Jens Møller Jensen
mit Stine Bolther
Der Leiter der Kopenhagener Mordkommission
über seine schwierigsten Fälle
Aus dem Dänischen von Ulrike Strerath-Bolz
Knaur eBooks
Jens Møller Jensen war 37 Jahre lang Ermittlungsleiter der Kopenhagener Mordkommission und ist seit kurzer Zeit im Ruhestand. In seinem Buch »Opklaret« (dt. Aufklärung) berichtet er von spektakulären Fällen, darunter die Ermordung der schwedischen Journalistin Kim Wall im August 2017. Dieses Buch war in Dänemark ein großer Publikumserfolg.
Stine Bolther, geb. 1976, ist eine dänische Journalistin, Fernsehmoderatorin und Autorin mehrerer erfolgreicher True-Crime-Titel; zuletzt war sie Ghostwriterin für Jens Møller Jensen, den Kopenhagener Leiter der Mordkommission und dessen Bestseller »Opklaret« (dt. Aufklärung).
Die dänische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel
»Opklaret - Drabschefens Erindringer«
af Jens Møller Jensen i samarbejde med Stine Bolther bei POLITIKENS FORLAG, Kopenhagen.
Für die Übersetzung wurde die überarbeitete Ausgabe von 2019 verwendet.
Droemer eBook Oktober 2021
© 2019 POLITIKENS FORLAG, Kopenhagen
© 2021 der deutschprachigen Ausgabe Droemer Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktion: Dagmar Weindl, Promotiontext Augsburg
Covergestaltung: total italic, Thierry Wijnberg
Coverabbildung: Coverabbildung: Ritzau/Scanpix
ISBN 978-3-426-46270-6
Man kann anderen Menschen nur dann etwas bedeuten,
wenn man sich selbst etwas bedeutet.
Bei der Eröffnung der alljährlichen Krimimesse in Horsens 2018 stellte der dänische Justizminister Søren Pape Poulsen in seiner Rede fest, dass die Fantasie es oft schwer hat, mit der Wirklichkeit mitzuhalten. Wörtlich sagte er: »Bücher über tatsächliche Begebenheiten können erschütternd sein. Aber True Crime ist wichtig, denn es kann uns helfen, Hintergründe zu verstehen. Mir gefällt es aber auch, wenn tatsächliche Ereignisse zur Vorlage von Theatervorstellungen werden und an der öffentlichen Debatte Anteil haben.«
Der Krimiautor Jesper Stein sagte auf derselben Messe: »Wir leben in einem Land, das von Sicherheit und Glück geprägt ist. Wir fühlen uns nur von Politikern und Ärzten abhängig. Sie sollen auf uns aufpassen, denn Bedrohungen unseres Körpers und unseres Privateigentums sind das Einzige, was uns in panische Angst versetzen kann.«
Genau aus diesen Gründen habe ich mich dazu entschlossen, ein Buch mit einer kleinen Auswahl der vielen Fälle zu schreiben, mit denen ich in meinen siebenunddreißig Jahren im dänischen Polizeidienst zu tun hatte.
Ich möchte dazu beitragen, ein professionelles Bild dieser schweren Verbrechen zu zeichnen, damit die Leserinnen und Leser diese Fälle nicht nur aus den Medien kennen. Und ich möchte dazu beitragen, die oft unnötige Angst der Menschen vor Kriminalität und Gewalt zu zerstreuen.
Schon in der ersten Woche in meinem derzeitigen Job kam ein größerer dänischer Verlag auf mich zu und wollte über ein Buchprojekt sprechen. Damals lehnte ich dankend ab. Und das war nicht das letzte Mal.
Doch irgendwann nach längerem Nachdenken, als ich feststellen musste, dass das Interesse nicht nachließ, kam ich zu einer anderen Einstellung. Denn Einblick und Wissen schaffen Sicherheit und Ruhe, und wenn die Menschen einen guten Einblick in die Polizeiarbeit und die Methoden bei der Aufklärung schwerer Verbrechen bekommen, dann fühlen sie sich vielleicht noch etwas sicherer in unserem ohnehin so sicheren Land.
Ich persönlich leide weder unter Lebensangst noch unter Lebensüberdruss, aber es ist auch für mich– wie vermutlich für alle– ein gutes Gefühl, dass die allermeisten Schwerverbrechen aufgeklärt werden und dass die Täter für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden.
Auch deshalb habe ich beschlossen, in diesem Buch von wirklich schlimmen Fällen zu erzählen. Alle diese Fälle hatten tiefgreifende Folgen, nicht nur für die Opfer und die Täter, sondern auch für ihre Familien. Ihr Verlust und ihr Kummer hören auch dann nicht auf, wenn die Strafrichter ihr Urteil gesprochen haben. Im Gegenteil, sie leiden oft ein Leben lang.
Die Angehörigen der Mordopfer haben ein Recht darauf, dass das Familienmitglied, das sie verloren haben, nicht in Vergessenheit gerät. Und ich hoffe außerdem, dass potenzielle Täter nach der Lektüre meiner Fallgeschichten anders denken und dass so vielleicht der eine oder andere Mord, das eine oder andere Verbrechen verhütet werden.
In den Medien laufen Geschichten von tatsächlichen Verbrechen unter der Bezeichnung True Crime und es gibt viele Möglichkeiten, dieses Genre zu hören, zu sehen oder zu lesen. Ich hoffe, dass ich mit meinen Berichten dazu beitragen kann, die Verhältnisse rund um Schwerverbrechen in Dänemark zu aktualisieren und zu beschreiben.
In meiner Arbeit habe ich die dunklen Seiten des Lebens kennengelernt, bin vielen Schicksalen begegnet und musste mit diesen Begegnungen umzugehen lernen. Sie haben mich geprägt und ich hoffe, wenn Sie dieses Buch lesen, kommen auch Sie dazu, über die Schattenseiten unseres Daseins nachzudenken und Ihr eigenes Leben im Verhältnis dazu zu sehen.
Dieses Buch soll auf keinen Fall im Dienste der Unterhaltung mit blutrünstigen Details aufwarten. Es soll auch keine Enthüllungsstory über die neuesten Polizeimethoden sein. Alle Fälle, von denen ich hier berichte, wurden aufgeklärt. Das soll nicht heißen, dass meine Abteilung immer alle Fälle aufklärt oder dass mir unaufgeklärte Fälle nichts bedeuten. Im Gegenteil: Ich habe mehrfach Ermittlungen geleitet, die ins Leere liefen, und ich gebe zu, diese Fälle lassen mich bis heute nicht los. Ich hoffe, dass diese Rätsel eines Tages gelöst und dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden.
Wichtig ist mir noch die Feststellung, dass ich die Fälle, von denen in diesem Buch die Rede ist, nicht selbst gelöst habe. Mein Anteil reicht von Fällen, bei denen ich direkt am Tatort war und mit dem Täter zu tun hatte, bis hin zu solchen, bei denen ich nur der Sparringspartner für die leitenden Ermittler und ihre Teams war. Mein Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen in der Ermittlungsarbeit– einer Arbeit, die oft genug bedeutet, dass man zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten seine Familie und Freunde im Stich lassen muss.
Die polizeiliche Ermittlungsarbeit ist immer Teamwork und wird von vielen verschiedenen Fachgruppen durchgeführt. Bevor die Ermittlungsteams der Kriminalpolizei auftauchen, haben die kompetenten Kollegen vom Streifendienst und auf den Revieren, oft auch die Hundeführer bereits Großartiges geleistet. Ihre Arbeit ist oft von ganz entscheidender Bedeutung für die Aufklärung eines Falls. Auch darauf werde ich in den Kapiteln dieses Buchs mehr als einmal eingehen. Wichtig ist aber auch unsere enge Zusammenarbeit mit den Juristen in den Staatsanwaltschaften. Sie spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle für das Gesamtbild.
Im Innenverhältnis arbeiten wir eng mit den Kriminaltechnikern des Nationalt Kriminalteknisk Center (NKC) zusammen, deren Arbeit am Tatort von unschätzbarem Wert ist, ebenso mit unseren IT-Spezialisten im Nationalt Cybercrime Center (NC3). Sie alle haben ihren Anteil an den guten Aufklärungsraten der dänischen Polizei.
Unsere engsten externen Partner sind die Spezialisten von der rechtsmedizinischen Abteilung der Universität Kopenhagen, in der Pathologen, Odontologinnen, Rechtsgenetiker und Anthropologinnen beschäftigt sind.
All diesen fähigen Experten möchte ich für ihren Einsatz und die Zusammenarbeit danken.
Meine Familie war in all den Jahren, die ich im Polizeidienst verbracht habe, zu einem Leben gezwungen, bei dem man nie wissen konnte, ob ich zum Abendessen zu Hause sein würde und ob geplante Aktivitäten nicht plötzlich wegen eines großen Falles gestrichen werden müssten. Ich bin dankbar für die Unterstützung.
Und schließlich danke ich auch noch meinem Verlag, Politikens Forlag, der Lektorin Mette Weyde und meiner Co-Autorin Stine Bolther, die mich durch ihre unermüdliche Arbeit und Recherche zu den Geschichten noch einmal zu jedem einzelnen Fall zurückbrachte. Ohne sie wäre dieses Buch niemals zustande gekommen.
In den folgenden Kapiteln berichte ich von neun spektakulären Fällen, an denen ich in irgendeiner Weise mitgearbeitet habe. Stine Bolther hat aufgrund ihrer Recherchen in Gerichtsakten, Urteilsbegründungen, Zeitungsartikeln und Dokumenten die kurzen Einleitungen zu manchen Kapiteln geschrieben.
Zwischen den Kapiteln finden sich Anekdoten aus meinem Leben. Sie sollen den Text ein wenig auflockern– vielleicht kann ein Lächeln zwischendurch von den düsteren Geschichten ablenken. Und vielleicht können diese Anekdoten auch dafür sorgen, dass sich die einzelnen Geschichten erst einmal setzen dürfen. Eine kleine Erholung für Sie, bevor Sie beim Lesen zum nächsten Schwerverbrechen übergehen.
Last but not least wünsche ich mir, dass die Erinnerung an die Menschen, die ihr Leben verloren haben, weiterlebt. Sie haben es verdient, dass man sich an sie erinnert und ihr Andenken in Ehren hält.
Jens Møller Jensen, Kopenhagen im September 2018