Cover

Das Buch

Mansplaining ist eines der ganz großen Themen des heutigen Feminismus: Margarete Stokowski nennt das Phänomen »geonkelt werden«, in den sozialen Medien kursieren zahlreiche Witze und Memes, aber auch ernste Erfahrungsberichte, die deutlich machen, dass Männer weiblich gelesenen Personen oft ungefragt dreist und ohne besseres Wissen ihre Welt erklären. Das ist nicht nur übergriffig und unnötig, sondern weist FINTA Personen automatisch eine untergeordnete Rolle zu. Schluss damit! Autorin Fee Brembeck tritt nun auf den Plan und beleuchtet das weit verbreitete Phänomen zum ersten Mal von verschiedenen Seiten. Sie erläutert, warum Männer das machen, setzt dieses Verhalten in Beziehung zu anderen Kampfplätzen des Feminismus und verknüpft sie mit persönlichen Erfahrungen. Nicht zuletzt macht sie deutlich, wie man mit dem mansplainenden Chef, Kollegen, besten Kumpel oder besserwisserischen Opi in der U-Bahn umgehen und sie in ihre Schranken weisen kann.

Die Autorin

Fee Brembeck, Jahrgang 1994, ist eine künstlerische Wundertüte: Sie ist Kabarettistin, mehrfach ausgezeichnete Autorin, Feministin, angehende Opernsängerin und eine der bekanntesten Poetry Slammerinnen im deutschsprachigen Raum. Wenn sie nicht gerade auf einer Bühne steht, setzt sie sich für die Förderung intersektional feministischer Belange im Poetry Slam ein. Online findet man sie unter: fee-brembeck.de oder auf Instagram unter @feeministin.

FEE BREMBECK

Warum wir auf Mansplaining
keinen Bock mehr haben

Dieses Sachbuch beruht auf Erfahrungen, Erlebnissen, umfassenden Recherchen und Aufzeichnungen. Die Autorin gibt hier ihre persönliche Sicht wieder, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat. Alle Informationen und Angaben in diesem Buch wurden von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Manche Personen und geschilderten Situationen wurden zum Schutz der Privatsphäre anonymisiert und verallgemeinernd dargestellt.


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Originalausgabe Oktober 2021

Copyright © 2021 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

ein Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Copyright © 2021 by Felicia Brembeck

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München,

unter Verwendung eines Fotos von © Sophie Wanninger, München

Redaktion: Dr. Marion Preuß

MP · Herstellung: CF

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

978-3-641-27671-3

www.goldmann-verlag.de

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Meinen Geschwistern,
die meine Welt jeden Tag besser machen
und alles in sich tragen,
um die ganze Welt zu verbessern.

Inhalt

Vorwort

1. Erklär’s mir, als wär ich eine Frau!

Warum Männer kompetent und Frauen arrogant sind

2. Sorry – not sorry

Was es in diesem Buch nicht geben wird

3. What is it with the privileges?

Wer die alten weißen Männer sind, und warum sie die Klappe halten sollen

4. Willi will’s wissen und Can checkt’s

Was und wer im Fernsehen läuft und warum ich nicht rechnen kann oder: Frag doch mal den Mann!

5. Erklär mir how to care oder »Who cares!?«

Warum Mutti alles falsch und »das bisschen Haushalt« sich tatsächlich von allein macht

6. Erklär mir meine Schuld!

Wem wir glauben, wenn Wort gegen Wort steht

7. Kann mir mal jemand den Witz erklären?

Warum Frauen biologisch betrachtet nicht lustig sein können

8. Du hast hier keinen Platz!

Warum Männern die Welt, die Happy Hour und dein Sitzplatz gehört

9. Kleiner Mann, was nun?

Wie man nicht reagieren sollte und andere konstruktive Vorschläge, mit Mansplaining umzugehen

Danke

Anmerkungen

Vorwort

»Gutes Thema!«, sagt er und nippt an seiner Kaffeetasse. »Sehr wichtig. Du musst auf jeden Fall aufpassen, dass du auch für Männer schreibst. Und junge Frauen müssen auch kapieren, dass nicht alles Mansplaining ist, was sie so nennen! Das musst du unbedingt klarmachen.«

Ich nicke. Er ist ein guter Freund, den ich als eine Art Mentor betrachte, oft sagt er sehr weise Dinge. Wenn ich Rat brauche, frage ich ihn manchmal. Hier habe ich ihn nicht gefragt. Ich habe nur gesagt, worüber ich schreibe. Er selbst schreibt übrigens nicht.

Zwei Monate später treffe ich einen Bekannten. Wir haben uns länger nicht gesehen, er fragt nach meinem Buch, ich erzähle ihm von meinem Thema. Daraufhin setzt er zu einem Vortrag darüber an, was das Problem an feministischen Büchern sei. Ich höre interessiert zu, schließlich will ich selbst möglichst wenig falsch machen. Irgendwann hake ich nach: »Aber in welchem Werk aktueller feministischer Literatur passiert das denn?« Er gibt zu, gar keine aktuellen Bücher gelesen zu haben, und macht dann weiter.

Während ich dieses Buch geschrieben habe, war ich logischerweise besonders sensibilisiert für Mansplaining und die jeweilig dazugehörenden Themen. Und dennoch war es erstaunlich, wie oft mir auffiel, wie herablassend man als junge, weiblich gelesene Person oftmals behandelt wird. Noch erstaunlicher ist vermutlich nur, wie oft es mir nicht aufgefallen ist – nicht direkt jedenfalls. Immer häufiger hielt ich nach einer Begegnung inne und musste überrascht lachen. Da hatte mir doch schon wieder ein Mann die Welt, den Feminismus, meinen Beruf oder gar meine Emotionen erklärt! Und ich hatte es nicht einmal gemerkt. Ich hatte genickt und zugehört und versucht, fair, sogar sanft zu bleiben, bloß keine aufdringlich militante Feministin zu sein, die ihr Gegenüber verurteilt, ohne zuzuhören. Irgendetwas an der Gesprächssituation, in der ich mich häufig wiederfand, erschien mir ganz natürlich. So als müsste es so sein, als hätte es schon seine Richtigkeit: Der Professor, der plötzlich ausholte, über die Liebe und das Leben zu sprechen, und mir dabei ganz nonchalant einen Beziehungsratschlag gab, der Techniker, der mir vor der Vorstellung erst nahelegte, dass ich bitte in das Mikrofon sprechen und dass ich das Publikum am besten zuerst mal begrüßen solle, der Kumpel einer studierten Politikwissenschaftlerin, der ihr in einer Diskussion erklärte, sie sei einfach nicht informiert genug, ihre Wahlentscheidung zu treffen, der kinderlose Verwandte, der meiner Mutter im Kreise ihrer vier Kinder erklärte, worauf es in der Kindererziehung ankäme: All diese Männer hatten doch zuvor sehr kompetente Sachen gesagt, sie saßen mit Bequemlichkeit und ohne jeden Selbstzweifel breitbeinig im Zentrum des Geschehens; sie konnten sich ausdrücken und ließen keine Rückfragen oder Gegenargumente zu, der Raum gehörte ihnen. Jede dieser Situationen wirkte so natürlich, so selbstverständlich, dass es nicht ganz leicht war zu erkennen, wie falsch und anmaßend das war, was da ganz nebenbei passierte. Die Notizen mit passenden Anekdoten in meinem Handy häuften sich, ich tauschte wütende, resignierte, amüsierte Sprachnachrichten mit Freund*innen aus, stapelte Buch auf Buch, Artikel auf Artikel – und zweifelte doch immer wieder, ob nicht doch ich diejenige war, die mit der Zusammenfassung der Tatsachen einen unverschämten Angriff auf unschuldige Männer, die verdientermaßen in hohen Positionen saßen und sich den Respekt ihres Umfelds hart erarbeitet hatten, startete.

»Wie willst du denn ein ganzes Buch über Mansplaining füllen?«, wurde ich im Schreibprozess ab und an gefragt. Die Wahrheit ist aber, dass ich wohl mehr als nur dieses damit füllen könnte. Weil es um deutlich mehr geht als ein nerviges Alltagsphänomen.

Es geht – das wurde mir in meiner Recherche mehr und mehr bewusst – um den Grund, aus dem selbst ich daran zweifle, ob ich meine Wahrheit äußern und aufschreiben darf. Es geht um den Grund, aus dem ich immer wieder glaube, all diese hochangesehenen Männer hätten vielleicht doch das Recht, mich kleiner zu machen und mir die Welt zu erklären. Es geht um eine Kultur, in der Männer (genauer und vor allem: reiche, weiße, cis, hetero Männer) die Macht und damit das Sagen haben. Es geht um den Grund oder doch mindestens um einen der Gründe, warum Gewalttaten heruntergespielt und nicht zur Sprache gebracht werden, warum Weltpolitik auch heute noch zum überwiegenden Großteil von weißen Männern gemacht wird, warum übergriffige Situationen kreiert und ausgehalten werden und ein bisschen sogar um den Grund für ungleiche Löhne, fiese YouTube-Kommentare und schlechte oder unausgewogene Talkshows.

Es würde zu weit gehen zu behaupten, Mansplaining sei die Wurzel all dieser Übel, aber es ist in meinen Augen mindestens ein Symptom für das nach wie vor bestehende Ungleichgewicht zwischen Geschlechtern; daher ist es völlig gerecht, diese Praxis zumindest auch mit all jenen Strukturen in Verbindung zu bringen und nachzufragen, ob die Lösung nicht auch darin liegt, neu, anders und mit anderen Beteiligten das Gespräch zu suchen. Mareice Kaiser schreibt in einem anderen Kontext über das System, das so viele Ungerechtigkeiten hervorruft:

»Solange Männer immer wieder Männer fragen, wird sich daran auch nichts ändern. Solange vor allem Männer Medien führen, Männer Politik machen, Männer als Experten in den Medien auftreten, wird sich daran nichts ändern.«1

Damit fasst sie unbeabsichtigt auch zusammen, was das Problem von – auf den ersten Blick – kleineren alltagssexistischen Phänomenen wie Mansplaining ist.

Ich schreibe dieses Buch als jemand, die von Alltagssexismus und von den größeren, oftmals gewaltsamen sexistischen Strukturen betroffen ist. Ich schreibe dieses Buch auch im Bewusstsein meiner eigenen Privilegien, als weiße, able-bodied, cis Frau ohne Kinder, die in Wohlstand hineingeboren wurde und stets umfassende Bildungsmöglichkeiten hatte. Und ich möchte es mir zum Ziel machen, auch all meinen Lesenden jeden Geschlechts die Möglichkeit zu geben, die eigenen Betroffenheiten und Privilegien zu reflektieren.

Um das möglichst differenziert zu tun, verwende ich geschlechtersensible Sprache. Ich gendere mit dem Asterisk, dem Gendersternchen, um deutlich zu machen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, und um eine Lesart, die zunächst nur cis Männer mitdenkt, zu stören. Dass ein binäres Geschlechtersystem nicht aufrechterhalten werden kann, ist heute sowohl in der Medizin als auch in der Biologie und den Sozialwissenschaften bekannt und erwiesen. Diese Fakten zu ignorieren fände ich nicht sonderlich feministisch und ganz generell auch weder wissenschaftlich korrekt noch moralisch vertretbar. Ich spreche in diesem Buch auch selten von Frauen, weil es nicht konkret genug wäre. Wo es möglich ist, differenziere ich zwischen weiblich gelesenen Personen, also allen Menschen, die unabhängig von ihrem Geschlecht häufig, punktuell oder immer als Frauen gelesen werden, und FINTA Personen. FINTA steht hierbei für Frauen (in der Abgrenzung zum T oft für cis Frauen, also Menschen, die bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen bekommen haben und sich damit auch weiterhin identifizieren), Intersexuelle Personen, Nicht binäre Personen, Trans Personen und Agender, also Personen, die sich keinem Geschlecht zuordnen. Das T ist in dieser Abkürzung zumindest bezogen auf den Sachverhalt, den ich schildere, mindestens schillernd zu betrachten. Unter Frauen fasse ich selbstverständlich auch trans Frauen, allerdings werden auch trans Männer oft noch weiblich gelesen oder einfach aufgrund ihrer Transgeschlechtlichkeit bevormundend und herablassend behandelt. Nicht selten mischt sich in das Mansplaining trans Frauen gegenüber dann zusätzlich das sogenannte Cisplaining, weil ihnen beispielsweise ihr Gender abgesprochen oder Dinge erklärt werden, mit denen sie sich in ihrer Transition vermutlich länger und intensiver auseinandergesetzt haben als cis Personen. FINTA denkt also eine Mehrfachdiskriminierung mit und ist oft der Begriff, der am ehesten die marginalisierte Gruppe beschreibt, der gegenüber sich viele cis Männer in einer Weise verhalten, wie ich es hier beschreiben werde.

Die Studien und Untersuchungen, die ich für dieses Buch recherchiert habe, sind leider sehr oft nur binär durchgeführt oder zumindest aufgeschrieben worden. Wenn ich also im Kontext einer Studie oder Statistik von Frauen und Männern spreche, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob tatsächlich nur Frauen und Männer untersucht wurden. Es ist sowohl möglich, dass es nur die beiden Möglichkeiten der Angabe gab, als auch, dass nur cis Frauen und cis Männer befragt oder untersucht wurden. Es ist aber genauso möglich, dass cis und trans Männer und Frauen gemeint sind, aber keine nicht binären oder intergeschlechtlichen Menschen an der Studie teilgenommen haben. Natürlich könnte es auch sein, dass eigentlich weiblich gelesene und männlich gelesene Teilnehmende gemeint sind, die jeweils ihr eigenes Geschlecht nicht angeben konnten. Man sieht: In solchen Fällen bleibt viel Raum für Spekulation, und ganz korrekt ist eine solche Aussage vermutlich erst, wenn sie das ganze existente Spektrum von Geschlecht mitdenkt. Um aber auch mit älteren Quellen arbeiten zu können, beschränke ich mich in den entsprechenden Kapiteln darauf, die Wortwahl der Untersuchungen und Statistiken zu übernehmen.

Ich möchte außerdem eine Triggerwarnung aussprechen. Speziell im sechsten Kapitel »Erklär mir meine Schuld!«, aber auch an anderen Stellen des Buchs spreche ich explizit über physische und sexualisierte Gewalt. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass wir diese Extreme, die leider auch unsere Gesellschaft und unseren Umgang mit FINTA prägen, in den Blick nehmen. Trotzdem möchte ich allen, die von Beschreibungen dieser Art sehr mitgenommen werden, vor allem Betroffenen, schon jetzt die Möglichkeit geben, sich zu wappnen und eventuell auch einer Retraumatisierung vorzubeugen.

Ach ja, und neben all diesen Begriffen, Vorsichtsmaßnahmen und Genderschreibweisen, die vielleicht für manche meiner Leser*innen noch neu sind, mag es dann auch noch so scheinen, als würde ich an der ein oder anderen Stelle scherzen. Wenn man außer Acht lässt, dass Frauen per se nicht lustig sein können,[1] könnte man das durchaus annehmen. Über den Gegenstand dieses Buchs mache ich mich damit aber keineswegs lustig: Ich glaube, dass Mansplaining weitreichender ist als bloßer Alltagssexismus und alles andere als ein Witz. Ich glaube, dass diese Haltung Auswirkungen auf die Politik und unser gesellschaftliches Zusammenleben hat, darauf, wie gefährdet FINTA Personen sind und wie die Zukunft aussehen wird. Weil Mansplaining dafür sorgt, dass die Aussagen von FINTA Personen nicht ernst genommen werden und dass das Wort einer FINTA immer weniger gilt als das eines cis Mannes. Genau diese Wertung setzt in einer Gesellschaft, in der wir uns auf Kommunikation geeinigt haben, auch ihren Wert als Mensch herab. Rebecca Solnit, auf die die Beschreibung der Praxis Mansplaining zurückgeht, sagt dazu: »Es geht […] also um die Frage, wessen Rechte wichtig sind, wessen Stimme gehört wird und wer darüber entscheidet.«2

1 Achtung: Ironie. Hier fängt es also schon an.

Ich glaube, dass es sich lohnt, diese Parameter einmal zu analysieren und dann bestenfalls neu zu verhandeln. Ich glaube, es lohnt sich für uns alle. Dieses Buch will einen Beitrag dazu leisten und führt damit hoffentlich auch zu einer neuen Gesprächskultur. Inwiefern der eher gesprächskulturlose Titel dazu in Opposition steht oder vielleicht doch Teil einer solchen Kultur werden kann, klärt sich hoffentlich im Verlauf des Lesens. Falls nicht, findet sich bestimmt irgendein cis Mann, der das Buch nicht gelesen haben wird, aber sicherlich bereit ist, uns genau das zu erklären.

1. Erklär’s mir, als wär ich eine Frau!

Warum Männer kompetent und Frauen arrogant sind