JONAS GAMPE
So krempeln wir unsere Landwirtschaft um
und sichern unser Überleben.
Konzepte, Pläne, Hintergrundwissen
Warum nur im Kleinen Gutes tun, wenn man auch die ganze Welt verändern kann?
Mein bisheriger Weg: Wie ich zur Permakultur kam
Kurz vorgestellt: Die Landnutzung früher und heute
Das Alte mit dem Aktuellen verbinden – zu einer stabilen Zukunft
Status quo: Eine kurze Geschichte großer Probleme
Ein enormes Potenzial: Was eine Permakultur-Agrarwende ändern würde
An der Basis rütteln: Neue Landwirtschaftsstrukturen und die Prinzipien der Permakultur
Aus alt mach besser: Neue landwirtschaftliche Strukturen
Ein Wegweiser durch das Permakulturland: Entstehung, Ethik und Leitsätze
Permakultur-Techniken und -Herangehensweisen, die dir ganz bestimmt weiterhelfen: Rein in die Praxis
Ein Bestandsplan mit Infos zu Klima und Boden: Wo bin ich und wie sieht es hier eigentlich aus?
Eine Bestandsaufnahme der Ressourcen, Bedürfnisse und Begrenzungen: Was brauche ich?
Die Zonierung: Wie teile ich meine Fläche auf?
Eine Input-Output-Analyse: Was genau hab ich davon?
Die Verwendung eines Prozessmodells: Wie gehe ich an die Sache ran?
Die Zuhilfenahme eines Prinzipien-Sets: Wie bewahre ich den Überblick?
Ran an die Flächen: Lasst sie uns zukunftsfähig gestalten!
Konzepte, Beispielplanungen und Kalkulationen
Für Landwirte und Großgrundbesitzerinnen (mit ca. 20 bis 500 Hektar Fläche)
Für kleine bäuerliche Betriebe (mit etwa 5 bis 10 Hektar Fläche)
Für Leute mit einem kleinen Stückchen Land (ca. 1 Hektar Fläche)
Für Menschen mit großen Gärten (ca. 1.000 bis 5.000 Quadratmeter)
Für Gartenbesitzerinnen mit kleiner Fläche (ca. 100 bis 500 Quadratmeter)
Für grundstückslose Stadt- und Landbewohner
Gewusst wie: Umsetzungshilfen
Endlich Klartext: Warum sich Gärtnerinnen ständig widersprechen
Erst mal umgraben: Erdarbeiten und die Anlage von Feuchtbiotopen
Jetzt kommt Leben in den Boden: Die Pflanzenauswahl
Schaufel raus und los geht’s: Gehölze pflanzen
Vielfalt säen: Blumenwiese, Bienenweide und Gründüngung
Find what fits best: Verschiedene Beete und Bewirtschaftungsmethoden
Vernetzung ist alles: Zukunftsfähige Vermarktungsstrategien und Kooperationen
Schlagen wir Wurzeln: Der Wald der Zukunft
Ein wertvoller Lebensraum ist gefährdet
Von einem Waldsterben ins nächste
Wie könnte ein zukunftsfähiger Wald aussehen?
Und wer soll das bezahlen?
Knollige Sache: Was Trüffelanbau mit Humusaufbau, Arten- und Klimaschutz zu tun hat (von Svenja Nitschke)
Was Trüffel wollen: Lagecheck und Voraussetzungen
Der richtige Boden und eine ausgewogene Ernährung
Die besten Pflanzpartner
Farbe bekennen statt Schwarz-Weiß-Denken: Trüffelarten
Pilz-Schlaraffenland: Ein Trüffelbiotop schaffen
Immer der Nase nach: Wie kann ich Trüffel finden?
Wenn sich der Kreis schließt …
Mitgraben, mitmachen – und mitreden: Glossar
Hier öffnen sich noch mehr neue Welten: Literatur und weiterführende Quellen
Die Landwirtschaft hat einen enormen Stellenwert. Logisch, es geht um die Versorgung mit Lebensmitteln, mit Gemüse, Obst, Tierprodukten, Getreide. Es geht um unser Leben. Und: Die Landwirtschaft hat einen immensen Einfluss. Auf unser Klima, auf Hungersnöte, auf die Trinkwasserversorgung, auf das Artensterben. Und doch: Eine grundlegende Änderung der Landwirtschaft versandet oft in der vagen Forderung nach etwas ökologischerem Anbau. Dabei hat die Landwirtschaft ein riesiges Potenzial. Genauer gesagt: eine Umgestaltung der landwirtschaftlichen Grundstrukturen.
Vielleicht denkst du gerade, dass du mit der Landwirtschaft nichts zu tun hast, weil du nicht anbaust oder produzierst. Aber es können tatsächlich alle Menschen etwas Sinnhaftes dazu beitragen, dass sich die Landwirtschaft endlich zukunftsfähig ausrichtet und damit sehr große Bereiche unseres Lebens wieder positiv anstatt negativ beeinflusst. Es gibt aktuell schon Tausende gute Ideen, wie enkeltaugliches Handeln und Wirtschaften funktionieren kann. Diese warten nur darauf, umgesetzt zu werden.
Und damit komme ich zu dem großen Konzept, das die Landwirtschaft, wie sie heute größtenteils betrieben wird, auf die bestmögliche Art verändern kann: Ich spreche von der Permakultur. Was verbindest du mit dem Begriff? Vielleicht bist du mit dem Konzept bereits bestens vertraut, kennst die Ideen und Grundlagen dahinter. Oder du vermutest, dass es wohl irgendwas mit „permanent“ zu tun haben muss. Auch wenn der Ausdruck immer öfter durch die Medien flirrt, die eigentlichen Grundsätze, um die es geht, werden dabei oft wenig oder nur verwaschen erklärt.
Kurz gesagt: Das Gestaltungskonzept „Permakultur“ ist nach wie vor ein Nischenthema. Und genau aus diesem Grund möchte ich hier das enorme Potenzial von Permakultur auf großen Flächen aufzeigen. Und mit einer guten Portion ausgereifter Theorie und vielfältigen Praxiserfahrungen als Basis verschaffe ich dir die Möglichkeit, das vorhandene Bild der Landwirtschaft fundiert zu hinterfragen und anschließend bessere Alternativen zu entwickeln. Falls du das alles längst kennst und die Prinzipien der Permakultur sowieso schon verinnerlicht hast, dann blättere gerne gleich in den praktischen Teil dieses Buches weiter (ab Seite 50) und leg direkt los.
Die vielen Permakultur-Projekte, die es rund um den Globus gibt, sind meist kleinere Selbstversorgergärten, Gemeinschaftsgärten und sehr kleinteilige Landwirtschaft. Und es ist wirklich gut, dass es diese Projekte gibt. Sie sind extrem wertvolle Beiträge für zukunftsfähiges Wirtschaften. Zudem entspricht dieses Vorgehen vielen Permakultur-Prinzipien, wie beispielsweise: „Bevorzuge kleine und langsame Lösungen“, oder: „Ziehe Stabilität der Schnelligkeit vor.“ Allerdings haben die guten Ansätze und tollen Ideen der Permakultur so leider viel zu wenig globalen Einfluss, und man konnte in den letzten Jahrzehnten gut beobachten, dass sich zwar viele nachhaltige Projekte konsequent entwickelt haben, sich aber die großen Probleme unserer Zeit dennoch stetig verschärfen.
Wir können uns nicht mehr nur mit kleinen Veränderungen zufriedengeben, so wichtig diese auch sind. Unsere Welt braucht eine Neukonzipierung grundlegender Strukturen in Bereichen, die so unheimlich viel Einfluss haben wie die Landwirtschaft.
Wie in ihren Büchern gut zu erkennen ist, hatten die beiden Australier Bill Mollison und David Holmgren durchaus auch große Flächen im Blick, als sie das Gestaltungskonzept Permakultur entwickelten. Mit diesem Buch möchte ich diesen Ansatz nun weiter fortführen, konkretisieren und auf das enorme Potenzial aufmerksam machen, das wir mit der Umgestaltung von landwirtschaftlichen Flächen haben. Hierzu stelle ich gleich vorneweg eine steile These in den Raum:
Allein mit der Umgestaltung der landwirtschaftlichen Grundstruktur könnte die gesamte Menschheit in nur wenigen Jahren klimaneutral sein.
Auch für großflächige Landwirtschaft, die noch von vorhandenen Maschinen unterstützt wird, gibt es sehr nachhaltige und artenreiche Konzepte.
Hier stehe ich am Rand des Permakultur-Parks Bischbrunn – meine erste größere Versuchsfläche. Die Früchte dieser Arbeit ernten wir laufend als Team, nicht nur im übertragenen Sinne.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Keine Sorge, diese These werde ich nachfolgend natürlich noch ausführlich anhand von Zahlen, Rechenbeispielen und der Vorstellung zukunftsfähiger Grundkonzepte belegen.
Ich beschäftige mich nun seit einem guten Jahrzehnt mit der Gestaltung und Anlage von essbaren Ökosystemen im Sinne der Permakultur. Meine ursprüngliche Ausbildung zum Landschaftsgärtner war hierbei stets eine gute Basis, denn ich lernte in dieser Zeit viel Brauchbares aus den Bereichen Pflanzenkunde, Bautechnik und Maschinenführung. Nach zwei Gesellenjahren machte ich meinen Techniker im Garten-Landschaftsbau und konnte mir zudem viele Planungs- und Zeichentechniken aneignen. Und dann kamen die großen Zukunftsvisionen dazu: Denn direkt im Anschluss an die Technikerprüfung folgte die berufsbegleitende Weiterbildung zum Permakultur-Designer. Es war sehr faszinierend für mich, welch umfassende Ideen für konsequent zukunftsfähiges Wirtschaften es bereits gab und wie sich diese wunderbar mit dem Grundwissen aus dem Garten-Landschaftsbau verbinden und vernetzen ließen. Zeitgleich legte ich mit meinem Vater zusammen ein Experimentiergelände auf einer 11.500 m² großen Ackerfläche an, auf der alles ausprobiert wurde, von dem wir bis dahin nur gelesen hatten. Unglaublich viele Praxiserfahrungen aus diesem Projekt sind seitdem in meine Arbeit geflossen – wie auch in mein erstes Buch „Permakultur im Hausgarten“.
Ich möchte die Gelegenheit kurz nutzen, um mich herzlich bei den Begleitern meines bisherigen Weges zu bedanken: Danke an meine Eltern und Lehrer, dass ich ohne große Diskussion eine handwerkliche Ausbildung starten konnte anstelle des angeratenen Mathematikstudiums. Danke an meinen damaligen Ausbildungsbetrieb und eine Ausbilderin, die mir mein erstes Buch zum Thema Permakultur in die Hand gedrückt hatte. Danke auch für die wissensreichen Lehrkräfte in Berufsschule und Technikerschule und an die vielen konstruktiven Menschen vom Permakultur-Institut und von der Permakultur-Akademie. Herzlichen Dank an die Entwickler des Permakultur-Konzepts und danke auch an einen ganz bestimmten Lehrer, der mir damals auf der Technikerschule eine Vier minus auf meinen Businessplan gegeben hatte. Denn diese schlechte Benotung war der Auslöser für die prompte Gründung meines Planungsbüros, ganz nach dem Motto: „Wollen wir doch mal sehen, ob dieser Businessplan wirklich eine Vier minus ist!“ Dieses Planungsbüro, in dem ich bisher Hunderte Projekte geplant und umgesetzt habe und in dem ich mittlerweile auch nicht mehr nur von „ich“ reden kann, sondern angenehmerweise von einem großen „wir“, hat mir die umfassendsten Erfahrungen bereitet. Im Nachhinein betrachtet wäre eine Eins plus vielleicht die angemessenere Note gewesen, doch die Vier minus hat mich deutlich weitergebracht.
Mit einem guten Team macht nicht nur die Arbeit wesentlich mehr Spaß, sondern auch die Pausenzeit.
Warum erzähle ich das alles? Weil aus diesem beruflichen Weg die Ideen, die Konzepte und Erfahrungen entstanden sind, die du nachfolgend in diesem Buch finden wirst. Und auch meine Motivation, dieses Buch überhaupt zu schreiben, ist daraus resultiert. Denn in unserem Team im Planungsbüro geht es uns mittlerweile so, dass wir die unzähligen und meist nicht zielführenden Debatten in Politik, Wirtschaft und Medien kaum noch ertragen können. Durch unsere Arbeit und dabei auch durch den Kontakt zu vielen nachhaltig denkenden Menschen haben wir Kenntnis von so vielen guten Möglichkeiten, mit denen man all die großen Probleme – wie zu schneller Klimawandel, Artensterben, Grundwasserverschmutzung, Wetterextreme usw. – an sich recht einfach lösen könnte. Es fällt schwer, da ruhig sitzen zu bleiben, wenn man sich ständig in Politik und Medien anhören muss, vor welch unlösbaren Aufgaben wir stehen und dass es ja anscheinend keine Möglichkeit gebe, die irgendwie sinnvoll zu bewältigen.
Das Grundanliegen dieses Buches ist also, einige jener vielen Möglichkeiten und Konzepte detailliert aufzuzeigen, mit denen wir sehr wohl all die großen Probleme gut meistern können. Klar, das ist eine große Ansage und mag für manche vielleicht verträumt klingen. Allerdings bin ich absolut kein Träumer. Ich bin vielmehr Pragmatiker. Ich mag verlässliche Zahlen und ganz konkrete Rechenbeispiele, und die belegen schlicht und einfach, dass eine Permakultur-Agrarwende gut möglich ist und dass sie das Potenzial hat, die Welt komplett zu verändern. Aber jetzt erst mal ganz von Anfang an.
Eine typische Monokultur-Landwirtschaft von heute, die leider mit vielen negativen Nebeneffekten einhergeht: Artenarmut, Wasserverschmutzung, Förderung von Wetterextremen, Erosion usw.
Die Inschrift auf diesem Schild spricht Bände: Die Macher der großen Flurbereinigung ahnten offenbar schon, welchen Schaden sie damit anrichten würden.
Monatelang kein Regen im Sommer, extreme Hitze mit starker Verdunstung, flächendeckende Wasserknappheit, durch Dürre sterbende Wälder, tote Ackerlandschaften. Eine Beschreibung aus Nordafrika? Nein, so sieht es mittlerweile in Zentraleuropa aus. Hinzu kommen ein breites Artensterben, stark belastetes Trinkwasser und extreme Wetterereignisse. So langsam ist auch für Laien gut zu erkennen, dass sich die einst stabile Biosphäre des Planeten Erde verabschiedet und vermutlich kurz vor dem Zusammenbruch steht. Sollten sich die letzten fünf Sommer nochmals so wiederholen, ist es gut möglich, dass fast die gesamte Waldfläche in Deutschland bald braun anstatt grün ist. Damit wäre dann auch das letzte puffernde Ökosystemelement gefallen und der Versteppung bzw. Wüstenbildung stünde nicht mehr viel im Weg (sofern man bei instabilen Holzplantagen – das sind nämlich die meisten unserer Wälder heutzutage leider – überhaupt noch von Ökosystemelementen sprechen möchte).
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Ganz grundlegend gesagt, haben wir in den letzten 200 Jahren fast alle stabilen und puffernden Elemente aus der Biosphäre der Erde entfernt und sie durch Elemente ersetzt, die Extreme aller Art fördern. Eigentlich ist es völlig logisch, dass dies zwangsläufig irgendwann zu einem Zusammenbruch der Biosphäre führen muss. Konkreter gesagt: Urwälder, Moore, Strukturvielfalt, lebendige Böden und kleinteilige Topografie wurden durch Holzplantagen, riesige versiegelte Flächen und ebene, großflächige Monokulturen ersetzt. Somit können die Grundfunktionen von Ökosystemen nicht mehr gewährleistet werden, und die Biosphäre bricht langsam zusammen. Zu diesen Funktionen gehören beispielsweise das Bremsen von Wind, die Befeuchtung der Luft, das Zurückhalten und Reinigen des Wassers, die Bereitstellung von neuem Lebensraum und das Ermöglichen einer Anpassung von Arten an neue Gegebenheiten.
So sieht eine kleinteilige Landwirtschaft von früher aus: mit vielen Gehölzstrukturen dazwischen. Eine Mischung aus Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Weinbau. Hier hatte die Landwirtschaft noch positive Einflüsse auf Artenvielfalt und Co.
Wir sollten uns immer vor Augen halten, wie alt in etwa der Planet Erde ist, wie alt die bestehende Biosphäre und die großen Ökosysteme sind, wie jung die Menschheit und wie kurz der Abschnitt seit der großen Industrialisierung ist. Also: seit wann die ohnehin sehr junge Menschheit in großem Maßstab auf die Biosphäre einwirkt und diese massiv beeinflusst. Denn dann lässt sich auch sehr leicht verstehen, warum viele einzelne Arten, aber auch große Ökosysteme und letztendlich die gesamte Biosphäre es momentan extrem schwer haben, sich an die schnell wechselnden Bedingungen anzupassen, die der Mensch erschafft.
Wie sehr wir alle abhängig von einer möglichst stabilen Biosphäre sind, kann an vielen Beispielen eindrücklich getestet werden. Die schnellste Methode: Halte einfach mal für nur zwei Minuten die Luft an und beobachte, was passiert, wenn du nur ganz kurze Zeit nicht den Sauerstoff in dich aufnimmst, den die Biosphäre uns allen bereitstellt.
Dieser junge Walnussbaum ist Teil eines ganz frisch angelegten Agroforstsystems. Er wird ganz ohne Dünge- und Spritzmittel im Roggenfeld, wo sich die verschiedensten Tierchen tummeln, zu einem der vielen wichtigen Bestandteile einer arten- und ertragreichen Landwirtschaft heranwachsen.
So sieht ein enkeltaugliches System aus: Ringelblumen und Kartoffeln auf dem Heubeet, Beerenobst, eine Wildobsthecke und eine Trockenmauer. Hier können sich Generationen über eine üppige Ernte und eine wunderbare Artenvielfalt freuen.
Unsere Großeltern können sich noch gut an strukturreiche Landschaften mit kleinteiliger Landwirtschaft erinnern: an einen bunten Flickenteppich aus verschiedenfarbigen Feldern, Weiden, Hecken und Bäumen, an eine kleinteilige und artenreiche Kulturlandschaft. Und sie haben auch noch die sehr mühsame Arbeit in dieser Form der Landwirtschaft im Gedächtnis. In der Permakultur-Landwirtschaft geht es jedoch keineswegs um ein „Zurückdrehen der Zeit“ und darum, alles wieder möglichst altmodisch und von Hand zu machen. Es geht vielmehr darum, aus der aktuellen Lage heraus ein zukunftsfähiges Wirtschaften zu entwickeln. Wir haben vor allem im letzten Jahrhundert mit massivem Maschineneinsatz die Erde verändert. Da wäre es jetzt fast schon unfair der Erde gegenüber, wenn wir nur mit Hand und Schaufel die Landschaften ganz langsam wieder zukunftsfähig gestalten. Die Nutzung auch großer Maschinen ist bei der Permakultur keineswegs ausgeschlossen, wenn die Gestaltung und Anlage in eine konsequent nachhaltige Richtung geht und dabei möglichst ressourcenschonend geschieht. Permakultur ist ohnehin ein sehr pragmatisches und nicht dogmatisches Gestaltungskonzept. Es geht immer darum, aus dem jeweiligen Kontext die bestmögliche Lösung für die Zukunft zu entwickeln. Da wäre es beispielsweise unsinnig, wenn ein Landwirt Mähdrescher und Traktoren nicht nutzt, die bei ihm abgezahlt und frei verfügbar in der Scheune stehen. Damit fällt ein Start oft leicht und es können Konzepte daraus entwickelt werden, die zukünftig immer weniger Maschineneinsatz benötigen, sodass dann vielleicht kein neuer Mähdrescher mehr gekauft werden muss, sobald der alte vorhandene den Geist aufgibt.
Aber kommen wir wieder zu den Unterschieden in der Landnutzung zurück. Die Landwirtschaft vor 100 bis 200 Jahren sah wie erwähnt noch sehr kleinteilig aus. Wildgehölzhecken zwischen kleinen Feldbereichen, Obstbäume und Obstgärten um die Siedlungen herum, vielfältige Kulturen auf den Flächen, ab und an mal ein Feucht- oder Trockenbiotop und auch reichlich essbare Großbäume wie Walnuss, Esskastanie und Co. Viele der heutigen Arten konnten sich in dieser Strukturvielfalt gut entwickeln. Und unter anderem diese Arten stehen nun kurz vor dem Aussterben oder sind bereits ausgestorben, da sich in verhältnismäßig kurzer Zeit fast das komplette Landschaftsbild der Erde geändert hat.
Unser Ziel muss es sein, Systeme zu erschaffen, von denen auch noch die nächsten Generationen profitieren.
Wie wäre es nun, wenn wir die frühere Strukturvielfalt mit den heutigen technischen Möglichkeiten verbinden, noch ein paar neue Ideen hinzufügen und so eine ressourcenschonende und zukunftsfähige Landwirtschaft erschaffen? Da sind wir auch schon mitten in der ursprünglichen Entstehung des Permakultur-Konzeptes. Denn die Grundidee war, die landwirtschaftliche Produktion nicht mehr über großflächige Monokulturen abzudecken, sondern über stabile Ökosysteme aus größtenteils mehrjährigen Pflanzen. Diese grundlegende Änderung in der Struktur würde dafür sorgen, dass sich alle negativen Nebeneffekte der momentanen Landwirtschaft in positive Nebeneffekte umwandeln und eine regenerative Landwirtschaft entsteht.
Die starke Veränderung des Planeten Erde in kurzer Zeit beschränkt sich natürlich keinesfalls nur auf die Landwirtschaft. Auch der Abbau von Ressourcen vieler Art (beispielsweise Kohle, seltene Erden, Erze usw.) sowie Siedlungsbau und Städteplanung haben hier sehr großen Einfluss auf einen oft unsinnigen und vor allem nicht zukunftsfähigen Flächenverbrauch. Es wird bestimmt in Zukunft noch ein Buch über Permakultur in der Stadtplanung und im Bauwesen folgen. Denn auch hier schließt sich konsequent nachhaltiges, ökologisches und soziales Wirtschaften mit dem Bau neuer Siedlungen, Häuser oder Gewerbegebiete keinesfalls aus. Das Problem ist nicht der Mensch an sich, auch nicht die Summe der Menschen oder der Fakt, dass der Mensch eben auch bestimmte Dinge tun muss, um angenehm leben zu können. Das Problem ist die Art und Weise, wie die Menschheit momentan in der Summe wirtschaftet.
Also: Wir müssen dringend etwas ändern und am besten sofort damit loslegen. Warum also nicht gleich bei dem Bereich mit dem größten Potenzial und vergleichsweise einfachen Möglichkeiten zur Umgestaltung anfangen? Aus diesem Grund geht es in diesem Buch nur um den Bereich Landwirtschaft. Die weiteren Themen werden aber noch folgen. Versprochen!
Wie massiv sich selbst geringe Schwankungen der Jahresdurchschnittstemperatur auswirken, mussten viele Menschen beispielsweise während der „kleinen Eiszeit“ (Anfang des 15. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert) erfahren, bei der die globale Temperatur nur etwa 0,8 Grad kühler wurde als in den Jahrhunderten zuvor. Dies genügte schon, um eine Vielzahl an Missernten auszulösen, die zu Hungersnöten und Krankheiten, sozialen Unruhen und Kriegen führten.
Nein, es soll jetzt kein Geschichtskurs veranstaltet werden. Aber es ist doch so: Um etwas nachhaltig verändern zu können, müssen wir uns erst einmal darüber klar werden, wie der aktuelle Zustand ist und wie es dazu kam. Immer wieder taucht auf: „Seit Fridays for Future hört man nichts anderes mehr. Klima, Klima, Klima.“ Das mag so sein. Glücklicherweise. Denn das ist gut so! Nur mit dieser ständigen Konfrontation kann uns wirklich bewusst werden, wie wir alle – im Kleinen und im Großen – unseren Planeten und unsere Zukunft beeinflussen. Denn es ist nun mal so, dass es kaum ein Thema gibt, das fast sämtliche Lebewesen auf dem Planeten Erde so stark betrifft wie das Klima und dessen Schwankungen. Deshalb, auch wenn es wehtut, müssen wir uns zuallererst damit auseinandersetzen, in welcher Lage wir aktuell stecken.
In einem monokulturell bewirtschafteten Feld fehlt schlichtweg der Lebensraum für sehr viele Tier- und Pflanzenarten.
Was uns in der Zukunft bei einem Temperaturanstieg von 1,5 oder sogar 2 Grad erwartet, können wir mittlerweile durch die zunehmend häufiger auftretenden Klimaextreme schon gut erahnen. Der trockene Sommer 2018 wird oft als Beispiel angeführt, wie die globale Erwärmung auch in Mitteleuropa deutlich sichtbar und spürbar wurde. Aber auch andere Naturkatastrophen der letzten Jahre – die starke Zunahme von Wirbelstürmen, Starkregenereignissen und Überschwemmungen – sind Beweise für die verheerenden Auswirkungen unseres derzeitigen Lebensstils.
Selten herrscht in der Wissenschaft so viel Einigkeit wie bei diesem Thema: Die Erde heizt sich auf, die Klimakrise ist da, und wenn kein Umdenken im Kopf der Menschen stattfindet und keine Maßnahmen getroffen werden, die dieser Entwicklung Einhalt gebieten, wird es unsere Erde und unser Leben in der heutigen Form ganz einfach bald nicht mehr geben. Welche ganz konkreten Auswirkungen der Klimaerwärmung zukünftig über uns hereinbrechen werden, kann aktuell noch niemand sicher sagen. Kommt es zu einem Stoppen des Golfstroms? Wie weit wird der Meeresspiegel tatsächlich ansteigen und mit welchen Langzeitfolgen?
Deutlich sichtbare Nebeneffekte der industriellen Landwirtschaft: toter und stark ausgetrockneter Boden. Solche Böden werden in Zukunft immer mehr zu starken Ertragseinbußen führen, wie an dem sterbenden Mais eindrücklich zu sehen ist.
Was passiert, wenn Regionen, die bisher schneebedeckt waren, wieder grün werden? Die wichtigste Frage aber ist: Warum gehen wir mit unserem derzeitigen Handeln überhaupt ein so hohes Risiko ein, wenn es doch so viele Möglichkeiten für zukunftsfähiges Handeln gibt? Denn Tatsache ist:
Mit dem Wetter, das zunehmend ungemütlicher wird, wird auch unser Leben, unsere ganze Existenz, unsere Zukunft ungemütlicher. Daher sollten wir alle eigentlich großes Interesse daran haben, diese Entwicklung möglichst schnell aufzuhalten und anschließend wieder etwas zurückzudrehen.
Dieses Buch hat den Anspruch, die effektivste Art der Klimamäßigung vorzustellen – und konkrete Maßnahmen dafür, die von allen durchführbar sind, von der Bäuerin bis zum Studenten, in großen Städten und auf weiten Feldern. Hier soll nicht gejammert werden und es sollen nicht nur all die negativen Dinge aufgezählt werden, die uns zum Verzweifeln bringen können. Denn dies ist ein konstruktives Buch. Ich möchte dir hier praktische und zum Teil wirklich einfach umsetzbare Methoden vorstellen, die wir alle anwenden können. Dieses Buch ist also ein praxisnaher Ratgeber, der zeigt, dass jeder Mensch etwas Sinnvolles beitragen kann, und dies auf sehr effiziente Weise – wir können mit kleinen Dingen große Wirkungen erzielen. Ich will dich nicht mit einem „Oh, ist das alles schrecklich“ zurücklassen, sondern vielmehr mit einem: „Ach, das ist ja eigentlich recht einfach – los geht’s!“ Wir können auf kleinerer und größerer Ebene handeln und längerfristig unglaublich viele Probleme damit lösen. Und uns nebenbei weiterbilden, mehr über Pflanzen, Tiere und unsere Umwelt lernen, die faszinierenden Abläufe in den natürlichen Kreisläufen um uns herum besser verstehen, Zeit in der Natur verbringen und so wirklich tolle und produktive Systeme erschaffen, die uns mit allem versorgen, was wir benötigen, und dabei auch noch enkeltauglich funktionieren.
Hier siehst du den krassen Unterschied zwischen Permakultur und industrieller Landwirtschaft – wie Tag und Nacht.
Da es ja durchaus Menschen gibt, die den Klimawandel für ein erfundenes Konstrukt halten oder seine Relevanz zumindest anzweifeln, möchte ich noch Folgendes anfügen: Die erhöhten Treibhausgase sind sicherlich nur ein Teilbereich, mit dem unsere Biosphäre aktuell zu kämpfen hat. Abholzung, Flächenversiegelung, Strukturarmut, zu viele Fremdstoffe in zu großer Menge in den großen Ökosystemen (z. B. bergeweise Plastik in den Weltmeeren) und vieles mehr setzen die Biosphäre des Planeten Erde stark unter Druck. Und damit kommen wir zur besten Nachricht dieses Buches: Egal, woran es denn nun genau liegt, weshalb die großen Ökosysteme langsam zusammenbrechen (vermutlich ist es eine Mischung aus allen Faktoren), mit den Ideen und Konzepten in diesem Buch werden die größten Ursachen behoben. – „Ja, lehnt sich der Autor mit solch steilen Thesen nicht schon wieder viel zu weit aus dem Fenster!?“ – Jein. Natürlich wird sich nicht viel an den globalen Herausforderungen ändern, wenn der Flächenanteil von Permakultur-Landwirtschaft auf nur wenige Prozentpunkte beschränkt bleibt. Wenn man sich die möglichen Ursachen unserer aktuellen Probleme nüchtern ansieht und die positiven Effekte von alternativen Wirtschaftsformen mit den gesamten zur Verfügung stehenden Flächen multipliziert, dann erhält man aber doch ein riesiges Potenzial, mit dem unser Planet recht zügig und einfach wieder zukunftsfähig gestaltet werden kann. Es sind einfache Hochrechnungen (Effekt mal Fläche), auf die ich mich hier beziehe. Wie die Zukunft dann tatsächlich aussehen wird, kann ich weder sagen noch umfassend beeinflussen. Dies wird von den Taten aller Menschen abhängig sein.
Und sollte der rasche Klimawandel tatsächlich nichts mit uns Menschen zu tun haben, dann werden wir mit einer Permakultur-Agrarwende eben nicht 100 Probleme lösen, sondern nur 99. Wir machen dabei also schon mal nichts falsch. Denn Fakt ist: Der Klimawandel ist bei Weitem nicht unser einziges Problem.
Aber: Einige der ganz großen Sorgen, die uns alle betreffen, lassen sich durch eine Permakultur-Agrarwende umfassend bewältigen. Zum Beispiel:
→ DIE TRINKWASSERVERSCHMUTZUNG: Durch die industrielle Landwirtschaft, aber auch durch industrielle Anlagen, den Tagebau usw. gelangen viele schädliche Stoffe, die ab gewissen Grenzwerten langfristig sehr ungesund für uns werden können, in unser Trinkwasser. Hinzu kommt, dass ausgelaugte, „tote“ Böden und ebene, offene Landschaften keinen nennenswerten Einfluss mehr auf die Rückhaltung und Reinigung von Wasser haben können.
Der lebendige und humose Boden, die vielfältigen Strukturen in der Geländeoberfläche und gezielte Feuchtbiotope mit Rückhaltewirkung sorgen in der Permakultur-Landwirtschaft dafür, dass Wasser zurückgehalten wird, langsam versickert und dabei gereinigt wird. Zudem gibt es bei dieser Art Landwirtschaft langfristig keine Verunreinigungen durch Spritzmittel und konzentrierte Düngemittel mehr (Details dazu im weiteren Verlauf des Buches).
→ DAS ARTENSTERBEN: Durch den großflächigen Wegfall vielfältiger Kleinstrukturen ist auch der Lebensraum für sehr viele Tier- und Pflanzenarten mittlerweile massiv eingeschränkt. Kein Wunder, dass es zu einem breiten und raschen Artensterben kommt. Würde man uns Menschen unsere Häuser und unsere Nahrung wegnehmen, hätten wir auch sehr schnell mit dem Überleben zu kämpfen. Hier hilft uns in der Permakultur-Landwirtschaft vor allem die pure Strukturvielfalt. Denn wir müssen eigentlich nichts weiter tun, als einfach wieder viele verschiedene Strukturen aus Bäumen, Hecken, Steinen, Totholz, Einsaaten, Feuchtstellen usw. anzubieten, und schon siedeln sich die zurückgedrängten Arten schnell wieder von selbst an (sofern sie noch nicht gänzlich ausgestorben sind).
Mein Motto: Bäume pflanzen! Das ist der effektivste Weg, um unsere Biosphäre zu schützen. Weil Vielfalt immer gewinnt – wir brauchen landwirtschaftliche Ökosysteme anstelle von landwirtschaftlichen Monokulturen.
→ DIE WETTEREXTREME: Hier lobe ich mir die umfassenden und fürchterlich akribischen Aufzeichnungen von Versicherungsanbietern, aus denen die Zunahme von Schäden durch Wetterextreme gut zu erkennen ist. Aber man muss eigentlich nur ein paar Mal im Jahr vor die Türe gehen, um zu merken, dass es irgendwie ganz schön heiß bei uns geworden ist. Die zunehmenden Dürren lassen sich am eindrucksvollsten am umfangreichen Waldsterben beobachten. Und bei wem es in den letzten Jahren schon einmal 200 Liter innerhalb weniger Stunden geregnet hat, kennt auch diese Art der extremen Wetterereignisse. Wenn nun große Teile der Landschaft (und auch der Siedlungen und Städte) wieder mit vielen Gehölzstrukturen und allgemein klimamäßigenden Elementen angelegt wären, würden diese Extreme schnell wieder zurückgehen. Den Wind zu bremsen, die Luft zu befeuchten, den kleinen Wasserkreislauf wieder anzukurbeln und Niederschläge zurückzuhalten, sind hierbei die wichtigsten Faktoren zur Abmilderung von Wetterextremen.
Wir sind auf jeden Fall stolze tree huggers. Denn aus jeder Perspektive ist klar zu erkennen: Gehölzreiche Strukturen bieten mehr Lebensraum und binden mehr Kohlenstoff.
Ausreden gibt es keine mehr, wenn wir unsere Zukunft und die unserer Enkelkinder sichern wollen.
→ DIE FEHLENDE NAHRUNGSMITTELSOUVERÄNITÄT: „Das ist doch bei uns in Europa kein Thema, oder? Bei uns gibt es doch immer alles im Supermarkt um die Ecke zu kaufen, oder?“ Na, hier möchte ich an den Anfang der Corona-Pandemie erinnern, als hierzulande plötzlich Klopapier, Nudeln und dann auch Konserven auf einmal nicht mehr zu bekommen waren. So schnell kann es nämlich gehen, wenn sich nur ein kleiner Faktor in unserem Wirtschaftssystem ändert. Wie aber sieht es dann aus, wenn sich mal ein großer Faktor ändert? Wenn also beispielsweise ein Krieg ausbricht oder der Strom für eine Weile ausfällt oder auch einfach nur ein großer Zulieferer seine Firma beispielsweise wegen unzureichender Hygienebestimmungen kurzzeitig schließen muss oder es eine starke Inflation gibt? Wäre es da nicht schön, wenn zumindest die Grundversorgung mit allen benötigten Lebensmitteln halbwegs regional und eigenständig funktioniert? Und wie viel Energie könnte eingespart werden, wenn in allen Regionen der Erde wieder alle benötigten Grundlagen vor Ort vorhanden wären und nicht quer über den Globus transportiert werden müssten?
→ SOZIALE UND WIRTSCHAFTLICHE KONFLIKTE: Was passiert, wenn sich ein größerer Faktor verändert und die Grundbedürfnisse der Menschen nicht mehr abgedeckt werden können, lässt sich sehr gut an den vielen Flüchtlingsströmen sehen. Ein regionaler Krieg und kurzzeitig nichts zu essen bzw. auch „nur“ verunreinigtes Trinkwasser reichen aus, dass sich ganze Volksmassen in Bewegung setzen und irgendwo nach besseren Lebensumständen suchen. Da stimmt es positiv zu sehen, dass vor allem in großen Teilen Afrikas die Permakultur-Ideen stark im Kommen sind. Es wird höchste Zeit, dass sich wirtschaftlich benachteiligte Länder endlich von ihrer Abhängigkeit von den großen Industrienationen befreien und wieder eigenständig und unabhängig funktionieren können.
Noch ein kurzes Wort zu uns Europäerinnen und Europäern: Es ist nicht zielführend, immer den anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben: anderen Leuten, anderen Nationen, den Gegebenheiten, den Finanzmärkten usw. In Europa scheinen einige Menschen paradoxerweise davon auszugehen, dass wir doch eigentlich gar nicht so viele Probleme verursachen, ja sie denken sogar, dass wir in unserer überlegenen wirtschaftlichen und erfinderischen Situation mehr Probleme lösen als erschaffen. Dazu sei angemerkt, dass es mit der Biosphäre der Erde schon lange zu Ende wäre, wenn alle Menschen auf diesem Planeten unseren Lebensstil hätten. Es gibt demnach keine Chance, sich aus der Verantwortung zu ziehen.
Also loslegen und handeln!
Permakultur-Landwirtschaft eröffnet unseren Kindern völlig andere Perspektiven.
Weshalb steht im Titel dieses Buches, dass wir gemeinsam die Landwirtschaft umkrempeln müssen – und warum werden nicht etwa „Kohleausstieg“, „Elektromobilität“ oder „erneuerbare Energien“ erwähnt? Warum soll es ausgerechnet eine Agrarwende geben? Warum sollen wir die Landwirtschaft ändern und nicht eines der vielen anderen Probleme angehen? Diese Fragen sind einfach beantwortet: Die Landwirtschaft hat ein dermaßen hohes Potenzial zur Veränderung, dass es vollkommen ausreichen würde, lediglich die landwirtschaftlichen Strukturen zu verändern. Und das würde nicht nur ausreichen, um den Klimawandel innerhalb kurzer Zeit komplett auszubremsen, sondern würde auch sämtliche Hungersnöte beheben, überall sauberes Trinkwasser bereitstellen und das menschengemachte Artensterben stoppen.
Umso erstaunlicher, ja fast schon unfassbar ist es, dass die umfassende Strukturänderung der Landwirtschaft mit keinem Wort in allen bisherigen Klimakonferenzen und deren Beschlüssen erwähnt wird. Lediglich die sehr zaghafte Förderung der ökologischen Landwirtschaft und die Erkenntnis, dass Fleischkonsum nicht so gut fürs Klima ist, sind in diesem Zusammenhang in den Protokollen und Verlautbarungen zu lesen. Da fängt man schon an, ein wenig an der Kompetenz politischer Entscheidungsträger zu zweifeln.
Eine Botschaft ist mir in dem Zusammenhang wirklich wichtig: Lass dich nicht für dumm verkaufen und informiere dich vielschichtig! Das beinhaltet, auch mir hier kein Wort zu glauben. Überprüfe meine Aussagen, fange klein an, mache Versuche, probiere die Möglichkeiten aus und erschaffe so eine nachhaltige Zukunft!
Lass uns nun einen Blick in die Zukunft werfen. Wie würde es auf unserem Planeten aussehen, wenn die Agrarwende bereits vollzogen wäre? Ich möchte dir in diesem Buch ganz konkret die Tragweite und das Ausmaß einer sinnvollen Agrarwende verdeutlichen. Deshalb starten wir nun mit einem gut nachvollziehbaren Rechenbeispiel.
Für eine grobe erste Vorstellung hier eine meiner Definitionen, wie eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen könnte:
Der Anbau sämtlicher landwirtschaftlicher Güter soll in multifunktionalen Ökosystemen geschehen (Stichwort: Permakultur) und somit aus einer vielfältigen und sich ergänzenden Mischung aus einjährigen Feldfrüchten, mehrjährigen Stauden, Wildgehölzen, Obstund Nussbäumen bestehen.
Das bedeutet: In etwa die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen wäre dann mit unterschiedlichsten Gehölzen bedeckt, die die dazwischen liegenden einjährigen und auch mehrjährigen krautigen Pflanzen durch Windschutz, Hagelschutz, Verdunstungsschutz und viele weitere Effekte positiv beeinflussen. Genauere Details dazu noch in aller Ausführlichkeit später in diesem Buch. Momentan ist nur wichtig zu wissen, dass in etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche bewaldet wäre und dass Bäume CO₂ speichern.
Solange ein Baum wächst und Holz bildet, nimmt er Kohlenstoff auf und speichert ihn in seiner organischen Masse, also vor allem im Holz. Würden wir nun landwirtschaftliche Flächen im Sinne der Permakultur gestalten und dazu auch mit landwirtschaftlich nutzbaren Gehölzen bepflanzen, hätten wir den Effekt, dass diese im Durchschnitt ca. sieben Tonnen CO₂ pro Jahr und Hektar speichern. Auf der gesamten Erde beträgt die landwirtschaftliche Nutzfläche etwa 4.862.000.000 Hektar. Somit hätten wir eine jährliche CO₂-Bindung von über 34 Milliarden Tonnen, wenn wir alle landwirtschaftlichen Flächen umgestalten würden. Der weltweite CO₂-Ausstoß lag 2016 bei ca. 35 Milliarden Tonnen. Berücksichtigt man die weiteren Effekte wie beispielsweise weniger CO₂-Ausstoß durch nachhaltige Landwirtschaft oder zusätzlichen CO₂-Speicher durch Humusaufbau, wären wir nur durch eine Änderung der Landwirtschaftsstruktur ziemlich schnell klimaneutral. Und das ganz ohne erneuerbare Energien, alternative Antriebstechniken, weniger Stromverbrauch, nachhaltigen Konsum usw. Das enorme Potenzial der Landwirtschaft würde schon genügen. Wichtig bei der obigen Rechnung ist natürlich auch die nachhaltige Nutzung des produzierten Holzes, sodass das gebundene CO₂ auch möglichst lange gebunden bleibt. Holz wieder vermehrt als Baustoff zu verwenden, hätte weitere einsparende Effekte, da die Emissionen von anderen Baustoffen (wie z. B. von Beton) in der Folge niedriger ausfallen würden.