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Arnold Stiglmair

Haggai
Sacharja
Maleachi

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© Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart 2020
Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Rund ums Buch – Rudi Kern, Kirchheim/Teck
Gestaltung: SatzWeise, Bad Wünnenberg
Druck: finidr s.r.o., Český Těšín

Deckerstraße 39, 70372 Stuttgart

ISBN 978-3-460-07261-9
eISBN 978-3-460-51084-5

Vorwort

Die Prophetenschriften Haggai, Sacharja und Maleachi, die das Zwöfprophetenbuch und zugleich auch das Erste (Alte) Testament in der Version des Kanons der römisch-katholischen Kirche abschließen aber im Leseplan für die Sonntagsliturgie kaum berücksichtigt werden, gehören in die Spätphase der Prophetie des Alten Israel. Diese genoss lange Zeit in den Auslegungsbemühungen kein großes Ansehen, sodass diese Schriften eher stiefmütterlich behandelt wurden. Die Einstellung hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren grundlegend geändert aufgrund der Einsicht, dass ein Großteil der Schriften Israels erst in der zweiten Hälfte des 1. Jt. v. Chr. die uns vorliegende Gestalt angenommen hat. So sind in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe größerer und kleinerer Kommentare und eine Vielzahl beachtlicher Monographien zu den in diesem Bändchen der Reihe »Neuen Stuttgarter Kommentar – Altes Testament« behandelten Prophetenschriften erschienen. Das Zwölfprophetenbuch als solches hat in den vergangenen Jahrzehnten neue und verdiente Aufmerksamkeit der Bibelforschung erfahren.

Die vorliegende Auslegung verdankt sich den neuen großen Kommentaren und auch den Studien, die zu größeren und auch kleineren Abschnitten von Hagggai, Sacharja und Maleachi erschienen sind. Auf sie wird mit Dank durch die Namensnennung der Autorinnen und Autoren im Textverlauf verwiesen, da die Reihe keinen wissenschaftlichen Apparat aufweist. Es tut mir sehr leid, dass der große Kommentar von R. Lux zu Sach 1–8, der im laufenden Jahr erschienen ist, nur mehr sehr oberflächlich zu Rate gezogen werden konnte.

Die Prophetenschriften Haggai, Sacharja und Maleachi dokumentieren, wie prophetische Kreise in der sehr schwierigen Phase der Selbstfindung der JHWH-Gemeinde von Jerusalem aus der Perspektive ihres Gottesglaubens um die Zukunft dieser Gemeinschaft gerungen haben. Vielleicht verdienen sie gerade deshalb in der gegenwärtigen Lebensphase der christlichen Kirchen neue Aufmerksamkeit!

Brixen, November 2019

Arnold Stiglmair

Inhalt

Das Buch Haggai

I. Teil: Einleitung

1.Das Buch Haggai

2.Sprachliche Formen

3.Die Haggai-Schrift im Zwölfprophetenbuch

4.Die Entstehungsgeschichte des Buches Haggai

5.Der Prophet Haggai

II. Teil: Auslegung des Buches Haggai

1.Hag 1,1–15

Exkurs: Serubbabel und Jehoschua

Exkurs: JHWH Zebaot

2.Hag 1,15b – 2,9

Exkurs: Der Tempel in Jerusalem und im Alten Orient

3.Hag 2,10–19

Exkurs: Heilig / Profan – Reinheit / Unreinheit

4.Hag 2,20–23

Das Buch Sacharja

I. Teil: Einleitung

1.Das Buch Sacharja

1.1. Sach 1 – 8

1.2. Sach 9 – 11

1.3. Sach 12 – 14

2.Sprachliche Formen

3.Die Sacharja-Schrift im Zwölfprophetenbuch

4.Die Entstehungsgeschichte des Buches Sacharja

4.1. Sach 1 – 8

4.2. Sach 9–11.12–14

5.Der Prophet Sacharja

II: Teil: Auslegung des Buches Sacharja

1.Sach 1,1–6

2.Sach 1,7–17: 1. Visionsbericht

3.Sach 2,1–4: 2. Visionsbericht

4.Sach 2,5–9: 3. Visionsbericht

5.Sach 2,10–17: Zwischenstück mit prophetischen Einzelsprüchen

6.Sach 3,1–10: 4. Visionsbericht

7.Sach 4,1–14: 5. Visionsbericht

8.Sach 5,1–4: 6. Visionsbericht

9.Sach 5,5–11: 7. Visionsbericht

10.Sach 6,1–6: 8. Visionsbericht

11.Sach 6,9–15: Nachwort zu den Visionsberichten

12.Sach 7 – 8: Die »Fastenrede«

Exkurs: Völkerwallfahrt

II. Sach 9 – 14

1Sach 9 – 11

1.1. Sach 9,1–10

1.2. Sach 9,11–17

1.3. Sach 10,1–3a

Exkurs: Terafim

1.4. Sach 10,3b–12

1.5. Sach 11,1–3

1.6. Sach 11,4–17

2Sach 12 – 14

2.1. Sach 12,1–8

2.2. Sach 12,9–13,1

2.3. Sach 13,2–6

2.4. Sach 13,7–9

2.5. Sach 14,1–21

2.5.1. V. 1–5

2.5.2. V. 6–11

2.5.3. V. 12–19

2.5.4. V. 20–21

Das Buch Maleachi

I. Teil: Einleitung

1Das Buch Maleachi

2Sprachliche Formen und Struktur

3Die Maleachi-Schrift im Zwölfprophetenbuch

4Die Entstehungsgeschichte des Buches Maleachi

5Der »Prophet« Maleachi

II. Teil: Auslegung des Buches Maleachi

1Mal 1,1

2Mal 1,2–5

Exkurs: Edom und Israel

3Mal 1,6–2,9

4Mal 2,10–16

5Mal 2,17–3,5

6Mal 3,6–12

7Mal 3,13–21

8Mal 3,22–24

Exkurs: Tag JHWHs

Abkürzung

Literatur zum Vertiefen

Das Buch Haggai

I. Teil: Einleitung

1.Das Buch Haggai

Die Gesamtkomposition des zwei Kapitel umfassenden Büchleins Haggai ist als Prophetenerzählung zu beurteilen. Die Signale dafür sind die erzählenden Passagen in den einzelnen Abschnitten. Der eigentliche Inhalt der Erzählung ist »die Verkündigung Haggais, während die erfolgreiche Wirkung – der Tempelneubau wird in Aussicht genommen – vergleichsweise knapp berichtet wird (s. 1,12 ff.; implizit 2,15 ff.) und sich zudem auf den Initialvorgang beschränkt, ohne den fortschreitenden Bauverlauf oder gar die Tempelneuweihe 515 v. Chr. zu schildern« (M. Leuenberger). Die Struktur der Komposition wird nach der Meinung des größten Teils der Auslegung durch vier ziemlich ähnliche Einleitungen bestimmt bestehend aus einer Tag, Monat und Jahr enthaltenden Datumsangabe, gefolgt von der Wortereignisformel und der Nennung des Propheten Haggai als Vermittler bzw. Empfänger des JHWH-Wortes. In 1,1 werden zudem die Adressaten Serubbbabel, der Statthalter von Juda, und Jehoschua, der Hohepriester angeführt. Sonst sind die Adressaten durchgehend in die an den bzw. durch den Propheten ergehende Gottesrede eingefügt. Dadurch ergeben sich vier Abschnitte, die durch das chronologische Gerüst aufeinander bezogen sind. Denn sie setzen die vom Propheten durch die Übermittlung des ihm anvertrauten JHWH-Wortes initiierten Ereignisse bezüglich des Tempelneubaus in eine zeitliche Reihenfolge, die sich über knapp vier Monate erstreckt. Damit soll gezeigt werden, dass das vom Propheten verkündete JHWH-Wort wirksam wird, indem es zum Neubau des Tempels führt.

Anhand von zum Teil markanten Aussagen, die eine universaleschatologische Heilswende anpeilen (2,6; 2,21) oder die auf den vor allem in der bäuerlichen Produktion ausbleibenden Segen verweisen (1,6; 2,16 f.), lässt sich eine »alternierende A-B-A’-B’-Buchstruktur« (M. Leuenberger) erkennen. Somit ergibt sich für die Haggai-Komposition folgendes Schema:

A. 1,1–15a 1–3: Einleitung +
Thema (V. 2) Doppelte Auseinandersetzung mit Widerstand gegen Tempelbau 4–8: der Altjudäer: Zeit ist noch nicht gekommen; 9–11: der Heimkehrer, die andere Sorgen haben. 12–15: Wirkung → Baubeginn

B. 1,15b–2,9 1,15b–2,2: Einleitung 3–9: Entmutigung aufgrund des gegenwärtigen Zustandes des Tempels; Mutzuspruch + Ansage einer universal-eschatologischen Heilswende für den Tempel auf der Basis von Geist-Zusage und Gottesbund

A’ 2,10–19 10: Einleitung 11–14: Zeichenhandlung mit doppelter Einholung einer Priestertora: Gemeinde ohne erneuerten Tempel nicht kultfähig; 15–19: Segenswende nach Grundsteinlegung

B’ 2,20–23 20–21a: Einleitung 21: Ansage einer universal-eschatologischen Wende mit Vernichtung der Königreiche; 23 Einsetzung Serubbabels als Siegelring JHWHs

2.Sprachliche Formen

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Prophetenerzählung, die sowohl die einzelnen Abschnitte als auch die gesamte Komposition bestimmt, und dem Prophetenwort, das den eigentlichen Inhalt der Buchabschnitte bildet. Die die einzelnen Abschnitte einführenden Erzählmomente erweisen sowohl die einzelnen Teile als auch die gesamte Komposition des Haggaibuches formal als »Fremdbericht, der – gemäß der durchgängig gesetzten Wortereignisformel – in einer Prophetenerzählung das Ergehen von Gottesworten zum Tempelneubau an und durch Haggai sowie deren Auswirkungen darstellt« (M. Leuenberger). Dabei lässt die Redaktion die Person des Propheten hinter seiner als Gotteswort qualifizierten Botschaft zurücktreten, so dass JHWH als das eigentlich sprechende Ich in den Vordergrund tritt. Damit präsentiert sich das Büchlein Haggai als eine »chronologische Sammlung prophetischer Wortereignisberichte zum von der jhwhgewirkten Verkündigung Haggais inaugurierten Beginn des Tempelneubaus« (M. Leuenberger).

3.Die Haggai-Schrift im Zwölfprophetenbuch

Im Blick auf den direkt oder indirekt angesprochenen Geschichtsablauf ist zwischen den Büchern Zefanja und Haggai der tiefste Bruch zu verzeichnen; während in Zefanja noch die Zeit vor dem Exil im Blick ist, spricht aus Haggai und den nachfolgenden Büchern Sacharja und Maleachi die Zeit nach dem Exil; steht im Blickfeld von Hosea bis Zefanja die Oberherrschaft der Eufratreiche Assur und Babylon, so bestimmt ab Haggai die persische Großmacht die angesprochene Situation. Die Exilszeit und das damit verbundene Geschick Israels/Judas scheinen nur mehr im Rückblick auf. So setzt also mit Haggai der Schlussteil des Zwölfprophetenbuches ein.

Dies zeigt sich auch in der eher schwachen Stichwortverbindung der Haggai-Komposition zum vorausgehenden Teil des Zwölfprophetenbuchs. Im Gegensatz dazu ist die Beziehung zum Folgenden schon durch das System der zeitlichen Daten hervorgehoben. Die Bücher Haggai und Sacharja werden dadurch, dass in Sach 1,1 der Beginn der prophetischen Wirksamkeit Sacharjas noch in die Zeit der Wirksamkeit Haggais versetzt wird, miteinander verzahnt, so dass theologisch die in Sach 1,6 angesprochene Umkehr den Tempelneubau voranbringt. Das chronologische System lässt – so wohl die Absicht der Redaktion – die Nachtgesichte des Sacharja als Fortsetzung der das Buch Haggai abschließenden Weissagung Haggais an Serubbabel lesen: Ich lasse den Himmel und die Erde erbeben. Ich stürze die Throne der Könige und zerschlage die Macht der Königreiche der Völker. Ich stoße die Kriegswagen samt ihren Fahrern um … (Hag 2,21 f.). Lenkt Haggai den Blick auf die irdischen Veränderungen, so eröffnet Sacharja in den Nachtgesichten die Sicht auf die himmlischen Akteure, die das Geschehen auf Erden in Gang setzen.

4.Die Entstehungsgeschichte des Buches Haggai

Mehrere Beobachtungen am Text von Hag lassen eine mehrphasige Entstehung vermuten: Im Text wechselt Prophetenerzählung und Prophetenrede, wobei nach der Erzählung häufig die führenden Personen angesprochen sind, die prophetischen Worte sich aber meistens an das Volk richten. Es sind Unterschiede festzustellen in der Verwendung von Titeln und Formeln: in den erzählenden Einführungen wird Haggai als »Prophet« bezeichnet in 1,13 hingegen als »Bote«. Die Formeln verteilen sich gattungsgerecht: die Wortereignisformel findet sich in den Einleitungen und die Boten- und die JHWH-Spruch-Formel in den Wortteilen. Aus diesen Beobachtungen hat die Auslegung schon lange folgende Entstehungsgeschichte rekonstruiert.

a) Am Anfang steht der Prophet Haggai mit den Worten, die die Überlieferung ihm – wohl in Rückgriff auf die Situation seines Auftretens in Jerusalem – in den Mund legt. So erkennt M. Leuenberger die Grundschicht der Haggai-Komposition in 1,2.4–11.12b–13; 2,3–4aα.aγ-b.5b.9a.15–16.18a.19. Die dialogisch-argumentierend ausgerichteten Worte bewegen sich alle um das Anliegen, den Tempel, der für eine vom Segen JHWHs gezeichnete Lebenssituation notwendig ist, wieder aufzubauen, trotz der theologischen Widerstände der im Land Ansässigen und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der aus dem Exil Heimgekehrten. Der grundlegende Mangel an Segen, der sich in der augenblicklichen Situation zeigt, kann erst behoben sein, wenn der Wiederaufbau des Tempels, des Zeichens schlechthin für JHWHs segnende Präsenz inmitten seines Volkes, endgültig in Angriff genommen wird.

Früh dürfte nach M. Leuenberger das an die Priester gerichtete Wort 2,11–14 in die Grundschicht eingeschrieben worden sein, das auch die Priesterschaft für den Wiederaufbau motivieren sollte.

b) Allgemein wird angenommen, dass eine chronologisch-erzählende Redaktion entscheidend für den Aufbau der Haggai-Komposition beigetragen hat. Sie findet sich nach M. Leuenberger in 1,1.3.12a.14–15; 2,1–2.4aβ.10.18b.20–21a.23aβ-bβ. Das Interesse dieser Redaktion besteht darin, die überlieferten Worte durch bis auf Tag, Monat und Jahr genaue Daten historisch zu situieren, um dadurch auch die Wirkung des prophetischen Auftretens Haggais für das Fortschreiten der Wiederaufbauarbeiten anzusprechen. Vermutlich ist diesen Tradenten der Haggai-Botschaft auch die Aufgipfelung der Haggaiworte in der Ankündigung, dass JHWH seine Herrschaft in Jerusalem neben dem Tempel auch durch den Davididen Serubbabel konkret umsetzen wird, zuzuschreiben. Da neben dem Propheten Haggai auch der Prophet Sacharja in dieser Wiederaufbauphase Jerusalems tätig war, schaut die chronologisch-erzählende Redaktion die Tätigkeit der beiden Propheten dadurch zusammen, dass sie auch die Visionen Sacharjas in dieses chronologische System einordnet und Hag mit Sach 1–8* zu einem »Zweiprophetenbuch« (R. Lux) verbindet. Historisch zutreffend dürfte die chronologische Vorordnung Haggais vor Sacharja sein, da Sacharja – wie schon der Umfang seiner ihm zugeschriebenen Verkündigung zeigt – die bedeutendere Prophetengestalt war. Nimmt man das an die Person Serubbabels gerichtete Wort in 2,23 für die chronologisch-erzählende Redaktion in Anspruch, dann muss sie wohl, da Serubbabel im Zusammenhang der Vollendung des Tempels nicht mehr aufscheint, zwischen 517 v. Chr. und der Tempelweihe im Frühjahr 515 (vgl. Esr 6,15: 12.3.515; 3 Esr 7,5: 1.4.515) v. Chr. angesetzt werden. Doch werden in der Forschung auch spätere zeitliche Ansetzungen für diese Phase der Buchwerdung von Hag vertreten.

c) Eine letzte Phase der Entstehungsgeschichte des Haggaibuches stellen die Fortschreibungen dar, die die universale Völkerthematik in Hag einbringen: 2,6–8.9b.21b–23aα. Sie dürfte wohl in die späte Perserzeit mit ihren Turbulenzen, die den vorderen Orient in Mitleidenschaft zogen, hineinfallen.

5.Der Prophet Haggai

Der Name des Propheten bedeutet »der am Festtag Geborene« und ist gerade wegen seiner positiven Bedeutung nicht nur im hebräischen Raum sondern auch in anderen semitischen Sprachen gut bezeugt. Zu seiner Herkunft, seiner Familie und auch zu seiner Person stehen keine Informationen zur Verfügung. Eventuell lässt sich dies durch seinen Bekanntheitsgrad zur Zeit seines Auftretens und der schriftlichen Fixierung seines Wirkens erklären oder man kannte z. B. den Namen des Vaters nicht mehr. Da für die Rückkehrer aus Babylon die Legitimation durch die Abstammung wichtig war, wie die Listen in Esr 2 // Neh 7 zeigen, dürfte Haggai wohl nicht zu den Rückkehrern zählen, sondern der in Juda verbliebenen Bevölkerung entstammen. Vielleicht stammt er aus dem bäuerlichen Umfeld von Jerusalem, da landwirtschaftliche Themen und Probleme in den ihm zugeschriebenen Worten eine große Rolle spielen.

Haggai tritt auf als »Prophet« und versteht sich damit als Übermittler des JHWH-Wortes. Auffällig ist die starke Prägung Haggais durch die Tempeltheologie, die ihn antreibt, sich in der zweiten Hälfte des Jahres 520 v. Chr. für den Wiederaufbau des Tempels einzusetzen. Obwohl seine Tätigkeit nur wenige Monate dauerte, war die Wirkung seines Wortes groß; der Neubau wurde trotz aller Schwierigkeiten energisch in Angriff genommen und konnte 515 v. Chr. wieder in Funktion treten. Warum seine Tätigkeit nur so kurz dauerte und warum in Zusammenhang der Tempeleinweihung sein Name nicht mehr aufscheint, ist nicht erkennbar. Ob, wie öfter vermutet, eine Intervention der persischen Zentralverwaltung erfolgte, muss offen bleiben. Das Buch Haggai selber legt von seiner Struktur her die Annahme nahe, dass der prophetische Auftrag mit dem in Angriff genommenen Beginn des Tempelneubaus und der damit inaugurierten Segenswende sein Ziel erreicht hat und damit beendet war.

II. Teil: Auslegung des Buches Haggai

Die Endredaktion des Haggaibuches gliedert den Text mit Hilfe eines erzählenden Rahmens mit Datierungen und Adressatenangaben in vier Abschnitte: 1,1–15a; 1,15b–2,9; 2,10–19 und 2,20–23.

1. Hag 1,1–15a

Das Buch beginnt erzählend mit einer Datumsangabe, die nach dem persischen Großkönig Darius I. (522–486 v. Chr.) ausgerichtet ist. Das erste Wort Haggais, der in 1,1 als Prophet bezeichnet wird, ist mit dem zweiten Jahr des Darius, im sechsten Monat, am ersten Tag des Monats (= 29.08.520 v. Chr.) datiert. Seit der neubabylonischen Zeit konnte man in den Gebieten, die politisch mit der Struktur des Großreiches in Verbindung waren, mit Tag und Monat des astronomischen Jahres datieren bezogen auf den Regierungsantritt des jeweiligen Herrschers. Für die Umrechnung auf unsere absolute Chronologie ergibt sich öfter die Schwierigkeit, dass nicht immer deutlich wird, ob das Antrittsjahr der Regierung eines Herrschers mitgezählt ist oder ob erst ab dem ersten vollen Regierungsjahr gezählt wird. Die in Ez beginnenden Tagesdatierungen werden in Hag-Sach konsequent durchgeführt, um das Wirken der beiden Propheten aufeinander zu beziehen, wobei aber nicht vorausgesetzt werden kann, dass dies durch eine Hand geschehen ist, da sich im gesamten Datierungssystem von Hag-Sach doch erhebliche Differenzen finden. Vielmehr wird im Zuge des Wachstums des Hag-Sach-Corpus auch die Datierung weitergeführt worden sein, wobei aber die damit verbundene Absicht durchgehalten wurde.

V. 1 datiert das »Ergehen des Gotteswortes« – ein Geschehen, durch das gerade die exilisch-nachexilische Geschichtsreflexion die Geschichte Israels bestimmt sieht. Auf ein vertieftes Nachdenken über die Bedeutung der Prophetie verweist auch die ausdrückliche Vorstellung Haggais als »Prophet« (vgl. Hag 1,3.12; 2,1.10) und als »Vermittler« des JHWH-Wortes, indem betont wird, dass das Wort JHWHs nicht »an« Haggai, sondern »durch« Haggai erging. Dies spiegelt das im deuteronomistischen Geschichtswerk und in den Büchern Jer und Ez greifbare theologische Geschichtskonzept wider, nach dem die Geschichte Israels letztlich durch das »Ergehen des JHWH-Wortes« bestimmt ist. Dazu wird hier der »Prophet« nicht als Adressat eingeführt, sondern als der, der diese göttliche Wirkmacht in die Geschichte hinein vermittelt. Das Wort JHWHs betrifft nach V. 1 als Adressaten gewichtige Persönlichkeiten aus der Zeit unmittelbar vor dem Wiederaufbau des Zweiten Tempels: »Serubbabel, den Sohn des Schealtiël, Statthalter (pḥt) von Juda« und »Jehoschua, den Sohn Jozadaks, den Hohepriester«.

Serubbabel und Jehoschua

Serubbabel stammt aus dem Geschlecht der Davididen und war ein Enkel des 597 v. Chr. nach Babylon deportierten Königs Jojachin. Nach Esr 3,2.8; 5,2; Neh 12,1; Hag 1,1.12.14; 2,2.23 ist er der Sohn Schealtiëls, des ältesten Sohnes Jojachins (vgl. 1 Chr 3,17), während er nach der Genealogie in Chr 3,19 als Sohn des dritten Sohnes Pedaja gilt. Die Ausleger geben aber der in Hag bezeugten Überlieferung Recht, wobei man durchaus beide Versionen dadurch miteinander in Beziehung brachte, dass Serubbabel erbrechtlich aufgrund einer Leviratsehe Sohn des kinderlosen Schealtiël war, leiblich aber der Sohn Pedajas. Der Name ist wohl eine Hebraisierung vom akkadischen zēr-bābili (»Spross Babels«), was auf den vermutlichen Geburtsort hinweist. Für eine Darstellung der Gestalt des Serubbabel sind die Überlieferungen von Esr-Neh und Hag-Sach wohl gesondert zu betrachten, weil die prophetische Tradition vor allem an einer theologischen Profilierung der beiden Gestalten interessiert ist.

Nach Esr 2,2 und Neh 7,7 ist Serubbabel der Anführer der Rückwanderer, die in den ersten Regierungsjahren des Großkönigs Darius I. (522–486) nach Juda zurückkehrten (Esr 5,14 erwähnt eine Rückkehr bereits zur Zeit der Herrschaft Kyrus II. (559–530) kurz nach der Eroberung Babylons (539) unter der Führung eines Scheschbazzar, der das Fundament für den neuen Tempel gelegt haben soll). Übereinstimmend weisen die Quellen Serubbabel im Prozess des Wiederaufbaus des JHWH-Tempels in Jerusalem eine wichtige Rolle zu, was zu seiner davidischen, also königlichen, Abstammung passt, da im Alten Orient der Tempelbau Sache des Herrschers – häufig auch durch ein Gottesorakel ihm nahegelegt – war (vgl. 2 Sam 7). Manches lässt darauf schließen, dass er als persischer Statthalter (pæḥāh) bestellt war (vgl. Hag 1,1.14; 2,2.21); denn in der Folgezeit ist dieses Amt für Juda / Jerusalem gut bezeugt und lässt sich aus der Situation in der Frühzeit Darius’ I. gut verstehen. Die Initiative für den Tempelbau dürfte wohl von prophetischen Gestalten wie Haggai und Sacharja ausgegangen sein (vgl. Hag 1,1.12; 2,2.4; Esr 5,1), und die Ältesten hatten eine wichtige Funktion in der anfänglichen Phase der Realisierung (vgl. Esr 4,2.3). Serubbabel dürfte jedoch sehr schnell gerade in seiner offiziellen Funktion als beauftragter persischer Statthalter und als Abkömmling der alten Königsdynastie in Jerusalem die politische Bedeutung der durch die Propheten Haggai und Sacharja angeregten Wiederaufrichtung des zerstörten königlichen Tempels erahnt haben, was ihn dann veranlasste, das Projekt mit allen Kräften und Mitteln zu unterstützen und zu fördern, wobei aber das Haggai-Buch daran festhält, dass der eigentliche Anstoß zur Wiedererrichtung des Tempels allein vom durch Haggai, dem Propheten, übermittelten JHWH-Wort ausgeht. Bei der Grundsteinlegung wird die Präsenz Serubbabels jedoch einmütig von allen zuständigen Quellen erwähnt (Hag 2,18.20 ff.; Sach 4,9 f.; Esr 3,7ff.; 3 Esr 5,2).

Im Zusammenhang der Einweihung des Tempels 515 v. Chr. werden sowohl der Statthalter Serubbabel als auch der Hohepriester Jehoschua nicht mehr erwähnt. Alles, was über sein weiteres Geschick gesagt wird, bleibt Vermutung. Nur eines lässt sich mit Sicherheit sagen, während die Worte Haggais zu und über Serubbabel im Zusammenhang der Wiedererrichtung des Tempels geschichtliche Realität wiedergeben, ist die prophetische Ankündigung Hag 2,20–23 theologische Utopie geblieben.

Jehoschua (der Name bedeutet »JHWH ist Retter/Rettung/Hilfe«) wird in Hag 1,1 vorgestellt als »Sohn des Jozadak« und als Hohepriester. Nach Esr 2,2 und Neh 7,7 stehen Jehoschua und Serubbabel an der Spitze der Heimkehrer. Jehoschua stammt aus einem vornehmen Priestergeschlecht. Sein Großvater Seraja war der letzte Oberpriester am königlichen Heiligtum in Jerusalem; er wurde nach 2 Kön 25,18–21 bei der Eroberung Jerusalems (587) gefangen genommen und auf Befehl Nebukadnezzars in Ribla hingerichtet. Nach 1 Chron 5,41 wurde dessen Sohn Jozadak nach Babylon deportiert. Haggai und Sacharja bezeichnen Jehoschua als »Hohepriester«. Er trägt diesen Titel wohl rechtens, entgegen Esr-Neh, wonach Jehoschua aus theologischen Gründen als levitischer Priester hingestellt wird. Mit Jehoschua und seiner Beteiligung am Wiederaufbau des Tempels beginnt die Geschichte des nachexilischen Hohepriestertums, auch wenn der Inhalt dieser Position und deren Beziehung zur im Land verbliebenen Priesterschaft zunächst undeutlich bleiben. Es war aber unter persischer Herrschaft offensichtlich doch möglich, »an die Institution des vorexilischen Priestertums insofern anzuknüpfen, als die vorexilisch herrschende Priesterfamilie auch nachexilisch ihre Stellung behaupten konnte« (Chr. Rösel).

Der erzählende Beginn konfrontiert in V. 2 – eingeleitet mit der Botenformel – die Maßgeblichen damit, dass »dieses Volk« die Zeit für den Wiederaufbau des JHWH-Tempels in Jerusalem noch nicht für gekommen hält. Damit wird das Thema des Haggaibuches benannt: der in einem als JHWH-Wort angesprochene verzögerte Wiederaufbau des Tempels. Der Ausdruck »dieses Volk« (vgl. Hag 2,14; Jes 6,9 f.; 8,6.11 f.; Jer 4,11; 5,14.23 u.ö.) enthält eine kritische Note. Die in V. 1 genannte Position der Adressaten ist einmal ein Hinweis darauf, dass der Bau eines Tempels die Sache der »Herrschenden« ist. Im Alten Orient und im Alten Israel ist der Tempelbau vor allem für die Hauptgottheiten Sache des Königs, was verschiedene Bauinschriften, z.B. die vom Enlil-Assur-Tempel in Assur, bezeugen: »Schamschi-Adad, König des Alls, Erbauer des Tempels des Assur, der das Land zwischen Tigris und Euphrat auf Geheiß des Assur, der ihn liebt, befriedete (und) dessen Namen Anu und Enlil unter den Königen, die vorauf gingen, zu Großem beriefen. Der Tempel des Enlil, den Irischum, der Sohn des Iluschuma, gemacht hatte, (dieser) Tempel war baufällig geworden, und so beseitigte ich ihn. Den Tempel des Enlil, meines Herrn, das ehrfurchtgebietende Heiligtum, … baute ich inmitten meiner Stadt Assur.« (I,1–23; II,1–13 TUAT II, 487). Für das zerstörte Heiligtum von Jerusalem ist in diesem Zusammenhang auf 1 Kön 6 und 2 Chr 3 zu verweisen, wobei der göttliche Auftrag im Wort des Propheten Natan in 2 Sam 7 zum Ausdruck kommt. Dabei bringen Serubbabel und Jehoschua durch ihre Abstammung einmal die Kontinuität zum Tempel Salomos zum Ausdruck und zum anderen vertreten sie die Autorität des Großkönigs; somit stehen sie für die göttliche Legitimation des zu »erbauenden«/»erbauten« Tempels.

Mit V. 3 – der Wort-Ergehens-Formel – leitet der Redaktor des Haggai-Buches über zur Botschaft des Propheten Haggai, die sich jetzt an das Volk wendet mit der rhetorischen Frage (V. 4), ob die Zeit in gut ausgebauten Häusern zu leben für das Volk da sei, wo hingegen der Tempel (»dieses Haus«) noch in Trümmern liege. Wie sich aus dem Folgenden ergibt, ist diese Frage nicht als Anklage für ein schuldhaftes Vergehen zu beurteilen. Den Hörern wird »der schreiende Unterschied zwischen ihrer und JHWHs Lage aufgezeigt, die in ihrer Position liegt: ihr – allesamt wohlbehaust, aber Jahwes Haus – wüst« (O. H. Steck). In dieser Frage darf man wohl die Stimme Haggais selber vernehmen.

Die gleichlautenden mahnenden Aufrufe in V. 5 und V. 7 – eingeleitet mit der Botenformel –, alle Aufmerksamkeit auf das eigene Ergehen zu lenken, rahmen einen Gedanken, der aufgrund der in V. 4 geschilderten Situation eigentlich nicht zu erwarten ist. Das »Wohnen in gut ausgebauten Häusern« scheint doch auf eine gute Zeit für das Volk hinzuweisen. Doch V. 6 beschreibt die Situation als »Mangelsituation«. Die Formulierung knüpft an die Gattung »Nichtigkeitsfluch« an. Der »Nichtigkeitsfluch« enthält im Vordersatz eine »lebenswichtige Tätigkeit«, deren erhoffte Wirkung im Nachsatz, eingeleitet mit »aber nicht«, negiert wird. Beispiele dieser Flüche finden sich in Lev 26,26b; Dtn 28,30.39–41; Hos 4,10; Am 5,11; Mi 6,14 f. Sie sind ursprünglich wohl verbunden mit dem im hethitischen Kulturraum sich findenden Mythos vom verschwundenen Sohn des Wetter-Gottes Telepinu, dessen Verschwinden vor allem Ausfälle im Bereich der Fruchtbarkeit und Ernährung zur Folge hat. Der Mythos arbeitet sicher Ausfallserscheinungen im Zusammenhang des Ablaufs im agrarischen Jahr durch den Wechsel der Jahreszeiten, aber auch Notsituationen, verursacht durch Katastrophen, auf. Die Not betrifft Götter und Menschen und entsteht dadurch, dass ein Gott aus Zorn seinen Verantwortungsbereich verlässt und für alle – Götter und Menschen – nicht mehr erreichbar ist. Die Not zeigt sich darin, dass »vitale Lebensäußerungen ihre Wirkung verlieren: Essen und Trinken führen nicht zur Sättigung; der Fortpflanzungsakt bringt keine Nachkommen« (Th. Podella). Hethitische und luwische Traditionen wurden in Syrien bis ins 8. Jh. v. Chr. weitergegeben und gepflegt, was durch die Inschriften bezeugt ist. Es kann damit gerechnet werden, dass diese Motive im Zuge der intensiven Beziehungen der aramäischen Staaten mit den späthethitischen Kleinstaaten bis nach Israel gelangten, da das Nordreich mit verschiedenen dieser Staaten im 8. Jh. v. Chr. eine Koalition gegen Assur einging.

V. 6 greift Motive dieses »Notzeitmythologems« auf, streicht aber den Gerichtscharakter des »Fluches« (vgl. dagegen V. 9) und wandelt ihn um in die Feststellung, dass alles dem Leben dienende Tun der Adressaten nicht das angepeilte Ziel erreicht, weil es an Segen mangelt, der vom wiedererbauten Tempel ausgehen wird. Damit greift die Redaktion der Haggai-Prophetie in V. 5–7 ein Motiv auf, das sowohl im Alten Orient als auch im Alten Israel mit dem Tempel verbunden war (vgl. Ps 46,5; Ez 47,1–12; Joel 4,18). Genauso bezeugen Inschriften und Texte des Alten Testaments (vgl. Ez 11), wenn die Gottheit Tempel und Stadt verlässt, dann sind diese dem Untergang verfallen. Der in Trümmern liegende Tempel ist Zeichen der Abwesenheit Gottes und seines Segens. Man kann auch die Frage stellen, ob die Anspielung auf die Nichtigkeitsflüche die Bundestheologie einspielen soll, da die Fluch-Thematik in Dtn 28 ja zu den Motiven der deuteronomischen bzw. deuteronomistischen Bundestheologie gehört. Damit wäre die Frage »Tempelbau – ja oder nein« eine Anfrage an die Bundestreue des Volkes und die Mangelsituation ein Zeichen dafür, dass gerade der Bund mit JHWH das Volk dazu animiert, die Zeit für den Wiederaufbau des Tempels als gekommen zu betrachten.

V. 5–7 soll nun in der Absicht der Redaktoren die Dringlichkeit dessen aufzeigen, wozu V. 8a auffordert: Um die defizitäre Situation zu beenden, sollen die Bewohner Jerusalems ins umliegende judäische Bergland, das damals noch bewaldet war, steigen und Holz holen und mit dem Bau des Tempels beginnen bzw. weitermachen. Holz ist notwendig für Werkzeuge, Gerüste, als Stabilisierungsschicht zwischen den Grundmauern und den darauf aufruhenden Lehmziegelmauern, für die Dachkonstruktionen und als Verkleidungsmaterial. Haggai denkt wohl kaum an Zedern, die ja aus dem Ausland importiert werden müssen (vgl. jedoch Esr 3,7), vielmehr an die verschiedenen Holzsorten und Holzgrößen, die in den heimischen Wäldern zu finden sind. Als Reaktion JHWHs kündigt der Prophet in V. 8b mit der »JHWH-Spruch-Formel« einmal »JHWHs künftiges Gefallen« am zu errichtenden Tempel an. Der entsprechende Ausdruck kann in allgemeiner Bedeutung verwendet werden »glücklich sein mit«, »sich freuen an« (vgl. Ps 102,15; 1 Chr 29,17; Jes 42,1 u.ö.), verweist aber in kultischen Zusammenhängen auf die Anerkennung der Legitimität der dargebrachten Opfer (vgl. Lev 7,18; Hos 8,13; Am 5,22; Mi 6,7). Wie ein wohlgefälliges Opfer wird JHWH den wiederaufgebauten Tempel annehmen. Ferner kündigt der Prophet an, dass JHWH durch den neu erbauten Tempel in seiner Gewichtigkeit und Bedeutung offenbar werden wird. Die Zusage soll die bestärken, die sich an den Bau des Tempels machen, weil sie wissen dürfen, JHWH nimmt das Haus als »sein Haus« an und erweist sich in ihm als Gott, was für das Volk strömenden Segen zur Folge haben wird.

Völlig unvermittelt greift V. 9 in der Form einer Gerichtsrede JHWHs noch einmal auf das Thema der Lebensminderung von V. 6 zurück, wobei aber der Zusammenhang von Lebensminderung und unterlassenem Tempelbau, wie ihn V. 4–8 herstellt, vorausgesetzt ist. Die in den Nichtigkeitsflüchen von V. 6 angesprochenen Lebensminderungen werden in V. 9a in sehr allgemeiner Form aufgegriffen: Die Angesprochenen haben große Erwartungen bzw. schauen aus nach Vielem. Vielleicht wird auf die in Jes 40–55 angesprochenen Hoffnungen, die die großartige Wiederherstellung Jerusalems zum Inhalt haben, angespielt. Doch das Ergebnis allen Mühens ist gering, weil – und hier liegt der wesentliche Unterschied dieser Aussage zu den Schilderungen der Mangelsituation in V. 6 – JHWH selber gegen dieses menschliche Mühen tätig wird: Heimgebracht blieb aufgrund von JHWHs »Blasen« nichts mehr übrig. Die Lebensminderung ist dabei im Gegensatz zu V. 6 ausdrücklich zurückgeführt auf JHWHs Gerichtshandeln, das ähnlich wie Ez 22,20 f. und Ijob 20,26 dargestellt wird. Im Schuldaufweis von V. 9b stellt JHWH in der Antwort auf seine von ihm selbst gestellte Frage nach dem Grund des von ihm herbeigeführten Zustandes ausdrücklich den Zusammenhang zwischen dem in Trümmern liegenden Tempel und dem schuldhaften Verhalten der Angesprochenen her: Weil mein Haus in Trümmern liegt, während jeder von euch für sein eigenes Haus rennt. Hier sind offenbar Menschen betroffen, die sich noch um eine Bleibe mühen, im Gegensatz zu den in V. 4–8 Angesprochenen, die bereits in festen Häusern wohnen.

Weil JHWHs Haus schuldhaft den eigenen Häusern hintangestellt wird, entstand die Mangellage, die in V. 10 f. in Anlehnung an Motive des Nichtigkeitsfluches – vergleichbar V. 6, jetzt jedoch ausdrücklich als Ergebnis des Gerichtshandeln JHWHs – dargestellt wird. V. 10 umschreibt eher allgemein, dass Himmel und Erde zurückhalten, was sie normalerweise geben; dieses Geschehen in der Natur wird nun in V. 11 ausdrücklich als vergangenes Gerichtshandeln JHWHs dargestellt. So hat (vgl. Am 7,4; Jes 13,9; Jer 25,37; Ez 38,21 f.) JHWH die Dürre (ḥoræb) – in deutlicher lautmalerischer Anspielung auf den Zustand des Tempels in V. 9b ḥareb (verwüstet) – als Unheilsmacht herbeigerufen, die den gesamten Lebensraum, die Lebensgrundlagen (vgl. zur Dreiergruppe »Korn – Wein – Öl« Hos 2,10.14; Jer 31,12; Dtn 7,13; 11,14; 12,17; 14,23; 18,4; 28,51und 2 Chr 31,5; 32,28; Neh 5,11; 10,40; 13,5.12), den Menschen und das Vieh und aller Hände Arbeitsertrag (vgl. V. 6.9a) schädigte. Diese durch das Gerichtshandeln JHWHs hervorgerufene Situation soll bedacht werden und die angesprochene Personengruppe zu der bereits in V. 8 angesprochenen Reaktion animieren. Die Redaktoren des Haggai-Buches haben mit aller Wahrscheinlichkeit zwei an unterschiedliche Personengruppen gerichtete Worte Haggais zu einer prophetischen Redekomposition verarbeitet, deren rhetorische Wirkung J. Kessler zu Recht betont, indem das Thema Mangelsituation Anfang und Ende von V. 5–11 bestimmt.

Der Abschnitt V. 12–15a erzählt die Reaktion auf die Verkündigung Haggais. V. 12b–13 schildert die Reaktion des »Volkes«, das in 4–11 in seiner doppelten Schichtung als »Dagebliebene« und als »aus dem Exil Heimgekehrte« angesprochen wurde. Die Reaktion des »Volkes« (es wird nur in 1,12b.13 mit dem bloßen hʿm bezeichnet) ist nun, dass es sich »vor JHWH fürchtet« (jrʾ +mpnj), was in diesem Fall wohl heißt, dass es Angst hat vor einem weiteren Gerichtshandeln JHWHs. Das Gegengewicht zu dieser Angst – so unterstreicht es V. 13 – ist nun Haggai, der hier betont als »JHWH-Bote, im Auftrag JHWHs« auf das Volk zugeht mit der »Beistandsverheißung«: »Ich bin mit euch!«.

V. 12a hebt die Bedeutung Haggais im Zusammenhang des Tempelbaubeginns hervor, einmal insofern Haggai als Prophet bezeichnet wird, der »von JHWH, dem Gott Serubbabels, Jehoschuas und des Überrests des Volks« gesandt ist, und zum anderen insofern »die Worte Haggais« parallel gesetzt werden mit der »Stimme JHWHs«. Serubbabel, der Statthalter von Juda, und Jehoschua, der Hohepriester, die wie bereits in V. 1 als die ersten Adressaten der Worte des Propheten Haggais genannt werden, und der »Rest des Volkes« ʾrjt h ʿm) hören auf die Stimme JHWHs und die Worte des Propheten. Wer mit dem »Rest des Volkes« gemeint ist, ist in der Auslegung umstritten: Ob nur die Heimkehrer, die Gola, oder die Daheimgebliebenen, oder einfach die aus der Katastrophe Geretteten? Vielleicht ist doch davon auszugehen, dass hier die theologische Qualifikation des »Restes«, als die zu JHWH Umgekehrten (vgl. Jes 10,20; Jer 31,7–9; Mi 7,18; Zef 3,12–13), ins Spiel kommt, zumal die Reaktion »hören auf die Stimme JHWHs« ein typisch deuteronomisch-deuteronomistischer Ausdruck für den Gesetzesgehorsam ist. »Der Rest des Volkes« wäre dann also die Gemeinschaft in Jerusalem als ganze, insofern sie auf die »Stimme JHWHs, ihres Gottes, hört«. »Hören auf die Stimme + JHWH, Gott mit Personalsuffix« ist im Dtn einer der typischen Ausdrücke für »bundesgemäßen Gesetzesgehorsam« (vgl. Dtn 4,30; 8,20; 9,23; 13,5.19; 15,5; 26,14.17; 27,10; 28,1 f.15.45.62; 30,2.8.10.20; auffallend häufig findet sich der Ausdruck »Hören auf die Stimme [JHWHs]« an zahlreichen Stellen im Jeremiabuch).

Dieser Ausdruck für den Gesetzesgehorsam wird parallel gesetzt mit »dem Hören auf die Worte des Propheten Haggai«, wobei sein Gesandtsein durch JHWH eigens betont wird. Dies lässt den Propheten Haggai im Licht von Dtn 18,15 ff. erscheinen, wonach Haggai, der Prophet (vgl. Hag 1,1.3.12; 2,1.10), die Mittlerschaft des Propheten Mose bezüglich der Verkündigung des aktuellen Gotteswillens fortsetzt. Auch die Formulierung vom Ergehen des Wortes JHWHs »durch« (also durch Vermittlung von) Haggai, den Propheten, verweist auf die in Jeremia und im deuteronomischen Prophetengesetz greifbare exilisch-nachexilisch intensivierte Reflexion auf die Bedeutung der Prophetie. »Wenn sich der dtn Prophet am Vorbild des Jeremia orientiert, dann heißt das aber auch: seine Verkündigung läßt sich nicht auf das Gottesrecht allein beschränken. Es gibt also keine scharfe Trennung zwischen »Gesetz« und »Propheten«, sondern eine Kontinuität. Durch den Propheten tritt neben die schriftliche Tora vom Horeb eine mündliche, in der sich gleichermaßen Jahwes Wille ausdrückt (vgl. 2 Kön 1713). Allerdings gilt die schriftliche Tora für alle Zeiten, das prophetische Wort ergeht jeweils zu seiner Zeit und gilt für diese Zeit. Es bringt zum überzeitlich fixierten Gotteswort das aktuell lebendige dazu« (G. Braulik). Damit erscheint der Wiederaufbau des Tempels nach V. 12a als Ausdruck des »bundesgemäßen« Gehorsams der Autoritäten und des Volkes gegenüber dem in Tora und Prophetenwort offenbar gewordenen und offenbar werdenden Willen Jahwes.

V. 14 greift durch die Nennung der Personen, wobei bei Serubbabel die Amtsbezeichnung wegfällt, auf V. 12a zurück, was bedingt ist durch den Einschub von V. 12b–13 bzw., wenn V. 12b–13 älter ist – was wohl zu vermuten ist –, durch den Einschub von V. 12a.14. Werden – wie öfter betont wird – die genannten Personen in V. 12 als handelnde Subjekte vorgestellt, so führt V. 14 nun in Fortführung der Beistandszusage von V. 13b JHWH als handelndes Subjekt ein mit der Aussage: »JHWH erweckte den Geist des …«. Die Aussage findet sich nur noch in Jer 51,1.11; 1 Chr 5,26; 2 Chr 21,16; 36,22 // Esr 1,1; Esr 1,5. Zu beachten ist, dass sie an den letztgenannten Stellen im Zusammenhang des Wiederaufbaus des Tempels verwendet wird. »JHWH erweckt (ʿwr3 Hif.) den Geist (rwḥ)« ist eine Metapher, die JHWHs Handeln in der Geschichte durch bestimmte Personen anspricht. Damit stellt V. 14 den Arbeitsbeginn für den Wiederaufbau des Tempels und damit auch den Tempel selbst als Werk JHWHs selber dar, wobei als Bezeichnung für den Tempel anknüpfend an V. 2 »Haus JHWHs der Heerscharen« gewählt wird.

»JHWH Zebaot«

»Zebaot« ist eine Gottesbezeichnung, die im Alten Testament immer mit dem Gottesnamen JHWH verbunden ist und mit 285 Belegen die häufigste Gottesbezeichnung darstellt. Bezeichnend ist das Vorkommen des Ausdrucks. Sie findet sich das erste Mal im Samuelbuch (1 Sam 1,3.11) in Bezug zum Heiligtum von Schilo. Die David-Erzählungen verbinden diesen Gottestitel mit der königlichen Gestalt des David (1 Sam 17,45; 2 Sam 5,10), der durch die Überführung der Lade auf den Zion, sowohl seine eigene Macht festigt und damit den mit Schilo und der Lade verbundenen Gottestitel an den Zion bindet. Die feste Verbindung der Gottesbezeichnung »JHWH Zebaot« bzw. »JHWH, Gott Zebaot« (EÜ übersetzt mit »HERR der Heere« bzw. »der Heerscharen«) mit dem davidischen Königtum und dem Tempel von Jerusalem bzw. dem Zion wird in der Natanweissagung von 2 Sam 7, wo die Bezeichnung gleich dreimal sich findet (2 Sam 7,8.26.27), festgeschrieben.

Sehr häufig findet sich der Gottestitel »JHWH Zebaot« im Jeremiabuch und im ersten Teil des Jesajabuches (Jes 1–39), wobei mit U. Berges gesagt werden kann: »Keiner der Propheten vor oder nach Jesaja hat sich so kreativ und innovativ mit dem Gottestitel Jhwh Zebaot auseinandergesetzt. Bei ihm ist Jhwh Zebaot derjenige, der auf dem Zion wohnt (Jes 8,18), dort seinen Feuerofen besitzt (Jes 29,1) und der den Zion fest gegründet hat (Jes 28,16; 14,32). … Jhwhs kriegerisch-militärische Eigenschaft, seine Fürsorge für das Haus David, aber auch seine Gerichtsmacht und heilige Präsenz auf dem Zion gehören auf unverwechselbare Weise zum Namen »Jhwh Zebaot««. Jedoch völlig fehlt der Titel im Ezechielbuch und im dritten Teil des Jesajabuches (Jes 56–66), was sich vielleicht dadurch erklären lässt, dass nämlich gerade in diesen Schriften weder der Zion noch das davidische Königtum bzw. die Hoffnung auf die Restauration des Königtums eine Rolle spielen.

Auf diesem Hintergrund erscheint es nicht zufällig, dass gerade Haggai, Sacharja und Maleachi wieder gehäuft diese Gottesbezeichnung verwenden, da in diesen Schriften sowohl die Restauration des Jerusalemer Heiligtums als auch die Hoffnung auf einen Herrscher im Sinne des davidischen Königtums sehr im Vordergrund stehen. Wie ein Nachklang von 2 Sam 7 erscheint die Beziehung, die das Haggaibuch zwischen dem Wiederaufbau des Tempels und dem Enkel des nach Babylon deportierten davidischen Königs Jojachin herstellt (1,1.14; 2,2 ff.). Nicht von ungefähr wird die Ankündigung, dass Serubbabel zum Siegelring JHWHs erwählt ist, unterstrichen durch die JHWH-Spruch-Formel mit dem Titel »JHWH Zebaot«. Zehnmal betont die Gottesbezeichnung »JHWH Zebaot« in der JHWH-Spruch-Formel, dass die Worte Haggais völlig um die Wiedererstehung des Tempels von Jerusalem kreisen, mit dem diese Gottesbezeichnung wohl seit David verbunden war und der in 1,14 als »Haus des JHWH Zebaot, ihres (d. h. des Serubbabel, des Jehoschua und des Restes des Volkes) Gottes« bezeichnet wird.

Die genaue Herleitung des Titels »Zebaot« ist umstritten. »Zebaot« wird wie bereits erwähnt mit »Heere / Heerscharen« übersetzt und von einem Teil der Auslegung und vielleicht auch schon im Alten Israel selber bezogen entweder auf die Heerscharen Israels oder die himmlischen Heerscharen. Andere sehen darin, da es sich um einen Plural femininum handelt, einen Abstraktplural mit der Bedeutung »Mächtigkeit«, was sich auch in der griechischen Übersetzung kyrios tōn dynameōn »Herr der Mächte« spiegelt. Eine weitere Ableitung aus dem Ägyptischen ergibt die Bedeutung »Thron / der Thronende«. »Zebaoth wäre somit das hebräisch gehörte, ursprünglich ägyptische Wort für den ›Thronenden‹ und drückt die Macht und Majestät des mit dem Epitheton bezeichneten Gottes aus. Das passt gut zur Bezeichnung Jahwes als des über der Lade bzw. den Cheruben sitzenden, d.h. thronenden Gottes Jahwe …« (S. Kreuzer). Die ursprünglich wohl mit Schilo verbundene Gottesbezeichnung trat durch die Übertragung des Ladeheiligtums in eine feste Bindung mit dem königlichen Heiligtum des Tempels in Jerusalem, der durch den Kerubenthron zum Symbol der Präsenz des thronenden Herrschers JHWH schlechthin wurde (vgl. Jes 6,1–4).

Der erste Abschnitt schließt in V. 15a mit dem Datum des 24.6 (= 21. September) und damit unterstreicht der Redaktor die schnelle Reaktion auf das Wort des Propheten durch die angeredeten Personen und ebenso die Wirksamkeit des Prophetenwortes im Hinblick auf den Tempelbau. Damit dürfte die Redaktion der Haggaischrift wohl in einzigartiger Weise den Wiederaufbau des Tempels als Ergebnis des prophetischen Auftretens von Haggai hinstellen, was im Alten Orient ungewöhnlich ist, da der Tempelbau sehr oft Angelegenheit des Herrschers ist, selbst wenn hinter dessen Initiative oft auch prophetische Impulse stehen. In Hag stehen die herrschenden Figuren Serubbabel und Jehoschua aber im Dienst des durch den Propheten übermittelten Wortes von »JHWH Zebaot«.

2. Hag 1,15b – 2,9

Die Redaktion der Worte des Propheten Haggai markiert durch das Datum: »2. Jahr des Königs Darius, am 21 Tag des siebten Monats« (17. 10. 520) ein weiteres überliefertes Haggai-Wort als zweiten Auftritt. Dieses Datum weist exakt die Gestalt des 1. Datums von 1,1 auf. Nach Esr 3,1–6 beginnt der Opferdienst auf dem neu errichteten Brandopferaltar am 1. Tag des 7. Monats. Somit ist das erste Wort Haggais in den Monat vorher datiert. Das zweite Datum weist wohl einen Bezug zu Lev 23,33–36 auf, wonach ab dem 15. Tag des 7. Monats das Laubhüttenfest zu feiern ist. Der Auftritt Haggais ist demnach datiert auf den Tag vor der Festversammlung, an dem keine schwere Arbeit verrichtet werden durfte und an dem ebenso wie an den anderen sieben Tagen JHWH ein Brandopfer darzubringen war. Sowohl nach den Ausführungen in Lev 23,33–36.39–44 als auch nach Ez 45,25, wo es als das Fest bezeichnet wird, scheint das Laubhüttenfest besondere Bedeutung gehabt zu haben. Es ist das große Gedenken an die Wüstenwanderung, was sich eventuell in V. 5aα niedergeschlagen hat. Der redaktionelle Charakter von 2,1 wird auch dadurch deutlich, dass das Wort JHWHs durch den Propheten Haggai ergeht, obwohl V. 2 den Propheten als den unmittelbaren Adressaten erscheinen lässt.

V. 2 benennt dann Serubbabel und Jehoschua – mit allen Angaben wie in 1,1 – und den »Rest des Volkes« (vgl. 1,12.14) als Adressaten der Botschaft. Nach V. 3 wendet sich Haggai mit drei rhetorischen Fragen an sie. In der ersten Frage beschwört er die frühere »Herrlichkeit« des Tempels (dieses Hauses), indem die Präsenz von Zeugen, die den von den Babyloniern zerstörten Tempel in seiner Pracht noch gesehen haben, angenommen wird, was der Situation um 520 v. Chr. wohl kaum entsprechen kann. Dabei dürfte das hebräische Wort kābȏd für »Pracht, Glanz« bewusst gewählt sein, da dieses Wort auch an die Präsenz JHWHs im Heiligtum denken lässt. Damit wird rhetorisch die zweite Frage nach seiner jetzigen Gestalt vorbereitet, die – wie die dritte Frage deutlich macht – ein »Nichts« in den Augen der Adressaten ist. Das Wort spricht zunächst wohl in eine Situation hinein, die gezeichnet war von Resignation und Mutlosigkeit und dem daraus entspringendem Mangel an Interesse, am Tempel weiterzubauen. Doch dem setzt der Prophet die Zusage des JHWH der Heerscharen entgegen: V. 9a: Die künftige Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die frühere. V. 3 und 9a sind stichwortmäßig ganz eng aufeinander bezogen. Der Prophet beschwört die Kraft des Vertrauens auf die Zusage JHWHs, der als der JHWH der Heerscharen gerade in Jerusalem von seinem Heiligtum aus seine Macht erweisen wird, wie es auch die alten Zionslieder (Ps 46; 48) bezeugen. Es ist letztlich die Kraft des Gottesglaubens, die auch nach dem prophetischen Zeugnis in Jes 43,18 nicht depressiv zurück, sondern zuversichtlich nach vorn blicken lässt. Wenn an das »Frühere« gedacht wird, dann um sich des Gott-Seins des Gottes Israels und damit der Macht seines Wirkens (vgl. Jes 46,9)zu vergewissern. Die künftige Herrlichkeit wird eben Ausdruck des neu sich erweisenden kābȏd JHWH, seiner sich im Heiligtum offenbarenden Herrschermacht, sein. Daher wird »dieser Ort« – deuteronomistischer Ausdruck für den Tempelberg in Jerusalem –, wie ein späterer Leser in V. 9b hinzugefügt hat, auch gezeichnet sein von der Gabe des šalôm (Frieden), den JHWH selber geben wird. Den Hintergrund einer solchen Aussage bilden wohl die großen Visionen vom Frieden (d. h. dem gelingenden Leben), den die Völker, die zum Berg Zion wallfahren, um das orientierende Wort JHWHs und seine Weisung zu hören, finden (vgl. Mi 4,1–5 // Jes 2,2–4).