Cover

Dr. Isa Grüber

Resilienz

Dein Körper
zeigt dir den Weg

Wirksame Übungen
für innere Stärke und gute Nerven

Für meinen Vater,
der mir Resilienz vorlebte,
und für Peter Levine,
der mich das Wie lehrte.

INHALT

ZUR EINSTIMMUNG

Resilienz mit dem Körper als Kompass

SICH FREUNDLICH DEM KÖRPER ZUWENDEN

Der erste Schritt: Freundliche Aufmerksamkeit für Ihren Körper

Wahrnehmen, ohne zu bewerten

Die Stressskala von 0 bis 10

Im roten und im grünen Bereich

Vorsichtig antippen: Wie spüre ich Stress im Körper?

Genüsslich nachspüren: Wie spüre ich etwas Schönes im Körper?

Der innere Beobachter

Neuroplastizität – ein Leben lang Muster umlernen

ANKOMMEN IM HIER UND JETZT

Basisübungen zur Stabilisierung

Weitere Übungen zum Stabilisieren

Die Wirkung dieser einfachen Übungen genießen

DAS GEHEIMNIS DER RESILIENZ

Ein resilientes Mädchen

Somatic Experiencing und das Lebensflussmodell

Das Modell der liegenden Acht

Pendeln zwischen den Polen

DAS ALLERWICHTIGSTE: IHRE RESSOURCEN

Ressourcen – innere und äußere Kraftquellen

WORAUF ES BEIM SPÜREN ANKOMMT

Spüren macht glücklich

Wann darf man nachspüren und wann auf keinen Fall?

Immer wieder: Es geht um Aufmerksamkeit

Spüren ist langsam

Worauf es beim Spüren noch ankommt

Erleichterung im Körper ankommen lassen

Last, but not least: Das richtige Maß beim Spüren

RESILIENZ DURCH SELBSTREGULATION

Warum »Loslassen auf Knopfdruck« nicht funktioniert

Die Minus-Seite: Wir bleiben am Rand

Die Plus-Seite: Das positive Umschalten im Körper bemerken

Die fünf Schritte der Selbstregulation

EMOTIONEN IM KÖRPER REGULIEREN

Emotionale Energie kann man lenken

Toleranzfenster

Vorsicht vor Überwältigung

Angst – zurück zum gesunden Maß

Wut – wohin damit?

Depressive Verstimmungen – raus aus dem Kollaps

Einsamkeit – die innere Leere füllen

Trauer – pendeln zwischen den Polen

RESILIENZ ALS WEG

»Ich schaffe es«

Wie ich auf dem Jakobsweg das Selbstmitgefühl entdeckte

Den inneren Antreiber erkennen: Das Ziel ist im Weg

Womit füttern Sie Ihr Gehirn?

Am Rande des Angstfeldes bleiben

Das Gefühl, keine Zukunft zu haben

Was bleibt, wenn vieles wegbricht?

Der Körper will sich regulieren

Anhang

Verzeichnis der Übungen

ZUR EINSTIMMUNG

Unser Leben ist nichts anderes als das,
worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten.

WILLIAM JAMES

RESILIENZ MIT DEM KÖRPER ALS KOMPASS

Guten Tag, liebe Leserin, guten Tag, lieber Leser!

Ich nehme mir Zeit, Sie zu begrüßen.

Sie haben nach einem Buch über Resilienz gegriffen, real oder virtuell, und noch dazu einem Buch über Resilienz, zu der Ihr Körper Ihnen den Weg zeigt. Das ist bemerkenswert. Was hat Sie dazu bewogen? Was spricht Sie an? Was versprechen Sie sich davon für Ihre Lebensqualität?

Es mag sein, dass Sie ganz einfach mehr über Resilienz wissen wollen. Zu diesem Zweck gibt es viele Bücher. Die meisten entsprechenden Bücher analysieren Resilienz, zerlegen sie in Wirkfaktoren, bringen den Leserinnen und Lesern Konzepte nahe. Sie sind interessant und aufschlussreich.

Mein Buch verspricht Ihnen noch etwas anderes: Erfahrungen. Denn Ihr Körperwissen wird bei der Lektüre dabei sein – und sogar noch mehr, es wird Ihr Wegweiser sein. Wenn Sie sich auf dieses Buch einlassen, wenn Sie sich Zeit für die Übungen nehmen und sie wirken lassen, immer wieder mal, dann werden Sie ein anderes Gefühl für sich selbst und für Ihren Körper bekommen. Sie werden Ihren Körper mehr schätzen und manchmal über seine Weisheit staunen. Sobald Sie ihm eine bestimmte Qualität von Aufmerksamkeit zuwenden, spricht er mit Ihnen. Er spiegelt Ihnen, ob Ihre Gedanken Sie eher stärken oder sabotieren, ob Ihre Vorhaben Ihnen eher Kraft rauben oder Sie erfüllen und beleben, Ihren Körper also buchstäblich mit Energie anfüllen.

Die Kompassnadel der Körperwahrnehmung kann in zwei Richtungen ausschlagen:

in Richtung Stress oder Angst und damit hin zu Mutlosigkeit, Schwäche und Selbstzweifeln ➛ weniger Resilienz,

oder

in Richtung kraftvolle Energie, Mut und Zuversicht, hin zur Gewissheit: »Ich schaffe es« ➛ mehr Resilienz.

In meinem Weltbild können Sie Ihr Lebensgefühl positiv beeinflussen,
indem Sie immer feiner wahrnehmen,
wann Ihr klares Denken durch einen
stress- oder angsterfüllten Körper eingeschränkt wird.
Denn gleichzeitig nimmt damit Ihre Fähigkeit zu,
dem entgegenzusteuern, indem Sie zuerst Ihren Körper beruhigen
und dann erst handeln, Entscheidungen treffen, im Leben weitergehen.

Selbstregulation – Halt und Sicherheit in unsicheren Zeiten

Wir brauchen Resilienz als innere Stärke, um Krisen zu meistern, Rückschläge zu überwinden, um trotz aller Schwierigkeiten unser Leben zu gestalten. Denn einschneidende Ereignisse wie ein Unfall, ein Todesfall oder der Verlust des Arbeitsplatzes können das bisherige Leben aus dem Takt bringen.

Doch auch vermeintlich kleine Dinge hauen uns manchmal buchstäblich um, zum Beispiel ein Blackout bei einem Vortrag, ein schlechtes Zeugnis, ein Streit oder ein Konflikt, der uns wütend und hilflos zurücklässt. Wir brauchen auch dafür Resilienz – die Fähigkeit, trotz alldem weiterzumachen, Lösungen zu suchen und jeden Tag so gut zu leben, wie es uns möglich ist.

Resilienz im Alltag bedeutet also konkret,
uns bei Stress selbst zu regulieren, das heißt,
uns wieder zu beruhigen und uns in einen kraftvollen Zustand
zu versetzen. So bekommen wir Energie und gute Nerven
für ein längerfristiges Ziel und den nächsten Schritt.

2020 ist das Jahr, in dem unsere gewohnte Welt aus den Angeln gehoben wurde und immer noch durchgerüttelt wird: Alte Sicherheiten brechen weg, Selbstverständliches wird infrage gestellt oder existiert bereits nicht mehr. Täglich halten uns neue Nachrichten in Atem und lassen uns kaum zur Ruhe kommen. Auch wenn wir in unterschiedlichem Maße direkt betroffen sind, haben die Ereignisse der letzten Monate tiefe Erschütterungen in uns ausgelöst. In vielen Menschen herrscht tiefe Unsicherheit, ein Grundgefühl von »Wer weiß, was morgen ist?«. Wir wissen nicht, was noch auf uns zukommt, und diese Unsicherheit wird bleiben. Wie gehen wir damit um?

Wo finden wir Halt in diesen schwierigen Zeiten? Was gibt uns noch Sicherheit? Wie motivieren wir uns weiterzumachen, wenn wir den Mut verlieren? Wie können wir uns beruhigen, wenn die Angst überhandnimmt? Woher nehmen wir die Kraft, für unsere Kinder da zu sein, die uns mehr denn je brauchen?

Viele von uns sind durch die Ereignisse traumatisiert oder zumindest getriggert worden. Das bedeutet, dass man den aktuellen Stress, die Angst, Wut, Ohnmacht zusammen mit dem alten, im Körper gespeicherten Stress und den dazugehörigen Emotionen erlebt – also die doppelte Ladung. Die Krise bringt persönliche Lebensthemen hoch und wir haben die Wahl. Wir können Dinge ausblenden, uns betäuben oder uns den Herausforderungen stellen und daran wachsen. Der Weg des Wachsens ist der Weg der Resilienz.

Wie ziehe ich mich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf?

Dem Thema Resilienz können wir uns gut durch Fragen nähern. Wir können uns zum Beispiel fragen: Was bleibt bei all der Veränderung in meinem Leben stabil? Wo finde ich Zuversicht, Vertrauen und die Kraft, trotz alldem weiterzumachen? Wo finde ich Inseln der Freude zum Auftanken? Wer ist an meiner Seite und unterstützt mich, wenn es mir nicht gut geht? Wenn niemand da ist: Wie ziehe ich mich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf? Und wie zeigt mein Körper mir dabei den Weg?

2020 ist auch das Jahr, in dem ich dieses Buch schreibe. Resilienz – Antworten zu finden auf all diese Fragen – ist mir ein Herzensanliegen. Zunächst für mich selbst aufgrund meiner Lebensgeschichte, außerdem seit 30 Jahren als Therapeutin für meine Klientinnen und jetzt für Sie, liebe Leserinnen und Leser.

Resilienz war schon immer ein natürlicher Teil meines Lebens. Mein Vater lebte sie mir vor. Er war ein äußerst resilienter Mensch. Er erlebte zwei Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise, fing beruflich dreimal ganz von vorne an und flüchtete mit uns als kleinen Kindern in den Westen, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Das Dorf, in dem unser erstes ärmliches Zuhause war, hatte keine Straßennamen, nur Hausnummern. Wir wohnten in Haus Nummer 39, neben der Kirche. Da mein Vater eine »ordentliche Adresse« brauchte, benannte er sie kurzerhand um. Wir wohnten nun Am Kirchplatz 39. Heute undenkbar. Damals war es offensichtlich möglich.

Kinder lernen durch Vorbilder. Ich lernte von meinem Vater, wie man immer wieder nach vorne schaut, kreative Lösungen findet, nicht verzweifelt, sondern durchhält und weitermacht. Manchmal hätte ich mir gewünscht, er hätte mir mehr darüber erzählt, wie er das macht. Doch in seiner Generation war wenig Platz für Psychologie.

Psychologie und Therapie als Luxus und Chance

In den letzten Jahrzehnten sind so viele hervorragende psychotherapeutische Methoden entstanden, die wir für uns nutzen können – vor allem auch körperorientierte Methoden. Selbst wenn wir keine Therapeutin als Gegenüber haben, können wir von allgemein verfügbarem Wissen in Büchern oder im Internet profitieren. Das ist unser Luxus heute und gleichzeitig unsere Verantwortung, unsere Chance.

In Krisenzeiten werden persönliche Themen getriggert. Wer als Kind lange im Gipsbett lag, trägt diese Körpererinnerung in sich. Wer nicht gelernt hat, auf seine innere Stimme zu hören, vertraut womöglich den falschen Menschen. Wer viel alte Schockenergie im Körper gespeichert hat, gerät schneller in Angst und Panik. Und wer als Kind geschlagen wurde, hat noch verinnerlicht, dass es sinnlos ist, sich zu wehren.

Heute haben wir glücklicherweise die Möglichkeit, an unserer Lebensgeschichte zu arbeiten. Dabei werden wir zwangsläufig mit den Traumata unserer Familie, Vorfahren und Gesellschaft konfrontiert. Wir haben die Chance, eine enorme Befreiung zu erleben, wenn in alten Traumata gespeicherte Überlebensenergie sich in Lebenskraft für das Jetzt umwandelt.

Ich hatte das große Glück, zum richtigen Zeitpunkt Somatic Experiencing (SE)1 nach Dr. Peter Levine kennenzulernen. Somatic Experiencing (SE) ist ein körperbezogener, ressourcenorientierter Ansatz in der Psycho- und Traumatherapie. Der Name »Somatic Experiencing« – den Körper erleben – sagt es schon: Es geht darum, immer wieder zu spüren, wie sich etwas im Körper anfühlt.

Dieses Buch mit seinen Übungen ist auf der Grundlage von SE entstanden. Ich arbeite damit seit fast 15 Jahren in meiner Praxis und natürlich auch mit mir selbst. Was ich Ihnen hier vermittle, habe ich zutiefst verinnerlicht.

Füllen Sie Ihre ganz persönliche Resilienz-Schatzkiste

Resilienz ist unsichtbar. Sie fällt nicht so auf wie Charme, Selbstbewusstsein oder Charisma. Sie ist eine innere Kraft: die Kraft, nicht an Schlimmem zu zerbrechen, sondern stärker daraus hervorzugehen. Die Kraft, mit Schwierigkeiten fertigzuwerden und an Erfahrungen zu wachsen, nicht nur bei den großen Traumata, sondern auch bei den vielen kleineren und größeren Herausforderungen des Alltags.

Wenn ich Filme ansehe, fällt mir immer wieder auf, dass die Protagonisten bei Stress automatisch zur Zigarette oder zu Alkohol greifen. Wie wäre es, wenn sie andere Werkzeuge zur Verfügung hätten, um sich zu regulieren?

Im Jahr 2020 habe ich mein Handwerkszeug für Resilienz so oft, so intensiv und so bewusst angewendet wie nie zuvor. Handwerkszeug klingt so technisch. Sagen wir lieber: meine persönliche Resilienz-Schatzkiste. Wenn ich den Deckel hochhebe, funkeln mir kleine Diamanten entgegen, Licht, das ich in dunklen Stunden gebrauchen kann. Das Schönste ist, dass meine Schatzkiste immer voller wird. Es kommen stetig neue große und kleine Schätze hinein. Und sobald die Kiste voll ist, wächst sie einfach mit und wird größer.

Ich lade Sie mit diesem Buch ein, liebe Leserinnen und Leser, Ihre ganz persönliche Resilienz-Schatzkiste zu füllen.

Resilienz konkret!

Resilienz ist das Grundgefühl von: »Ich schaffe es. Und wenn es mal ganz schwierig wird, habe ich das Wissen, das Handwerkszeug und die Erfahrung, wie ich wieder in meine Kraft kommen kann.« Diese Fähigkeit hilft, sich nicht unterkriegen zu lassen, immer wieder in die eigene Mitte zu finden, Energie zu tanken und im Leben weiterzugehen. Ganz konkret brauchen wir Resilienz im Alltag, um bei Herausforderungen …

uns selbst zu beruhigen,

unsere Gedanken zu steuern,

Emotionen zu regulieren,

Grenzen wahrzunehmen,

Grenzen zu setzen,

schwere Zeiten zu überstehen,

positive Energien zu aktivieren,

immer wieder Mut zu fassen,

wieder handlungsfähig zu werden und

das Leben zu genießen – trotz allem.

Warum der Weg über den Körper?

Resilienz wird oft als psychische Widerstandskraft bezeichnet. Ich möchte diese Definition erweitern zu »psychische Widerstandskraft, die im Körper spürbar ist«.

Spüren ist langsamer als Denken. Spüren braucht Zeit. Ich lade Sie ein, sich mit diesem Buch Zeit zu lassen. Nehmen Sie sich die Zeit, Ihre eigenen Antworten auf meine Fragen zu finden und sie wirken zu lassen, vor allem in Ihrem Körper. Das klingt vielleicht erst einmal neu oder fremd, denn Resilienz wird meist auf der Ebene des Denkens oder der Emotionen behandelt. Der Körper kommt dabei selten vor. Doch nach meiner Erfahrung ist nur verkörperte Resilienz echte Resilienz. Was nützt ein willensstarker Kopf auf einem angsterfüllten Körper?

Kommen Sie mit mir auf die Reise. Wenn im Außen vieles wegbricht, brauchen Sie ein starkes Innen. Das können Sie sich erschaffen, Schritt für Schritt und immer wieder neu. Ich nehme Sie mit und zeige Ihnen einen roten Faden. Wenn Sie dranbleiben, wird Ihre Resilienz-Schatzkiste sich mit Ihren ganz persönlichen Antworten und Ressourcen füllen.

Ich stelle Ihnen meine Erfahrungen mit Resilienz und mein daraus gewonnenes Wissen zur Verfügung. Sie bekommen von mir viele Tipps zur praktischen Anwendung und Umsetzung. Wenn Sie an zusätzlichen theoretischen Hintergründen interessiert sind, erhalten Sie Tipps zum Weiterlesen. Vor allem möchte ich Sie vom Denken ins Erleben und Erfahren begleiten und Sie einladen, Ihren Körper als erstaunliches Wunderwerk wahrzunehmen.

Unser Körpergefühl beeinflusst unser Lebensgefühl – und umgekehrt

Sie kennen das: Wenn Sie miserabel geschlafen haben, verspannt sind oder Schmerzen haben, fühlen Sie sich eher schlecht gelaunt. Wenn Ihr Körper unter Hochspannung steht, erleben Sie eher als sonst Unruhe, Ungeduld oder Aggression. Fühlen Sie sich jedoch gut erholt und entspannt, sind Sie ganz natürlich eher optimistisch, packen Dinge an, sind freundlich und leben Ihre besten Seiten.

Was liegt also näher, als gut für Ihren Körper zu sorgen? Was liegt näher, als Ihr Körpergefühl positiv zu beeinflussen, damit Sie sich insgesamt stärker fühlen und den Anforderungen besser gewachsen sind?

Das ist die eine Seite. Ihr Körperzustand beeinflusst Ihre Gedanken und Gefühle. Die andere Seite ist, dass Ihr Körper sofort auf jeden Ihrer Gedanken reagiert. Körper, Gedanken und Gefühle bilden ein untrennbares Netzwerk. Daher werden auch Ihr Denken und Ihre Fähigkeit, es bewusst zu steuern, eine große Rolle in diesem Buch spielen.

Schritt für Schritt zur Selbstregulation

Auch wenn es vielleicht ungewohnt für Sie ist, kann das Spüren Ihres Körpers Ihnen dabei helfen, neue Einsichten zu gewinnen, destruktiven Gedanken weniger Macht zu geben oder hilfreiche Erkenntnisse zu verinnerlichen. Lassen Sie sich überraschen. Stellen Sie sich vor, dass Ihnen eine schöne Melodie nicht aus dem Kopf geht und da kein Raum für Sorgen ist – wie wohltuend!

Für jedes Elektrogerät bekommen wir eine Gebrauchsanweisung. Für unser Gehirn nicht und für unseren Körper ebenfalls nicht. Wir lernen in der Schule Faktenwissen, aber nicht, wie wir bewusst in unserem Körper sein können und wie wir unsere Körperintelligenz für unsere Bedürfnisse und unser Wohlbefinden nutzen. Wir lernen nicht, uns bei Stress zu regulieren, und wir erfahren nicht, was uns hilft, im Körper festgehaltene Spannung loszulassen.

Ich stelle Ihnen in diesem Buch den SE-Weg vor, Resilienz im Körper zu erfahren und zu verankern. Es ist kein fest vorgegebener Weg, vielmehr eine Art Tanz. Man muss wissen, wann man in den Körper spüren darf und wann nicht, wann das Spüren kontraproduktiv ist und die Anspannung sogar verstärkt und wann durch eine bestimmte Art des Spürens sich etwas im Körper zu lösen beginnt, sodass die Spannung endlich abfließen kann.

Ich biete Ihnen dafür viele Übungen an: Wenn Sie schwer entspannen können, finden Sie Anregungen, wie Sie innerlich zur Ruhe kommen. Wenn Sie dazu neigen, sich selbst immer wieder zu überfordern, zeige ich Ihnen, wie Sie sich mehr und mehr spüren und so Ihre Bedürfnisse und Grenzen wahrnehmen. Wenn Sie sich oft Sorgen machen und gedanklich um bestimmte Themen kreisen, lade ich Sie ein, andere Ebenen Ihrer Erfahrung zu erkunden. Wenn Sie unter Angstzuständen oder Panikattacken leiden, stelle ich Ihnen Wege vor, Ihre Ressourcen zu erforschen und Mut und Vertrauen in Ihrem Körper zu verankern. Wenn Sie nachts wach liegen und nicht wieder einschlafen können, gibt es kleine Tricks, den Körper zum Schlafen einzuladen.

In jedem Kapitel wird dabei ein neuer Aspekt deutlich und Sie lernen anhand praktischer Übungen, wie Sie sich selbst regulieren können.

Erfahrungswissen und konkrete Übungen

Dieses Buch ist in meiner täglichen Arbeit entstanden. Ich begleite mit SE viele tiefgehende Prozesse, bei denen sich frühes Trauma und chronischer Stress im Körper lösen. Während dieser Sitzungen reden wir wenig und spüren viel.

Ich begleite jedoch auch viele Klienten, die mit einem ganz konkreten Thema zu mir kommen und mich gleich am Anfang fragen: Was kann ich tun, wenn …? Was kann ich tun, wenn die Angstwellen kommen? Was kann ich tun, wenn ich mir zu viele Sorgen mache? Was kann ich tun, wenn ich den Mut verliere? Diese Fragen zeigen den großen Wunsch, sich in schwierigen Situationen selbst helfen zu können. Wenn ich sie mit einem Ratschlag auf der reinen Verstandesebene beantworte, wird das meist nicht viel bewirken. Oder hat Ihnen ein Tipp wie »Entspann dich!« oder »Fahr mal runter!« schon einmal geholfen, als Sie aufgeregt waren?

Wenn mich also eine Klientin fragt: »Was kann ich tun, wenn …?«, dann erforschen wir gemeinsam, welche Möglichkeiten es für sie gibt, und sie erfährt dabei, wie ihr Körpergefühl sich verändert. Sie entwickelt Ideen, was sie das nächste Mal in ihrem Alltag selbst ausprobieren kann. Mit ihrer persönlichen Erfahrung und mit dem Körperwissen, dass sich etwas von innen heraus positiv verändert hat, kann sie nun flexibler auf Situationen reagieren.

Auf diese Weise ist ein großer bunter Blumenstrauß an Möglichkeiten entstanden, sich selbst zu regulieren. Immer ist der Körper mit einbezogen. Diese Übungen stelle ich Ihnen hier vor. Sie sind das Geländer, an dem Sie sich festhalten können, während Sie Ihre Resilienz immer weiter erforschen und stärken.

Aus diesem Repertoire können Sie selbst aussuchen, was Sie anspricht, und Ihre eigenen Erfahrungen damit machen. Vor allem möchte ich Sie neugierig machen auf sich selbst, auf Ihre Ressourcen, die Ihnen bis jetzt durch schwierige Zeiten geholfen haben und die Sie auch in Zukunft tragen werden. Ich möchte Sie neugierig machen auf die Weisheit Ihres Körpers, der all diese Ressourcen entweder schon gespeichert hat oder sie jetzt abspeichern möchte, damit sie für Sie jederzeit abrufbar werden.

Ich werde keine wissenschaftlichen Studien zitieren. Das ist nicht mein Anliegen. Ich will Ihren Kopf nicht weiter füttern. Von mir bekommen Sie Erfahrungswissen aus 30 Jahren Praxis und konkrete Übungen. Ich möchte Ihr Herz ansprechen und Sie in Ihren Körper bringen. Wenn Sie beim Lesen Resonanz erleben – etwas berührt Sie spontan –, wissen Sie intuitiv, dass gerade diese Übung oder eine von mir beschriebene Erfahrung Sie besonders anspricht.

Das Wichtigste beim Lesen dieses Buches ist das, was Sie dabei erleben. Daher meine Empfehlung: Halten Sie immer wieder inne und geben Sie sich den Raum und die Zeit, nachzuspüren und zu erleben, auf allen Ebenen und ganz besonders in Ihrem Körper.