Buch
Im Kampf um unseren Planeten gibt es nicht nur Sündenböcke, sondern auch Vorbilder – die jungen Klima-Aktivisten. Egal, ob wir Erwachsene uns ihrer Sache verschrieben haben oder nicht: Von Asien bis Afrika, von Ozeanien bis Europa, von Amerika bis zur Antarktis finden junge Menschen unglaubliche Wege, um gegen die Klimakatastrophe zu kämpfen. Wie würden Sie verhindern, dass Millionen Strohhalme im Meer entsorgt werden? Wäre es nicht wunderbar, wenn eine Fußballmannschaft nach dem Spiel einen Baum für jedes gefallene Tor pflanzt? Halten Sie es für schier unmöglich, dass ein einzelner Mensch eine Regierung zum Handeln in Sachen Klima bewegt? Lassen Sie sich von den verblüffenden Ideen junger Menschen auf der ganzen Welt dazu inspirieren, Ihren Teil zur Rettung unseres Planeten beizutragen.
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Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »UNITED WE ARE UNSTOPPABLE: 60 Inspiring Young People Saving Our World« bei John Murray, London.
Rede siehe hier ((Original S. 99)) © Ashley Torres 2020
Rede siehe hier ((Original S. 131)) © Holly Gillibrand 2020
Brief siehe hier ((Original S. 150)) © Laura Lock 2020
Tagebucheinträge siehe hier ((Original S. 213)) © Zoe Buckley Lennox 2020
Rede siehe hier ((Original S. 245)) © Carlon Zackhras 2020
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Copyright der Originalausgabe © 2020 by Akshat Rathi
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2021 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Carina Heer
Umschlaggestaltung und -motiv: www.buerosued.de
Karten und Innenillustration: © Naomi Wilkinson 2020
BL · Herstellung: SaM
Satz: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-27246-3
V001
www.blanvalet.de
Vorwort von Raina Ivanova
16-jährige Klima-Aktivistin aus Hamburg
Man wusste es schon vor Jahrzehnten: Der menschengemachte Klimawandel ist keineswegs eine neue Entdeckung, und dennoch mussten wir bis 2015 warten, um nötige Abkommen wie das Pariser Klimaabkommen zu etablieren. Für meine Generation und zukünftige wird dies verheerende Folgen haben.
Aber der Klimawandel ist nicht länger nur eine Krise der Zukunft. Wir sind alle bereits betroffen, doch manche leiden stärker unter den Folgen des Klimawandels als andere. Menschen, die ohnehin schon durch soziale Ungleichheit und Diskriminierung benachteiligt sind, tragen am meisten Schaden davon, wenn Naturkatastrophen auftreten. Nichtsdestotrotz versagen Politiker*innen dabei, verantwortungsvolle und nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist radikales Handeln bis 2030 erforderlich, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern. Die bisherigen Maßnahmen, um die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, im Idealfall 1,5 Grad Celsius zu beschränken, reichen hier nicht aus. Es ist sofortiges und weitgreifendes Handeln gefragt, denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar, wenn Ernten ausfallen, Hurrikane Städte verwüsten und Tausende Menschen deshalb ihre Heimat verlassen müssen. Um weitere Konsequenzen wie diese zu vermeiden, sind wir alle gefragt.
Im August 2018 hat Greta Thunberg sich entschlossen, zum ersten Mal vor dem schwedischen Parlament zu streiken, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Ihre Geschichte ist um die Welt gegangen und hat Millionen Menschen inspiriert. Einige Monate später war der erste globale Klimastreik angemeldet, bei dem über 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gingen, um Klimagerechtigkeit einzufordern. Eine globale Bewegung wurde neu erfunden, in der vor allem wir – die junge Generation – für Klimaschutz einstehen und angebrachte Gesetzgebungen fordern.
Obwohl die Bewegung in kurzer Zeit globales Ansehen erlangt hat, musste sie in den letzten Monaten ihr Durchhaltevermögen unter Beweis stellen: Angesichts der Coronapandemie wurde der Klima-Aktivismus seines wichtigsten Mediums beraubt: der öffentlichen Zusammenkunft. Die Krise hat die Bewegung genauso getroffen, wie uns alle persönlich. Doch was uns die Klimakrise gelehrt hat, ist, dass Wissen zentral ist. Aktuell wenden wir das Wissen an, dass die Coronakrise als eine Krise erkannt und behandelt werden muss. Also haben auch wir Jugendliche die nötigen Maßnahmen befolgt und sind zu Hause geblieben. Das heißt nicht, dass der Klimawandel bei uns nun an zweiter Stelle kommt, sondern, dass uns Jugendlichen bewusst ist, dass jede Krise ernst genommen werden muss.
Während wir zu Beginn der Pandemie geduldig auf bessere Zeiten warteten und die Menschheit sich in eine Art Winterstarre begab, wurde uns deutlich vor Augen geführt, wie erheblich menschliche Einflüsse auf unsere Umwelt sind: Als das Wasser der Kanäle in Venedig wieder klar wurde, die Luftverschmutzung in Paris drastisch abnahm und CO2-Emissionen global sanken, wurde uns Jugendlichen klar, dass wir an diesem Punkt nicht aufhören können. Also haben wir Online-Streiks, Webinare und Hashtags ins Leben gerufen, die uns ermöglicht haben, weiterhin in Bewegung zu bleiben, wenn auch auf eine andere Art.
Unser Klima ist für alle da, aber als junge Generation werden wir am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein.
Deshalb ist es fundamental wichtig, dass wir uns trotz der Pandemie für eine nachhaltige Zukunft einsetzen. Doch hierzu müssen auch Erwachsene beitragen, und es ist besonders wichtig, dass jeder – wirklich jeder! –, der die Möglichkeit dazu hat, sie ergreift und mitwirkt.
Für mich persönlich ist Klimaschutz viel mehr als das Retten unserer Umwelt. Es ist eine einzigartige Möglichkeit, sich auf eine intersektionale Weise für viele Probleme gleichzeitig einzusetzen: die Möglichkeit generationenübergreifend Zusammenhalt und Stärke zu zeigen und unsere Stimmen, egal ob jung oder alt, jetzt zu erheben, um positive Veränderungen für das Morgen zu schaffen.
In diesem Buch sind sechzig Stimmen meiner Generation festgehalten, die in ihren eigenen Worten von genau jenen Veränderungen erzählen. Junge Leute aus 41 Ländern, die ihre Perspektiven, Projekte und Sorgen mit uns Lesern teilen. Dieses Buch ist eine Einladung an Erwachsene zuzuhören, was uns Jugendliche bezüglich des Klimawandels bewegt und wie man von unseren Erfahrungen lernen kann.
Die Geschichten regen Gespräche über die aktuellen Konsequenzen des Klimawandels an und zeigen außerdem, wie man die Klimakrise aus einem Blickwinkel sehen kann, der außer Angst auch Hoffnung und Zuversicht spendet. In Anbetracht der momentanen Situation und künftigen Folgen des Klimawandels kann es schwer sein, hoffnungsvoll zu bleiben, aber unsere optimistische Einstellung ist essentiell, damit ein nachhaltiger Wandel gelingen kann. Eine bessere Zukunft ist uns nicht garantiert, aber mit den zukünftigen Folgen des Klimawandels zu leben, ist für meine Generation undenkbar.
Dieses Buch erzählt von jungen Erwachsenen, die ihren Optimismus nutzen, um zu handeln. Es berichtet von Maßnahmen, die sie ergriffen haben, und Projekten, die sie ins Leben gerufen haben. Es betont, dass große Bewegungen immer auf vielen Menschen beruhen, die einen kleinen Beitrag leisten und dadurch andere erreichen können. Allein kann man die Welt nicht retten, aber das heißt nicht, dass man nicht so viel wie möglich dazu beitragen kann.
Mir ist es schon oft passiert, dass Aktivist*innen mich gerade durch kleine Taten und ihre Hingabe inspiriert haben. Daher hoffe ich, dass die Geschichten der jungen Leute auch Sie inspirieren können, einen Beitrag zu leisten – und dass Sie dessen Wirkung nicht unterschätzen. Gerade an Tagen, an denen der Kampf für unseren Planeten aussichtslos scheint, können Sie dieses Buch in die Hand nehmen und darüber lesen, wie wichtig es ist, nicht aufzugeben, egal, wie alt man ist.
Raina Ivanova, im Februar 2021
Inhalt
Weltkarte
Einführung von Akshat Rathi
Asien
Aditya Mukarji – Indien
Htet Myet Min Tun – Myanmar
Tatyana Sin – Usbekistan
Iman Dorri – Iran
Howey Ou – China
Theresa Rose Sebastian – Indien/Irland
Nasreen Sayed – Afghanistan/USA
Liyana Yamin – Malaysia/Taiwan
Albrecht Arthur N. Arevalo – Philippinen
Akari Tomita – Japan/USA
Nordamerika
Cecilia La Rose – Kanada
Karel Lisbeth Miranda Mendoza – Panama
Emma-Jane Burian – Kanada
Anya Sastry – USA
Ricardo Andres Pineda Guzman – Honduras
Cricket Guest – Kanada
Lia Harel – USA
Shannon Lisa – USA
Khadija Usher – Belize
Brandon Nguyen – Kanada
Vivianne Roc – Haiti
Octavia Shay Muñoz-Barton – USA
Payton Mitchell – Kanada
Ashley Torres – Kanada
Südamerika
Eyal Weintraub – Argentinien
Daniela Torres Pérez – Peru/Großbritannien
Catarina Lorenzo – Brasilien
Juan José Martín-Bravo – Chile
João Henrique Alves Cerqueira – Brasilien
Gilberto Cyril Morishaw – Curaçao/Niederlande
Europa
Holly Gillibrand – Schottland
Stamatis Psaroudakis – Griechenland
Lilith Electra Platt – Niederlande
Anna Taylor – England
Raina Ivanova – Deutschland
Federica Gasbarro – Italien
Laura Lock – England/Ungarn
Agim Mazreku – Kosovo
Adrián Tóth – Belgien
Afrika
Kaluki Paul Mutuku – Kenia
Nche Tala Aghanwi – Kamerun/USA
Sebenele Rodney Carval – Eswatini
Jeremy Raguain – Seychellen
Lesein Mathenge Mutunkei – Kenia
Toiwiya Hassane – Komoren
Koku Klutse – Togo
Tsiry Nantenaina Randrianavelo – Madagaskar
Ruby Sampson – Südafrika
Tafadzwa Chando – Simbabwe
Delphin Kaze – Burundi
Elizabeth Wanjiru Wathuti – Kenia
Ndéye Marie Aïda Ndieguene – Senegal
Antarktis
Zoe Buckley Lennox – Antarktis/Australien
Australien und Ozeanien
Lourdes Faith Auhura Parehuia – Neuseeland
Alexander Whitebrook – Australien
Komal Narayan – Fidschi
Kailash Cook – Australien
Madeleine Keitilani Elceste Lavemai – Tonga
Freya May Mimosa Brown – Australien
Carlon Zackhras – Marshallinseln
Über das Buch
Anmerkungen
Nützliche Quellen
Danksagung
Über die Beiträger
Register
Über den Autor
Zur Nachhaltigkeit dieser Ausgabe
Einführung
Am Montag, den 20. August 2018, setzte sich die fünfzehn Jahre alte Greta Thunberg vor das schwedische Parlament, nur mit einem Arm voll Flugblätter und einem Holzschild mit der Aufschrift Skolstrejk för Klimatet (Schulstreik für das Klima). Sie postete einige Fotos davon in den sozialen Medien, aber nur wenige Menschen schenkten ihr Aufmerksamkeit.
Am nächsten Tag setzte sie sich an dieselbe Stelle und streikte erneut. Diesmal gesellten sich ein paar Leute dazu. Sie streikte einundzwanzig Tage lang, bis zu den schwedischen Parlamentswahlen, und immer mehr Menschen schlossen sich ihrem Protest an. Gretas Geschichte verbreitete sich über die sozialen Medien und regte andere junge Menschen rund um den Globus dazu an, ebenfalls gegen den Klimawandel Stellung zu beziehen.
Für Freitag, den 15. März 2019, wurde zu einem weltweiten Schulstreik aufgerufen. Sieben Monate nach Gretas einsamem Protest nahmen nun mehr als 1,4 Millionen Menschen daran teil, in 2000 großen und kleineren Städten in 128 Ländern, von Argentinien und Australien bis zum Vereinigten Königreich und den USA. Ihre Botschaft an die Welt war laut und deutlich: Unternehmt jetzt etwas gegen den Klimawandel, bevor es zu spät ist!
Und sie haben recht, wenn sie rasches Handeln einfordern. Im Oktober 2018 veröffentlichte der Weltklimarat der Vereinten Nationen einen richtungsweisenden Bericht, der zu dem Schluss kam, dass es – ohne drastische Maßnahmen bis 2030 – wenig wahrscheinlich ist, die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels noch zu verhindern. Es sind also nie dagewesene Maßnahmen notwendig, um den CO2-Ausstoß rasch zu reduzieren.
Von der globalen Erwärmung weiß man schon seit den 1860er-Jahren. Damals entdeckte man, dass Treibhausgase wie Kohlendioxid den Planeten erwärmen können. Heute erklärt uns die Wissenschaft, dass ein heißerer Planet das Leben für die meisten lebenden Organismen verschlechtert: durch unerträgliche Hitzewellen und flutartige Überschwemmungen, stärkere Hurrikans und extreme Trockenheit.
In den 1910er-Jahren schon warnten Berichte, dass das Verbrennen fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle und Gas die Konzentration der Klimagase in unserer Atmosphäre erhöht. Damit war der Beweis erbracht, dass das Verhalten der Menschen zur globalen Erwärmung beiträgt. Doch weil die fossilen Brennstoffe so bequem zugänglich sind, war die Verlockung zu groß, und sie wurden nicht aufgegeben. Der einfache Zugang zu unbegrenzten Energiemengen verschaffte den westlichen Ländern Wohlstand und führte zu mancherlei Ausrede, um Befürchtungen über eine entfernte Zukunft zu verdrängen.
1987 bestanden nur noch wenig Zweifel, dass die Abhängigkeit der Menschheit von fossilen Brennstoffen verheerende und weitreichende Folgen haben würde. Wissenschaftler sagten voraus, dass steigende Meeresspiegel ganze Inseln und große Teile der Küstenregionen verschlucken würden. Extreme Wetterereignisse würden Hunderte Millionen Menschen zur Umsiedlung zwingen und eine Flüchtlingskrise von unvorstellbaren Ausmaßen zur Folge haben. Und durch eine böse Laune des Schicksals würden ausgerechnet die Menschen in armen Ländern, die am wenigsten zum Problem der Treibhausgase beigetragen hatten, diejenigen sein, die am schlimmsten unter ihren Auswirkungen zu leiden hätten.
In den vergangenen drei Jahrzehnten ist die Dringlichkeit gewachsen, dieses Problem deutlich anzusprechen, aber die Maßnahmen, die man dagegen ergriffen hat, sind nicht annähernd angemessen gewesen. 1995 fand die erste COP (Conference of Parties), die jährliche Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen, statt. Sie schuf einen Rahmenplan für Länder auf der ganzen Welt, um gemeinsam Programme aufzulegen, die den Ausstoß klimaschädlicher Gase verringern sollten. Aber erst 2015, auf dem einundzwanzigsten Treffen der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris, einigten sich schließlich alle Länder der Welt darauf, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur »deutlich unter« 2 Grad Celsius zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken.
Obwohl das Pariser Klimaabkommen es geschafft hat, sehr ungleiche Gruppen unter einen Hut zu bringen, stellt die Welt weiterhin jedes Jahr neue Rekorde beim CO2-Ausstoß auf. Und mit jedem Jahr, das vergeht, verbraucht die Welt mehr von ihrem CO2-Budget – das ist die Summe an Kohlenstoffemissionen, die wir noch ausstoßen können, bevor wir die Ziele verfehlen, die wir uns 2015 gesetzt haben.
Wir werden diesen Planeten an die nächste Generation weitervererben. Die jungen Leute wissen, dass sie unter den schlimmsten Folgen des Klimawandels leiden werden, wenn nun nicht ernsthaft gehandelt wird.
Greta Thunberg ist zum Gesicht der jugendlichen Klimaproteste geworden. Sie führt sie mit unbeugsamer Entschlossenheit, spricht mit absoluter Klarheit und verdient alles Lob, das ihr gespendet wird, und weiteres Lob, das sicher noch folgen wird. Aber sie ist auch die Erste, die dieses Lob scheut und verkündet, dass sie nicht die Anführerin dieser jugendlichen Klimabewegung ist.
Als sie 2019 auf der UN-Klimakonferenz in Madrid sprach, forderte sie die Medien auf, sie sollten ihre Aufmerksamkeit auf die anderen jungen Menschen richten, die auf der ganzen Welt gegen die Klimakrise kämpfen: »Wir sind privilegiert, und unsere Geschichten sind schon viele Male erzählt worden und werden immer wieder erzählt. Aber es sind nicht unsere Geschichten, die man erzählen und denen man lauschen muss.«
Gretas Geschichte ist eine von vielen – und in diesem Buch geht es um einige der anderen vielen Geschichten. Die folgenden Seiten berichten von sechzig jungen Menschen aus einundvierzig Ländern auf allen Kontinenten, die darum kämpfen, unseren Planeten zu retten.
Da ist Anya Sastry, die in Minnesota gegen den Bau von Öl-Pipelines über indigenes Land kämpft. Aditya Mukarji, der in Indien das Handeln von Unternehmen in der Gastronomie verändert, immer schön einen Plastikstrohhalm nach dem anderen. Vivianne Roc auf Haiti, die versucht, dafür zu sorgen, dass die Stimmen von Frauen im Kampf gegen den Klimawandel nicht überhört werden. Shannon Lisa, eine »Chemie-Detektivin« aus den USA, die erkannt hat, dass extreme Wetterereignisse infolge des Klimawandels dazu führen, dass äußerst giftige Chemikalien in die Umwelt gelangen können. Carlon Zackhras von den Marshallinseln, der Alarm schlägt, weil er Gefahr läuft, seine Heimat an den steigenden Meeresspiegel zu verlieren. Lesein Mutunkei, ein Schüler aus Kenia, der jedes Mal, wenn er beim Fußball ein Tor geschossen hat, einen Baum pflanzt – und der schon Hunderte überzeugt hat, sich dieser Aktion anzuschließen. Um ihre Geschichten und um viele andere geht es in diesem Buch, und sie belegen, dass kein Mensch zu unbedeutend ist, um etwas zu bewirken.
Diese jungen Leute sorgen nicht nur für neuen Schwung im Klimakampf – sie bringen auch neue Perspektiven ein, frische Taktiken und unerschütterliche Entschlusskraft. Sie begreifen nicht nur, dass alles in der Welt miteinander in Beziehung steht, sie wissen auch, wie man die Kluft überbrückt, die sich aufgetan hat. Und ihnen ist klar: Wenn man gegen den Klimawandel ankommen will, muss man den Ausstoß klimaschädlicher Gase reduzieren – aber um das zu erreichen, müssen wir den Tatsachen ins Auge sehen und die tieferen Ungerechtigkeiten, die in den Gesellschaften weiterhin bestehen, aufspüren und sie ausmerzen.
Die jugendliche Klimabewegung ist eine Graswurzel-Bewegung, sie ist entstanden an der Basis der Bevölkerung. Sie hat Millionen Unterstützer gefunden und dazu geführt, dass mittlerweile die ganze Welt über diese Thematik spricht. Selbst jetzt, da die Welt durch die Covid-19-Pandemie einer anderen globalen Bedrohung gegenübersteht, zeigen die jungen Leute, die online mit ihren Protesten weitermachen, die Angriffen und Beschuldigungen gegenübertreten, während sie stets auf dem Boden der Wissenschaft und immer bescheiden bleiben, dass die Klimabewegung Bestand haben wird.
In den kommenden Jahrzehnten wird der Klimawandel jeden einzelnen Menschen auf der Welt betreffen. Daher brauchen wir eine ausdauernde, weltweit aktive Bewegung, um dagegen anzugehen. Gretas Streik hat als Protest eines einzigen Menschen begonnen. Dass einige Menschen ihre Geschichte verbreitet haben, hat viele andere ermutigt, sich in diesem Kampf an ihre Seite zu stellen. Die folgenden Geschichten werden sicherlich noch viele weitere Menschen ermutigen.
Akshat Rathi, im April 2020
Asien
Kontinent: Asien
Bevölkerung: 4,6 Milliarden
Die größten klimatischen Herausforderungen:
Aditya Mukarji
16 Jahre
Indien
2017 sah ich in einem Video, wie man einer Meeresschildkröte unter großen Schmerzen einen Plastikstrohhalm aus dem Nasenloch zog. Das ging mir sehr nahe, und ich fing an, alles, was ich nur konnte, darüber zu lesen, wie man so etwas verhindern könnte. Ich wollte etwas bewirken. Ich wollte helfen, die Dinge zu verändern, und ein Bewusstsein für dieses Problem schaffen.
Das Recycling von Plastik sollte die allerletzte Möglichkeit sein, denn sie vermittelt den Menschen das falsche Gefühl, etwas Gutes zu tun, während sie weiterhin immer mehr Plastik benutzen. Kunststoffe können ohnehin nicht unendlich oft recycelt werden. Letztendlich landen sie auf einer Mülldeponie oder in den Ozeanen und verschmutzen unseren Planeten.
Meine Kampagne #RefuseIfYouCannotReuse richtet sich gegen den Gebrauch von Einmal-Plastik bei Gegenständen des täglichen Bedarfs, zum Beispiel bei Strohhalmen, Besteck, Geschirr, Wasserflaschen und Plastikbehältern, und ebenso gegen Verpackungsmaterial wie Schrumpffolie für Bananen und andere frische Produkte. Einen besonderen Fokus lege ich dabei auf die Gastronomie, denn sie verbraucht den größten Anteil an Einweg-Plastikartikeln.
Zu Beginn konzentrierte ich mich auf Plastikstrohhalme, denn sie sind vermutlich das Unnötigste, was je erfunden wurde. Die Unternehmen zögerten zunächst und wollten die Plastikstrohhalme nicht aufgeben, weil sie befürchteten, die Kunden wären dann unzufrieden. Also forderte ich sie auf, mit Schildern auf den Einsatz des Unternehmens für unseren Planeten hinzuweisen. Strohhalme aus Plastik sollten nur noch ausgegeben werden, wenn Kunden ausdrücklich danach verlangten. Als Nächstes schlug ich vor, umweltfreundliche Strohhalme zu verwenden, und ich tat Hersteller auf, die die Unternehmen beliefern konnten. Bisher sind durch meine Bemühungen über 26 Millionen Plastikstrohhalme und Millionen anderer Einweg-Plastikartikel ersetzt worden oder ganz weggefallen.
Besonders überrascht hat mich die Menge an Forschungsmaterial und Wissen, die ich durch meinen Vater erhielt, der für Weltkonzerne wie DuPont und Shell gearbeitet hat. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die Industrie durchaus von den Problemen weiß, die sie verursacht hat, dass sie aber nichts ändern will. Es ist an uns Verbrauchern, die Macht der Verweigerung einzusetzen, um uns selbst und andere zu erziehen.
***
Als Teenager besteht meine Hauptaufgabe darin, Schüler zu sein, nur für den Fall, dass der Planet überlebt und ich einen Beruf brauche. Aber die Klimakrise beeinflusst mich in vielen Bereichen meines Lebens. Schlechte landwirtschaftliche Verfahren haben dazu geführt, dass der Grundwasserspiegel auf ein gefährliches Niveau gesunken ist. Das Abbrennen von Reisstoppelfeldern in Nordindien hat die Luft verschmutzt und für nicht wiedergutzumachende gesundheitliche Schäden gesorgt, unter anderem bei meiner eigenen Familie.
Indien ist eines der am dichtesten bevölkerten Länder der Welt und wird zu den Ländern gehören, die am schlimmsten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden. Das Land scheint schlecht gerüstet, um mit diesen Folgen umzugehen. Armut ist für uns noch immer ein großes Problem, deshalb begibt man sich auf politisch gefährliches Terrain, wenn man den Hoffnungen der Menschen durch Verordnungen der Regierung einen Riegel vorschiebt. Ich würde gern die Lebensqualität jener verbessern, die ganz unten in der Wirtschaftspyramide stehen, und die Gräben zwischen den Armen und Verzweifelten und den Stinkreichen schließen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird man in Indien die Entwicklung des Lebensstandards zusammen mit den Umweltproblemen betrachten müssen – wobei der Lebensstandard nicht auf Kosten der Umwelt steigen darf. Das erfordert ein Ausmaß an staatsmännischen Fähigkeiten, wie es hierzulande zu fehlen scheint.
Gegen diese Probleme kann ich nichts ausrichten, außer dass ich mich den Klimaprotesten anschließe, um unsere Regierung darauf aufmerksam zu machen. Falls wir nicht alle gemeinsam unsere Regierungen dazu bringen können, entsprechende Vorschriften zu erlassen, und gleichzeitig die Verbraucher dazu bringen, ihre Konsumgewohnheiten zu ändern, sieht unsere Zukunft düster aus.
Htet Myet Min Tun
18 Jahre
Myanmar
Im Mai 2008 wurde Myanmar vom Zyklon Nargis getroffen. Er richtete die schlimmste Katastrophe an, die das Land jemals erlebt hat. Tausende Menschen kamen ums Leben, und Millionen wurden obdachlos. Zu diesem Zeitpunkt war ich ungefähr sechs Jahre alt, und ich erinnere mich noch, wie ich mit meiner Familie vom kleinen Fenster unseres Hauses aus dem Zyklon zugesehen habe. Ich sah, wie der Wind Bäume entwurzelte und Hausdächer zerstörte. Obwohl es in Rangun, der Stadt, in der ich lebe, im Vergleich zu anderen im Irrawaddy-Delta nur wenige Todesopfer gab, spielten sich dort nach dem Zyklon unvorstellbare Szenen ab.
Selbst heute habe ich noch das Geräusch des Sturmes im Ohr, wenn ich an diese Tragödie denke. Als ich älter war, lernten wir in der Schule in Naturwissenschaften etwas über den Klimawandel, seine Ursachen und seine Auswirkungen: über die Zerstörung von Wäldern, über Treibhausgase und die globale Erwärmung. Dieses neue Wissen brachte ich in Verbindung mit dem, was ich während und nach dem Zyklon Nargis gesehen hatte, und ich begann zu begreifen, dass wir handeln und die Klimakrise bekämpfen müssen, bevor es zu spät ist.
Ich engagiere mich für eine stärkere öffentliche Wahrnehmung des Klimawandels, denn ich bin der Meinung, wenn man die Art der Krankheit kennt, ist es viel leichter, eine Behandlungsmethode zu finden. In Myanmar, wo die Menschen noch um ihre Grundrechte kämpfen müssen, zum Beispiel politische Teilhabe, Bildung und ein funktionierendes Gesundheitswesen, gibt es kein großes Bewusstsein für den Klimawandel und seine Folgen. Ich meine, die Öffentlichkeit sollte sich zweier wichtiger Dinge bewusst sein: Der Klimawandel verletzt die Menschenrechte, und jeder Bewohner dieser Erde hat die Pflicht, die Umwelt zu schützen.
Wenn man ein junger Aktivist ist, steht man vielen Herausforderungen gegenüber, aber die größte besteht darin, dass uns nur beschränkte Ressourcen zur Verfügung stehen. Uns fehlen Geld, Informationen oder Netzwerke. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit, sowohl auf lokaler wie auf internationaler Ebene, damit junge Aktivisten ihre Netzwerke erweitern und miteinander über Probleme sprechen sowie Lösungsansätze, Informationen und Erfahrungen austauschen können.
***
Ich möchte später ein politischer Entscheidungsträger werden. Für ein Entwicklungsland wie Myanmar sind die Folgen des Klimawandels schwerwiegend. Prognosen besagen, dass der Klimawandel wahrscheinlich die Überflutung von Küstenstädten zur Folge haben wird und damit die massenhafte Umsiedlung von Millionen von Menschen über Landesgrenzen hinweg, zudem drohen Nahrungs- und Wasserengpässe. Wenn diese Vorhersagen sich erfüllen, wird das für unsere Regierung keine einfache Aufgabe, denn es fehlen eine starke Wirtschaft, finanzielle Ressourcen und fortgeschrittene Technologie, um mit diesen Folgen zurechtzukommen. Ebenso besteht das Risiko, dass diese prekären Situationen leicht eskalieren und zu inneren Unruhen führen könnten, die die Stabilität und Sicherheit in dieser Region weiter gefährden könnten.
In Myanmar wird der Klimawandel die Landwirtschaft am stärksten treffen, von der die Wirtschaft des Landes sehr stark abhängig ist. Es wird schwieriger, den Monsun vorauszusagen, die Anzahl an extremen Wetterereignissen in Form von Zyklonen, ungewöhnlich heftigen Regenfälle und Dürren nimmt zu, was sowohl der Qualität als auch der Quantität der Ernten schadet.
Diese beispiellosen extremen Wetterereignisse haben Einfluss auf das Wohlergehen vieler Menschen in Myanmar. Dürren zum Beispiel führen im Sommer in vielen Regionen zu Wassermangel, und in der Regenzeit werden jedes Jahr Tausende Menschen durch Überflutungen und Erdrutsche zur Umsiedlung gezwungen.
Obwohl Myanmar nicht viel zum Klimawandel beiträgt, gehört es zu den Ländern, die durch die Folgen des Klimawandels am stärksten gefährdet sind. Die Küstenstädte, darunter auch Rangun, das wirtschaftliche Zentrum des Landes, sind durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht. Die gesamte Deltaregion wird leiden, denn das Meerwasser wird das Grundwasser versalzen, Ackerland unbrauchbar machen und in vielen Städten und Dörfern Land abtragen.
Es gibt drei Dinge, die ich der Führung meines Landes ans Herz legen möchte. Erstens: Schenkt dem Klimawandel die Aufmerksamkeit, die er verdient. Arbeitet mit Experten, Wissenschaftlern und Aktivisten zusammen, um ihn zu bekämpfen. Es gibt zwar einige Dinge, die jeder Einzelne von uns tun kann, doch wie sehr wir uns auch anstrengen, für den Rest brauchen wir die Unterstützung der Regierung. Zweitens: Bringt die wirtschaftliche Entwicklung und den Umweltschutz in Einklang. Während Myanmar sich der Welt öffnet und seine Industrialisierung vorantreibt, ist es wichtig, dass das nicht auf Kosten der Umwelt geschieht. Auch unsere nachfolgenden Generationen verdienen es, frisches Wasser zu trinken, saubere Luft zu atmen und die Schönheit der Natur zu genießen. Drittens: Arbeitet konkrete Strategien und Notfallmaßnahmen aus, damit wir uns auf mögliche Bedrohungen durch den Klimawandel vorbereiten können. Als der Zyklon Nargis das Land traf, sind Tausende Menschen ums Leben gekommen. So eine Katastrophe darf nicht noch einmal passieren.
Ich fordere jeden Menschen, jede Organisation und jedes Land auf, keine Vorteile – auch nicht in politischer Hinsicht – aus dem Klimawandel zu ziehen. Der Klimawandel sollte Völker, Parteien und Nationen nicht entzweien, vielmehr sollte er Menschen mit unterschiedlichen Berufen und unterschiedlichen Kompetenzen zusammenführen, egal, woher sie stammen, woran sie glauben oder welcher politischen Partei sie angehören. Ich glaube, dass wir die Herausforderung des Klimawandels in einer gemeinsamen Anstrengung von unterschiedlichen Nationen, Menschen und Organisationen bewältigen und den größten Erfolg erzielen können, den die Menschheit je zustande gebracht hat.
Um Erfolg zu haben, brauchen wir vier Dinge: Sachkenntnis, Klugheit, Beharrlichkeit und Entschlossenheit. Wir haben die Sachkenntnis und die Klugheit; auch über die technischen Lösungen verfügen wir bereits. Was wir dem Klimawandel jetzt entgegensetzen müssen, sind Beharrlichkeit und Entschlossenheit.