kirche vor sich sahen

- »Warum nicht?« sagte Balthild und dachte dabei an das erste Gebet mit Heiko, das bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte, gerade weil ihr die Führung zufiel

- »Darf ich die Führung beim Gebet übernehmen?« fragte Heiko vorsichtig, als sie am Seitenaltar Platz nahmen

- »Ich überlasse ihnen die Führung gerne« sagte Balthild und beugte demütig den Kopf nach vorne, der leicht rot angelaufen war, während Heiko den Handzettel aus seiner Tasche zog

- »Sage, dass du Buße tun möchtest und bitte darum, dass ich dir dabei helfe« las Heiko aus besagtem Handzettel inbrünstig vor, während sie sich seitlich anschauten

- »Confiteor… Confiteor… Confiteor…« sagte Balthild im demütigen Dialog mit ihrem Partner, der bei bloßer Nähe Blut und Saft im seinem Körper in kochenden Strömen fließen ließ

- »Miseratur tui… Miseratur tui… Miseratur tui…« antwortete Heiko jeweils und sie schlugen sich dabei jedes Mal dreimal auf der Brust

- »Indulgentiam« schreien beide nach jedem Schlag leise und mit vor Reue verzerrtem Gesicht und wünschte sich dabei alle Liebe dieser Welt

- »Absolve Domine« sagte anschließend Heiko und sie gaben sich noch einmal drei Schläge an besagter Stelle, die bei Balthild etwas rot angelaufen war, und die die übliche mollige Wärme ausstrahlte

- »Mein Gott, mein Herz brennt wie Feuer« dachte Balthild und vermied den direkten Blickkontakt mit Heiko, während sie einkehrten

- »Sehen wir uns wieder?« fragte Heiko, als sie die Kirche nach der Einkehr mit bedächtigen Schritten verließen

- »Übernächstes Wochenende, am 18. September hätte ich Zeit« überlegte Balthild kurz, was sie schon im Voraus geplant hatte und versuchte dabei natürlich und lässig zu wirken

- »Samstag 15 Uhr wäre mir recht… wir könnten einen Spaziergang machen und anschließend zusammen zu Abend essen« schlug Heiko vor, nachdem er mit Erleichterung vernommen hatte, dass sie sich offen aus der Deckung mit ihrer umwerfenden Natürlichkeit heraus zeigte

- »Einverstanden« war Balthilds knappe Antwort, die durch ihre positive Körpersprache bei Heiko unbekannte Sehnsüchte weckte

- »Ich habe die kurze Zeit mit Ihnen genossen und freue mich auf das Wiedersehen« wagte Heiko anzumerken, als er die Autotür aufschloss und einstieg

- »Ich auch, kommen Sie gut heim… hier haben Sie für den Notfall die Nummer meiner Arbeitsstelle« verabschiedete Balthild ihn und übergab ihm die Visitenkarte der Praxis, bevor er losfuhr und sie sich auf den Weg nach Hause machte.

Ihr erstes Rendezvous mit Heiko verlief erwartungsgemäß. Er hatte keine Anstalten gemacht, sie zu bedrängen, da sie ihm keinen Anlass gegeben hatte. Sie war jetzt gespannt auf die Begegnung mit Bruno am nächsten Wochenende.

Die Woche verging ganz normal und am Donnerstag rief Bruno sie in der Praxis an. Sie bestätigte ihm den Termin für Samstag. 15 Uhr vor dem Kurhaus. Als sie sich trafen, entschieden sie, auf der Seite des Flusses zu bleiben und fuhren den Berg über eine schmale Straße mit Ausweichstellen für den Gegenverkehr und mit vielen Kurven hoch. Nach einer knappen Viertelstunde Fahrt erreichten sie eine offene Ebene und die Ortschaft Wanderlust, einen Vorort von Eberfluss mit normalbreiten Straßen und Wanderparkplätzen, wo sie das Auto abstellten. An der Wandertafel entschieden sie sich für den leichten Rundweg 4 und machten einen ausgedehnten Spaziergang, Nach 45 Minuten kamen sie zu einer Wegkreuzung und nahmen den Weg zur Ortschaft, wo sie in einer der dortigen Gaststätten nicht weit vom Parkplatz einkehrten. Sie führten lebhafte und intensive Gespräche über Gott und die Welt und die Zeit verging dabei wie im Fluge

- »Mein Gott, es ist schon 20 Uhr« sagte Balthild, als sie endlich die Uhr über der Theke wahrnahm, die mit ihrem klaren Gesicht eigentlich nicht zu übersehen war

- »Sie haben recht, wie die Zeit manchmal vergeht, ich fahre Sie zum Kurhaus zurück« sagte Bruno und winkte der Bedienung, die sofort verstand, was Bruno mit einem Kurzzeichen zu verstehen gab und die Rechnung brachte

- »Das wäre nett von Ihnen und vielen Dank fürs Essen« sagte Balthild, als Bruno die Rechnung bezahlte und sie ohne Hektik aufstanden, um das Lokal zu verlassen

- »Auf dem Rückweg können Sie sich überlegen, ob Sie morgen mit mir unsere Gespräche beim Mittagessen fortsetzen wollen« sagte Bruno, als sie im Auto saßen und abfuhren, dabei wechselten sie geschickt das Thema und bevor sie sich umsahen, hatten sie die schmale Straße mit den vielen Kurven hinter sich gelassen und waren vor dem Kurhaus angekommen

- »Gilt die Einladung für Morgen noch?« fragte Balthild, als sie die Beifahrertür aufmachte, um das Auto zu verlassen, was ihr erlaubte, nicht zu ihm zu schauen

- »Dumme Frage, natürlich!« erwiderte Bruno, der sein Glück nicht fassen konnte und dabei unbeobachtet Balthilds Hinterteil bewunderte, als sie aus dem Auto ausstieg und ihm zwangsweise den Rücken zukehrte

- »Also abgemacht, Morgen um 11 Uhr am selben Ort« sagte Balthild, die voller Genugtuung seinen Blick verspürte, bevor sie sich umdrehte und ihn lässig anschaute

- »Dann bis Morgen… gute Nacht!« sagte Bruno, der dabei vergeblich versuchte, ganz harmlos auszusehen und genauso lässig wie sie zu wirken

- »Gute Heimfahrt« sagte Balthild mit einem schalkhaften Blick in ihren Augen, als sie ihn abfahren sah, bevor sie sich auf den Weg nach Hause machte.

Die Nacht brachte beiden angenehme Träume und am nächsten Morgen dursteten beide nach dem anstehenden Wiedersehen. Es war eine zauberhafte Zwischenwelt betörender Zuneigung, die vor dem Kurhaus um 11 Uhr des folgenden Tages ihren ersten Höhepunkt erreichte, als sie sich trafen

- »Guten Morgen schöne Frau, ich hoffe Sie haben so gut wie ich geschlafen« begrüßte er sie in bester Sonntagsstimmung vor dem Kurhaus

- »Gleichfalls schöner Mann, wollen wir uns duzen?« fragte sie ohne Umschweife, elegant, liebevoll und verführerisch gleichzeitig

- »Lieb und gern, ich bin der Bruno« erwiderte er, auf einem unter seinen Füßen plötzlich auftauchenden Luftkissen der Begeisterung, das ihn in die unrealistische Welt seiner wildesten Phantasien eintauchen ließ

- »Und ich bin die Balthild« sagte sie mit der unwiderstehlichen Kraft des Ozeans in ihrer sanften Stimme, die jedes Erlebnis mit ihr noch schöner machte

- »Laufen wir durch den Park?« fragte Bruno rhetorisch, als sie schon durch die Parkanlage bis zum Springbrunnen liefen und er dabei vom perfekten Duft ihres Körpers betört und verwöhnt wurde.

In diesem Trancezustand erzählte er ihr alles über sich, dass nach dem Tode seiner Eltern sein älterer Bruder und er zusammen im geerbten Elternhaus wohnten, dass er in seinem Berufsleben sehr oft für den Vorstand seiner Firma zu allen Tageszeiten fahren musste, dass sein Freundeskreis überschaubar war und. Balthild hörte die ganze Zeit geduldig und interessiert zu. Als sie sich auf den Weg zum Kurhaus machten, hakte sie sich bei ihm ganz natürlich ein und so gingen sie ins Kurhausrestaurant hinein, wo sie bis 15 Uhr verblieben

- »Ich glaube, der Kellner möchte uns loswerden« sagte Bruno konspirativ und mit leiser Stimme zu Balthild, als er merkte , dass das Lokal sich merklich gelichtet hatte und dass der Kellner etwas unruhig um die noch besetzten Tische hin- und herging

- »Es stimmt, das Lokal macht um 15 Uhr für zwei Stunden zu. Wir können ein bisschen laufen, anschließend ins Café gehen oder lang laufen und bei mir Abendbrot haben« antwortete Balthild genauso konspirativ wie eine Frau, mit der jedes Erlebnis noch viel schöner ist

- »Wenn ich die Wahl habe, möchte ich lang laufen« wagte Bruno euphemistisch in der Gewissheit anzufügen, dass diese die von Balthild gewünschte Wahl war

- »Wusste ich doch!« lächelte Balthild ihn wohlwollend an und drückte dabei sanft seine rechte mit ihrer linken Hand.

Auf Brunos Handzeichen war der Kellner mit der Rechnung sofort zu Stelle. Bruno zahlte und sie verließen das Lokal. Sie machten einen ausgedehnten Stadtbummel und diesmal erzählte Balthild ohne Aufforderung von sich, bis die Füße sie nicht mehr tragen konnten

- »Ich brauche jetzt dringend eine Pause, damit sich meine Füße etwas erholen können« unterbrach Bruno Balthilds Redefluss, der die ganze Zeit Brunos volle Konzentration auf sich zog

- »Halte durch, wir sind fast am Ziel. Meine Hütte ist nur einen Block weiter« sagte Balthild und zeigte mit dem Finger zu einem Mehrfamilienwohnhaus etwa 120 Meter von ihnen entfernt auf der linken Straßenseite, was Bruno eine erkennbare Erleichterung brachte

- »Das rote Gebäude da vorne?« fragte Bruno zur Sicherheit und zeigte auf ein rotes Objekt, vierstöckig und mit Flachdach

- »Sehr gut kombiniert, der Kandidat hat zehn Punkte!« stichelte Balthild, zelebrierte gebührend ihre Äußerung und lachte sich dabei kaputt

- »Mensch! Bist du nicht müde?« fragte Bruno mit leidvoller Stimme und bewunderte ihre Ausdauer und positive Energie

- »Natürlich bin ich auch müde und möchte die Füße hochlegen« sagte Balthild, während sie in ihrer Handtasche wie eine Weltmeisterin wühlte, bis sie ihren Hausschlüssel fand, den sie triumphierend und mit einem verführerischen Siegeslächeln aus der Tasche hervorzauberte

- »Wenn dies eine Einladung ist, nehme ich sie dankend an« sagte Bruno vieldeutig und trottelte hinter ihr her, nachdem sie die Haustür aufgeschlossen hatte

- »Zweiter Stock, ich gehe vor« sagte Balthild in den letzten Zügen und half sich damenhaft mit dem Geländer hoch und es gab eine leichte Schulterberührung im Gedränge, die keinen störte

- »Ladies first« sagte Bruno und gab ihr den Vortritt bereitwillig, da er ihre Rückansicht ungestört genießen wollte und zog sich auch am Geländer langsam und mit letzter Kraft hoch

- »Für einen müden Krieger sind deine Augen aber noch putzmunter« sagte Balthild, ohne zu ihm hinunterzuschauen, denn dafür brauchte eine Frau keine divinatorischen Fähigkeiten

- »Erwischt! Darf ich aber trotzdem deine Rückansicht weiter bewundern?« gab Bruno unumwunden zu und erwartete keine Antwort auf seine rhetorische Frage, während er ihre Rückansicht weiterhin genoss

- »Wir sind da! Tritt ein und fühle dich wie zuhause!« sagte Balthild, nachdem sie die Wohnung aufgeschlossen und er die Wohnungstür hinter sich zugemacht hatte

- »Vielen Dank, ich werde mir Mühe geben« sagte Bruno, sie legte ihre Jacken ab, zogen die Schuhe aus und Bruno wollte in Socken durch die Wohnung laufen, als Balthild befahl

- »Probiere die Filzpantoffeln meines Vaters an, wenn du Glück hast, passen sie dir« und zeigte auf die rechte untere Ecke eines Schuhschranks unter der Garderobe

- »Wenn er Schuhgröße 43 hat, passen sie mir« sagte Bruno, beugte sich vor, holte die Filzpantoffeln aus der Ecke heraus, die er kritisch beäugte und wollte sie anprobieren

- »Dein Glück, er hat tatsächlich Schuhgröße 43« sagte Balthild, glücklich, dass sie mit ihrer Vermutung in Sachen Schuhgröße richtig gelegen hatte

- »Die passen wie angegossen, danke!« klärte Bruno sie dankbar auf, behielt die weichen und mollig warmen Pantoffeln an und folgte ihr durch den Flur ins Wohnzimmer, wo sie Platz auf zwei 08/15 Sesseln nahmen. Ein Couchtisch stand dazwischen, sie nahm sich zwei Kissen aus dem Sofa mit einer lässigen Stretchbewegung und warf ihm zwei weitere Kissen zu, die sie auf dem Tisch strategisch günstig legten, bevor sie die Füße darauf taten und in erholsamer Stille beharrten

- »Tee oder Kaffee?« fragte Balthild nach langen Minuten der Erholung in der raumfüllenden Stille des Wohnzimmers

- »Tee wäre mir sehr recht« sagte Bruno und nahm an, dass die Küche sich direkt neben dem hinteren Teil des Wohnzimmers, dem Wohnungseingang gegenüber, befand

- »Mir auch… jetzt muss ich nur noch aufstehen und in die Küche gehen« klagte Balthild, ließ sich von Bruno sanft hochziehen und eilte in die Küche, bevor Bruno auf dumme Gedanken kommen konnte

- »Ich gehe mit und helfe dir« sagte Bruno, eilte ihr nach und fand seine Annahme bezüglich Lage der Küche bestätigt

- »Lieb von dir« sagte Balthild, füllte den Wasserkocher auf, schaltete ihn an, holte eine Glaskanne, Tee und einen Teebeutel aus einem Schrank heraus und zeigte auf einen anderen Schrank in Brunos Nähe, während sie den Tee mit einem entsprechenden Messlöffel in den Beutel einfüllte