Franziska Schutzbach
Wider die weibliche Verfügbarkeit
Knaur eBooks
Franziska Schutzbach, geboren 1978, ist promovierte Geschlechterforscherin und Soziologin, Publizistin, feministische Aktivistin und Mutter von zwei Kindern. Im Jahr 2017 initiierte sie den #SchweizerAufschrei, seither ist sie eine bekannte und gefragte feministische Stimme auch über die Schweiz hinaus.
Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschlechterthemen wie Misogynie und Sexismus, darüber hinaus befasst sie sich mit den Kommunikationsstrategien von Rechtspopulisten. Franziska Schutzbach lebt in Basel.
Droemer eBook
© 2021 Droemer Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Der Abdruck des Zitats aus Hesiod: Werke und Tage.
Übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger, Stuttgart, Philipp Reclam jun., 1995
erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Reclam Verlags.
Der Abdruck des Zitats aus Silvia Federici: Jenseits unserer Haut.
Körper als umkämpfter Ort im Kapitalismus. Unrast Verlag, 2020
erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Unrast Verlags.
Der Abdruck des Zitats aus ABC des guten Lebens.
Christel Göttert Verlag, 2012, 3. Aufl. 2015; zitiert aus dem Artikel »Care«
erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Christel Göttert Verlags.
Covergestaltung: Lisa Höfner | buxdesign
ISBN 978-3-426-46202-7
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Fork Burke ist eine afroamerikanische Lyrikerin und Autorin. Burke lebt in der Schweiz und ist Mit-Herausgeberin von »I will be different every time. Black Women in Biel«. Das Zitat hat sie für dieses Buch verfasst. Ich danke von Herzen und in tiefer Verbundenheit
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Fork Burke ist eine afroamerikanische Lyrikerin und Autorin. Burke lebt in der Schweiz und ist Mit-Herausgeberin von »I will be different every time. Black Women in Biel«. Das Zitat hat sie für dieses Buch verfasst. Ich danke von Herzen und in tiefer Verbundenheit
Katharina Debus: Und die Mädchen? Modernisierungen von Weiblichkeitsanforderungen. In: Dissens e. V./Katharina Debus/Klaus Schwerma/Olaf Stuve (Hg.): Geschlechterreflektierte Arbeit mit Jungen an der Schule. Texte zur Pädagogik und Fortbildung rund um Jungen, Geschlecht und Bildung. Berlin: Dissens e. V. 2012.
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Kate Manne: Down Girl. Die Logik der Misogynie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2019.
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Ich benutze diesen Begriff im Buch immer wieder, um geltend zu machen, dass der Begriff »Frauen« nicht ausreicht, um die multiplen geschlechtlichen Erfahrungen, Diskriminierungen und Kämpfe zu fassen.
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Es gibt eine Tradition von Schreiber:innen und Denker:innen, die über Erschöpfung und Depression geschrieben haben als ein gesellschaftliches und politisches Phänomen. Autor:innen der afrikanischen Diaspora zum Beispiel haben ausführlich zu den Auswirkungen der Sklaverei und Unterdrückung von Schwarzen Menschen auf deren heutige psychische Gesundheit geforscht und auch über die psychischen Wirkungen von heutigem Rassismus. Auch die queerfeministische Theoretikerin Ann Cvetkovich hat mit Depression; A Public Feeling (2012) ein Werk vorgelegt, mit dem sie sich gegen eine Pathologisierung von Depressionen wendet und ein Verständnis von Depression als normal bzw. gewöhnlich (»ordinary«) vorschlägt, als ein nachvollziehbarer Effekt kapitalistischer Verhältnisse, alltäglicher Diskriminierung, Überforderung und Entfremdung.
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Anke Abraham: Biographische Rekonstruktion und leibliche Erfahrung. Ansatzpunkte zum Verstehen und zur Bearbeitung von Erschöpfung. In: Reinhold Esterbauer/Andrea Paletta/Philipp Schmidt/David Duncan (Hg.): Body time. Leib und Zeit bei Burnout und in anderen Grenzerfahrungen. Freiburg/München: Karl Alber 2016, S. 176-196.
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Otto Penz/Birgit Sauer: Affektives Kapital. Die Ökonomisierung der Gefühle im Arbeitsleben. Frankfurt a.M./New York: Campus 2016.
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Bini Adamczak: Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende. Berlin: Suhrkamp 2017.
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Das Postulat »ohne Angst verschieden sein« stammt von Theodor W. Adorno aus dem Buch Minima Moralia (1951). Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1951.
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Taicha Morin (2018): »All the women in me are tired«, URL: http://www.sjuhawknews.com/all-the-women-in-me-are-tired/
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Elizabeth Wilson: Begegnung mit der Sphinx. Stadtleben, Chaos und Frauen. Basel/Berlin/Boston: Birkhäuser 1993.
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Bei vielen kommt hinzu, dass sie tätlich angefasst oder aufgehalten werden. Siehe: Stop Street Harassment: Statistics – Stop Street Harassment Studies, URL: http://www.stopstreetharassment.org/resources/statistics/ sshstudies/
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Dabei wird der Begriff auch kritisiert, denn das Bild, in dem es um das Zu-sich-Rufen einer Katze geht, ist, wie viele bemängeln, zu harmlos und vermag der Ernsthaftigkeit der Sache nicht gerecht zu werden.
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Rolf Pohl: Feindbild Frau – Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen. Hannover: Offizin 2004.
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Manuela Hofer (2018): »Kannst du kein Kompliment annehmen?«. Street Harassment als Gewalt im öffentlichen Raum. In: Soziales Kapital. 19/2018. https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/565
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Elisabeth Raether/Michael Schlegel (2019): Von ihren Männern getötet, URL: https://www.zeit.de/2019/51/frauenmorde-gewalt-partnerschaft-bundeskriminalamt
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Stop Street Harassment: National Studies, URL: http://www.stopstreetharassment.org/our-work/nationalstudy/
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Siehe etwa National Coalition of Anti-Violence Programs. Studie zu sexueller Belästigung von trans Frauen im öffentlichen Raum: Simone A. Kolysh (2019): Everyday Violence: Catalling and LGBTQ-Directed Aggression in the Public Sphere, URL: https://academicworks.cuny.edu/gc_etds/3161/
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Viktoria Schmidt-Linsenhoff: Amerigo findet America. Zu Jan van der Straets Kupferstichfolge Nova Reperta. In: Heide Wunder/Gisela Engel (Hg.): Geschlechterperspektiven. Forschungen zur Frühen Neuzeit. Königstein: Helmer 1998, S. 372-394; Maike Christadler: Giovanni Stradanos America-Allegorie als Ikone der Postcolonial Studies. In: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 4 (2002), S. 17-33.
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Ulrike Jureit (2015): »Herrschaft im kolonialen Raum: Territorialität als Ordnungsprinzip«: https://www.bpb.de/apuz/208251/herrschaft-im-kolonialen-raum- territorialitaet-als-ordnungsprinzip?p=all
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Rachel Kuo (2017): How Rape Culture and Racism Combine To Hurt Asian Women, URL: https://www.huffpost.com/entry/how-rape-culture-and-racism-combine-to-hurt-asian-women_b_592a15ade4b0a7b7b469cb22
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DeNeen L. Brown (2018): How Recy Taylor’s brutal rape has become a symbol of #MeToo and #TimesUp, URL: https://www.washingtonpost.com/news/retropolis/wp/2017/11/27/the-gang-rape-was-horrific-the-naacp-sent-rosa-parks-to-investigate-it/
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Talia Smith (2017): Are Women of Color at Greater Risk of Street Harassment?, URL: https://observer.com/2017/02/are-women-of-color-at-greater-risk-of-street- harassment/
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https://de.wikipedia.org/wiki/Tarana_Burke
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Katherine Giscombe (2018): Sexual Harassment an Women of Color (Blog Post), URL: https://www.catalyst.org/2018/02/13/sexual-harassment-and-women-of-color/
The Feminist Sexual Ethics Project: How Do Race, Ethnicity, and Religion Intersect with Sexual Violence?, URL: https://www.brandeis.edu/projects/fse/
Cassia Spohn/David Holleran: Prosecuting Sexual Assault: A Comparison of Charging Decisions in Sexual Assault Cases Involving Strangers, Acquaintances, and Intimate Partners. In: Justice Quartely 18 (2001), S. 651-688.
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Heike Maurer/Vanessa E. Thompson (2020): Polizieren als intersektional-rassistisches Verhältnis. Vanessa E. Thompson im Interview, URL: https://www.gender-blog.de/beitrag/polizieren-rassistisches-verhaeltnis
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Frankfurter Arbeitskreis (2020): Black Feminism – Vanessa Thompson. Kritische Theorien in der Pandemie. Ein Glossar zur Corona-Krise (YouTube-Video), URL: https://youtu.be/lkLpkLCYF74
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Siehe zum Beispiel: Morgan Taylor Goodwin (2018): Racial Battle Fatigue: What is it and What are the Symptoms?, URL: https://medium.284 com/racial-battle- fatigue/racial-battle-fatigue-what-is-it-and-what-are-the-symptoms-84 f79 f49ee1e
Oder: Nicole A. Corbin/William A. Smith/J. Roberto Garcia: Trapped between justified anger and being the strong Black woman: Black college women coping with racial battle fatigue at historically and predominantly White institutions. In: International Journal of Qualitative Studies in Education 31 (2018), S. 626-643.
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Weiterführende Literatur, etwa dazu, was dicke Frauen erfahren: Magda Albrecht oder Roxane Gay.
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Sexismus im Alltag, Studie: Carsten Wippermann (2020): Sexismus im Alltag. Wahrnehmungen und Haltungen der deutschen Bevölkerung. Pilotstudie, hg. v. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, URL: https://www.bmfsfj.de/blob/141246/6e1f0de0d740c8028e3fed6cfb8510fd/sexismus- im-alltag-pilotstudie-data.pdf
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Rolf Pohl: Feindbild Frau – Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen. Hannover: Offizin 2004.
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Katharina Göthling (2019): Vergewaltigung in antiker Mythologie: Göttliche Gewalt und jungfräuliche Opfer, URL: https://www.derstandard.de/story/200009 9892237/vergewaltigung-in-antiker-mythologie-goettliche-gewalt-und-jungfraeu liche-opfer
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Ebenda.
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Sandra Konrad: Das beherrschte Geschlecht. Warum sie will, was er will. München: Piper 2019.
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Radiosendung This American Life: Folge 603 Once More, With Feeling, URL: https://www.thisamericanlife.org/603/transcript
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Zunehmender Frauenhass im Internet, siehe: Becky Gardiner/Mahana Mansfield/Ian Anderson/Josh Holder/Daan Louter/Monica Ulmanu (2016): The dark side of Guardian Comments, URL: https://www.theguardian.com/technology/2016/apr/ 12/the-dark-side-of-guardian-comments
und: Manoel Horta Ribeiro/Jeremy Blackburn/Barry Bradlyn/Emiliano De Cristofaro/Gianluca Stringhini: From Pick-Up Artists to Incels: A Data-Driven Sketch of the Manosphere, URL: https://arxiv.org/abs/ 2001.07600
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Becky Gardiner/Mahana Mansfield/Ian Anderson/Josh Holder/Daan Louter/Monica Ulmanu (2016): The dark side of Guardian Comments, URL: https://www.theguardian.com/technology/2016/apr/12/the-dark-side-of-guardian- comments
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Manoel Horta Ribeiro/Jeremy Blackburn/Barry Bradlyn/Emiliano De Cristofaro/ Gianluca Stringhini (2020): From Pick-Up Artists to Incels: A Data-Driven Sketch, URL: https://arxiv.org/abs/2001.07600
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Siehe etwa Svenja Goltermann: Opfer. Die Wahrnehmung von Krieg und Gewalt in der Moderne. Frankfurt a.M.: Fischer 2017.
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Siehe etwa hier: Deborah Mühlebach/Veronika Schick (2020): Wie gewaltvoll kann Sprache sein?, URL: https://www.gendercampus.ch/de/blog/post/wie-gewaltvoll-kann-sprache-sein?fbclid=IwAR3g2pbg8Iq85GSkv_zMqpPgRSBT7FeSdcyV4l8WI5ovTCF09KSvSyzwF38
41
Ruth Becker: Überwindet die Angsträume – Eine Polemik. In: Caroline Kramer (Hg.): FREI-Räume und FREI-Zeiten: Raum-Nutzung und Zeit-Verwendung im Geschlechterverhältnis. Baden-Baden: Nomos 2002.
42
Manuela Hofer (2018): »Kannst du kein Kompliment annehmen?«. Street Harassment als Gewalt im öffentlichen Raum. In: Soziales Kapital. 19/2018. https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/565
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Nina Feltz: Bewegung und die Aneignung öffentlicher Räume in Lebensläufen von Frauen und Mädchen. In: Caroline Kramer (Hg.): FREI-Räume und FREI-Zeiten. Raum-Nutzung und Zeit-Verwendung im Geschlechterverhältnis. Baden-Baden: Nomos 2002, S. 49-60.
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Den Hinweis auf diese Hintergründe verdanke ich dem lesenswerten Buch über soziale Bewegungen von Eva von Redecker: Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen. Frankfurt a.M.: Fischer 2020.
45
Profil Redaktion GmbH/Elfriede Jelinek (2004): Interview: »Ich bin die Liebesmüllabfuhr«. Ein Interview über Angst, Humor und Schriftstellerei, URL: https://www.profil.at/home/interview-ich-liebesmuellabfuhr-99059
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Susanne Gretter: Meret Oppenheim, URL: https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/meret-oppenheim/
47
https://arsfemina.de/feminismus-und-psychotherapie/alfred-adlers-individualpsychologische-theorie-der-weiblichkeit
48
Alfred Adler: Menschenkenntnis. Leipzig: Hirzel 1927.
49
Freud leitete mit zum Teil abstrusen Überlegungen aus der angeblich biologischen Benachteiligung der Frau (Klitoris als minderwertiges Organ) eine allgemeine weibliche Minderwertigkeit ab.
50
Mona Chollet: Hexen. Die unbesiegte Macht der Frauen. Hamburg: Edition Nautilus 2020.
51
Pascal Huguet/Isabelle Régner: Stereotype threat among schoolgirls in quasi ordinary classroom circumstances. In: Journal of Educational Psychology 99 (2007), S. 545-560.
52
Der Begriff geht auf Claude M. Steele und Joshua Aronson (1995) zurück, die in einer Reihe von Experimenten zeigen konnten, dass – bei statistischer Kontrolle der vorausgehenden Leistungen – afroamerikanische Studierende niedrigere Leistungen als weiße Studierende erzielten, wenn ein Test als diagnostisch für ihre intellektuellen Leistungen dargestellt und somit das negative Stereotyp über ihre Gruppe, nicht zu intellektuellen Leistungen in der Lage zu sein, salient gemacht wurde. Das bedeutet, dass trotz Kontrolle der vorausgehenden Leistung unter Stereotype Threat Leistungsunterschiede auftreten. Claude M. Steele/Joshua Aronson: Stereotype threat and the intellectual test performance of African Americans. In: Journal of Personality and Social Psychology 69 (1995), S. 379-440. Der leistungsmindernde Effekt von Stereotype Threat wurde auch bei Mädchen bzw. Frauen für Mathematik als stereotypisierte Domäne aufgezeigt, siehe: Christine Logel/Jennifer Peach/Steven J. Spencer: Threatening gender and race: Different manifestations of stereotype threat. In: Michael Inzlicht/Toni Schmader (Hg.): Stereotype threat. Theory, process, and apllication. New York: Oxford University Press 2012, S. 159-172.
53
https://gender-glossar.de/s/item/29-stereotype-threat
54
Claudia Honegger: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib, 1750-1850. Frankfurt a.M./New York: Campus 1991.
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Eine Dokumentation dieser Gegenstimmen hat Louise Michele Newman (1984) in ihrer Anthologie Men’s Ideas/Women’s Realites: Popular Science, 1870–1915 zusammengestellt. Louise Michele Newman (Hg.): Men’s Ideas/Women’s Realities: Popular Science, 1870-1915. New York: Pergamon 1984.
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Zitiert nach Gabriele Dietze: Weiße Frauen in Bewegung. Genealogien und Konkurrenzen von Race- und Genderpolitiken. Bielefeld: transcript 2013
57
Ausführlich dazu siehe ebenda.
58
Siehe etwa Ursula Ferdinand: Das Malthusische Erbe. Entwicklungsstränge der Bevölkerungstheorie im 19. Jahrhundert und deren Einfluss auf die radikale Frauenbewegung in Deutschland. Münster: LIT 1999.
59
Niklas Luhmann: Die Tücke des Subjekts und die Frage nach den Menschen. In: Andreas Göbel/Peter Fuchs (Hg.): Der Mensch – das Medium der Gesellschaft?. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1994, S. 40-56, zitiert nach: Hannah Meißner (2014): Art. Subjekt, URL: https://gender-glossar.de/glossar/item/3
60
Patricia Purtschert: Grenzfiguren. Kultur, Geschlecht und Subjekt bei Hegel und Nietzsche. Frankfurt a.M.: Campus 2016.
61
Katrine Marçal: Machonomics. Die Ökonomie und die Frauen. München: C.H. Beck 2016.
62
Ebenda.
63
Eva von Redecker: Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen. Frankfurt a.M.: Fischer 2020.
64
Luce Irigaray: Speculum. Spiegel des anderen Geschlechts. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1980.
65
Im Zuge dieser Zuschreibungen wird Frauen gewissermaßen durchaus ein Subjektstatus zugewiesen. Im Unterschied zu Irigaray argumentiert die Philosophin Kate Mann, dass Frauen in der Rolle als Gebende ihre Gaben auch entziehen oder verweigern können. Frauen haben hier durchaus eine Art Machtposition, denn als Verwalterinnen wertvoller Güter – kein Mensch überlebt ohne Fürsorge – können sie Liebe, Sexualität oder Fürsorge auch verweigern. Hier zeigen sich auch die Ambivalenzen männlicher Herrschaft, die eben nicht nur auf Stärke und Machtansprüchen basiert, sondern im tiefsten Inneren auch sehr stark auf Bedürftigkeit (ich führe diesen Aspekt im Kapitel zu Misogynie genauer aus).
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Alfred Adler: Menschenkenntnis. Leipzig: Hirzel 1027.
67
Benigna Gerisch: »Zugrund gerichtet, wach ich ruhig auf«. Psychodynamische Perspektiven zur Suizidalität und zu autodestruktiven Körperinszenierungen von Frauen. In: Forum Psychoanalyse 36 (2020), S. 163–173.
68
Katharina Debus: Und die Mädchen? Modernisierungen von Weiblichkeitsanforderungen. In: Dissens e.V./ Katharina Debus/Klaus Schwerma/Olaf Stuve (Hg.): Geschlechterreflektierte Arbeit mit Jungen an der Schule. Texte zur Pädagogik und Fortbildung rund um Jungen, Geschlecht und Bildung. Berlin: Dissens e.V. 2012
69
Siehe etwa: Anne-Sophie Moreau (Hg.): Philosophinnen: Eine andere Geschichte des Denkens. Philosophie-Magazin, Sonderausgabe 13. Berlin: Philomagazin Verlag 2019.
70
Adriana Cararero: Platon zum Trotz. Weibliche Gestalten in der antiken Philosophie. Berlin: Rotbuch 1992.
71
Wanda Tommasi: Die Arbeit des Knechts. In: Diotima. Jenseits der Gleichheit. Die weiblichen Wurzeln der Autorität. Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer 1999.
72
Audre Lorde: Sister Outsider. Essays and Speeches. Trumansburg, N.Y.: Crossing Press 1984.
73
Teresa de Lauretis: Figures of Resistance. Essays in Feminist Theory, hg. v. Patricia White. Urbana/Chicago: University of Illinois Press 2007.
74
Christoph David Piorkowski (2020): Struktureller Rassismus an deutschen Hochschulen, »Nur tagsüber sind Universitäten weiße Institutionen«, URL: https://www.tagesspiegel.de/wissen/struktureller-rassismus-an-deutschen-hochschulen- nur-tagsueber-sind-universitaeten-weisse- institutionen/26730214.html
75
Sara Ahmed: Living a Feminist Life. Durham: Duke University Press 2017.
76
Kate Manne: Down Girl. Die Logik der Misogynie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2019.
77
Jean Lipman-Blumen: Toward a Homosocial Theory of Sex Roles. An Explanation of the Sex Segregation of Social Institutions. In: Signs. Journal of Women in Culture and Society 1 (1976), S. 15–31.
78
Virginia Woolf: Ein eigenes Zimmer. Frankfurt a.M.: Fischer 2001.
79
Michael Meuser: Männerwelten. Zur kollektiven Konstruktion hegemonialer Männlichkeit. In: Schriften des Essener Kollegs für Geschlechterforschung 1 (2001), S. 5-32, URL: https://www.uni-due.de/imperia/md/content/ekfg/michael_ meuser_maennerwelten.pdf
80
Pierre Bourdieu: Die männliche Herrschaft. In: Irene Dölling/Beate Krais (Hg.): Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktionen in der sozialen Praxis. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997, S. 153-217.
81
bell hooks: Feminism is for Everybody. Passionate Politics. London: Pluto Press 2000.
82
Priya Basil: Im Wir und Jetzt. Feministin werden. Berlin: Suhrkamp 2021.
83
Jörg Fichtner: Unter falscher Flagge: Die ganz neue Väterlichkeit durch Mutterdenunziation. In: Andrea Geier/Ursula Kocher (Hg.): Wider die Frau. Zu Geschichte und Funktion misogyner Rede. Köln: Böhlau 2008, S. 207-228.
84
Julia Klebs 2019: »Der Raub der Proserpina. Kultur- und Geschlechtergeschichte einer mythischen Figur« Ripperger&Kremers: https://verlag-ripperger-kremers.de/9783943999464
85
In ihrem Gedicht »Daddy« geht es bei Plath auch um die Schwierigkeit, wenn Frauen sehr eng an die Väter gebunden sind und sich an ihnen orientieren, bei gleichzeitiger Feindseligkeit gegenüber der Mutter. Aber gleichwohl erfahren, dass Väter eben nicht »Gott« sind und die Töchter am Ende eben doch nicht an ihrem Ruhm und Privileg teilhaben lassen. Plath erklärte: »Das ist ein Gedicht, das von einem Mädchen mit einem Elektra-Komplex (überstarke Bindung einer weiblichen Person an den Vater) gesprochen wird. Ihr Vater starb, als sie dachte, er wäre Gott.« Im Gedicht heißt es: »Daddy, ich musste dich töten. Doch bevor ich dazu kam, starbst du.« Nachdem die Tochter die Ablösung von ihrem gottgleichen Vater verpasst hat, schafft sie ihn neu für einen nachträglichen Vatermord. Sie deutet ihn um zu einem Nazi-Schergen, um ihre Beziehung selbstbestimmt auflösen zu können. Nicht mehr der Tod des Vaters führt zum Abbruch der Kommunikation, sondern dessen deutsche Sprache, die den Klang der Deportationszüge annimmt. Erst durch die Positionierung des Vaters als Vampir (»In deinem fettschwarten Herzen steckt ein Pfahl«) sagt sich die Tochter von ihm los: »Daddy, du Drecksack, jetzt hab ich genug.« (Diese Analyse stammt von Elisabeth Bronfen: Sylvia Plath. Frankfurt a.M.: Frankfurter Verlagsanstalt 1998.
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Audre Lorde: The Uses of Anger. In: dies.: Sister Outsider: Essays and Speeches. Berkeley: Crossing Press 1984.
87
Patricia Purtschert (2008): Nicht so regiert werden wollen. Zum Verhältnis von Wut und Kritik, URL: https://transversal.at/transversal/ 0808/purtschert/de
88
Homerus: Homerische Hymnen. Griechisch und Deutsch, hg. v. Anton Weiher. München: Heimeran 1951, V. 435-436.
89
Hélène Cixous: Castration or Decapitation? In: Robert Con Davis/Robert Scheifler (Hg.): Contemporary Literary Criticism. Literary and Cultural Studies. New York: Longman 1989.
90
Hesiod: Werke und Tage. Griechisch/Deutsch, übers. u. hg. v. Otto Schönberger. Stuttgart: Reclam 1996.
91
Karsten Schubert (2020): »Political Correctness« als Kern der Politik. Mit Nietzsche gegen die neue Rechte, URL: https://www.karstenschubert.net/news/20 – 07-political-correctness-als-kern-der-politik-mit-nietzsche-gegen-die-neue-rechte/
92
Maria Wersig (2018): Die Mär von den Männerquoten, URL: https://verfassungsblog.de/die-maer-von-den-maennerquoten/
93
Karsten Schubert (2020): »Political Correctness« als Kern der Politik. Mit Nietzsche gegen die neue Rechte, URL: https://www.karstenschubert.net/news/20 – 07-political-correctness-als-kern-der-politik-mit-nietzsche-gegen-die-neue-rechte/
94
Manoel Horta Ribeiro/Jeremy Blackburn/Barry Bradlyn/Emiliano De Cristofaro/Gianluca Stringhini: From Pick-Up Artists to Incels: A Data-Driven Sketch of the Manosphere, URL: https://arxiv.org/abs/2001.07600
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Kate Manne: Down Girl. Die Logik der Misogynie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2019.
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Transfrauen wird oft unterstellt, sie würden Frauen werden aus sexuellem Antrieb, das heißt, um libidinösen, promiskuitiven Leidenschaften nachgehen zu können. Michaela Dudley, Kabarettistein, Autorin und trans Frau schreibt: »Die Blicke, die sich auf meine Schwestern und mich richten, lassen erkennen, dass wir abwechselnd als Faszinationsobjekte und Feindbilder betrachtet werden. Diese Neugierde ist in einer Art Fetischisierung verwurzelt. Denn trans Frauen sind dem Vorurteil folgend doch primär als promiskuitive Wesen zu begreifen und zu begrapschen. Demgemäß würden wir unsere Transition hauptsächlich aus sexuellen Beweggründen vollziehen, um lauter libidinösen Leidenschaften nachgehen zu können. Solche Klischees verraten eine giftige Mischung aus Phobien und Phantasien, und sie entstammen der Auffassung, dass die Weiblichkeit schon von Natur aus der Männlichkeit unterlegen sei und den Männern in erster Linie zur Unterhaltung dienen solle.« Quelle: Michaela Dudley (2021): Was sich eine trans Frau zum Weltfrauentag wünscht, URL: https://www.tagesspiegel.de/kultur/weibliche-vielfalt-feiern-was-sich-eine-trans-frau-zum-weltfrauentag-wuenscht/ 26981764.html
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Die Gründe für ihre Ermordung sind sehr stark mit Armut und Rassismus verbunden, wie etwa diese Fall-Aufarbeitung zeigt: Diana Tourjée: He’s Not Done Killing Her: Why So Many Trans Women Were Murdered in 2015, URL: https://www.vice.com/en/article/785yjx/hes-not-done-killing-her-why-so-many-trans-women-were-murdered-in-2015
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Serano schreibt: »When the Majority of jokes made at the expense of trans people center on »men wearing dresses« or »men who want their penises cut off« that is not transphobia – it is trans-misogyny. When the majority of violence and sexual assaults omitted against trans people is directed at trans women, that is not transphobia – it is trans-misogyny.« Julia Serano: Whipping Girl. A Transsexual Woman and Sexism and the Scapegoating of Femininity. Emeryville, CA: Seal Press 2016.
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Carsten Wippermann (2020): Sexismus im Alltag, URL: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/141246/6e1f0de0d740c8028e3fed6cfb8510fd/sexismus-im-alltag-pilotstudie-data.pdf
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Kurt Möller (2012): Männlichkeit, Mannhaftigkeit und Mannbarkeit: Wie aus Jungen Männer werden. In: bpb (Hg.): Mannsbilder. APuZ, Bonn, URL: https://www.bpb.de/apuz/144861/wie-aus-jungen-maenner-werden?p=all;
und Michael Meuser/Sylka Scholz, Sylka: Hegemoniale Männlichkeit. Versuch einer Begriffsklärung aus soziologischer Perspektive. In: Martin Dinges (Hg.): Männer – Macht – Körper. Hegemoniale Männlichkeiten vom Mittelalter bis heute. Frankfurt a.M./ New York: Campus, S. 211-228.
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Pierre Bourdieu: Die männliche Herrschaft. In: Irene Dölling/Beate Krais (Hg.): Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktionen in der sozialen Praxis. Frankfurt a.M: Suhrkamp 1997, S. 153-217.
Und: Karin Hausen (1976): Die Polarisierung der »Geschlechtscharaktere« – eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienarbeit. In: Werner Conze (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 363-393.
102
Michael Meuser: Männerwelten. Zur kollektiven Konstruktion hegemonialer Männlichkeit. In: Schriften des Essener Kollegs für Geschlechterforschung 1 (2001), S. 5-32, URL: https://www.uni-due.de/imperia/md/ content/ekfg/michael_ meuser_maennerwelten.pdf
103
Frank Schirrmacher (2003): Machtfragen. Männerdämmerung, URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/machtfragen-maennerdaemmerung-1101138.html
104
Hans-Christoph Buch (2003): Big Sister. Die Literatur ist weiblicher geworden, URL: https://www.welt.de/print-welt/article245778/Big-Sister.html.
105
Harald Martenstein (2013): Schlecht, schlechter Geschlecht, URL: https://www.zeit.de/2013/24/genderforschung-kulturelle-unterschiede
106
Kate Manne: Down Girl. Die Logik der Misogynie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2019.
107
Lea Susemichel/Andreas Kemper: Männliche Abstiegsangst, URL: https://anschlaege.at/maennliche-abstiegsangst/
108
Andreas Kemper: (2020): Crash statt Care. Virtuelle und apokalyptische Männlichkeit (2), URL: https://andreaskemper.org/2020/05/03/crash-statt-care-virtuelle-und- apokalyptische-maennlichkeit-2/#Virtualisierte_Maennlichkeit_1
109
Robert Claus (2014): Maskulismus. Antifeminismus zwischen vermeintlicher Salonfähigkeit und unverhohlenem Frauenhass, URL: https://library.fes.de/pdf-files/dialog/ 10861.pdf (Letzter Aufruf am 15.7.2021)
110
Siehe die Arbeiten der Historikerinnen Ute Planert, Karin Stögner oder Shulamit Volkov.
111
Bram Dijkstra: Das Böse ist eine Frau. Männliche Gewaltphantasien und die Angst vor der weiblichen Sexualität. Reinbek: Rowohlt 1999.
112
Otto Weininger: Geschlecht und Charakter. Eine prinzipielle Untersuchung. München: Matthes & Seitz 1980 (Reprint der Erstausgabe von 1903).
113
Bram Dijkstra: Das Böse ist eine Frau. Männliche Gewaltphantasien und die Angst vor der weiblichen Sexualität. Reinbek: Rowohlt 1999.
114
In »Mein Kampf« bezeichnet er den Juden als die »Urform der sexuellen Frau«, der den Aufstieg des arischen Mannes zur Perfektion verhindert und somit das nationale Überleben gefährdet.
115
Helmut Mauro (2020): Igor Levit ist müde, URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/igor-levit-daniil-trifonov-1.5071896
116
Joseph Goebbels: Tagebucheintrag vom 12. April 1924, zitiert nach Elke Fröhlich (Hg.): Die Tagebücher des Joseph Goebbels. München: Saur 2004, zitiert nach Andreas Kemper: (2020): Crash statt Care. Virtuelle und apokalyptische Männlichkeit (2), URL: https://andreaskemper.org/2020/05/03/crash-statt-care-virtuelle-und-apokalyptische-maennlichkeit-2/
117
Theodor W. Adorno: Erziehung zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker 1959 –1969, hg. v. Gerd Kadelbach. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1970. Und: Theodor W. Adorno: Studien zum autoritären Charakter, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1973.
118
Satana, Lodovico: Lob des Sexismus: Frauen verstehen, verführen und behalten. Ein Praxisbuch für Aufgeschlossene. Norderstedt: Books on Demand GmbH 2006.
119
Klaus Theweleit: Männerphantasien. Berlin: Matthes & Seitz 2019.
120
Ich selbst habe am Beispiel der Pick-Up-Artist-Community gezeigt, dass Antifeminismus für viele junge Männer Ausgang für die Radikalisierung nach rechts ist. Franziska Schutzbach: Dominante Männlichkeit und reaktionäre Weltanschauungen in der Pick-Up-Artist-Szene. In: Feministische Studien 36 (2018), S. 305-321.
121
Kemper, Andreas (2012): Maskulinismus als Virtualität. Breiviks Antifeminismus. In: ders. (Hg): Die Maskulisten. Organisierter Antifeminismus im deutschsprachigen Raum. Münster: Unrast 2012, S. 101-120.
122
Sandra Lee Bartky: Femininity and domination: Studies in the phenomenology of oppression. New York, NY: Routledge 1990.
123
Silvia Federici: Jenseits unserer Haut. Körper als umkämpfter Ort im Kapitalismus. Münster: Unrast 2020.
124
Danke von Herzen an Dilan Graf für die Erlaubnis, ihren Songtext hier zu veröffentlichen.
125
Karen P. Grippo/Melanie S. Hill: Self-objectification, habitual body monitoring, and body dissatisfaction in older European American women: Exploring age and feminism as moderators. In: Body Image 5 (2008), S. 173-182.
126
Ina Praetorius, Rainer Stöckli (Hg.): Wir kommen nackt ins Licht, wir haben keine Wahl. Das Gebären erzählen, das Geborenwerden. 150 Szenen aus der Schönen Literatur zwischen 1760-2010. Herisau: Appenzeller 2011.
127
Sabine Loeber/Ramona Burgmer/Andrea Wyssen/Judith Leins/Martina Rustemeier/Simone Munsch/Stephan Herpertz: Short-term effects of media exposure to the thin ideal in female inpatients with an eating disorder compared to female inpatients with a mood of anxiety disorder or women with no psychiatric disorder. In: International Journal of Eating Disorder 49 (2016), S. 708-715.
128
Siehe: Nestlé Deutschland AG (2014): Repräsentative Umfrage: Wie zufrieden ist Deutschland mit seinem körperlichen Wohlbefinden, URL: http://www.nestle.de/medien/medieninformationen/studie-zu-koerperlichem-wohlbefinden
129
Siehe zum Bsp. Eva Maria Kropp/Christoph Klotter: Schlanke Körperideale und »Ernährungs-Sünden«. In: Ernährungs-Umschau, 56/11 (2009), S. 626-629. Bei ähnlichen Befragungen zeigte sich noch bis vor Kurzem ein deutlicher Kontrast zwischen Frauen und Männern, das heißt, Männer wiesen ein viel geringeres Körperbewusstsein als Frauen auf. Zwar gibt es auch heute Unterschiede im Körperbewusstsein der Geschlechter, diese fallen jedoch im Vergleich zu früheren Jahren geringer aus. Körperliche Attraktivität ist auch für Männer zunehmend wichtig. So fühlen sich Männer unter Druck gesetzt, ab- oder zuzunehmen. Die meisten jungen Männer finden sich zu dünn und haben das Gefühl, Muskeln aufbauen zu müssen, um dem Bild zu entsprechen, das gegenwärtig als männliches Schönheitsideal empfunden wird. Viele berichten zum Beispiel, sie würden inzwischen anstatt Musik-Blogs Anleitungen zum Muskelaufbau lesen. Eine im Jahr 2014 veröffentlichte US-Studie zeigt, dass fast 18 Prozent aller männlichen jungen Erwachsenen sich übermäßig viele Gedanken über ihr Gewicht und ihre Statur machen. Rund 8 Prozent aller 16- bis 22-jährigen Männer sind besorgt, nicht genügend Muskeln zu haben, und ziehen dafür auch die Verwendung potenziell gefährlicher (und illegaler) Substanzen in Erwägung. Schätzungsweise konsumiert auch im europäischen Raum jeder zwanzigste männliche Jugendliche – genaue Zahlen fehlen – muskelaufbauende Substanzen wie Anabolika, die teilweise zu erheblichen Gesundheitsschäden führen können. Für Männer reicht es heute nicht mehr aus, ›nur‹ schlank und attraktiv zu sein. Fit und durchtrainiert ist als Devise dazugekommen, wie es der Historiker Simon Graf formuliert: »Der fitte Körper ist nicht nur jung, schön und schlank, sondern zieht seine Attraktivität auch aus dem Umstand, dass er für Willenskraft, Leistungsstärke und Gesundheit steht und damit ökonomische Verwertbarkeit verkörpert.« Simon Graf: Leistungsfähig, attraktiv, erfolgreich, jung und gesunde: Der fitte Körper in post-fordistischen Verhältnissen. In: Body Politics 1 (2013), S. 130-157.
130
Renate Valtin/Ada Sasse: Ich bin gern ein Mädchen. Ich bin gern ein Junge. Selbstbilder von Kindern in der Grundschule. In: Deutsch Differenziert 1 (2011), S. 14-16.
131
Befragung der Stiftung für Gesundheitsförderung: Gesundheitsförderung Schweiz (2015): Mädchen achten auf Gewicht, Knaben auf Muskeln. Studie zu gesundem Körpergewicht, URL: https://gesundheitsfoerderung.ch/ueber-uns/medien/medienmitteilungen/artikel/maedchen-achten-auf-gewicht-knaben- auf-muskeln-1.html
132
Die Studie »Prävalenz von Essstörungen in der Schweiz« (2012) im Auftrag des BAG kommt zum Schluss, dass in der Schweiz 5,3 Prozent der Mädchen und Frauen an schweren Essstörungen leiden. Die gefährlichste Krankheit ist die Anorexia nervosa mit einer Sterberate von 10 bis 15 Prozent.
133
Naomi Wolf: Der Mythos Schönheit. Reinbek: Rowohlt 1991.
134
Ebenda.
135
Barbara Duden: Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Vom Mißbrauch des Begriffs Leben. Hamburg/Zürich: Luchterhand 1991.
136
Silvia Federici: Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation. Wien/Berlin: Mandelbaum 2017.
137
Focus (2013): Helle Haut gewünscht. »Schneewittchenwahn« in Indien, URL: https://www.focus.de/panorama/welt/gesellschaft-helle-haut-gewuenscht-schneewittchenwahn-in-indien_aid_774809.html
138
Medieneinfluss ist nicht allein schuld, aber spielt eine Rolle: Groesz (2002) fasst diese Befunde zusammen und kommt zu dem Fazit, dass die Präsenz von sehr schlanken Models in TV-Werbespots und Anzeigen die Zufriedenheit von Frauen sowohl mit ihrem Körper, ihrem Gewicht als auch mit ihrer generellen Attraktivität signifikant negativ beeinflusst. Siehe Lisa M. Groesz/Michael P. Levine/Sarah K. Murnen: The effect of experimental presentation of thin media images on body satisfaction: A meta-analytic review. In: International Journal of Eating Disorders 31 (2002), S. 1-16. Peterson bestätigte diesen Befund 2005: Frauen, denen Werbeinserate mit Models präsentiert wurden, gaben anschließend eine größere Diskrepanz zwischen ihrem realen Körperschema und ihrem idealen Körperschema (in Richtung eines dünneren Idealbildes) an als Frauen, die Werbeinserate ohne Models betrachtet hatten. Ferner gingen Frauen nach der Betrachtung von Werbeinseraten mit Models auch von einem wesentlich dünneren angestrebten idealen Körperschema bei Frauen insgesamt aus im Vergleich mit Teilnehmerinnen der Kontrollgruppe. Lars Eric Petersen: Der Einfluss von Models in der Werbung auf das Körperselbstbild der Betrachter/innen. In: Zeitschrift für Medienpsychologie 17 (2005), S. 54-63. Weitere Studien zeigen auch Zusammenhänge zwischen Mediennutzung, Körperunzufriedenheit und Essstörungen. Zum Beispiel: Kristen Harrison: Television viewing, fat stereotyping, body shape standards, and eating disorder symptomatology in grade school children. In: Communication Research 27 (2000), S. 617-640. Verstärkt wurde dieser Trend auch durch technische Möglichkeiten: Die Makellosigkeit von Körpern, Körpermaßen, Haut, Haaren usw. durch technische Manipulation hat in den letzten Jahren extrem zugenommen. Das hat dazu geführt, dass die dargestellten Körper immer weniger mit den tatsächlichen Körpern von Menschen zu tun haben. Gezeigt werden künstliche Konstruktionen. Auch wenn dieser Umstand allgemein bekannt und ein kritisches Bewusstsein vorhanden ist, das heißt, auch viele Kinder bereits wissen, dass bei diesen Darstellungen technisch massiv nachgeholfen wurde, haben mehrere Studien gezeigt, dass Menschen und menschliche Verhaltensweisen von solch überzogenen Idealen nicht unberührt bleiben. ExpertInnen sehen diese Social-Media-Trends kritisch, weil dadurch auch das sogenannte »Bodyshaming« befördert wird, das heißt der Trend, dass Internet-UserInnen sich anhand von körperlichen Merkmalen abwerten und kritisieren und durch diese gegenseitige »Bewertungskultur« der Druck noch verstärkt wird.
139
Lena Ruppert (2016): Body Shaming und die Frage nach dem perfekten Körper: https://web.de/magazine/gesundheit/body-shaming-frage-perfekten-koerper-31740514
140
Siehe: University of Otago (2015): Anti-fat attitudes shaped early in life, URL: http://medicalxpress.com/news/2015 – 11-anti-fat-attitudes-early-life.html
141
Robert Preidt (2015): Teasing Girls About Weight May Cause Lasting Harm, URL: https://consumer.healthday.com/kids-health-information-23/overweight-kids-health-news-517/teasing-girls-about-weight-may-cause-lasting-harm- 705194.html
142
Christopher E. Forth: Fat. A Cultural History Of The Stuff Of Life. London: Reaktion 2019.
143
Nora Kreuzenbeck: Nothing to Lose. Fat Acceptance-Strategien und Agency als Widerstand und Unterwerfung in den USA von der Mitte der 1960er bis in die frühen 1980er Jahre. Body Politics. Zeitschrift für Körpergeschichte 3 (2015)
144
Zu den sich wandelnden Konzeptionalisierungen von fatness siehe z.B. Hillel Schwartz: Never Satisfied. A Cultural History of Diets, Fantasies, and Fat. New York: Anchor Books 1986; Peter Stearns: Fat History. Bodies and Beauty in the Modern West. New York: NYU Press 2012.
145
Amy Erdman Farrell: Fat Shame: Stigma and the Fat Body in American Culture. New York: New York University Press 2011.
146
Einen Überblick zur Geschichte des Fettaktivismus gibt es z.B. bei Charlotte Cooper: Fat Activism: A Radical Social Movement. London: HammerOn Press 2016. Für Deutschland siehe z.B. Magda Albrecht: Fa(t)shionista. Rund und glücklich durchs Leben. Berlin: Ullstein 2018.
147
Judy Freespirit/Aldebaran: »Fat Liberation Manifesto.« In: Off Our Backs 9 (1979), S. 18.
148
Judith Stein: »Trimming the Fat for a Profit: An Essay on Fat Liberation«. In: WomenWise. The N.H. Feminist Health Center Quarterly 5 (1982), S. 8-9.
149
Body Respect Schweiz: Home, URL: https://www.bodyrespect.ch/
150
Ich danke Melanie Dellenbach für das Gespräch, die wichtigen Ergänzungen und die Zeit, mir die Bedeutung der Gewichtsstigmatisierung näherzubringen.
151
Die Zahlen stammen aus diesem Aufsatz: Karen P. Grippo/Melanie S. Hill: Self-objectification, habitual body monitoring, and bosy dissatisfaction in older European American women: Exploring age and feminism as moderators. In: Body Image 5 (2008), S. 173-182.
152
Tadele Zabrea: Body Image: Self-Objectification, Habitual Body-Monitoring and Body-Dissatisfaction Among Adolescent and Young Adulthood Women. Saarbrücken: Lambert Academic Publishing 2013.
153
Einige Wissenschaftler haben die Objektivierungstheorie auf Männer angewandt, ohne die Perspektive des männlichen Blicks vollständig zu berücksichtigen, die in den Rahmen eingebettet ist, um zu erklären, wie die Selbstobjektivierung zustande kommt. Die Forschung mit schwulen Männern unterstützt diesen Punkt insofern, als dass schwule Männer eine deutlich höhere Selbstobjektivierung berichten als heterosexuelle Männer. In Übereinstimmung mit der Objektivierungstheorie repräsentieren die höheren Selbstobjektivierungswerte schwuler Männer das Bestreben, ein befriedigendes und angenehmes Aussehen für Männer zu erhalten. Heterosexuelle Männer fühlen sich im Allgemeinen nicht durch andere Männer sexuell objektiviert. Wenn Männer sich von Frauen sexuell objektiviert fühlen, scheinen sie nicht so negativ zu reagieren. Diese Fokussierung auf Mädchen und Frauen leugnet nicht, dass auch Jungen und Männer sexuelle und Selbstobjektivierung erfahren. Tatsächlich berichten die Männer, die sich selbst objektivieren, auch über mehr Körperscham und Essstörungen. Allerdings ist Vorsicht geboten bei der unmittelbaren und direkten Anwendung der aktuellen Objektivierungstheorie auf die Erfahrungen von Männern. Kurz gesagt, es gibt andere psychologische Variablen, die wahrscheinlich relevanter für die Körper-Selbstbeziehung von Männern sind. Die Art der Erfahrungen von Männern mit sexueller Objektivierung – oder das Fehlen davon – stellt jedoch eine ebenso wichtige Art und Weise dar, wie Männer ihren eigenen Körper in hypersexualisierten kulturellen Kontexten erleben. Es besteht dringender Forschungsbedarf, um herauszufinden, wie die Variabilität des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins sexueller Objektivierung und die damit einhergehende Selbstobjektivierung dazu führen kann, dass Männer und Frauen besondere Selbst-Körperbeziehungen entwickeln.
154
Barbara L. Fredrickson/Tomi-Ann Roberts: Objectification theory: Toward understanding women’s lived experiences and mental health risks. In: Psychology of Women Quarterly 21 (1997), S. 173-206.
155
Die erwähnte Untersuchung der Objektivierungstheorie basiert größtenteils auf den Erfahrungen weißer, nordamerikanischer und australischer, heterosexueller Frauen und wurde mit Stichproben getestet, die überwiegend aus weißen, heterosexuellen Frauen mit College-Ausbildung bestanden – was die Erfahrung der Selbstobjektivierung bei Frauen of Color, lesbischen Frauen, Frauen über 25 oder unter 18 Jahren und anderen marginalisierten Frauengruppen, trans Frauen oder non-binären Personen bedeutet, muss noch tiefer untersucht werden, einige intersektional ausgerichtete Studien aus der Objektivierungstheorie gib es bereits: Die sexuelle Ausbeutung und Viktimisierung afroamerikanischer Frauen seit den Tagen der Sklaverei bis in die Gegenwart hat zu Medienbildern und Stereotypen von Schwarzen Frauen als sexuelle Aggressorinnen und »sexuelle Wilde« geführt, siehe etwa Beverly Greene: African American women. In: Lillian Comas-Diaz/Beverly Greene (Hg.): Woman of color: Integrating ethnic and gender identities in psychotherapy. New York, NY: Guilford; Anita Jones Thomas/Karen McCurtis Witherspoon/Suzette L. Speight: Toward the development of the Stereotypic Roles of Black Women Scale. In: Journal of Black Psychology 30 (2004), S. 426-442. Im Gegensatz dazu werden asiatische Amerikanerinnen in den Medien oft als sexuell unterwürfig, kindlich und exotisch dargestellt, siehe: M. P. P. Root: The psychology of Asian women. In: H. Landrine (Hg.): Bringing cultural diversity to feminist psychology: Theory, research, practice. Washington, DC: American Psychological Association 1995, S. 265-301. Darüber hinaus werden Frauen aus ärmeren sozialen Schichten oft als ekelhaft, masslos, roh und als Opfer angesehen, siehe z.B.: L.aura Smith: Positioning classism within counseling psychology’s social justice agenda. In: The Counseling Psychologist 36 (2008), S. 895-924. Es ist nötig, dass mehr Intersektionalität in die Untersuchung der Selbstobjektivierung einbezogen wird. Um auch die unterschiedlichen Erfahrungen etwa von trans Frauen und non-binären Menschen besser zu verstehen. Gleichzeitig kann man wohl davon ausgehen, dass allen weiblich wahrgenommenen Menschen bestimmte unangenehme Erfahrungen in einer sexuell objektivierenden Gesellschaft gemeinsam sind.
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Christina von Braun: Nicht Ich. Logik, Lüge, Libido. Berlin: Aufbau 2003.
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»Je me sens coupable / Parce que j’ai l’habitude / C’est la seule chose que je peux faire / Avec une certaine certitude / C’est rassurant de penser / Que je suis sure de ne pas me tromper / Quand il s’agit de la question /de ma grande culpabilité« (La confession – Lhasa de Sela)
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Katharina Debus: Und die Mädchen? Modernisierungen von Weiblichkeitsanforderungen. In: Dissens e. V./Katharina Debus/Klaus Schwerma/Olaf Stuve (Hg.): Geschlechterreflektierte Arbeit mit Jungen an der Schule. Texte zur Pädagogik und Fortbildung rund um Jungen, Geschlecht und Bildung. Berlin: Dissens e. V. 2012.
159
Angela McRobbie: Top Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010.
160
Benigna Gerisch: »Zugrund gerichtet, wach ich ruhig auf«. Psychodynamische Perspektiven zur Suizidalität und zu autodestruktiven Körperinszenierungen von Frauen. In: Forum der Psychoanalyse 36 (2020), S. 163-173.