»Was könnte realer sein als Schmerz? Alles andere ist Geschwätz. Ist es möglich, hier rauszukommen? Kommt man hier raus? Selbst wenn, wohin soll man denn gehen? Siehst du, ich rede mit dir. Mit einem Toten! Kann ich wieder so werden wie früher, wenn ich hier raus bin? Die Scheiße ist, dass ich mich nicht einmal mehr daran erinnere, wie ich früher war.« Ein junger Mann. Militärdienst. Osttürkei. Bitterste Kälte. Mitten in dieser Hölle wird er eines Nachts von einem Mann besucht, der gar nicht mehr am Leben sein kann. Ist es Müdigkeit oder Unterkühlung, die ihn zu einer solchen Halluzination veranlasst? Und wenn es keines von beidem ist, was dann?
Hakan Günday, geboren 1976, studierte Französisch in der Türkei und in Brüssel, anschließend Politikwissenschaften in Ankara. Diplomatensohn, Bestsellerautor, Drehbuchautor, Provokateur, Enfant terrible der jungen türkischen Literatur. Seine Romane sind gleichermaßen Bestseller wie Kultbücher. Seine vielen Fans feiern ihn für seine politischen Kolumnen, seine öffentlichen Debatten und dafür, dass alles, was er tut, aus dem Rahmen fällt.
Hakan Günday
Verlust
Roman
Aus dem Türkischen
von Sabine Adatepe
Die türkische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel »Ziyan«
im Verlag Dogan Kitap, Istanbul.
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Deutsche Erstausgabe März 2022
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe: © 2022 by btb Verlag
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Copyright der Originalausgabe: © 2009 Hakan Günday; © Kalem Literary Agency
Covergestaltung: semper smile, München
Covermotiv: © Plainpicture/Florian Loebermann
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
JT ∙ Herstellung: sc
ISBN 978-3-641-25771-2
V001
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Für Selen Özer Günday
Mein Dank gilt H. Orhan Günday, er teilte seine Weisheit mit mir und öffnete mir sein Archiv.
Der Finger, hinter dem keine organisierte Macht steht, soll den Abzug ziehen und den ganzen Wahnsinn vorführen, der in einem einzelnen Menschen stecken kann. Es ist Zeit, die schlafenden Massen aus dem Bett zu reißen. Zeit, ihnen die Augenlider mit Rasiermessern abzutrennen. Zeit für ewige Schlaflosigkeit. Jetzt ist Attentatszeit …
Kinyas ve Kayra1
Er schaute nicht länger hin und schloss die Augen vor dem Leben. Einziger Beweis dafür, dass er lebte, waren die ihm aus den Nasenlöchern quellenden Schwaden. Kälteschwaden. Vor Kälte dampfender weißer Atem. Er hatte sich zugedeckt. Mit Kalpak, Mantel und Augenlidern. Er war ein Fels auf dem in der Nacht gefallenen Schnee. Um auf den hingebreiteten Pelz zu passen, hatte er sich gefaltet, die Knie bis zum Bauch angezogen.
Adjutant Muzaffer war müde und fror. Sein Blick lag auf Etem, der in der Hand die ICA Reflex hielt und in der Brust den angehaltenen Atem. Der Blick des Fotografen galt dem Mann auf dem Boden, verwandelt in einen pechschwarzen Fleck im Weiß, das den Horizont getilgt hatte. Er sah nichts außer ihm und niemanden. Beweis dafür war das Foto, das er schoss.
»Der Gazi ruht auf dem Dikmen-Grat. 12. Februar 1921.«
So stand es unter dem Foto, das in Augenhöhe vor mir hing: Der Gazi ruht. Doch er ruhte nicht. Ich hatte Hunderte Fotos von Atatürk gesehen. Auf diesem Foto war kein ruhender Mann. Ich sah keinen solchen Mann. Ich sah auf dieser Aufnahme jemanden, der aus Verdruss über uns die Augen geschlossen hatte. Sah jemanden, der aufgehört hatte, uns anzublicken, weil er von allem und von uns allen die Nase voll hatte. Sah einen Mann, der dachte, die Menschen, die er befreien wollte, seien im Grunde ein Haufen Betrüger, all die Mühe wäre für die Katz. Einen Mann, der vielleicht zum ersten Mal im Leben daran dachte zu sterben. Sterben, verschwinden, im Schnee vergehen. Ich sah einen Mann, der darauf wartete zu sterben und zu erstarren oder zu erfrieren und tot zu sein. Einen Mann, der dachte, das mache keinen Unterschied. Es sei völlig egal. Einen Mann, der keine einzige Menschenstimme mehr hören wollte, dem die Kraft fehlte, auch nur ein einziges weiteres Menschengesicht zu ertragen. Deshalb hielt er die Augen geschlossen. Nicht weil er fror, hatte er die Ohren bedeckt, sondern um nicht hören zu müssen. Ja, so musste es gewesen sein. Er sagte, ich habe Augen und Ohren geschlossen. Übt ihr nur Verrat, soviel ihr wollt. Ich sehe und höre euch nicht. Ihr seid mir einerlei.
Ich aber konnte hören. Ich hörte die Stimme aus dem Foto. Möglicherweise war, was ich hörte, auch eine Stimme, die aus meinen Augen sprang, gegen das Foto prallte und zu mir zurückkehrte. Meine eigene Stimme. Ich … Laut Protagoras war das Maß aller Dinge der Mensch. Und zwar nicht irgendein Mensch. Das Maß aller Dinge war der Mensch, der ihn maß. Je länger ich das Gesicht des Gazi und die Art, wie er dalag, studierte, sah ich mich selbst. Denn in den raren Momenten, die mir auf meiner schmalen Pritsche vergönnt waren, wollte ich unter der steifen Wolldecke verschwinden und fort sein. Um keinen einzigen Menschen mehr zu sehen und zu hören. Doch das war unmöglich. Denn der obligatorische Wehrdienst war kein Einmannspiel, er war eine Vorstellung, die etliche Tausend Menschen gemeinsam gaben. Eine Aufführung, bei der Schauspieler wie auch Zuschauer Soldaten waren. Das Exerzieren in geschlossener Formation war eine Choreografie. Die Märsche Teil eines Musicals. Die Feldanzüge ein maßgeschneidertes Kostüm. Befehle, Fragen und die Antworten darauf waren auswendig zu lernende Repliken. Das Skript, an das man sich niemals hielt, stand in Verordnungen geschrieben. Der Regisseur hieß »Herr Kommandant«. Alles war da. Alles war bereit. Allerdings machte das alles viel zu viel Krach. Unerträglich viel. So viel, dass man am liebsten das Bett aufgeschlitzt hätte und hineingeschlüpft wäre. So viel, dass ich das Kissen, auf das ich meinen Kopf bettete, am liebsten mit meinem Kopf gefüllt hätte. So viel, dass ich mich selbst sah, wenn ich den Gazi betrachtete!
»Du hast Wachdienst.«
Der Satz stach mir ins Ohr, und ich schlug die Augen zum Leben auf. Am Nachtoffizier vorbei verließ ich die Kantine. Beim ersten Schritt wurde meine Nase nass. Schnee. Schnee, der mir ins Gesicht schlug und es beim Schmelzen gefror. Es schneite seit Monaten. Tag und Nacht, morgens, mittags, vor- und nachmittags. Es schneite, um zu begraben. Alles und jeden. Fahrzeuge, Kinder, Häuser und Ochsen. In den Fernsehnachrichten war die Rede von der idealen Schneehöhe zum Skifahren. Scheißfernsehnachrichten! Schneehöhe? Ideal zum Skifahren? War sie auch ideal für die Ärsche in den durch Schnee von der Außenwelt abgeschnittenen Dörfern, die keinen Piep von sich geben, wenn ihre einjährigen Kinder wie Fliegen sterben, aber Schlitten über die Fatiha-Berge zur Straße nach Van ziehen, damit ihre hunderteinjährigen Großväter überlebten? Schneehöhe! Erst versinken die Füße, dann sind auch die Fußgelenke weg. Knie, Beine, der Stall. Der Schnee begräbt bei lebendigem Leib. Erst kämpfst du mit der Faust. Um den Schnee dorthin zurückzuschicken, woher er kam, füllst du deine Faust und wirfst sie in die Luft. Dann die Schaufel. Eine Schaufel auf zwanzig Soldaten. Eine einzige auf vierzig Arme! Vielleicht noch ein Spaten, der mehr einem Hammer gleicht. Du schaufelst. Mit der Schaufel! Mit dem Spaten! Der Schnee fällt. Bis du begraben bist. Regen fällt, bis du ertrinkst. Wind bläst, bis es dir die Füße vom Boden haut und dich davonwirbelt. Lauschst du der Welt, wirst du es hören: Menschensohn Mensch, verpiss dich! Du aber bist hartnäckig. Du wirst überleben. Es gibt Erdanziehungskraft. Aber keinen Ort, an den man gehen könnte. Dir bleibt nichts anderes übrig, als auf dieser Welt zu leben, von der du ständig vertrieben wirst, die sich schüttelt und spaltet, um dich zu verschlingen. Der Mars ist weit! Das Leben auf der Erde ist ein Rodeo. Wirbelstürme, Lawinen, Überflutungen, Erdbeben. Du kämpfst, mit der Schaufel in der Hand. Das ist mein Zuhause, brüllst du. Scheiße! Das ist kein Zuhause! Das ist überhaupt nichts! Die Erde ist nicht die Schale des Menschen. Das ist hier nicht unser Nest. Mit der Schwerkraft sind wir an die Erde gekettet. Wer weiß, wo man uns hinausgeschmissen hat? Aus dem Paradies? Wohl kaum! Wohl überhaupt gar nicht!
Ich redete. Ich erzählte all das den Handschuhen, die ich mir auf die Lippen presste. Meinen löchrigen grünen Handschuhen. Eine Lira. Zweilagig. Eines der wenigen billigen Produkte: Handschuhe. Handschuhe, die anbrennen und gelb werden, wenn du dich am Elektroofen wärmen willst. Handschuhe, die aufreißen, wenn du sie vom gefrorenen Lauf des Gewehrs lösen willst. Ihnen erzählte ich, was mich quälte. Was ich sagte, drang bis zu meinen Händen durch. Denn mit der Kälte ließen meine Handschuhe auch Geräusche durch.
In den Fußstapfen eines Unbekannten, in denen gefrorenes Wasser stand, stakste ich voran. Ich kämpfte mich durch den weißen Matsch, stach wieder und wieder in den weißen Sumpf. Als ich bei dem Arsenal ankam, war die Anzahl meiner Zehen längst auf eins reduziert. Sie waren dermaßen unterkühlt, dass ich sie nicht mehr einzeln spürte in den Stiefeln. Boots nannte man sie hier. Stiefel hießen hier Boots, das Leben, das ich einst führte, hieß hier Zivil. Vieles hieß hier anders. Es gab eine Soldatensprache. Heerisch. Man musste es nicht sprechen, verstehen genügte. Man brauchte überhaupt keine Sprache zu sprechen. Denn in unserem Rang sprach man nicht. Im Rang der Ranglosigkeit. In der Theorie stellt Disziplin die Grundlage des Militärs dar. In der Praxis aber, die die Theorie hinterrücks ersticht, bilden die gemeinen Soldaten die Grundlage des Militärs. Das Fundament, die Basis, wie auch immer man es nennt, auf uns fußte die Armee. Alles und jeder stand über uns. Wir standen noch unter dem Schnee. Wir waren die Ketten eines Riesenpanzers. Laut Handbuch des Gemeinen und Gefreiten, das aussah wie der komplizierte Prospekt einer komplizierten Maschine, zu tragen in der oberen linken Tasche unserer Parkas, die seit fünfzehn Jahren dienende Offiziere beharrlich Parkett nannten, waren wir Soldaten ohne Rang, für deren Unterhalt der Staat sorgte. Glorreiche Gemeine! In diesem Land mit höchster Chancengleichheit in der Bildung hatten wir unser Bestes getan, um gemeiner Soldat zu werden, hatten kein Studium abgeschlossen und kein Zeugnis vorzuweisen, das uns als Experten in irgendeinem Beruf ausgewiesen hätte. Wir waren stolz auf unsere Opferbereitschaft. Denn wir wussten es. Wussten, dass in den Gesetzen und Verordnungen zur Wehrpflicht ein Fehler unterlaufen war. Um Gemeiner zu sein, brauchte es höchstens ein Abitur oder einen Fachhochschulabschluss. In einem Land, in dem alle Männer studierten, gäbe es bald keine Gemeinen mehr. Der Sockel der Armee würde ihr unter den Füßen wegrutschen. Davor konnten wir nicht die Augen verschließen. Was dem Auge des Gesetzgebers entgangen war, hatte sich uns offenbart, und wir hatten geschworen, von keiner Universität ein Diplom zu holen. Manche von uns hatten vor lauter Angst, dass der Armee die Soldaten ausgingen, nicht einmal lesen gelernt. Welch ein Mut! Welch ungeheures Opfer! Gefallene oder Veteranen brauchten wir gar nicht zu werden. Helden waren wir ohnehin. Helden, die den Preis für Vaterlandsliebe ein Leben lang mit Unwissen zahlten! Dumm zu bleiben war nicht weiter schlimm. Den Geist der Strafgesetze hatten wir besser begriffen als alle anderen. Während es lediglich eine Geldstrafe dafür gab, sein Kind nicht zur Schule zu schicken, wurde mit Haft bestraft, wer den Wehrdienst verweigerte. Wir verstanden genau, was das hieß. Unsere Ohren hörten. Die zwischen den Zeilen des Gesetzes verborgene grandiose Botschaft kam an. Das nannte man Anreiz per Gesetz. Seine Ausbildung nicht abzuschließen, war kein großes Ding. Doch nicht zum Militär zu gehen, war ein Unding! Unwissen war nicht tödlich, Kriegsdienstverweigerung aber zog Schikane nach sich. Das sagten die Gesetze. Fick die Schule, aber leiste auf jeden Fall deinen Wehrdienst, sagten sie. Meinetwegen kannst du gern dumm bleiben, Hauptsache, du wirst Soldat. Denn, entschuldige, aber deine Dummheit ist mir scheißegal! Also sagten wir, gut, ganz wie du willst! Es war ein Vergnügen, den vom Staat aufgezeigten Weg zu gehen! Vielleicht nicht äußerlich, innerlich aber waren wir herrlich entspannt.
Als ich die Sturmweste anlegte, kam sie mir etwas zu leicht vor. In ihren Taschen sollten vier volle und ein leeres Magazin stecken. So stand es im Übergabe-Übernahme-Protokoll, das der Kompaniechef und ich unterschrieben hatten. Die Anzahl der Magazine, die ich in Obhut genommen hatte, lautete fünf. Das würde der Staat nötigenfalls beweisen können, warum aber die Tasche über meiner rechten Niere leer war, könnte er nicht erklären. Ein Magazin mit zwanzig 7,62-mm-Projektilen war futsch. Mir fiel ein, wie die Vorgesetzten reagierten, wenn solche Vorfälle gemeldet wurden:
»Hättest du besser auf dein Material aufgepasst! Besorg das, woher auch immer! Kommt das zu Protokoll, kommst du vor Gericht!«
Nach dem fehlenden Magazin musste ich nicht in der Ferne suchen. Ich stand im Arsenal. Im Hort von Waffen und Sturmwesten mit vollen Magazinen. Nicht ich würde derjenige sein, der vor dem Militärgericht landete, weil ihm etwas von der Ausrüstung abhandengekommen war. Ich fingerte ein Magazin aus einer Sturmweste, deren Besitzer ich sehr genau kannte, schob es mir in die Tasche und schulterte das Gewehr. Reue? Keine Spur! Ja, vielleicht standen wir alle in derselben Armee, doch wir leisteten nicht denselben Militärdienst. Für jeden war der Wehrdienst anders. Auf jedem Quadratmeter ein anderer Kriegsdienst. Nur die Verpackung war die gleiche. Unsere Verpackung und unsere Accessoires.
Zwischen dem Militärdienst von Nahif, der sich im Depot hinter der Kantine ein Lager aus leeren Kartons gebastelt hatte, auf dem er schlief, und dem von Fethi und Nuh, über die ich auf dem Weg zur Entladestation springen musste, weil sie über den Schnee robbten, bestand ein Riesenunterschied. Sie robbten dort, weil ihnen beim Morgenappell eine Frage gestellt worden war, deren Antwort sie nicht wussten. Sie robbten, weil sie, obwohl sie nicht einmal die Geburtsdaten ihrer Mütter kannten, alle Arten möglicher Hinterhalte auswendig lernen und aufzählen sollten. Sie robbten seit Wochen. Morgen für Morgen. Die Beschreibung, die sie lieferten, machte keine Fortschritte. Ihre Antworten gingen nie über zwei Wörter hinaus. Schnee war der gemeinsame Boden für Gemeine, die nicht wussten, wie man lernte, und Vorgesetzte, die nicht wussten, wie man lehrte. Die Sache wurde mit Robben erledigt, und alle setzten ihre Tätigkeiten fort.
Nahif dagegen war ABZler. Anleitungs- und Beratungszentrum. Ein Abenteuer, das damit begann, dass in der weit entfernten Grundausbildung bei allen Gefreiten und Gemeinen, die sich mit Rasierklingen Arme und Beine ritzten, die ein Tattoo auf der Haut trugen oder von denen man glaubte, sie wären nicht in der Lage, den Verpflichtungen des sozialen Lebens nachzukommen, in den Wehrpass – dem Pendant des Personalausweises im zivilen Leben – auf Seite 32 ABZ gestempelt wurde. Theoretisch handelte es sich dabei um einen Stempel, der erforderte, dass die Betroffenen im Verlauf ihres Wehrdienstes weiter vom Anleitungs- und Beratungszentrum betreut und nötigenfalls psychiatrisch unterstützt wurden. Doch in der Praxis, die die Mutter der Theorie fickte, entwickelte sich das Soldatenleben derer, die den ABZ-Stempel im Wehrpass trugen, je nach Person auf eigene Weise.
Auch ich trug den Stempel. Auch ich war ein ABZler. Denn ich war tätowiert. Auf meinem Rücken prangten vier fingerlange Striche und einer, der sie durchkreuzte. Das bedeutete in der Knastsprache, was ich über die Tage dachte, die ich überleben würde. Auch ich war ein ABZler. Denn ich hatte eine Stirn und ein Handgelenk, die erst von mir geritzt und später von Ärzten, deren Namen ich nie erfuhr, genäht worden waren. Ich trug einen Stempel, der verhinderte, dass ich bei der Berufswahl am Ende des ersten Monats der Grundausbildung Tourismusgendarm wurde. Daneben stand »T+S«. Die Initialen von tattoo und self mutilation. Warum auf Englisch? I don’t have any fuckin’ idea!
Ich entsinne mich jenes seltsamen Tages. Auf einem Feld, das einem Stadion glich, warteten wir auf die Durchsage aus den Lautsprechern, die unser Soldatenleben rausreißen würde. Dutzende Tische. An jedem ein Offizier.
»Metallbauer an Tisch zwei! Fliesenleger an Tisch sechs! Kellner an Tisch neun!«
Ich wartete. Natürlich hatte ich keinen Beruf. Dennoch wartete ich. Denn ich wusste, in meiner Kohorte sprach ich am besten Französisch. Zweifellos wäre ein Gendarm, der Französisch konnte, von Nutzen. Ich beherrschte Französisch so gut, dass ich imstande war, einen Belgier, der sämtliche orientalistischen Maler verfluchte, weil er in Kappadokien vom Esel gefallen war, zu überreden, im nächsten Jahr mit seinem Nachbarn gemeinsam den Berg Nemrut zu besteigen. Tourismusgendarm! Das war mein Ding.
»Wer Französisch kann, an Tisch sieben!«
Ich rannte los, stellte mich in die Schlange, wartete. Schritt für Schritt ging es voran. Dann war ich dran. Den Blick auf seinem Zettel fragte der Offizier:
»Eule?«
Ich verstand sofort, was er wollte. Niemand hatte Zeit zu verlieren. Ich nannte ihm das französische Wort. Er fragte weiter.
»Gürtel?«
Super! Meine Antworten kamen wie aus der Pistole geschossen. Er streckte die Hand aus.
»Dein Wehrpass!«
Ich reichte ihn ihm. Er blätterte darin. Finis.
»Der Nächste!«
Der Offizier hatte den ABZ-Stempel gesehen und sofort erkannt, dass aus mir kein Tourismusgendarm werden würde. Er hatte recht. Denn auch wenn das Tattoo auf meinem Rücken saß, würden die Touristen seine Existenz spüren und ihre Vorstellung davon, dass wir alle Barbaren waren, wäre auf ewig in Beton gegossen. Denn der Schaden, den ich anrichten könnte, das Tohuwabohu, für das ich sorgen würde, wenn ich Französisch sprach, wäre grenzenlos. Die Armee hatte wie stets korrekt entschieden und all die Menschen gerettet, die ich hätte umbringen können, wenn ich Französisch gesprochen hätte. Damit ich meiner Wehrpflicht nachkommen konnte, ohne jemandem zu schaden, verfügte man mich mit siebzehn Mann zu einer Gendarmerieabteilung für innere Sicherheit und drückte mir eine Mordmaschine namens G3 in die Hand. Ich war sogar berechtigt, einen Granatwerfer zu tragen. Dank jenes Offiziers trat ich heute mit achtzig Kugeln, einem vollautomatischen Kampfgewehr und einem Granatwerfer meine Wache an. Die Touristen waren davongekommen. Nun mussten sich andere Sorgen machen. Kurden, die mir en passant »Gute Wache, Bruder Soldat!« wünschten und von mir nur die von der Schneemaske nicht verdeckten Augen sahen. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, ich hatte nicht vor, auf sie zu schießen. Ich kotzte lediglich meinen Hass und meine ABZ-gestempelte psychische Störung auf Französisch aus. Das machte ohnehin mehr Eindruck als das Gewehr an meiner Schulter:
»Va te faire enculer, fils de pute!«
Oder wie der Lehrjunge des Krämers, bei dem wir durch das Loch im Stacheldrahtzaun am Ostrand der Kaserne einkauften, immer sagte:
»Verpiss dich, du Hupensohn!«
Wie auch immer er Prostitution mit Autofahren in Verbindung brachte.
»Lauf in den Kanister!«
Sechzehn mit Sand gefüllte rote Kanister, auf Hüfthöhe in Beton versenkt, die Öffnung ein Loch. Nebeneinander. Vor jedem ein Soldat, der den Lauf seines Gewehrs genau dort hineinsteckte.
»Spannschieber ziehen! … Loslassen!«
Die Kommandos gab der Unteroffizier, der in die Kantine gekommen war und mir Bescheid gesagt hatte, dass ich Wache hatte. Er wollte seinen Job machen. Er war eine von zwei Brücken zwischen uns und den Vorgesetzten. Der andere war der Unteroffizier im Tagesdienst. Jetzt waren wir auf Nachtschicht. An der Entladestation. Vor Wachdienstantritt mussten wir uns vergewissern, dass kein Projektil im Patronenlager unseres Gewehrs steckte, bevor wir das Magazin einsetzten.
»Entsichern! Abzug betätigen! Sichern! Magazin einsetzen! Stillgestanden!«
Bei der Rückkehr von der Patrouille würden wir das Ganze in umgekehrter Reihenfolge erneut vornehmen. Würden zuerst das Magazin herausnehmen, dann den Spannschieber des Gewehrs mit dem Lauf im Kanister ziehen und loslassen, entsichern, Abzug betätigen. So würde niemand einen anderen erschießen. So stand es zumindest in der Vorschrift. Doch Vorschriften wurden in weiter Ferne geschrieben. In einem Gebäude in der Hauptstadt. Texte aus der Hand von Offizieren, die militärische Instruktionen verfassten, waren romantische Werke. Nur ein Romantiker konnte sich in Sachen Realität dermaßen etwas vormachen. Die beiden Beine der Armee, eines die Verordnungen, das andere die Realität, standen zum Reißen voneinander entfernt. Denn wenn Verordnungen die physischen Regeln dieser Welt waren, waren wir Gespenster. Wie der in der Hauptstadt entworfene ideale Armeestandard reine Fantasie war. Wir waren weit genug entfernt. So weit, dass wir unsere eigenen Fantasien hegten. Es war kalt genug hier. So kalt, dass wir imstande waren, unsere Handbücher mit Seiten voller Standards zu verbrennen, um uns beim Wachdienst die Hände zu wärmen.
Seit elf Tagen versah ich stets dieselbe Wache. Zur selben Uhrzeit auf denselben Wachtürmen. Auch das verstieß gegen die Vorschriften. Aus Sicherheitsgründen. Acht Stunden täglich. Zweistündige Wachen alle vier Stunden. Nicht weil ich bestraft worden wäre oder irgendeine außergewöhnliche Situation herrschte. Nur weil der Wehrdienst eines jeden eben anders war. In der Kompanie von vierundsiebzig Mann hielten nur achtundzwanzig Wache. Die anderen, die verschiedene Aufgaben versahen, hatten mit dem Wachdienst nichts zu tun. Köche, Innendienst, Post, Fahrer, Barkeeper … Die übrigen fünfunddreißig Mann kamen alle vier Stunden an die Entladestation, damit die vor Jahren errichteten Wachtürme rund um die Uhr ununterbrochen besetzt werden konnten, und bekamen nie genug Schlaf. Wir genügten nicht. Weder unsere Anzahl noch unsere Eigenschaften. Wir waren Männer, die man auf dem Weg in die Schlacht aus Kaffeehäusern geholt hatte. Man gewann keine Schlacht mit in Kaffeehäusern zusammengesuchten Männern. Wir waren Amateure, die aus Schlafmangel an der Schwelle zum Wahnsinn standen. Was uns daran hinderte, vor Schlaflosigkeit und Kälte wahnsinnig zu werden, war einzig die Angst. Wir fürchteten uns dermaßen, dass wir nicht durchdrehen konnten. Wir fürchteten uns vor allem. Vor den Vorgesetzten, den Militärgerichten, den Waffen in unseren Händen und vor Zivilisten, die sich uns näherten.
Soldatische Schlaflosigkeit bedeutet nicht, nicht zu schlafen, sondern stets geweckt zu werden, bevor die Tiefschlafphase einsetzt. Wird das hundertfach ununterbrochen wiederholt, platzt das Gehirn und die Augen fallen aus den Höhlen. Dies ist das erste Beben, das das Gedächtnis erschüttert. Das zweite besteht darin, dass infolge der Verwandlung der Person in eine auf Befehl funktionierende Maschine der Entscheidungsmechanismus ausgesetzt wird. Das Hirn, das sich schlafend glaubt, träumt weiter, der neunzehn Stunden lang wache Soldat erlebt innerhalb eines Tages etliche plötzliche Erinnerungsschübe. Plötzliche Erinnerungsschübe bedeuten, beim Blick in den Spiegel über dem Waschbecken, das du zum dreihundertvierten Mal putzt, den Schmerz der Ohrfeige zu spüren, die du dir als Sechsjähriger einfingst. Alles, woran du nie gedacht, woran du dich nie erinnert hast, wie im Traum erneut zu erleben, als fände es in jenem Augenblick, an jenem Ort statt. Bei solchen Schüben kommt es vor, dass Leute, die nicht wissen, wie sie am Morgen danach heimgekommen waren, sich plötzlich daran erinnern, was sie in durchtrunkenen Nächten taten. Die Seite des Militärdienstes, die das Gedächtnis aufreißt, ist keine gesunde Nebenwirkung. Am Ende des Schubs in die Realität zurückzukehren, bringt einen um.
Der Zwilling des Erinnerungsschubs ist der ebenso mörderische Vergessensschub. Für Minuten, für Stunden kannst du dich an absolut unvergessbare Dinge nicht erinnern und zweifelst an deiner eigenen Vergangenheit. Wenn das alles mit einem G3 zusammenfällt, sieht es nicht sehr nett aus. Familien in weiter Ferne mögen friedlich schlafen, weil wir Wache halten, doch hier schlafen Familien gar nicht tief. Denn sie wissen genau, dass unsere Augen Gewehrläufen gleichen.
Als ich den Wachturm erreichte, stand der Soldat, den ich ablösen sollte, in der scheibenlosen Hütte wie ein Tier auf den Hinterbeinen. Atemlos vom schnellen Ein- und Ausatmen. Das sah ich an der gefrorenen Atemwolke, die ihn einhüllte. Er bemerkte mich nicht einmal, als ich die brüchige Tür aufstieß. Er glaubte, reglos in der fahrstuhlgroßen Hütte zu verharren, doch er wippte auf Zehenspitzen auf und nieder, schüttelte den Kopf, als sagte er unablässig »Nein!«, und trotz der sieben Lagen Stoff an seinem Leib merkte man, dass er schlotterte. Sein Blick lag starr auf dem quadratischen Loch vor ihm. Durch das Loch, so breit wie ein 37-Zoll-Fernsehbildschirm, spähte er auf die Straße, die vor der Kaserne vorbeiführte. Ich glaube nicht, dass er etwas sah, er stierte bloß. Seit vier Uhr nachts stand er da, und ihm tat alles weh. Nicht bloß Hände, Füße, Ellbogen, Bauch, alles schmerzte. Herz und Seele. Alles, das bewies, dass er am Leben war, tat weh. Als ich seine Schulter berührte, stellte ich fest, dass er es nicht spürte. Erst als ich ihn schüttelte, bemerkte er, dass ich direkt neben ihm stand. Beide trugen wir doppelte Schneemasken. Darum schauten wir durch eine Schwimmbrille in die Welt. Was rechts und links von uns geschah, war ohne Bedeutung. Auch die Hurensöhne, die sich anschleichen und uns die Kehle aufschlitzen würden. Von allen blinden Punkten aus hätten sie sich nähern und uns den Kopf vom Rumpf trennen können. Nur nicht von vorn! Dann hätten wir kämpfen müssen, da wir aber drei Handschuhe übereinander trugen, hätten wir den Abzug gar nicht bewegen können. Wichtiger, als nicht umgebracht zu werden, war für uns, nicht zu erfrieren. Besonders klug waren wir nicht. Auch der Verstand war uns eingefroren.
Ich half ihm, den zerlumpten Wachmantel abzulegen, den etliche Kohorten aus- und angezogen hatten. Die kugelsichere Weste hatte er, obwohl die Strafe für das Nichttragen eine Gelegenheit für den Kommandanten wäre, wenn er es denn bemerkte, seine reiche Fantasie unter Beweis zu stellen, unbekümmert liegen lassen. Sie wog elf Kilo. Sie stank, atmete, lebte und vor allem war sie Soldatenarbeit. Es war eine alte Sturmweste mit Eisenplaketten und Rissen. Das Modell einer Stahlweste, die das Herz frei ließ, aber Magen, Bauch, Rücken und Nieren schützte, designt, um ihrem Träger den Atem zu nehmen. Im Augenblick lag sie auf dem Boden. Ihr Anblick drehte mir den Magen um. Auch ich würde sie nicht anlegen. Nur den Helm. Den könnte ich aufsetzen. Den Helm, vor dessen Tragen wir Hundewart Cuma mit seiner komischen Hautkrankheit und den stellenweise wie ausgerupft ausgefallenen Haaren dutzendfach eindringlich gewarnt hatten, könnte ich mir über den Kopf stülpen. Selbst wenn Cuma, der Tierfreund wider Willen, der dafür verantwortlich war, die Hunde zu füttern und ihren Dreck wegzumachen, ihn aufgehabt haben sollte, würden seine Scheißmikroben durch die doppelte Schneemaske nicht an meine Kopfhaut vordringen. Das glaubte ich zumindest. Im Grunde war es völlig wurscht. Denn ich trat meine letzte Wache an. Das allerletzte Mal. Bis zum Ende meines Wehrdienstes war es noch über ein halbes Jahr hin, aber ich würde das letzte Mal Wache stehen.
Nein, der Wehrdienst war nicht verkürzt worden. Darauf bestand keine Aussicht. Wie in dem dreimal wöchentlich im Ferienclub Kommandeursstunde gezeigten Dokumentarfilm »Warum ist die Türkei Zielscheibe?« verkündet waren sämtliche Nachbarländer unsere Feinde, die alle nichts anderes im Sinn hatten, als uns abzuschlachten und sich auf unserem Territorium anzusiedeln. Die Gefahr war also nach wie vor akut. Alle hassten uns, und wir hassten alle. Kein Problem. »Der obligatorische Wehrdienst ist keine Pflicht, er ist ein heiliges Recht. Die Türkei gibt ihrer Jugend das Recht, ihr Land zu schützen.« So endete die herrliche Doku, in der alles klar dargestellt wurde. So klar, dass wir sogar Kessel-Fuat, dem Armenier aus Antakya, trotz seiner Vorfahren verziehen. Es war nicht seine Schuld, Armenier zu sein. Es war eben sein Pech.
»Macht nichts«, sagten wir zu Fuat. »Es ist ja nicht deine Schuld, dass dein Opa eine Verräterschwuchtel war.« Dann bekamen wir etwas von den fünf Kilo Joghurt ab, die Fuat pro Woche zustanden. Der Joghurt war eine wissenschaftlich belegte Vorsichtsmaßnahme gegen die Vergiftung des Mannes am Kessel, den Rahm verspeisten selbstverständlich wir.
Dass die soeben übernommene Wache meine letzte sein würde, hatte einen anderen Grund. Ich würde Hand an mich legen. Niemand würde mir jemals wieder gratis eine solche Menge Munition und eine so starke Waffe überlassen. Die Chance war mir in den Schoß gefallen, ich konnte sie mir keinesfalls entgehen lassen. Das Geschoss aus dem G3 mit vier Zügen und vier Verriegelungen im Rohr drehte sich im Flug um sich selbst, schlug ein Loch groß wie ein Vogelauge und trat aus dem Fleisch, in das es eindrang, mit einer Wunde groß wie ein Aschenbecher wieder aus. Die Gefahr zu überleben war ausgeschlossen. Denn Gemeine, die sich umbringen wollten, fürchteten nichts mehr als zu überleben. Es war ein ungeheures Verbrechen, sich für das Militär untauglich zu machen. Darauf stand jahrelange Haft, im Krieg der Tod. So stand es in unserem Handbuch und wurde uns bei jeder Gelegenheit ins Gedächtnis gerufen. Selbstmord verüben durfte man, aber Überleben war ein Verbrechen mit entsetzlichen Folgen. Also war Vorsicht geboten. Zögern ließ mich einzig Artikel sechs der Allgemeinen Wachvorschriften: Solange er nicht tot ist, verlässt der Wachsoldat seinen Wachposten nicht. Mein Körper würde den Wachturm ja nicht verlassen. Ich würde lediglich tot sein. Ich fand, ein toter Wachsoldat würde den Turm weit besser schützen. Ein stinkender, blutiger, von der Stahlweste zermalmter Soldatenleichnam würde noch den brutalsten Terroristen stoppen. Artikel sechs der Allgemeinen Wachvorschriften tat auch die Meinung der Armee in Sachen Metaphysik kund: Wer tot ist, verlässt den Posten! Er geht, verschwindet, kann nicht auf Befehle hören, ist zu nichts nütze! Sterben heißt gehen. Dabei bist du da, liegst auf dem Boden, gehst nirgendwohin. Wer das nicht glaubt, soll die Fliegen fragen, die dich umschwirren. Falls er deren Sprache versteht. Ich verstand sie. Früher schon sprach ich mit Käfern und Fliegen. Schon als ich ihnen die Flügel ausriss und ihre haarfeinen Beine ansengte. Eines der Vergnügen, die das Kind in mir nicht aufgegeben hatte! Zweifellos hatte ich ein besseres Verhältnis zur Mikrowelt als Celal aus Urfa, der in der Grundausbildung auf die Krankenstation kam und dem Sanitätsunterleutnant die aus der Streichholzschachtel wuselnden Ameisen zeigte: »Herr Kommandant, ich bringe die einfach nicht in Reih und Glied. Ich kriege keine Formation hin.« Mit Sicherheit kannte ich auch den Unterleutnantsrang besser als alle anderen in meiner Umgebung. Denn kein Rekrut, den ich in der Grundausbildung kennengelernt hatte, wusste, dass er seinen Wehrdienst im Rang eines Unterleutnants ableisten konnte. Denn aus ihren Familien oder Dörfern hatte nie jemand ein Studium abgeschlossen und war Unterleutnant geworden. Für sie unterschieden sich Unterleutnants nicht von anderen naturgemäß Vorgesetzten, die ganz oben auf einem dreihundertstöckigen Gebäude saßen. Der Begriff »verkürzter Wehrdienst« war für sie nur ein Märchen. Ich musste wochenlang reden, damit sie mir glaubten. Die Standardantwort lautete stets:
»Unmöglich! Wieso fünf Monate? Das gibt’s doch gar nicht! Die haben dich für dumm verkauft!«
Ja, dachte ich. Stimmt, sie haben mich für dumm verkauft.
Allerdings reichten mir Kommunikation und Leben jetzt. Mehr brauchte es nicht für mich. Ich würde töten. Mich selbst. Nicht, weil ich ausgebrannt war oder es nicht mehr aushielt. Nicht, weil ich die Schmerzen, die meine Psyche und mein Körper litten, nicht mehr ertragen hätte. Nicht, weil ich irgendeinem Sterblichen zürnte. Erst recht nicht, weil ich mich auf dem irreversiblen Pfad einer melancholischen Philosophie befunden hätte. Ich wollte sterben, weil ich drauf und dran war, wahnsinnig zu werden. Ich wollte sterben, weil ich Stimmen hörte. Ich wollte sterben, weil ich auf jedem Wachturm, den ich betrat, mit einem Mann sprach, der nicht existierte. Einem Mann, der nicht fror, nicht zitterte, und obendrein behauptete, vor über achtzig Jahren gestorben zu sein. Immer wenn ich Wache schob, stellte sich der Hurensohn vor mich hin. Redete zwei Stunden lang und verschwand, um bei der nächsten Wache erneut aufzutauchen. Ich hasste ihn. Weder trug er einen Feldanzug, noch litt er unter Schlaflosigkeit, auch wurde er nicht von Vorgesetzten zur Sau gemacht. Er hatte überhaupt nichts zu leiden. Er war ja schon tot. Nichts kümmerte ihn. Er redete bloß und ließ mich nicht in Ruhe.
Ich glaube nicht an Gespenster. Deshalb glaubte ich auch nicht, was er mir erzählte. Wenn seine schmalen Lippen unter dem komischen Bart, der wie ein Fleck in seinem Gesicht saß, sich regten und fragten: »Wie geht’s dir, Soldat?«, gab ich stets dieselbe Antwort:
»Verpiss dich!«
Unsere erste Begegnung fiel auf meinen Geburtstag. Ich stand im Wachturm. Auf Nachtwache. Das Thermometer, das neben der Entladestation an die Wand genagelt war, zeigte minus sechsundzwanzig Grad Kälte. Hier zeigen die Thermometer keine Wärme. Sie sagen, wie viele Minuten nach Betreten des Wachturms du anfängst herumzuhopsen, und nach wie vielen Minuten du nach und nach krepierst. Sie sagen, wann der einzige Münzfernsprecher in der Kaserne einfriert, wann die Wasserrohre und die Steckdosen. Wann dir die Ohren aufplatzen und die Füße in Fetzen gehen. Und wir hören zu. Hören zu und haben Angst. Haben sogar Angst, Fäuste zu ballen, weil sie in der Kälte so bleiben könnten. Wir hassen Weiß. Die hellste Farbe der Welt macht uns schwermütig. Denn was sich hier niederschlägt, ist kein Schnee, sondern die Luft selbst. Bei diesem Niederschlag klebt uns vor Kälte die Zunge an den Zähnen fest. Wir hassen die Schwerkraft. Schnee ist hier die einzige fruchtbare Saat. Wohin er fällt, wachsen schneeweiße Bäume. Hin und wieder stehen auch Bäume mit schwarzen Gräten da, wie abgegessene Fische. Aber die sind so hässlich, dass sie uns in den Hals stechen, kaum dass wir hingucken. Weiße Schwermut! Alles an uns ist Schnee. Wir hassen Weiß so sehr, dass wir uns sogar fürchten, einen Becher heiße Milch anzurühren. Wir hassen auch die Luft und das Wetter. Denn von ihnen hängt unser Leben ab. In der Luft hängende Marionetten sind wir, die ihre Fäden verbrennen, um sich aufzuwärmen.
Wir stehen stramm, um die Mutter jedes Menschensohnes zu ficken, der in seinen Wehrdiensterinnerungen schwelgt oder sagt: »Herzliche Grüße an unsere Mehmetçiks2, die gerade ihren Dienst fürs Vaterland leisten!« Die Grundstellung zeigt den Grad der psychischen und physischen Reife eines Soldaten. So steht es in der Verordnung zum Exerzieren in geschlossener Formation. Es reift allerdings bloß unser Hass. Unsere Fantasie reicht nicht aus, um an jemand anderen als uns selbst zu denken. Wir zählen. Alles. Jeden Schritt, jede Minute, jeden Tag, die Staubkörner, die Zähne der anderen. Weil auch ich alles zählte, wusste ich, dass ich meine dreihunderterste Wache schob und noch drei Zigaretten in der Schachtel waren. Alle halbe Stunde rauchte ich eine. Acht Züge, und sie war aufgeraucht. Dann glaubte ich, mir wäre wärmer. Es rauchte ja etwas. Doch es war für die Katz. Und erwischt zu werden bedeutete, noch länger Wache zu schieben, denn das war die Strafe für Rauchen im Wachdienst.
»Eine brennende Zigarette ist bei klarer Sicht aus zwei Kilometer Entfernung zu sehen, das verzeiht Dragunow-Leyla nie!«, sagte der Ausbilder, dessen Namen uns längst entfallen war, weshalb wir kein Problem damit hatten zu rauchen. Wir wussten nur, dass Leyla sich die rechte Brust abnehmen ließ, um den Knauf der Dragunow3 einwandfrei in die Schulterbeuge setzen zu können, und dass sie genau fünf Zentimeter über die Zigarette gezielt hatte, die sie in der Dunkelheit aufglimmen sah.
Solcherlei Dinge gingen mir durch den Kopf, während ich das Feuerzeug, das ich aus der Schachtel gefingert hatte, in der hohlen Hand zündete, um die aus der Parkatasche gezogene Zigarette anzustecken. Bis ich einen Schemen in der Zwei-mal-zwei-Meter-Steinhütte bemerkte. Seit einer halben Stunde stand ich Wache. Mir war nicht eingefallen, den Turm zu verlassen, denn der Boden draußen war schneebedeckt und meine Stiefel durften auf keinen Fall nass werden. Wurden die Sohlen feucht, hieß das, die Kälte kröche einem Virus gleich in den Körper hinein. In sieben Minuten wäre sie durch die Stiefelsohle hindurch, hätte innerhalb von vierzig Sekunden jeden Strumpf an meinen Füßen durchstochen und in vier weiteren Minuten mich von den Zehen bis zum Haaransatz durchdrungen. Das Stehen im Wachturm verlängerte die Zeiten um ein paar Minuten.
Als ich den Schatten bemerkte, machte ich einen größtmöglichen Schritt. Rückwärts. Ich klebte den Rücken an die Linie, an der die beiden Wände hinter mir zusammenliefen, und warf Feuerzeug und Zigarette. Auf den Schatten. Da fiel mir ein, dass ich ein Gewehr trug. Ich hatte ein Gewehr, das ich so oft trug, dass es mir das Rückenmark verschob, und es war zum Töten da. Jetzt oder nie! Das war der Augenblick seiner Bestimmung! Ich richtete es in die Ecke, die noch finsterer war als das Dunkel im Turm. Und zog ab.
»Gesichert.«
Sagte er. Gesichert. Was war gesichert? Natürlich das G3. Deshalb war der Abzug, den ich betätigt hatte, nicht weiter als bis zum Druckpunkt gekommen. Außerdem hatte ich den Spannschieber nicht gezogen. Es gab Kurse, in denen man lernte, wie man entsicherte, spannte und den Abzug durchzog angesichts eines Feindes, der unvermutet anderthalb Meter vor einem auftauchte. Kommandokurse hießen die. Ich hatte aber nie an irgendeinem Kurs teilgenommen. Reden war leichter. Etwas, das ich konnte. Ich tat es seit Langem.
»Wer bist du?«
Reine Gewohnheit. Die Verwarnung, die Ermahnung, die Soldaten, die ohne Identifikation losredeten, von den Vorgesetzten zu hören bekamen. Keine Ahnung, ob man einem Schemen eine Frage stellen kann. Doch ich hatte es getan.
»Beweg dich, wenn du nicht frieren willst.«
Sagte er und trat einen Schritt auf mich zu. Er war ins Dämmerlicht getreten, wo ich sein Gesicht erkennen konnte. Er trug einen Schnauzer. Ein wichtiges Detail. Schnauzer hieß Zivilist. Er trug einen Anzug, dessen Farbe ich nicht ausmachen konnte. Und Krawatte. In einer Kälte, wo Bäume zu Eisskulpturen mutierten, stand er im Anzug da und sah mich an. Die Distanz zwischen uns war entschieden zu kurz. Wenn ich daran denke, was mir in jenem Augenblick durch den Kopf ging, muss ich grinsen. Denn das Einzige, woran ich denken konnte, war, dass ich mich nicht den Wachdienstvorschriften gemäß verhalten hatte und jemand aufgetaucht war, der es bezeugen konnte. Ich erinnere mich, allein aus militärischer Sicht beurteilt zu haben, was mir zustoßen könnte, und dass ich mich vor möglichen Strafen fürchtete. Dabei sah und hörte niemand außer mir den Schemen. Aber das wusste ich noch nicht. Ich wusste überhaupt gar nichts.
»Hab keine Angst. Entspann dich.«
Ich sah, dass er lächelte. Seine Zähne schimmerten wie Mondlicht über dem Meer.
»Keine Sorge. Ich verrate nicht, dass du geraucht hast.«
Es gab keinerlei Grund, ihm zu vertrauen. Wie war er überhaupt in den Turm gelangt? War er hereingekommen, als ich an Ort und Stelle meine Knie so hoch wie möglich hob, damit mein Körper keine Beute der Kälte wurde? Oder war er in den Turm geschlüpft, als ich in einem plötzlichen Erinnerungsschub auf der Wand gegenüber den Morgen ablaufen sah, an dem meine Mutter mich angebrüllt hatte: »Aus dir wird nie was!«
»Ich war schon hier«, sagte er.
Dabei hatte ich gar nichts gesagt. Kein einziges Wort. Denn ich war vor Angst wie gelähmt. Dennoch hatte er mich gehört. Er konnte also hören. Dann konnte er auch dies hören: Bitte geh! Geh weg. Ohne dass dich jemand sieht. Sonst bin ich erledigt. Die machen mich fertig, weil ich einem Zivilisten den Zutritt zum Wachturm gestattet habe.
»Zünde sie an.«
Er deutete auf die Zigarette und das Feuerzeug am Boden. Plötzlich merkte ich, dass ich die Kälte nicht mehr spürte. Ich fror nicht mehr. Dabei fror ich seit Monaten zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ich schlief im Tarnanzug. In drei Pullovern und Tarnanzug.
»Rauch deine Zigarette, ich bin hier«, sagte er, trat zurück und lehnte im Dunkel des Turms den Rücken an die Wand.
Nachtwache. Parole, Signal. Sicherheitsmaßnahmen. Was in der Militärsprache Wachturm hieß, war eine Zelle aus Stein. Ein Soldat und ein Schemen. Terrorismus. Selbstmordattentat. Sprengstoffanschlag. Trillerpfeife in der Tasche! Stimmt, ich sollte sie ziehen und hineinblasen. Doch wie oft musste man bei Gefahr noch gleich pfeifen? Zweimal, dreimal? Und was sollte ich sagen? Im Turm ist jemand! Er ist reingekommen, als ich geträumt habe! Kommt und holt ihn raus! Nicht gerade vernünftig. Es galt, diesen Kerl still davon zu überzeugen, den Turm zu verlassen. Nun dachte ich nicht, sondern sprach.
»Du kannst hier nicht bleiben. Geh aus dem Turm!«
Der Wachturm war eine alte Stellung. Aus den Neunzigern. Er stammte aus der Zeit, als zweihundert Terroristen den Bezirk gestürmt und wie Ratten alles angefallen hatten. Aus der Zeit des Terrorfestivals. Als es Raketen wie Meteore hagelte. Dass Leute noch heute das Gesicht verzogen, wenn sie das Feuerwerk bei Hochzeiten betrachteten, lag an jenen Tagen und Nächten. Die Stellung lag zehn Meter hinter der einzigen Straße der Kreisstadt, fünfzig Meter von der Kaserne entfernt. Sie wurde als Turm bezeichnet, erhob sich aber nur eine Handbreit über dem Boden. Davor stand hüfthoch eine zwei Meter lange Mauer. Darauf Sandsäcke, vor langer Zeit schon aufgeplatzt. Kein Mensch war auf der Straße. Bloß Hunde. Der Typ vor mir könnte unbemerkt verschwinden. Wir waren weit genug von der Kaserne entfernt, aus keinem der Fenster des Bar genannten Raums, in dem der wachhabende Unteroffizier döste, war der Wachturm zu sehen. Ich könnte mich dieses kleinen Skandals, der meine Wehrpflicht um einige Monate verlängern dürfte, entledigen. Er aber war anderer Meinung.
»Unmöglich. Dräng nicht weiter.«
Ich hatte Schiss. Aber richtig. Extrem. Ich traute mich nicht, zu ihm zu gehen, ihn am Arm zu packen und hinauszubefördern. Ich redete nur.
»Hör zu! Die machen mich fertig! Geh weg! Das ist hier verboten! Du darfst hier nicht stehen!«
Dabei fragte ich mich nach seinem Akzent. Der war garantiert nicht von hier. Er konnte von überallher stammen, aber nicht von hier.
»Çamlıhemşin«, sagte er.
»Was?«
»Schwarzes Meer. Danzig. Izmir. Ist doch egal. Alle Orte sind eins. Jeder ist gleich. Nur wir sind anders. Nur hier. Weil wir jetzt hier sind.«
»Was willst du?«, fragte ich ihn. Er musste eine Absicht haben. Er musste einen Grund dafür haben, in dieser Saukälte mit mir im Wachturm zu stehen.
»Was auch immer du willst.«
Auf einmal fiel mir die Ansprache des Kompaniechefs vom Vortag ein. Ein Anzeichen fürs Erfrieren sind Halluzinationen, hatte er gesagt. Wir hatten gelacht. Denn die hatten wir dank unserer Erinnerungsschübe ständig. Um zu erkennen, was real war, brauchten wir mehrere Sekunden. Doch vielleicht begann ich tatsächlich zu erfrieren. An den Fingern. Bei denen nahm alles seinen Ausgang. Ich versuchte, die Finger zu bewegen, die das Gewehr hielten, deren Lauf ich in die Dunkelheit gerichtet hatte. Gut. Ich erfror nicht. Ganz sicher war ich mir allerdings nicht. Es gab nichts, dessen ich mir wirklich sicher war. Mir Feigling blieb keine große Wahl. Wenn er nicht ging, könnte ich den Turm verlassen. Und das tat ich. Mit zwei Schritten war ich draußen und lief zur Mauer. Wenige Schritte vor der Straße blieb ich stehen. Dort verbrachte ich den Rest der Wache. Wäre der Typ bewaffnet gewesen und hätte vorgehabt, mich umzulegen, hätte er das längst getan. Ich hatte akzeptiert, dass es ihn gab. Jetzt fürchtete ich nur noch, dass der Kamerad, an den ich die Wache übergeben würde, ihm begegnete.
»Hast du gepennt, Alter?«
Ich entsinne mich, einen Luftsprung vollführt zu haben. Vor Schreck. Es war Sefer. Er stand neben mir und lachte. Als ich mich umdrehte und zum Turm linste, sah ich, dass er sein Gewehr an die Tür gelehnt hatte. Wie konnten zwei Stunden vorüber sein? Wie lange war es denn her, dass ich die Wache angetreten hatte? Und vor allem, wo war der Kerl? Ob er noch drinnen war? Ich hatte Sefer nicht kommen hören. Da er mich angrinste, hatte er drinnen den Mann nicht gesehen. Also war er fort. Vielleicht war doch alles eine Halluzination gewesen. Oder ich war eingeschlafen. Im Stehen. Ich nahm den Helm hab und reichte ihn Sefer. Ich war nicht in der Lage zu reden. Gern hätte ich etwas erzählt, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Und wie alle Soldaten, die nicht wissen, was sie sagen sollen, sagte ich: »Scheiße!« Und:
»Feuerzeug und Zigarette liegen auf dem Boden. Schenk ich dir.«
So verlief meine erste Begegnung mit dem toten Mann. Gegen Morgen derselben Nacht erwartete mich im selben Turm der nächste Wachdienst. Es gibt zwei Momente im Verlauf des Wehrdienstes, in denen ein Rekrut außerhalb der Befehlskette steht und etwas wie Seelenfrieden empfindet. Einer ist die Einsamkeit auf dem Schießplatz, wenn nach den Vorbereitungen der Befehl »Feuer frei!« kommt. Dann sind nur die abgefeuerten Waffen zu hören. Drei Geschosse. Bis drei Kugeln abgefeuert sind, ist man frei. Danach geht das Leben weiter. Der zweite Moment, in dem der einfache Soldat sich selbst überlassen ist, heißt Wachdienst. Herrschen nicht gerade zweiunddreißig Grad minus, bedeutet Wachdienst zu wissen, dass Verstand und Körper zwei Stunden lang nicht leiden.
An jenem Morgen hatte ich beobachtet, wie die anderen Wachen fröhlich aufs Thermometer schauten, das neun Grad minus zeigte, weil es plötzlich wärmer geworden war. Ich konnte mich nicht freuen. Denn zum ersten Mal gab es einen zweiten Grund, der mich den Wachdienst fürchten ließ. Als ich am Turm anlangte, war ich fest entschlossen, ihn nicht zu betreten. Ich würde unmittelbar vor der Tür stehen, direkt hinter der Mauer. Wie der Soldat auf den roten Schildern am Stacheldraht rings um alle Militärbereiche würde ich mit dem Gewehr in Achtung-Präsentiert-Stellung strammstehen. Würde die früh erwachende Kreisstadt beobachten, versuchen, einen Blick der Augen der Krankenschwestern zu erhaschen, deren Gesichter auf ihrem Weg in die Klinik aus ihren Schals hervorlugten, und mich entspannen. Doch das geschah nicht. Nichts von alledem. Denn ich hörte. Ihn.
»Ich bin tot, Soldat.«