Einer der bedeutendsten spanischsprachigen Autoren sucht nach der Seele unserer Zeit
Das Klingen von Gläsern, ein Inserat an einer Laterne, Müll am Straßenrand, die schwere Luft eines Sommerabends … Bei seinen Entdeckungsreisen durch Großstädte sammelt der passionierte Spaziergänger Antonio Muñoz Molina Eindrücke. Scheinbar unwichtige Begebenheiten, in der U-Bahn aufgeschnappte Dialoge, Werbeplakate, Zeitungsschlagzeilen fügt er zu kunstvollen Collagen unseres Alltags. Sie feiern die Vielfalt des heutigen städtischen Lebens und führen uns immer wieder ins Herz von Muñoz Molinas eigenem Schreiben. Wie sehr er dabei auf den Spuren berühmter Weltliteraten und Flaneure wandelt, wie Walt Whitman, Walter Benjamin oder James Joyce, zeigt er in kurzen, kundigen Passagen über seine literarischen Vorbilder.
»Antonio Muñoz Molina ist zweifellos einer der herausragendsten spanischen Autoren der Gegenwart.« Die Zeit
Antonio Muñoz Molina, Jahrgang 1956, zählt zu den wichtigsten Gegenwartsautoren Spaniens und hat mehr als ein Dutzend Romane veröffentlicht, darunter Die Augen eines Mörders, Die Nacht der Erinnerungen und Schwindende Schatten. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, so gleich zwei Mal mit dem spanischen Staatspreis für Literatur. Gehen allein unter Menschen, sein jüngster auf Deutsch vorliegender Roman, errang u. a. 2020 den Prix Médicis étranger. Muñoz Molina lebt in Madrid und Lissabon. 2019 wurde der ausgebildete Kunsthistoriker ins Präsidium des Museo del Prado berufen.
»Ein Mosaik, in dem das Niedrige und das Erhabene nebeneinander existieren.« El Pais
»Von New York nach Paris und laufend weiter nach Madrid und Lissabon – ein einzigartiger Spaziergang.« Le Figaro
»Ein kühner Schriftsteller.« The New York Times
Besuchen Sie uns auf www.penguin-verlag.de und Facebook
Antonio Muñoz Molina
Gehen allein
unter Menschen
Aus dem Spanischen
von Willi Zurbrüggen
Die Originalausgabe erschien 2018
unter dem Titel Un andar solitario entre la gente
bei Seix Barral, einem Imprint von Editorial Planeta, Barcelona.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Diese Übersetzung wurde gefördert von Acción Cultural Española, AC/E.
Copyright © der Originalausgabe 2018, Antonio Muñoz Molina
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2021
Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Lektorat: Carsten Regling
Umschlaggestaltung: Favoritbuero
Umschlagabbildung: © Evelina Kremsdorf / Trevillion Images
Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
ISBN 978-3-641-24414-9
V001
www.penguin-verlag.de
Um andar solitário entre a gente.
(Gehen allein unter Leuten.)
Luís de Camões
Un andar solitario entre la gente.
(Gehen allein unter Leuten.)
Francisco de Quevedo
A book should not be planned out beforehand, but as one writes it will form itself, subject to the constant emotional promptings of one’s personality.
(Ich finde, ein Buch sollte nicht im Voraus geplant werden; es wird vielmehr während des Schreibens Gestalt annehmen, unterworfen, wie gesagt, den ständigen emotionalen Eingebungen unserer Person.)
James Joyce
I
Hör die Geräusche des Lebens. Ich bin ganz Ohr. Ich höre mit meinen Augen. Ich höre, was ich in der Werbung sehe, auf den Titelseiten der Zeitungen, auf den Plakaten und den Anzeigentafeln der Stadt. Ich reise durch eine Stadt der Worte und Stimmen. Die Stimmen lassen die Luft vibrieren und erreichen mein Gehirn als Nervenimpulse, umgewandelt durch mein Gehör. Die Wörter höre ich im Vorbeigehen oder wenn jemand ein Stück neben mir geht und in sein Mobiltelefon spricht oder ich sie irgendwo lese, auf irgendeiner Oberfläche, auf die mein Blick fällt, auf jedem Bildschirm. Geschriebene Worte erreichen mich wie klingende Stimmen, Noten, die ich in einer Partitur lese, manchmal versuche ich, mehrere Wörter gleichzeitig zu verstehen, jene abzuleiten, die ich nicht mehr höre, weil sie sich zu schnell von mir entfernt haben oder weil ein lauteres Geräusch sie übertönt. Die unterschiedlichen Schriften bilden eine unaufhörliche visuelle Polyfonie. Ich bin ein gehendes Aufnahmegerät, verborgen im futuristischen Telefon eines Spions der Sechzigerjahre, im iPhone, das ich in meiner Tasche trage. Ich bin die Kamera, die Christopher Isherwood in Berlin sein wollte. Ich bin ein Blick, der sich nicht einen Wimpernschlag lang ablenken lassen will. Der Wald hat Ohren, steht unter einer Zeichnung von Bosch. Das Feld hat Augen. Im Innern eines hohlen Baumstamms leuchten in der Dunkelheit die gelben Augen einer Eule. Ein mächtiger Baum hat zwei große Ohren wie ein Elefant, die beinah bis zur Erde reichen. Eine Skulptur von Carmen Calvo ist ein großes, mit gläsernen Augen bedecktes altes Holzportal. Die Türen haben Augen. Die Wände hören. Türangeln haben Ohren, sagt Gómez de la Serna.
Die Vollkommenheit ist vielleicht näher, als du denkst. Als es dunkel wird, gehe ich nach draußen. Es ist die späte Abenddämmerung der ersten Sommernacht. Ich höre das Waldrauschen der Bäume und des Efeus in den Gärten des Viertels. Ich höre die Stimmen unsichtbarer Menschen, die im Freien zu Abend essen, jenseits von mit Schlingpflanzen oder Sommerjasmin überwucherten Mauern, hinter dichten Reihen von Eiben. Der Himmel ist ganz oben dunkelblau und hellblau am Horizont, wo sich die Dächer und Schornsteine abzeichnen wie im Diorama einer amerikanischen Nacht in Technicolor. Ich will nichts von der Welt wissen. Ich will nichts anderes in mich aufnehmen als das, was an meine Ohren dringt und was meine Augen in diesem Moment sehen. Auf der Straße ist es so still, dass ich meine Schritte hören kann. Das Tosen des Verkehrs ist weit entfernt. Im leisen Abendwind höre ich das Aneinanderreiben der Blätter eines Feigenbaums und das langsame Wogen des Laubs in der Krone einer großen Platane. Ich höre das Pfeifen der Schwalben, die mit schwindelerregender Akrobatik durch die Luft schwirren. Eine hat die Wasserfläche eines Teichs auf der Jagd nach einem Insekt so leicht berührt, dass nicht der kleinste Wellenring entstanden ist. Ich kann die Laute der Echoortung von Fledermäusen hören. Viel mehr Schwingungen, als mein grobes menschliches Gehör wahrnehmen kann, lassen die Luft in diesem Augenblick erzittern. Sie ist durchschnitten von einem dichten Netz von Funksignalen, die sämtliche Handygespräche übermitteln, die in diesem Moment in der Stadt geführt werden. Ich will ganz Gehör und ganz Auge sein wie der mythologische Argus, ein mit blasigen Augäpfeln und sich öffnenden und schließenden Lidern bedeckter menschlicher Körper, oder mit lidlosen Augen wie das Tor von Carmen Calvo. Ich könnte ein Superheld der Marvel-Comics sein: Eyeman, der Augen-Mann, ein Science-Fiction-Monster aus dem Kino der Fünfzigerjahre. Ich könnte irgendein Fremdling sein oder der Unsichtbare, aber dann der aus dem Film von James Whale und nicht der aus dem Roman von Wells. Die Poesie findet man im Film.
Ans Leben angepasste Technologie. Ich lese jedes geschriebene Wort, dem ich auf meinem Weg begegne. Benutzung nur für Feuerwehr. Alarm mit Bildaufzeichnung. Kaufe Ihr Auto und zahle bar. Schönheit und eine mühelose Vollkommenheit liegt im langsamen Hereinbrechen der Nacht. Das Wort LIBRE leuchtet in hellem Grün auf der Windschutzscheibe eines Taxis, gleichsam schwebend auf der dunklen Straße, wie ausgeschnitten und auf einen schwarzen Untergrund geklebt, den Karton eines Fotoalbums. Aus einem Tunnel kommt in schneller Fahrt ein von innen beleuchteter Bus ohne Fahrgäste, ein Geisterschiff auf hoher See. Eine Seite ist komplett mit der Panoramawerbung einer Gewürzsoße bedeckt. Jetzt den Geschmack des Sommers genießen. Die Wörter der Straße kommen in rhythmischen Abständen. Kaufe Gold. Kaufe Silber. Kaufe Gold und Silber. Spenden Sie Blut. Kaufe Gold. Spenden Sie Blut. An den Bushaltestellen leuchtende Plakate von Filmpremieren. Götter und Helden des alten Ägypten. Der Kampf um die Ewigkeit beginnt. Teenage Mutant Ninja Turtles: Out of the Shadows. Überall Einladungen, Aufforderungen und Verbote in dieser Straße, die mir bisher nie aufgefallen sind. Müllsäcke neben Mülltonnen verboten. Durchgang verboten. Genießen Sie unsere Cocktails. Mit uns wird Ihre Veranstaltung zum Genuss. Bevor man die Terrasse einer Bar erreicht, vernimmt man wie einen summenden Chor bereits die Stimmen der Trinkenden, das Klingen von Gläsern, das Klappern von Besteck auf den Tapatellern. Ohne anzuhalten durchquere ich das Dickicht der Stimmen und Gerüche. Gebratenes Fleisch, tierisches Fett, Bratendampf und Tabaksqualm, Garnelenschalen. Unsere Spezialität: Fleisch vom Grill und Lammkoteletts. Probieren Sie unseren Reis mit Hummer. Es herrscht ein Überfluss an verbaler Saftigkeit, eine Pracht von holländischen Stillleben in der Typografie der Plakate. Kroketten. T-BONE-STEAK. Gambas al ajillo. Kutteln auf Madrider Art. KÄSEPLATTE. Auberginen in Gewürzsoße. WOLFSBARSCH-FILET NACH BILBAO-ART. THUNFISCH-EMPANADAS. PAELLA. ENTRECOTE. Auf den Bürgersteigen von Madrid hat die Juninacht etwas von der großzügigen Gemütlichkeit einer Küstenstadt, in der Familien ihre Sommerferien verbringen. Ich schlendere und lasse mich treiben und dann fällt mir ein, dass dies die letzte Nacht in diesem Viertel ist, in dem ich so viele Jahre gelebt habe. Ein Mann und eine Frau mit weißen Haaren und jugendlich-dynamischem Aussehen lächeln sich im Schaufenster eines Hörgeräteladens an. Auf Werbeplakaten zeigen ältere Leute stets ein optimistisches Lächeln, und die jüngeren lachen mit weit offenen Mündern, zeigen Zahnfleisch und Zunge. Mir war dieses Plakat und seine Einladung oder Aufforderung mit der Typografie weißer Buchstaben auf dem blauen Grund eines Rentnerglücks mit Hörgeräten noch nie aufgefallen: Sei ganz Ohr. Höre die wahren Geräusche des Lebens.
Erreich deine selbstgesteckten Ziele. Ich schließe ganz bewusst die Augen, damit die Geräusche deutlicher an mein Ohr dringen. Auf dem Sitz in der U-Bahn schließe ich die Augen, als würde ich schlafen. Ich zwinge mich, sie auf dem ganzen Weg von einer Station zur nächsten geschlossen zu halten. Ich registriere das Gewicht der Lider auf den Augäpfeln, die Reibung der Wimpern, ihr leichtes Zittern, eher ein Vibrieren. Als ich sie öffne und mich umsehe, sind mir die Gesichter noch fremder als vorher. Ich habe ein Buch in meiner Aktentasche, lese aber nichts, nur die Anzeigen, denen ich begegne, jede einzelne von ihnen, eine nach der anderen, seit ich die Treppe hinuntergelaufen bin und die Schwingtür aufgestoßen habe, so viele Dinge, die mir entgangen sind oder die ich gelesen habe, ohne dass sie in mein Bewusstsein gedrungen sind. Eingang. Ohne Artikel und Verben haben die Sätze die Härte von Roboteranweisungen. Mobil-Netz-Station. Jemand in der U-Bahn-Verwaltung glaubt an Zweisprachigkeit und wörtliche Übersetzung aus dem Englischen. Station Coverage Mobile. Rauchen im gesamten U-Bahn-Netz verboten. Fahrschein einführen. Metro Madrid informiert. Fahrschein entnehmen. Von einem Plakat lächelt eine multiethnische und multinationale Gruppe junger Leute. Mach mit beim größten Design-Networking der Welt. Ein Asiate mit Brille schaut in die Kamera, und ein Schwarzer mit einem Piercing in der Nase umarmt ein augenscheinlich spanisches Mädchen. Dies kann dein unvergesslicher Sommer sein. Entscheide dich sofort, oder du bleibst zu Hause. Nur der Schnellste gewinnt. Auf der Rolltreppe schließe ich die Augen, wenn auch nicht ganz. Halten Sie sich zu Ihrer Sicherheit am Handlauf fest. Ein Notruftelefon macht mir ein beinahe intimes Angebot: Nimm mich, wenn du mich brauchst. Die Stadt richtet sich in der Sprache der Wünsche an dich. Anstatt das Telefon zu betrachten oder nach Lektüre zu suchen, während ich auf dem Bahnsteig warte, stehe ich da mit zusammengekniffenen Augen. Nimm mich war der Titel eines Schlagers, den ich vor vielen Jahren gern gehört habe. Über tausend Kameras wachen über deine Sicherheit. Bei jedem Schritt eine neue Anweisung, ein neuer Befehl. Glas nur im Notfall einschlagen. Nimm mich ohne Angst, hieß es in dem Schlager. Befehlende Stimmen vereinen sich mit geschriebenen Hinweisen. Achtung, Zug fährt ein. Das Fehlen des Artikels betont noch die Unmittelbarkeit. Metro Madrid informiert. Der Boden vibriert, wenn ein Zug einfährt. Nach dem Signal nicht mehr ein- oder aussteigen. Ich schaue in die Gesichter der Leute und lausche ihren Stimmen. Ich bin ganz Ohr. Ich stelle mich neben einen, der in sein Telefon spricht. Fast jeder im Wagen schaut selbstvergessen auf das Display seines Telefons. Ein hochgewachsenes ernstes Mädchen liest in einem Buch von Paulo Coelho. Diese Lektüre diskreditiert ihre Schönheit. »Ich will dir nichts verschweigen«, sagt eine Stimme direkt hinter mir. Sie sagt es mit ans Fenster gelehntem Kopf und spricht leise weiter, und ich kann nichts mehr verstehen, weil die metallische Stimme der automatischen Ansage die nächste Station ankündigt. »Alles klar, perfekt, okay, bis gleich.«
Ein Papagei kann der entscheidende Zeuge bei der Aufklärung eines Mordfalls sein. Eine Frau blättert lustlos durch die Seiten einer Gratiszeitung. Beyoncé präsentiert die Kostüme ihrer nächsten Tournee. Der Zug fährt langsamer und ist jetzt leiser, und ich verstehe wieder die männliche Stimme, die hinter mir ins Telefon spricht. Sie ist so nah, und ich habe keine Ahnung, wie der Mann aussieht, der jetzt lachend sagt: »Die Mutter ist siebenundachtzig und hat sich eine Zahnspange einsetzen lassen.« Ich habe zwar mein Montaigne-Buch im Rucksack, aber ich hole es nicht heraus und suche mir nicht einmal einen Sitzplatz. Ich bin wachsam, warte auf neue Anweisungen, die alle gebieterisch oder lockend an mich gerichtet sind. Jede Leidenschaft führt dich zu einer Bestimmung. Sitzplatz nur für Behinderte. Durch das Rattern des Zuges dringt das wirre Geschnatter von Stimmen, fast alle von Leuten, die in ihre Handys sprechen. »Hast du eine Ahnung, wie lange ich in England gelebt habe?« Die Stimmen von Leuten, die ich nicht sehe, dringen deutlicher an mein Ohr. »Weder du noch deine Geschwister. Ihr unterschreibt nichts, bevor ihr nicht ganz sicher seid.« Im Waggon hängt ein Bildschirm von der Decke. Ein junger Mann mit Glatze und tiefschwarzem Bart bewegt seine Lippen, und seine Worte sind eingeblendet. Ich bin schwul. Ein anderer, jüngerer, bartloser Mann mit geschminkten Augen, sich bewegenden Lippen. Ich bin Trans. Wieder das Gesicht des Kahlköpfigen. Sie wechseln sich so rasch ab, dass die Gesichtszüge ineinanderfließen. Das bin ich. Und jetzt noch ein drittes Gesicht. Ich könnte du sein. Lebe deinen Unterschied, heißt es auf violettem Untergrund. Wieder eine Aufforderung. Wieder ein Befehl. Jemand hat die Mindestzeit gemessen, die nötig ist, damit zwei Gesichter unterscheidbar bleiben. Eine Dame spricht leise, aber sehr nahe an meinem Ohr in einem mahnenden oder tadelnden Ton. »Er hat gesagt, dass er sich geändert hat und dass er zurückkommen will. Aber das hängt natürlich auch davon ab, wie er sich aufführt.« Ich versuche, Worte, die ich höre, verstümmelte Dialoge, in meinem Gedächtnis zu bewahren. Kaum dass man sie gehört hat, zerfließen sie und erlöschen. Express Vergessen heißt es in einem Werbespot, aber ich erfahre nicht, wofür. Sie werden zum Teil vom Rattern des Zuges oder von einer Anweisung aus dem Lautsprecher übertönt. »Er hat sich geändert? Na, das wird man sehen. Ich glaube keine zwanzig Prozent von dem, was er sagt.« Notfallhammer. Ich lese alles, sogar die Überschriften der Gratiszeitung, die mir die Frau vors Gesicht hält.
Die Polizei weiß, ob du dein Mobiltelefon benutzt, auch wenn sie dich nicht sieht. Mann von seinem achtzehnjährigen Sohn in Salamanca geköpft. Notausgang. Das große Nordpolabenteuer. Ich achte kaum auf Gesichter, nur auf Geschriebenes, auf die Stimmen. Klingeltöne. Der Piepton einer Nachricht. Alle Welt verbunden mit etwas oder jemand, der sich an einem anderen Ort aufhält. »Ich bin in der U-Bahn. Damit du Bescheid weißt, falls die Verbindung abbricht.« Als die U-Bahn hält, öffnen sich die Türen vor einem Werbeplakat, das bis an die Wölbung der Decke reicht. Deine schönsten Ferien mit der Familie. Unterwassertaufe im Meer. Bei jedem Schritt eine neue Landschaft. Jugendliche springen von einer Klippe lachend ins Meer. Einige stehen im Begriff zu springen; andere schweben schon über einem tiefen Blau. Alle Vergnügungen des Sommers in deiner Nähe. Unglaubliche Preise auf einen Klick. Es gibt Reservierungen, die können nicht warten. Entdecke mehr. Informiere dich jetzt. Kauf jetzt. Probier’s aus. Ganz unterschiedliche Meldungen scheinen von derselben Stimme verkündet zu werden, desselben Ursprungs zu sein, an dieselbe Person gerichtet zu sein, an mich, an dich. Ich bin ich, du könntest du sein. Du, ja, du, heißt es auf einer Lotteriereklame, als würde ein Finger unter all den Menschen auf dich zeigen, ein Gesicht dich sehen können, das dich auf einem Bildschirm ausgewählt hat. Du kannst der nächste Millionär sein. Beherrsche die Elemente allein durch die Kraft deiner Finger. Finde den idealen Weg für dich. Die Frau, die in der Gratiszeitung gelesen hat, lässt sie beim Aussteigen auf einem der Sitze liegen, ein zerfleddertes Häufchen Papier. Entscheide dich für die führende Marke in der Hybridtechnologie.
Reise auf den Spuren deiner DNA. Sei schneller am Ziel. Lass dich durch nichts aufhalten. Warte nicht, bis du stürzt. Innerhalb weniger Jahre haben Zeitungen ihre gesamte materielle Würde verloren. Madrid schlägt Weltrekord bei Pokémon-Suche. Sie werden spröde und knittern und fallen leicht auseinander, lappig, entbehrlich, besonders jetzt im Sommer. Eine ganze Seite lässt sich so schnell betrachten wie ein Bildschirm. Für Sie: das große Gourmet-Erlebnis am Meer. Ich schließe die Augen, um besser hören zu können, und lasse mich vom anfahrenden Zug entführen. Die Stadt verspricht dir alles zur selben Zeit. Wähle alles. Genieße, wann und wo du willst. Man braucht gar nicht mehr auszuwählen und auf das zu verzichten, was man nicht ausgewählt hat. Spare, während du ohne schlechtes Gewissen Geld ausgibst. Beim Essen abnehmen. Dein Urlaub nach Maß, von dir selbst entworfen. Der alten Sucht nach billigem Papier und dem Geruch von Druckerschwärze kann ich nicht widerstehen. Mörderischer Kampf zwischen Tigerhai und Hammerhai, gefilmt von Thunfischfischern auf hoher See. Wir setzen Himmel und Erde in Bewegung, um dir das Beste zu bieten.
Nimm dir ein bisschen von unserem Geschmack mit. Zuerst war es, schlagartig, dieses Wort, OBACHT, unter einem Verkehrsschild auf dem Bürgersteig, über den ich täglich gehe, durch Zufall meiner Aufmerksamkeit entzogen, die auf andere Dinge gerichtet war, nicht auf meine Umgebung, sondern auf das, was sich in meinem Innern abspielte, träumender Flaneur, aufgeweckt von diesem visuellen Klingeln, OBACHT, das mich Augen und Ohren zu öffnen zwang, obwohl es nur ein Verkehrszeichen war, das ich schon oft gesehen habe und das überall zu sehen ist, das dreieckige Warnschild aus Blech mit der schwarzen Silhouette darin, das auf einen Zebrastreifen vor einem Schulhof verweist. Obacht vor was, denke ich mit einem Mal; wer fordert mich auf, Obacht zu geben, wer befiehlt mir das, welche unhörbar geschriebene Stimme zwingt mich, den Blick auf etwas zu richten, das ich mein Leben lang gesehen habe und das mir jetzt so vorkommt, als sähe ich es zum ersten Mal, auf diesem Bürgersteig, an dieser Straßenecke, neben dem Fußgängerüberweg, das Dreieck oben an einem Eisenpfosten mit einer sehr kraftvollen und simplen Farbkombination: die rote Umrandung, das innere Weiß, das Schwarz der Silhouetten und dieses einen Wortes in Großbuchstaben, OBACHT. Es sind zwei Kinder, die sich an der Hand halten und Schultaschen tragen, Kinder einer anderen Zeit, die noch keine Rucksäcke kennen, ein Junge und ein Mädchen, die es eilig haben und gerade loszulaufen scheinen. Ich schaue genauer hin, und sie laufen schon. Die Taschen in ihren Händen scheinen hinter ihnen herzufliegen. Kinder wie aus dem Märchen, Bruder und Schwester, verloren im Wald, von den Eltern verstoßen; Kinder, die vor den Bomben fliehen, als sie aus ihrer Schule in Aleppo kommen.
Ist es nicht das Entdecken neuer Dinge, das dich lebendig hält? Man sieht auch, dass es ein altes Verkehrsschild ist mit einem Extraschild darunter, darauf ein altes Wort, das es eigentlich gar nicht mehr gibt in dieser Stadt. Dieses »Obacht« ruft mir das erste Wort des ersten Verses der Coplas von Jorge Manrique in Erinnerung, »Obacht, schlafende Seel’«, eine Aufforderung eher zum Erwachen als zum Erinnern. Meine Augen sehen das Dreieck des Verkehrszeichens isoliert, wie aus einem Foto ausgeschnitten oder aus einer Zeitungsannonce, und auf ein weißes Blatt geklebt. In diesem Moment öffneten sich meine Augen noch weiter und auch meine Ohren, schlagartig, wie wenn ein Stöpsel herausgezogen und das Gehirn durchgepustet wird und man aus dem Schlaf auffährt. Weitere Dinge fielen mir noch auf, als ich für einen Moment vergaß, wohin ich unterwegs war und was mir dunkel im Kopf herumschwirrte: Ich bemerkte einen handgeschriebenen Zettel, der mit Klebeband an eine Straßenlaterne befestigt war, »zuverlässige Frau bietet für die Altenpflege und alle im Haus anfallenden Arbeiten ihre Dienste an«; im Fenster einer Apotheke das Foto einer sonnengebräunten Blondine im weißen Badeanzug, »In diesem Sommer schlank, ohne zu hungern«; eine Schiefertafel am Eingang einer Bar, auf die mit Kreide die Tagesgerichte aufgeschrieben waren, »Tintenfisch in seiner Tinte, Schmorbraten mit hausgemachten Linsen, Oktopus-Salat« (mit Kreide in mehreren Farben war recht kunstfertig ein dampfendes Pfannengericht aufgemalt). Eine junge Frau ging an mir vorbei, die in ihr Mobiltelefon sprach. Mit der freien Hand fuchtelte sie in der Luft herum, und das Klimpern von Armreifen begleitete das herrische Klappern ihrer Absätze; eine zornentbrannte Frau, die sich nicht darum scherte, dass jeder sie hören konnte. »Mama, sie ist deine Tochter. Mama, hörst du? Was ihr Mann sagt, hat dich gar nicht zu interessieren. Du musst deiner Tochter doch nicht das Fitnessstudio bezahlen. Hast du mir jemals was bezahlt?«
Wo deine Fantasien Wirklichkeit werden. Seit diesem Tag bin ich auf der Straße in geheimer Mission unterwegs. Vorher war ich es mit Unterbrechungen, wenn ich daran dachte, auf dem Weg zu anderen Tätigkeiten. Von diesen anderen Tätigkeiten bleibt von Tag zu Tag weniger. Sie sind nur noch ein Vorwand, um aus dem Haus zu gehen. Ich wähle meine Wege nicht danach aus, ob sie die schnellsten sind, sondern danach, ob sie mir was bringen. Ich fahre fast nie mit dem Fahrrad und nie im Taxi. Ich gehe zu Fuß oder fahre mit der U-Bahn. Sorgen und Einbildungen gehen im unablässigen Beobachten unter. Ich bin nicht das, was ich denke oder mir vorstelle oder an was ich mich erinnere, sondern das, was mir vor die Augen kommt, was ich höre, ich bin der Spion mit dem Geheimauftrag, alles in mich aufzunehmen, alles einzusammeln. Früher habe ich alle paar Minuten die Nachrichten auf meinem Handy überprüft. Ich ging mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern, bewegte mich in der giftigen Blase der Niedergeschlagenheit, im Tunnel des morgendlichen Verzagens. Die Beklemmung war mein Schatten, mein Bewacher und mein Doppelgänger. So schnell ich auch gehen mochte, er blieb an meiner Seite. Er fuhr mit mir die Rolltreppe hinunter und flüsterte mir Dinge ins Ohr. Medikamentenunverträglichkeit wandelte er zu Schwindelgefühl und Übelkeit. Die stumpfe Nase des aus dem Tunnel in die Station einfahrenden Zuges hatte eine morbide Anziehungskraft, die Stimme im Ohr, im Gehirn, nach hinten heraus, im Nacken, im Druck auf die Schläfen. Jetzt ist es nicht nur eine, sondern es sind viele Stimmen, und sie branden immer von außen an mich heran, so unmittelbar wie die Bilder, das Gewoge der Menschen, der Verkehrslärm, »Drei Euro für zwei Paar Strümpfe Kleine nur drei Euro Kleine für zwei Paar«. Änderungsschneiderei. Flicken unsichtbar. Damit dein Geschäft Fahrt aufnimmt. Wie konnte ich so oft durch diese Straße gehen, ohne den Strom gesprochener und geschriebener Wörter wahrzunehmen, das Stimmengewirr der Leute, staubige Kleider in den Schaufenstern dämmriger Geschäfte, Filzpantoffeln, Schühchen wie von kranken Kindern und orthopädische Schuhe in einem Prothesengeschäft, Krebse, Seespinnen, Krabben und riesige Langusten im Tiefkühlfenster eines Restaurants, Café zum Krustentier, die gezahnten Rachen und glasigen Augen der Seehechte. Kosten Sie unseren Reis mit Hummer, zwölf Euro pro Person, ein Übelkeit erregender Fischgeruch um zehn Uhr morgens, vermischt mit dem Gestank von kaltem Zigarettenrauch.
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Wenn ich genau hinhöre, kann ich die Schritte von Frauen mit Sandalen und die von Frauen mit Absätzen unterscheiden. Wir laden dich zu einem Glas Gin Masterclass ein. Das Schönheitszentrum für dich. Deine Autoversicherung für zweiunddreißig Euro im Monat. Eine Gin-Masterclass ist wie eine Einladung zur Alkoholsucht. Du gehst die Straße entlang, und vor dir öffnen sich zu beiden Seiten alle Gaben, alle Aufrufe, Empfehlungen, Angebote. Ein neuer Grund, lächelnd durchs Leben zu gehen. Eine schlanke, sonnengebräunte Frau mit schwarzen Haaren, im Bikini, mit dem Rücken zum Betrachter, am Strand, vor einem Sonnenuntergang, in den Armen eines Mannes. Wenn dir das Tote Meer gefällt, warte erst den Rest ab. Tritt ein und lass dich beraten. Versichere deine Gesundheit. Rauchen führt zu Lungenkrebs. Versichere dein Morgen. Tritt ein und entdecke die Zutaten des Lebens. Auf Schritt und Tritt zeigen die Stimmen dir eine Tür, hinter der eine Enthüllung wartet, eine strahlende Entdeckung. Tritt ein und werde fündig. Tritt ein und frag uns. Tritt ein und stell fest, wie Technologie den Sport verändert. Wie alle um mich herum halte ich das Mobiltelefon in der Hand, aber nicht am Ohr, sondern vor dem Mund, wiederhole, was ich lese oder höre, spreche beim eiligen Gehen, eine Fiktion von dringlicher Geschäftigkeit, Anweisungen per Telefon, vielleicht, Ankündigung meines Kommens zu irgendeinem Büro, zu einer Sitzung, gebe alle Geheimnisse weiter, die ich sehe. Ruhe, Sicherheit, Vertrauen. NeoLife Age Medicine. NeoLife könnte der Name einer jener Stiftungen apokalyptischer Technologien sein, die Don DeLillo erfindet. Alle Sicherheitsbestimmungen müssen eingehalten werden. Willkommen im geheimen Innenleben deines Handys.
Entdecke aufs Neue, was ein Telefon alles kann. Ich stelle das Aufnahmegerät an, um mir noch einmal etwas anzuhören, stelle es aus und muss es gleich darauf schon wieder einschalten. Spende Blut. Kaufe Gold. Die sich wiederholenden Plakate auf der Straße entwickeln einen Rhythmus. Kaufe Gold und Silber. Schenke Leben. Das eilige Männchen auf der grünen Ampel. Unter all den Schritten höre ich, jetzt, da die Autos halten, das Tappen und Schaben eines Blindenstocks. In M – Eine Stadt sucht einen Mörder folgt ein Blinder dem Mädchenmörder durch eine nächtliche Kulissenstadt. Thai-Massagen vierundzwanzig Stunden. Asiatische Mädchen. Fünfzehn Minuten, dreißig Euro. Zwanzig Minuten, fünfundvierzig Euro. Eine Stunde, siebzig Euro. Gratisgetränk. Die Sekundenziffern der Digitaluhr auf dem Nachtschränkchen gehen lautlos voran, in dem Schlafzimmer, in dem sich eine der nackten Asiatinnen streckt. Die sehr stark geschminkten schmalen Augen werfen verstohlene Blicke auf die Uhr im künstlichen Halbdunkel unerlaubter Lüsternheit. Schönheit und Diskretion. Ein nahes Keuchen und die Geräuschkulisse der morgendlichen Straße, der Verkehr, die Sirene, die ich herankommen höre, finden sich auf meinem Rekorder wieder. Ich bin nur eine App von dir entfernt. Wo Zeit keine Rolle spielt. Entdeck mit uns die Freuden der tantrischen Massage. Nimm dir ein bisschen von unserem Geschmack mit. Für dich schmelze ich dahin, heißt es auf einer Eiswerbung, rote Lippen und eine Zunge, die an einem Schokoladeneis im Hörnchen leckt. Dermatologische Klinik Giovanni Bojanini. Du kannst alles verändern. Centaur Schutz und Sicherheit. Im Hintergrund eines Gemäldes von Velázquez scheint sich auf einer Wiese am Fluss ein Zentaur in aller Ruhe mit dem Hl. Antonius zu unterhalten, wie zwei Nachbarn, die sich begegnen. Wir laden dich zu einer besonderen Verkostung ein. So einzigartig wie du selbst. Willst du deinen Verdauungstrakt entgiften? Zentauren, Wachleute, plastische Chirurgen, junge asiatische Prostituierte, Seehechte, orthopädische Schuhe, Blindenstöcke, Schlosser. Du selbst bist die Reise. Wer liegt wohl in dem Krankenwagen, der mit seiner Sirene die Ohren malträtiert hat und jetzt nicht weiterfährt, weil er im Verkehr stecken geblieben ist? Reinige dein Inneres ab fünfzehn Euro monatlich. Stop & Go. Die Stimmen der Stadt sind polyglott. Cream and Coffee. Heute mehr Wohnungen denn je. Shop online. Verleih von Rezeptionsmaterial. Argonaut. In dem Begriff »Argonaut« blitzt Poesie auf, genau wie in »Zentaur« oder »Sirene«. Café Presse Pizza 24 h. Frisch renoviertes Luxusappartement zu vermieten. Das Unterdrücken von Präpositionen beschleunigt den Zungenschlag. Haus der Magie, der Mysterien und der Rätsel. Marsch für das Ende von Zoos und Aquarien. We love Churros mit Schokolade. Wir fangen Sternschnuppen.
Alles, was du für einen gelungenen Sommer brauchst. Es war der Sommer der kurzen Kleider, leicht wie die Tuniken auf griechischen Friesen, der kaum etwas vom Oberschenkel bedeckenden Hotpants, der Sandalen mit flachen Sohlen und schmalen Lederriemchen, der lackierten weiblichen Zehennägel in schillernden Farben, Rot vor allem, aber auch Grün oder Gelb oder Blau. Deine Haut in der Stadt. Ein Ziel des Herzens. Die Nacht beginnt, wenn du es willst. Es war der Sommer der nackten Schultern und nackten Beine, mit dem Glanz des Neuen wie beim Aufkommen der Miniröcke in den Sechzigern: ein Überborden, ein Überfluss an Jugend und Schönheit, die ersten Tage warmen Wetters nach dem Winter. Wähle dein nächstes Abenteuer. Junge Mädchen trugen große, in den Nacken geschobene Strohhüte. Bevölkerten die Straßen, gedankenverloren, sprachen in ihr Telefon oder schauten auf die Displays, lange, zögernde Finger mit lackierten Nägeln tippten geschwind gleich pickenden Vögeln. Damit wir die guten Momente genießen.
Wherever You Go This Summer. Über das helle Bild der Gegenwart legte sich leicht ein Schatten von Vergangenheit, die jähe Ferne des zurückschauenden Blickes. Zeige dein strahlendstes Lächeln. Schon im Augenblick des Geschehens war es, als wären die Dinge vor Zeiten passiert, war die Unmittelbarkeit ihrer Aktualität beraubt durch eine schwindelerregende Mischung aus fürchterlichem oder trivialem Geschehen. Die sunny days kommen wieder. Dies ist der Moment, den Augenblick zu nutzen. Es war der Sommer der lang auf gebräunte Schultern herabfallenden Mähnen. This is how we are. Ungeduld und Nostalgie waren die magnetischen Pole, zwischen denen jeder Augenblick schwang. In der neuesten Mode war bereits ihr Anachronismus zu ahnen. In der Werbung von Banken und Mobiltelefonen strahlten junge Menschen in einmütigem Glück wie die Roten Garden oder Bauern und Arbeiter auf den Plakaten der chinesischen Kulturrevolution. Ich will happy sein. Im Juli war die mitternächtliche Luft in Madrid träge wie Melasse, und man hörte die Zikaden wie in der Hitze des Mittags. Der Bruder eines pakistanischen Fotomodells, an dem er einen Ehrenmord verübt hatte, erklärte, die Tötung seiner Schwester weder zu bereuen noch sich ihrer zu schämen. Die französische Armee erklärte den Pokémons den Krieg. Die Gegenwart der grammatischen Zeit glitt schon im Augenblick des Schreibens oder Sprechens in die Vergangenheit ab. Auf seinem Höhepunkt erlangte dieser Sommer ein Licht wie der letzte Sommer vor einem Zeitenwechsel, an den man sich kurze Zeit später als endlos lange her erinnert: der letzte Sommer vor einem Krieg oder einer Seuche oder einem Erdbeben. Spanien stand weltweit an siebter Stelle beim Wegwerfen von Nahrungsmitteln. In den Nachrichten wurden täglich neue Hitzerekorde verkündet und von immer größeren Eisflächen berichtet, die am Nordpol und in der Antarktis schmolzen. Steilhänge blauen und türkisen Eises brachen ins Meer, feierlich wie bei Erdbeben einstürzende Tempel. Vergib nicht die Chance, auf die du gewartet hast. Verliebe dich in unser Angebot, bevor der Sommer vorbei ist.
Egal wonach es dich dürstet. Die Meeresströmungen waren der Grund für gigantische Stürme auf dem gesamten Planeten. Ganzseitige Anzeigen und Farbprospekte, digitale Bildschirme in den Schaufenstern der Reisebüros versprachen abenteuerliche Luxuskreuzfahrten und tropische Paradiese. Es gibt ihn, den Ort, von dem du träumst. Die schönsten Sommerfotos mit deinem Selfiestick. In einem Jahrhundert werden viele Küstenstädte unter Wasser stehen. Star Wars-Gestalten auf dem Brüsseler Flughafen. In einem Pekinger Zoo wurde eine Frau von mehreren Tigern getötet. Es war der Sommer von Pokémon Go und der Selbstmordattentate. Eine Londoner Studentin versuchte, mit der DNA aus einer Haarsträhne des verstorbenen Alexander McQueen, als Hommage an den Designer, dessen Haut nachzubilden. Erreiche, was immer du willst. In Kabul sprengte sich ein radikaler Islamist inmitten einer Menschenmenge in die Luft und riss neunzig Menschen mit in den Tod. Papst Franziskus mahnte Ordensschwestern, kein Internet zu benutzen, da sie dieses von einem Leben der Besinnung abbringen könne. Mick Jagger erwartete mit dreiundsiebzig Jahren sein achtes Kind. Das Erotische Ungestüm des Sexuell Aktivsten Urgroßvaters des Rock ’n’ Roll. Mit immer weniger, auf billigem Papier gedruckten Seiten zerfielen die Zeitungen buchstäblich unter den nie mehr jungen Händen ihrer Leser. Sie brachten Leitartikel über Politik und Terrorismus und ganze Seiten mit Horoskopen und ägyptischem Tarot. In Nizza betete der Fahrer eines Lastwagens zu Gott, machte ein Selfie von sich und stellte es auf Facebook, bevor er Tod und Schrecken verbreitete. Das Orakel des Amun beantwortet all deine Fragen. Ein Deutscher kletterte an der Fassade des höchsten Hauses von Barcelona hinauf, um ein Pokémon zu fangen. In der Großen Pyramide wird deine Vergangenheit begraben. Dummheit und Horror beherrschten die Schlagzeilen der Zeitungen in gleichem Maße. Ein Holländer wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, nachdem er zehn Tage lang in einem chinesischen Flughafen auf eine Frau gewartet hatte, mit der er sich über Facebook verabredet hatte.
Die Rache der Außerirdischen. Banales und Apokalyptisches glichen sich oft in einem Maße, dass man sie nicht mehr auseinanderhalten konnte. Pornodarstellerin Carla Mai starb nach Fenstersturz nach einer Party, auf der Kokain konsumiert wurde. Kopf eines Mannes in einer Müllverbrennungsanlage gefunden. Zeitungsmeldungen glichen Katastrophenfilmen, und Filmplakate schienen Unheil und Schrecken der Wirklichkeit abzubilden. Zombie-Apokalypse erobert erneut die Straßen von Mexiko-Stadt. Die Welt verbündet sich gegen die Invasion von Aliens und die Auslöschung des Planeten. Tausende von lebenden Toten überrennen die Straßen der aztekischen Hauptstadt. Cleveland zahlt fünf Millionen Dollar für den Tod eines von einem Polizisten erschossenen schwarzen Jungen, der eine Spielzeugpistole in der Hand hielt. Es war der Nomadensommer, in dem ich monatelang keinen festen Wohnsitz hatte. Wir zogen von Hotels in überlassene Wohnungen und in andere Städte mit Laptops und Notizbüchern im Rucksack, einen walgroßen Rollkoffer hinter uns her schleppend, einen Pottwal von Koffer, der täglich schwerer wurde und immer mehr Platz beanspruchte. Fünf Halbstarke zwischen fünfzehn und zweiundzwanzig Jahren verbreiten nach einem Film Angst und Schrecken in einem Einkaufszentrum in Fuenlabrada.
Wenn es Nacht wird, bist du nicht mehr sicher. Ich las Baudelaire, Thomas De Quincey, Lorca, Fernando Pessoa und Walter Benjamin, als wäre ich zwanzig Jahre alt und hätte sie noch nie gelesen. Maskiert betraten die Spaßvögel den Saal, in dem der Film Ride Along – Next Level Miami gezeigt wurde, und mit dem Ruf »Allah ist groß« warfen sie Feuerwerkskörper und Rucksäcke ins Publikum und säten Panik unter den entsetzten Zuschauern, die sich eine lockere Actionkomödie anschauen wollten und sich plötzlich inmitten eines terroristischen Anschlags mit allem Drum und Dran wähnten. Vierhundert Wale an einem Strand in Neuseeland verendet. Ich suchte eine Musik mit einem Text voller Poesie und Alltagssprache zugleich, einer Sprache der Anzeigen und Zeitungen und Modezeitschriften und erotischen Botschaften und der Prophezeiungen der Horoskope: eine lichte, klare Musik, die man atmen konnte wie frische Luft und die sich dennoch niemand je hatte vorstellen und jemals hören können. Go where you didn’t know you wanted to go. E-Zigarette explodiert in der Hosentasche eines Rauchers in Kalifornien. Ausblick auf eine Zukunft, in der Roboter und Menschen so verschmolzen sind, dass man einen vom anderen nicht mehr unterscheiden kann. Ich fühlte mich von allem, was ich bislang getan hatte, so entbunden wie von der Wohnung, aus der wir ausgezogen waren, und dem Mobiliar und den Kleiderschränken und den Büchern, für die ich nicht die geringste Verwendung mehr hatte. Ich trennte mich nie von meinem Notizbuch und dem immer kürzer werdenden Bleistift, den ich Anfang des Sommers in Paris gekauft hatte. Das Elfenbeinfieber dezimierte die afrikanischen Elefanten. Der größte Gorilla der Welt war vom Aussterben bedroht. Die holländische Polizei hält Raubvögel, um Drohnen mit möglichen Bomben zu jagen.
Das immer gleiche Schreiben kehrt mit nie gesehener Macht zurück. Ich notierte mir Sachen an den Tresen der Bars, auf den Bänken des Retiro-Parks, in einem Bus, der vom Stadtrand hereingerumpelt kam. Im Jahr 2050 wird es in den Meeren mehr Plastik als Fische geben. Das Video von einem achtzehnjährigen irischen Mädchen, das für ein Glas Bier in einer Diskothek in Mallorca zwanzig betrunkene junge Männer der Reihe nach oral befriedigt, geht um die Welt. Such dir dein eigenes Abenteuer. Go where your dreams take you. In einem Zug in Deutschland attackierte ein syrischer Flüchtling eine schwangere Frau mit einer Machete. Durchbrich das Schema. Im Flughafen von Los Angeles verbreitete ein als Zorro verkleideter Spinner Panik. Auf einem Zebrastreifen der Calle Goya wird eine junge Frau angefahren und stirbt. Die Angst zeigte sich ebenso im Verbrechen wie in der Farce. Panik an der Platja d’Aro, weil ein Scherz für einen terroristischen Anschlag gehalten wurde. Auf der Strandpromenade von Nizza hielten die Menschen die ersten Schüsse der Polizei auf den Terrorlastwagen für das Knallen von Feuerwerkskörpern des kurz zuvor beendeten Feuerwerks. Erdrutsche in China begraben Bergbaudörfer unter sich und stauen Flussläufe auf. Eine Bombe bringt New York die Angst zurück. Nie war es so leicht, dir all deine Wünsche zu erfüllen.
Horrorclowns terrorisieren Großbritannien. An der Brunel-Universität in London hat ein Student diese Woche Angst und Schrecken verbreitet, als er als Mörderclown verkleidet und mit einer Kettensäge bewaffnet über den Campus lief. Ein Horrorclown erschreckte die Bewohner von Leicestershire, als er über einen Friedhof in der Nähe einer Schule schlich. Wie auf einem verwackelten und auf Facebook veröffentlichten Foto zu sehen ist, hielt der Clown eine Axt in der Hand. Zwei Clowns in einem schwarzen Lieferwagen sprachen in Essex zwei Mädchen auf dem Schulweg an und luden sie zu einer Geburtstagsparty ein. Aus diesem Grund sprachen die Schulbehörden von Clacton County ein Verbot für die Schüler aus, sich während der Mittagspause vom Schulhof zu entfernen. Die Epidemie der Horrorclowns scheint England von den Vereinigten Staaten aus erreicht zu haben, wo der Schriftsteller Stephen King vor Kurzem auf Twitter verkündete: »Es wird Zeit, dass diese Clownhysterie aufhört.« Dutzende ähnlicher Vorfälle sind in den letzten Tagen im ganzen Land registriert worden, gibt die Polizei bekannt. In einem Park sprang ein Clown hinter einer Hecke hervor. Ein anderer öffnete die Beifahrertür eines vor einer Ampel wartenden Autos und setzte sich neben den Fahrer, danach flüchtete er. In einigen Gegenden sind schon Anti-Clown-Patrouillen unterwegs. Professor Mark Griffith, Psychologe an der Universität von Birmingham und Experte für Suchtverhalten, erklärte, mehrere Kinder könnten nicht mehr am Unterricht teilnehmen, da die Begegnungen mit Horrorclowns sie traumatisiert hätten. Das plötzliche Auftauchen von Horrorclowns hat auch Australien in Alarm versetzt, wo in Victoria, im Südwesten des Landes, ein mit einer Axt bewaffneter Clown verhaftet wurde, der eine Frau in ihrem Auto bedroht hatte. Die Polizei des Themsetals hat am Sonntag bekanntgegeben, innerhalb von vierundzwanzig Stunden vierzehn Anrufe von Leuten erhalten zu haben, die von Menschen erschreckenden Clowns berichteten. Professor Griffith erklärt, Coulrophobie, also die Furcht vor Clowns oder Spaßmachern, sei ein wohlbekanntes und dokumentiertes Syndrom, das zu Panikattacken, Schweißausbruch und Atemnot führen könne.
Sommer ist nur, wenn du davon erzählst. »Meine Mutter konnte sehr gut schwimmen, hat sich aber nie das Haar nass gemacht«, sagt er zu mir. Ich bin ganz Ohr. Ich höre mit meinen Ohren und mit meinen Augen. Ich achte auf den Moment, an dem eine normale Unterhaltung die Richtung wechselt und unerwartet vertraulich wird; so unerwartet für den, der spricht, wie für den, der zuhört. Der Sprechende hört sich selbst voller Ungläubigkeit, erleichtert, dankbar. Er ist der erste Zeuge von dem, was er selbst erzählt. Durch die Art, wie er gesagt hat, dass seine Mutter sich nie das Haar nass gemacht hat, bin ich aufmerksam geworden. Ich habe keine Frage gestellt, habe gewartet. Ich habe gesehen, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte, zugleich auch der Ton seiner Stimme. Mit einem Mal ist er deutlicher voll und ganz hier als vor einigen Momenten, und er ist viel weiter fort, ein momentaner Zeitreisender. Es ist nicht Vorsatz, sondern Zufall, der diese Dinge weckt. Der, der erzählt, wusste bis vor wenigen Minuten noch nicht, dass er es tun würde. Er hatte es nicht einmal mehr im Gedächtnis. Es sind die Umstände gewesen, das leicht Unscharfe, das Unerwartete, das beinahe Unbehagliche. Wir sind allein, weil wir etwas zu früh im Restaurant eingetroffen sind. Wir kennen uns seit Jahren, sind bis heute aber noch nie allein zusammen gewesen. Wir sind etwas früher gekommen als die anderen, erst der eine, kurz darauf der andere, an einem Sonntagmittag im Sommer. Das ganze Viertel ist so verwaist wie das Restaurant. Es gibt noch Lämpchen und Girlanden von einem Fest kurz zuvor, bestickte Manilatücher hängen von einigen Balkonen. Wir sitzen uns an einem Sechsertisch gegenüber. Allein hier zu sein verunsichert uns, und es gefällt uns. Wir wissen beide, dass wir uns mögen, haben es aber außerhalb familiärer Zuneigungsbekundungen noch nie gezeigt. Ohne die anderen um uns herum – seine Frau, meine, die Familie – sehe ich ihn in seiner ganzen Individualität vor mir, befreit von Gattungsattributen, der Mann meiner Cousine, eines von den vielen jungen Gesichtern, die einmal Kindern gehörten und jetzt erwachsene Gesichter und Gestalten sind, obwohl wir immer noch Spiegelbilder oder Fortbestände früherer Zeiten erblicken, als wäre diese kindliche Identität die eigentlich wahre und alles danach etwas Hinzugefügtes, von Wert höchstens in dem Maße, als es von Geburt an existierende Neigungen und kindliche Züge bestätigt, die im Lauf der Jahre gröber geworden sind.
Entdeck die Geschichte dahinter. Ich will nur ihm zuhören und sonst keinem. Ich will ihn nicht als Teil eines Gruppenbildes sehen, eines Generationenfotos wie in der Handy-Werbung. Es ist einfacher, weil wir allein sind. Die gegenseitige Zuneigung siegt über männliche Steifheit. »In den Ferien sind wir immer in diese Bucht gefahren«, sagt er, »in das Hotel, in das ihr auch immer geht.« Er ist noch jung, hat aber schon graue Stellen an den Schläfen und in der Strähne, die ihm in die Stirn fällt. Er hat eine tiefe Stimme, vielleicht etwas zwanghaft, weil er daran gewöhnt ist, sich auf der Arbeit Respekt zu verschaffen, aber aus seinen Augen strahlt eine ungewöhnliche Offenheit, und auf seinen roten Wangen prangt ein Glanz von kindlicher Gesundheit. Auf seinem Gesicht liegt ein unauslöschlicher Ausdruck von Verlassenheit und Dank, von unverstellter Lebensfreude. Man hat uns zwei Gläser Bier hingestellt, und er hat seines in einem Zug halb leer getrunken. In der sommerlichen Mittagshitze wischt er sich glücklich den Schaum von den Lippen. Das sind die Geschenke von Madrid. Er erzählt mir, der höchste Genuss für ihn sei ein schönes kühles Bier, während er sonntags das Mittagessen zubereitet und Radio dabei hört. Er lacht und findet es süß, dass seine Frau, meine Cousine, nicht mal ein Spiegelei braten oder eine Tütensuppe kochen kann. Geheiratet haben sie vor zwei Jahren so ein bisschen im Stil von amerikanischen Filmen, auf einer Finca mit grünem Rasen, außerhalb von Madrid, umgeben von Gewerbebetrieben, Autostraßen und Brachland. Sie haben geheiratet, und er ist glücklich mit seiner Frau und mit der Familie seiner Frau, ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihren Onkeln, mit uns allen, von denen einige, sechs, um genau zu sein, heute zu einem späten Frühstück verabredet sind, das er und ich ein bisschen vorgezogen haben. Darum sitzen wir jetzt schon vor den anderen hier in unseren leichten Sommerhemden, Turnschuhen und den sommerlichen Bermudashorts an diesem Sechsertisch und pflegen eine Kameraderie, die – zumindest für mich – etwas von einem Missverständnis hat. Im Lauf der Jahre entkoppelt sich die Wahrnehmung des eigenen Alters von dem tatsächlichen. Das tatsächliche Alter schreitet voran, doch die Wahrnehmung hält nicht mit, verharrt, nicht in der Blüte der Jugend, denn das würde leicht widerlegt, sondern später, so um die vierzig herum. Er dürfte etwas über dreißig sein: Meinem Gefühl nach ist die Distanz zwischen ihm und mir nicht allzu groß, vielleicht wie zu einem etwas jüngeren Freund, aber nicht so, als würde ich zu einer anderen Generation, einer anderen Welt gehören. Die luftige Sommerkleidung, die Turnschuhe und die leicht dahinplätschernde Unterhaltung gestatten uns, gestatten mir eine illusorische Nähe. Ich bin kein etwas älterer Freund. Ich könnte sein Vater sein.
Lebe deinen Tag ohne Grenzen.
Heute musst du alles lernen. »Ich war dreizehn Jahre alt«, sagt er. »Wir verbrachten unseren Urlaub auf Mallorca. Wir, meine Eltern, meine Geschwister und ich. Im Hafen von Valencia haben wir unser Auto aufs Schiff gefahren und waren die ganze Nacht auf dem Meer. Ich stand an der Reling, und es war wie im Film. An besagtem Tag spielten mein Bruder und ich etwas abseits von den Erwachsenen und den älteren Geschwistern am Strand. Meine Mutter schwamm sehr gut, bekam aber nie einen nassen Kopf, tauchte ihn nie unter Wasser. So schwammen die Frauen damals. Sie mochte es nicht, wenn ihr Haar nass wurde. Mein kleiner Bruder und ich bauten Sandburgen und Tunnel und zertrampelten sie hinterher. Davon konnten wir nie genug bekommen. Dann sahen wir Leute über den Strand laufen, etwas weiter weg hatte sich eine größere Gruppe gebildet. Es hieß, jemand sei ertrunken oder von einem Rettungsschwimmer vor dem Ertrinken gerettet worden. Die Leute sprechen ja sehr entschieden von Sachen, die sie nicht wissen. In der Gruppe von Leuten sah ich auch meinen Vater. Ich habe ihn gleich erkannt, weil mein Vater immer der Größte war, und das, obwohl man Menschen am Strand nicht leicht auseinanderhalten kann. Mein Bruder und ich vergaßen unsere zertrampelten Sandburgen und unsere Streitigkeiten und rannten los. Die Leute bildeten einen Halbkreis um eine ertrunkene Frau. Ich wollte nicht glauben, dass es meine Mutter war, denn ich habe sie nicht erkannt. Nicht, dass ihr Gesicht eine andere Farbe hatte, oder so. Ich hatte sie nur noch nie mit nassen Haaren gesehen.«