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Without me – Ohne mich

Men of Inked 5

Chelle Bliss

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© 2021 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt

© Übersetzung Martina Campbell

© Covergestaltung Andrea Gunschera

© Originalausgabe Chelle Bliss 2015

ISBN Taschenbuch: 9783864439926

ISBN eBook-mobi: 9783864439933

ISBN eBook-epub: 9783864439940

www.sieben-verlag.de

Für meinen Vater – mein Held

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Nachwort

Die Autorin

Prolog

Anthony

Wer ich bin

Ich führte ein egoistisches Leben. Das habe ich nie bestritten.

Pussys waren mein Ding. Immer ohne Bindungen oder Komplikationen. Frauen zu erobern war nie ein Problem, doch sie mir vom Hals zu halten, nachdem sie einen Geschmack von mir bekommen hatten, wurde von Jahr zu Jahr schwieriger. Ich war eine männliche Schlampe und stolz darauf. Jede Pussy war so spektakulär in ihrer Einzigartigkeit, dass ich mir nicht vorstellen konnte, für den Rest meines Lebens nur noch ein und dieselbe Frau jeden Tag zu vögeln.

Daran änderte auch nichts, zuzusehen, wie sich meine Geschwister nach und nach verliebten. Meiner Meinung nach hatten sie sich dadurch verändert, waren zu Weichlingen geworden. Innerhalb kürzester Zeit ließen sich meine Brüder, die ich immer für tough gehalten hatte, an Nasenringen herumführen. Ich fand, dass ihre Coolness auf der Skala enorm gesunken war.

Nicht die Frauen selbst ändern jemanden, sondern sie beeinflussen den Mann, den sie lieben. Und warum wollte ich das nicht erleben? Weil ich mich so mochte, wie ich war. Verdammt, ich liebte mich.

Und dafür hätte ich mich nie entschuldigt. Ich brauchte keine Veränderung. Perfektion lässt sich nur schwer übertreffen.

Ich vermied alles, was einer Beziehung auch nur ähnelte, inklusive keine Frau öfter als ein paarmal zu treffen. Beziehungen waren etwas für Weicheier oder Vereinsamte, die sich nur mit jemand anderem komplett fühlten. Ich gehörte nicht zu diesen schwachen Menschen, die sich nach einer besseren Hälfte sehnten. Beziehungen waren nichts für mich. Ich liebte meine Zeit allein, und war nicht darauf angewiesen, dass mir jemand ständig bestätigte, wie toll ich war. Dafür brauchte ich nur in den Spiegel zu sehen, und das war sehr viel billiger. Warum sollte ich für Komplimente bezahlen, entweder mit Dates oder Gefühlen, wenn mir die Frauen massenweise hinterherliefen?

War ich anmaßend? Auf jeden Fall.

Dafür hatte ich allen Grund. Neben der Schar der Pussys, die man mir auf dem Silbertablett reichte, war ich auch noch das komplette Paket. Gut aussehend, wohlhabend, und in der Lage, stundenlang zu vögeln.

Tagsüber war ich Tätowierer im Tattoostudio meiner Familie, das unter dem Namen Inked lief. In meiner Freizeit war ich Sänger. Ein Rockstar war ich allerdings keiner. Diesen Traum hatte ich einst, und versuchte seit dem Teenageralter, ihn zu realisieren. Doch die Jahre vergingen und jetzt betrachtete ich es nur noch als Hobby und Leidenschaft, anstatt eines persönlichen Ziels.

Allerdings hatte mir das Singen einen unendlichen Strom an Frauen zugeführt. Jeden Abend war es wie ein Büfett. Frauen aller Arten boten sich mir an. Welcher Mann auf dem Planeten mit einem funktionierenden Schwanz würde da ablehnen? Ich jedenfalls nicht. Ich war ja nicht blöd.

Ich wurde katholisch erzogen. Zwar waren meine Eltern nicht aktiv religiös, doch es schien immer irgendwie durch. Als Kind hörte ich von meiner Mutter oft: „Tu das nicht, oder du kommst in die Hölle, Anthony.“ Wir lernten, sie zu ignorieren und irgendwann hörte sie auf mit diesem selbstgerechten Kram.

Schon bevor ich sprechen konnte wusste ich, dass ich anders war. Diesen Ausdruck fand ich besser als besonders. Der älteste Junge zu sein, hatte seine Vorteile.

Die Hauptsorge meiner Familie war immer das Weitertragen des Namens. Als ich geborgen wurde, verflog diese Sorge. Und ich dankte täglich Gott dafür, dass er mir drei Brüder geschenkt hatte, die mir diese Last abnahmen. Denn ohne sie wäre die Sache hoffnungslos. In meinen Karten lagen keine Kinder. Es sei denn, sie wären das illegitime Resultat einer leidenschaftlichen Nacht. Ich war kein Vater-Material.

War ich ein guter Mensch? Dafür hielt ich mich zumindest. Meine Familie bedeutete mir alles. Familie, Pussys und meine Arbeit standen bei mir an erster Stelle. Genau in der Reihenfolge.

Sonst spielte nichts eine Rolle. Frauen kamen und gingen. Die Zeit verging. Alles und jeder änderte sich, nur ich blieb derselbe. Ich schlug die Zähne in das Leben und hielt verdammt noch mal daran fest, als ob alles davon abhinge.

Eins hatte ich gelernt. Egal, wie sehr ich versuchte, gegen das Unvermeidliche anzukämpfen, es schlich sich immer dann an, wenn ich am wenigsten damit rechnete.

Sobald ich nicht wachsam war und mein Biss am Leben nachließ … war der Preis dafür was?

Eine Liebe, so umwerfend und herzergreifend, dass es mich aus der Bahn schleuderte. Gott musste bei diesem fiesen Trick nachgeholfen haben. Wetten, dass er sich die ganze Zeit den Arsch abgelacht hatte, als es passierte und mich immer tiefer reinzog?

Als ich zu tief drinsteckte, um entkommen zu können, wurden meine schlimmsten Ängste wahr.

Dies ist meine Geschichte.

Mein Absturz.

Meine Rettung.

Und meine Liebe.

Kapitel 1

Anthony

Der Anfang vom Ende

Ich stützte mich auf der Bar auf und betrachtete die einzige Frau, die sich noch nicht um einen Augenkontakt mit mir bemüht hatte. Nicht mal mit einem Lächeln oder einem Seitenblick. Nichts.

„Wie heißt du, schöne Frau?“, fragte ich, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.

Sie rückte leicht von mir ab und sah in die andere Richtung.

Was zur Hölle war ihr Problem?

Schnell warf ich einen kurzen Blick in den Spiegel hinter der Bar. Meine Haare saßen perfekt, der Dreitagebart hatte die richtige Länge, und mein Lächeln war der Hammer. Ich zuckte mit den Schultern und rief den Barkeeper herbei. Nach dem Auftritt brauchte ich etwas Kaltes und Weiches. Das Singen hatte heute meinen Hals in Flammen gesetzt. Der Jahreszeitenwechsel brachte immer meinen Körper durcheinander. Obwohl mir das Singen schwergefallen war, hatte es mir ein Hochgefühl verschafft. Es gab nichts Besseres, als auf der Bühne zu stehen und den Song zu singen, der mir so viel bedeutete.

„Einen doppelten Grand Marnier bitte“, sagte ich zum Barkeeper, als er vor mir anhielt.

Er nickte und ging ans andere Ende der Bar.

„Darf ich dir einen Drink ausgeben?“, fragte ich die Frau, die mich immer noch ignorierte.

„Nein“, antwortete sie ohne mich anzusehen.

Verdammt. Wenn das mal keine echte kalte Schulter war.

Als mir der Barkeeper meinen Drink hinstellte, deutete ich auf ihr Glas. „Sie will auch noch einen.“

Sie drehte sich mir zu und sah mich finster an. „Ich sagte, ich will keinen Drink.“

„Äh …“ Der Barkeeper sah zwischen uns beiden hin und her.

„Sie nimmt noch einen.“ Ich hob das Kinn in seine Richtung, um es ihm zu bestätigen. Dann sah ich sie wieder an. „Lass mich doch einer schönen Frau einen ausgeben. Du siehst aus, als könntest du einen vertragen.“ Ich neigte den Kopf leicht zur Seite und hob die Augenbrauen bei der Herausforderung.

„Ich nehme von Fremden keine Drinks an.“

„Ich bin Anthony.“ Ich hielt ihr die Hand entgegen.

Sie sah auf meine Hand und dann wieder in mein Gesicht. „Kein Interesse.“

Sie machte es mir nicht leicht.

„Ich habe nichts weiter angeboten, als einen Händedruck und sich miteinander bekannt zu machen.“

„Hör zu …“ Sie kreuzte die Arme vor der Brust.

„Ja?“ Spielerisch ahmte ich ihre Haltung nach. Vielleicht lag es an ihrer schlechten Laune, aber ich war gespannt auf das, was sie mir gleich entgegenschleudern würde.

Wir starrten einander nieder.

Ich wusste nicht, was sie im Sinn hatte, aber ich nutzte die Gelegenheit, sie auf mich wirken zu lassen. Exotisch würde sie wohl am besten beschreiben. Die warme karamellfarbene Haut war dunkler als die der Gallo-Familie. Sie war glatt und makellos und schimmerte im Licht des Clubs wie Seide. Es juckte mich in den Fingern, sie zu berühren, und ich fragte mich, ob sie sich genauso weich anfühlte wie sie aussah.

Ihre Augen waren dunkel, fast schwarz in diesem gedämpften Licht. Würde man im Sonnenlicht goldene Funken und braune Muster darin sehen? Würden sie funkeln, wenn die Sonne auf sie traf? Sie passten perfekt zu ihren hohen Wangenknochen und den sinnlichen Lippen.

Sie erinnerte mich an Keshia Knight Pulliam, die sexy Schauspielern, über die ich mich in dem Film Madea köstlich amüsiert hatte. Als Kinderstar hatte ich sie als Rudy in der Bill Cosby Show bewundert. Diese Frau war wie ihre Doppelgängerin und wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich die beiden für Zwillinge gehalten.

Sie hatte volle Lippen. Als wären sie zum Küssen geschaffen und sonst nichts. Ihr roter Lippenstift schimmerte und glitzerte im Licht. Wie eine Leuchtboje, die mich heim rief und um meinen Mund bettelte.

Ich ließ den Blick sinken und mir fiel auf, wie ihre überkreuzten Arme ihre Brüste hoch pushten. Ihr V-Ausschnitt-T-Shirt zeigte genau die richtige Menge Dekolleté. Nicht so viel, um schlampenhaft zu wirken, doch genug, um zu verführen.

Ich war ein Titten-Mann. Nein, Moment, das war gelogen. Ich war ein Hintern-Mann. Verdammt. Wen wollte ich verarschen? Ich liebte alles an Frauen. Nie könnte ich einen Körperteil bevorzugen. Ich wollte das ganze Paket.

„Meine Augen sind hier oben“, befahl sie.

Ich sah hoch und bemerkte, dass sie eine Schulterseite hängen ließ und ihr Ausdruck noch düsterer geworden war.

„Ich warte“, sagte ich grinsend.

„Worauf?“ Sie verzog die Lippen zu einer schmalen Linie und nicht einmal der Anflug eines Lächelns war zu sehen.

Sie war standhaft. Das musste ich ihr lassen.

„Auf deinen Namen.“ Ohne hinzusehen, griff ich nach meinem Drink, denn ich durfte den Augenkontakt nicht abbrechen, oder ich würde das bisschen Fortschritt bei ihr wieder verlieren. Was natürlich nicht viel war, aber immerhin ignorierte sie mich nicht mehr.

„Wenn ich ihn dir sage, lässt du mich dann in Ruhe?“ Sie stemmte die Hände in ihre Seiten und der finstere Blick verschwand.

„Ich kann nichts versprechen, aber es macht die Dinge leichter, wenn ich weiß, mit wem ich rede.“ Ich trank einen Schluck und ließ den Drink meine Kehle kühlen. Das Kratzen wurde angenehmer.

„Ihr seid alle gleich.“ Sie rollte mit den Augen und seufzte. „Warum kann man als Frau nicht mal in Ruhe etwas trinken gehen, ohne sofort belästigt zu werden?“

Ich trank noch einen Schluck und überlegte mir eine Antwort, während ich sie prüfend ansah. Bevor ich etwas sagen konnte, griff sie nach ihrem Martini und hob ihn an die Lippen. Fuck, ich wünschte, ich wäre das Glas. Viel lieber würde ich sie schmecken als den Grand Marnier auf meiner Zunge.

„Wenn du in Ruhe etwas trinken willst, darfst du nicht ins Ritz gehen. Und wenn du den Männern nicht auffallen willst, darfst du deine Möpse nicht so raushängen lassen. Du darfst nicht so aussehen …“, ich deutete ihre Figur entlang, „und dich wundern, wenn du angemacht wirst.“

Sie nahm die Schultern zurück und stellte ihr Glas auf die Bar. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich auf der Stelle gestorben. „Nur, weil ich ein enges T-Shirt trage, heißt das nicht, dass ich ficken will. Ich wohne in der Nähe und weit und breit gibt es keine andere Bar. Hier kann ich herlaufen und hier will ich etwas trinken. Ich weiß ja nicht, ob du von nichts eine Ahnung hast oder es dir einfach scheißegal ist, aber wenn dir jemand den Rücken zudreht und deine Fragen nicht beantworten will, bedeutet das, dass die Person in Ruhe gelassen werden will.“ Sie griff nach ihrem Drink und hielt meinen Blick. „Nimm dich nicht so wichtig.“

Oh mein Gott. Ich bin verliebt.

Okay, nicht wirklich. Aber verdammt, jetzt hatte sie meine volle Aufmerksamkeit.

Nur selten behandelten mich Frauen wie Dreck. Und ausnahmsweise fand ich es erfrischend. Mit dieser Einstellung erinnerte sie mich ein bisschen an meine Schwester Izzy. Sie war auch nicht für ihre Wärme und Herzlichkeit bekannt, aber meine beste Kumpelin.

Ich ahmte das Geräusch einer fauchenden Wildkatze nach, bevor ich mich zurückhalten konnte. Das würde sie jetzt noch wütender machen, folgerte ich.

„Du bist ein Arschloch“, zischte sie und sah mich über den Rand ihres Glases wieder düster an.

Ich lächelte, hatte sie mir doch zumindest nicht ihren Drink übergeschüttet. „Ich weiß.“ Ich lachte, denn ich wusste, dass ich ein Arsch war. Ich hatte nie behauptet, ein netter Kerl zu sein, und zu hören, was ich bereits wusste, brachte mich zum Lachen. „Wie ist also dein Name?“

„Kitty.“

„Jetzt willst du mich verarschen.“ Ich konnte nicht anders als laut zu lachen. Sie war nicht nur die schönste Frau in dieser Bar, sondern auch noch witzig und mies gelaunt.

„Stimmt, aber du darfst mich Kitty Miau nennen.“ Sie grinste und hob eine Augenbraue.

„Ich liebe es, eine schöne Pussy zu streicheln“, schnurrte ich und rückte etwas näher.

„Du bist echt ein verdammt kranker Arsch, Mann.“

„Anthony“, sagte ich und wartete darauf, meinen Namen aus ihrem Mund zu hören.

Sie kam näher, genau wie ich eben. Wir waren uns so nah, dass ich ihr Parfüm roch. Der herbe Duft mit einem blumigen Hauch machte mich leicht schwindelig im Kopf. Ich wollte sie inhalieren, meine Sinne mit ihr füllen, doch das wäre zu viel des Drucks gewesen. Das bedeutete nicht, dass ich ein Weichei war.

„Danke für den Drink, Anthony.“

Ich ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt, beugte mich zu ihrem Hals hinab und inhalierte tief. Mit geschlossenen Augen genoss ich den Duft. Er war himmlisch und erweckte den Wunsch, herauszufinden, ob sie so gut schmeckte wie sie roch.

„Nichts zu danken, Kitty Cat.“

Bevor meine Lippen ihre Haut berühren konnten, entschlüpfte sie mir. „Fuck“, murmelte ich, da ich ihre bronzefarbene Haut nicht lecken konnte.

„Nichts da, Tony.“ Sie schüttelte den Kopf, nahm ihr Glas und trank es leer. „Schönen Abend noch.“ Sie stellte das Glas auf die Bar und nahm ihre Handtasche.

Ich schnappte mir ihr Handgelenk und zog sie zu mir. Bei der Berührung strömte etwas wie Elektrizität zwischen uns hin und her.

„Du kannst jetzt noch nicht gehen.“

Sie sah auf meine Hand dann in mein Gesicht. Ich hätte nicht wetten können, aber ich hatte das Gefühl, dass sie es auch spürte. Diesen Blitz, der so selten einschlug, und nach dem wir alle suchten. Nach dem gewissen Funken.

„Gib mir einen guten Grund.“ Wieder blickte sie auf meine Hand.

„Ich bin noch nicht fertig mit dir.“ Nicht mein bester Spruch, aber der unerwartete Blitz hatte mich leicht durcheinander gebracht.

„Tja, aber ich bin fertig mit dir.“

Seltsamerweise entzog sie sich mir aber nicht. Wenn eine Frau wirklich nicht interessiert war, versuchte sie wegzukommen oder mir eine zu scheuern. Das war schon einmal passiert. Erst ein Mal hatte mir eine Frau einen Korb gegeben. Ich hatte es darauf geschoben, dass sie wahrscheinlich eine Lesbe war. Warum hätte sie sonst Nein sagen sollen?

„Nein, das stimmt nicht.“ Ich bin mit meinen Lippen nur Millimeter von ihren entfernt. „Das weißt du auch. Spürst du es etwa nicht?“

„Du bist nicht nur ein Arschloch, sondern hast auch Halluzinationen.“ Ihre Augen funkelten. Der Hauch von Interesse darin entging mir nicht.

Ich verstärkte meinen Griff, jedoch nicht so, dass es ihr wehtat. Dann zog ich sie so nah an mich, dass ich ihren Atem in meinem Gesicht fühlte. „Sag mir, dass du es nicht spürst.“

„Ich spüre nichts.“ Sie sah mich an und log schamlos.

„Und warum ziehst du dann deinen Arm nicht weg, Kitty?“ Ich wusste, dass sie es auch spürte. In diesem Moment wollte ich bei keinem anderen Menschen sein, und ich konnte wetten, dass es ihr genauso ging.

Nach dieser Frage versuchte sie sofort, ihren Arm wegzuziehen, doch ich hielt sie fest. Ihre Bemühungen waren nicht wirklich ernsthaft.

„Weil ich nicht weiß, wie du reagierst, wenn ich mich wehre.“

„Lügnerin.“ Ich ließ ihren Arm los, entfernte mich aber nicht von ihr. „Lass mich dir noch einen Drink ausgeben und wenn du mich dann immer noch für ein Arschloch hältst, werde ich dich für immer in Ruhe lassen.“

Sie antwortete nicht sofort und blickte zwischen mir und dem Ausgang hin und her. Als sie mich wieder ansah, antwortete sie endlich: „Okay. Wenn ich dich so dazu bringe, mich für immer in Ruhe zu lassen …“

Sie zuckte mit den Schultern, legte die Handtasche auf die Bar und setzte sich wieder auf den Hocker. Sie hob die Hand und signalisierte dem Barkeeper mit zwei erhobenen Fingern die Bestellung.

Sie hatte nicht vor, es mir leicht zu machen. Ich würde schwer dafür arbeiten müssen. Meine Mutter sagte immer, dass man sich die besten Dinge im Leben erarbeiten musste, sie wurden einem nicht geschenkt.

„Also, was machst du so, Kitty?“ Ich war ehrlich an mehr als nur ihrem Körper interessiert. Diese Frau wollte ich kennenlernen. Was trieb sie an? Und am Wichtigsten, warum reagierte sie so zickig auf mich?

„Ich bin Stylistin.“ Ihr Blick ruhte auf dem Barkeeper.

„Das heißt, du suchst anderen Leuten aus, was sie anziehen sollen?“ Diese Antwort überraschte mich. Nicht, dass sie nicht so ausgesehen hätte, aber Jeans und T-Shirt waren nicht gerade das, worin sich Stylisten gern tot erwischen lassen würden.

„Ja. Ich helfe beim kompletten Look.“

Als unsere Drinks vor uns gestellt wurden, schob ich einen Zwanziger über die Theke. „Du gehst also beruflich shoppen?“

„Genau.“ Sie hob ihr Glas.

Ich hatte auf erschöpfendere Antworten gehofft, doch nichts war leicht mit ihr. Vielleicht würde es mit mehr Alkohol in ihrem Blut einfacher werden.

Ich musste überrascht ausgesehen haben.

„Schockiert?“, fragte sie.

Ich neigte den Kopf leicht zur Seite und sah sie prüfend an. „Nicht wirklich. Du siehst aus, als könntest du eine Fashionista sein, aber ich hätte nicht gedacht, dass die sich je in Jeans blicken lassen.“

„Fashionista? Ich hasse dieses Wort.“ Sie hob eine Augenbraue. „Bis du sicher, dass du nicht schwul bist, Tony?“

Ich schloss die Augen und holte tief Luft, bevor ich sie wieder öffnete. Ich würde mich von ihr nicht aus der Fassung bringen lassen. Sie reizte mich absichtlich und wenn ich nicht aufpasste, würde sie es auch schaffen. „Honey, gib mir die Chance und ich beweise dir, wie unangebracht diese Frage ist.“

Sie kicherte. Dann kam ein volles Lachen aus ihr und sie neigte den Kopf nach hinten. Der Klang war magisch. Wenn sie ihre Schutzwälle senkte und ihre Fröhlichkeit zeigte, war sie noch schöner.

„Träum weiter.“

„Ich glaube, du bist hier die Lesbe, Kitty Cat. Wahrscheinlich ziehst du eine Pussy jederzeit einem Schwanz vor.“

„Da könntest du nicht falscher liegen. Ich liebe einen schönen Schwanz mehr als die meisten Frauen, aber ich mag nicht die, die an einem Mistkerl baumeln.“

„Ah, das schmerzt.“ Ich legte eine Hand auf mein Herz. „Du kennst mich nicht einmal.“

„Ich kenne viele Kerle wie dich. Du glaubst, dass du alles haben kannst. Dass du immer bekommst, was du willst. Frauen liegen dir zu Füßen. Du verbringst dein Leben zwischen Pussys und wirfst die Frauen wie Abfall weg.“

Ich trank einen großen Schluck Grand Marnier und dachte darüber nach. Ehrlich gesagt lag sie da nicht falsch. Aber das würde ich natürlich nie zugeben. „Ich habe noch nie Frauen wie Müll weggeworfen.“

„Aha.“ Sie schnaubte und schlug die Beine übereinander.

Plötzlich hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Fuck. Schlechter Zeitpunkt, dass mich Candy fand. Sie war nicht gerade das beste Beispiel dafür, wie ich Frauen behandelte. Zwar war sie nicht meine Freundin, aber ich hatte sie im letzten Jahr ein paarmal gefickt. Ich hätte ja gern behauptet, dass es eine schlechte Entscheidung oder wegen des Alkohols war, aber die Frau konnte verdammt gut blasen.

„Anthony“, rief sie erfreut und kam auf uns zu.

Ich schloss die Augen und betete, dass ich sie mir nur eingebildet hatte. Als ich ihre Finger in meinen Haaren spürte, erstarrte ich.

„Anthony, ich habe schon nach dir gesucht. Wo warst du?“ Sie streichelte an meinem Ohr entlang.

Als ich die Augen öffnete, sah ich Kittys frechen Blick, der sagte, ich hatte ja so recht.

Ich zog Candys Hand aus meinen Haaren und schob sie rückwärts. „Candy, ich bin beschäftigt.“

„Aber Baby“, jammerte sie und sah kurz zu Kitty. „Ich dachte, wir verbringen die Nacht zusammen.“

Ich schüttelte den Kopf und ließ sie los. „Nein, das werden wir nicht. Ich habe es dir letztes Mal schon gesagt. Du musst mich vergessen.“

„Aber …“ Ihr Mund blieb leicht offen stehen.

„Zieh weiter, Candy. Ich bin sicher, dass sich einer der anderen darum reißen würde, mit dir zusammen zu sein“, sagte ich in dem Versuch, sie dazu zu bringen, mich in Ruhe zu lassen und ein anderes Opfer zu finden.

„Die will ich aber nicht. Mit keinem macht es so viel Spaß wie mit dir.“ Sie verschränkte die Finger ineinander und blickte zu Boden.

„Ich habe Nein gesagt, Candy. Ich spreche gerade mit Kitty. Kannst du uns bitte allein lassen?“ Also, ich hatte immerhin versucht, nett zu sein, aber soeben hatte ich sicherlich einen fetten Haken hinter Arschloch von Kitty bekommen.

Kitty grinste und hatte den Wusste-ich-es-doch-Blick drauf. Verdammte Scheiße, Candy hatte jeglichen Fortschritt, den ich bei Kitty gemacht hatte, zunichtegemacht.

„Du bist ein verdammtes Arschloch, Anthony Gallo. Und heute Abend hast du beschissen gesungen. Ich werde mir jemanden suchen, dessen Schwanz größer ist als dein Hotdog“, schimpfte Candy und stürmte davon.

An dieser Stelle brach Kitty in hysterisches Gelächter aus. Sie legte eine Hand auf ihren Mund und lachte sich schlapp.

„Ha, ha, sehr witzig.“ Ich stimmte in ihr Lachen ein. Es gab einen Fluch in meinem Leben. Und zwar der, dass mir Scheiße immer im ungünstigsten Augenblick passierte. Candy war das perfekte Beispiel.

„Sie hat meine Theorie wunderbar bestätigt. Du bist wirklich ein Arschloch.“ Kitty lachte noch heftiger und genoss meine missliche Lage.

„Du irrst dich. Ich habe mich zwar wie ein Arsch benommen, aber wäre ich ein echtes Arschloch, wäre ich jetzt mit Candy mitgegangen und hätte dich einfach sitzen lassen.“

Daraufhin versiegte ihr Lachen. Früher, vielleicht sogar noch gestern, wäre ich mit Candy gegangen. Ich hätte sie mit hinter die Bühne genommen, mir von ihr einen blasen lassen, und wäre als glücklicher Mann nach Hause gegangen.

„Du hättest wirklich mit ihr gehen sollen. Sie sieht wie eine sichere Nummer aus. Während ich nur versuche, die nächsten zehn Minuten hinter mich zu bringen, und dann bin ich weg. Für immer.“ Lächelnd wischte sie sich eine Lachträne aus dem Gesicht.

„Du wirst deine Meinung noch ändern, Kitty Cat.“ Ich lächelte, schob meinen Hocker näher an ihren und setzte mich. „Und jetzt sag mir, warum du so kalt bist.“

„Ich bin nicht kalt.“ Abwehrend straffte sie die Schultern.

„Doch. Warum hasst du mich so sehr?“

„Das sagte ich bereits. Ich kenne zu viele Kerle wie dich.“

„Vielleicht bin ich anders. Vielleicht möchte ich dich wirklich kennenlernen. Vielleicht bist du diejenige, die mein Bild von Frauen generell ändern kann.“

„Unmöglich. Diejenige bin ich nicht.“ Kopfschüttelnd entspannte sie ihre Haltung.

„Kitty, bitte gönn mir irgendwas. Noch nie musste ich mich so anstrengen. Echt jetzt, was hast du gegen mich?“

„Ich habe nichts gegen dich. Ich habe nur keine Zeit für dich, Tony.“

„Was soll das heißen? Du bist beruflich zu beschäftigt, um mich in deinen Kalender zu quetschen?“

„Ich habe generell in meinem Leben keine Zeit, um dich reinzuquetschen. Ich kann keine Komplikationen gebrauchen. Und ich habe genug anderen Scheiß um die Ohren, als deinen Mist länger als zehn Minuten hören zu wollen. Das Leben ist zu kurz, um es mit Beziehungen zu Männern zu verschwenden.“

„Wow, Moment mal. Ich habe nie etwas von Beziehung gesagt. Können wir nicht Freunde sein?“

„Auf keinen Fall.“

„Warum nicht?“ Ich meine, was sollte der Scheiß? Wieso konnten wir keine Freunde sein? In meiner Version von Beziehung wäre sie nach weniger als zehn Minuten das Höschen los, das bestimmt ein hübsches Dessous war.

„Ich habe genug Freunde und brauche keine mehr.“

„Man kann nie genug Freunde haben.“

„Ich bin sicher, dass Candy gerade einen brauchen könnte.“

„Ach, fuck Candy.“

„Das hast du bereits.“ Sie lachte erneut laut los.

„Klugscheißerin“, knurrte ich.

Mit den Fingerspitzen streichelte ich ihren Arm entlang. Meine Augen hatten mich nicht betrogen, ihre Haut war wirklich seidig. Nachdem meine Hand befriedigt war, sehnte ich mich danach, mit der Zunge zu testen, ob sie so schmeckte, wie ich es mir vorstellte. Ganz bestimmt war es so. Verfickt noch mal, ganz sicher.

„Was soll das?“, fragte sie und betrachtete meine Hand, die noch auf ihrer Gänsehaut lag.

„Ich checke nur etwas.“

„Und was mag das wohl sein?“

„Ob du es auch spürst.“

„Ich weiß nicht, was du meinst.“

Mit der Hand glitt ich wieder ihren Arm hoch und streifte dabei ihre Brust. Zischend atmete Kitty ein. Erwischt! Sie konnte es leugnen so lange sie wollte, aber sie wollte mich. Ihre ganze Frechheit und der Shit, den sie von sich gab, waren alles nur Gerede. Ihr Körper verbarg nicht, was sie wirklich fühlte.

„Kitty“, wisperte ich und kam ihr mit dem Gesicht näher. „Sag mir, dass du es nicht auch fühlst.“

Je näher ich kam, desto größer wurden ihre Augen. „Ich spüre wirklich nichts.“

„Echt nicht?“, fragte ich dicht an ihren Lippen.

„Nein.“

Ich gab ihr einen schnellen Kuss. „Und das?“ Noch ein Küsschen. „Oder das hier?“ Beim dritten Mal verharrte ich auf ihren Lippen. Kitty atmete schneller und ihr Mund verschmolz mit meinem. Ich ließ eine Hand an ihren Hals gleiten und streichelte mit dem Daumen ihre Wange.

Beim Geschmack des Alkohols gemischt mit ihrem Lippenstift lief mir das Wasser im Mund zusammen. Vielleicht bildete ich mir alles nur ein, aber ich wollte sie heftiger, als ich je etwas im Leben gewollt hatte. Mit der Zungenspitze leckte ich ihre Lippen und bat um Einlass. Überraschenderweise öffnete sie die Lippen und ließ mich ein.

Der winzige Sieg machte mich glücklich. Keine meiner bisherigen Eroberungen hatte mich tiefer berührt als die von Kitty.

Als sie mich endlich ebenfalls berührte, indem sie eine Hand auf meinen Unterarm legte, zündete ein Funke in mir. Der Kuss allein hatte schon gekribbelt, doch als sie meine Berührung erwiderte, rasten kleine Detonationen durch meinen ganzen Körper.

Ich musste sie haben. Ich würde kein Nein akzeptieren. Nichts konnte mich aufhalten, bevor ich sie nicht zumindest ein Mal hatte.

Sie drückte meinen Arm und mein Schwanz erwachte zum Leben. Unter ihrem Griff um meinen Arm und der Bewegungen ihrer Zunge wuchs mein Verlangen ins Unermessliche.

Als wir schließlich die Lippen voneinander lösten, flüsterte sie: „Fuck.“

Ich hatte ganze Arbeit geleistet. Auch wenn sie mich für ein Arschloch hielt, hatte sie es trotzdem gespürt. Das konnte sie nicht mehr leugnen. Sie konnte die Lippen bewegen, aber herauskommen würde nur Blödsinn.

„Du hast es gefühlt.“ Ich lächelte und beließ meine Hand an ihrem Hals.

Sie versuchte nicht, sich von mir zu lösen, als sich ihre Lider flatternd öffneten und sie mich ansah. Wirklich ansah. Zum ersten Mal heute Abend war ihr Blick sanft.

„Ich kann nicht“, antwortete sie und wandte den Blick ab.

„Kitty, das darfst du nicht sagen. Nicht nach dem, was du gerade gefühlt hast. Was ich gefühlt habe.“ Ich schüttelte den Kopf und lockerte meinen Griff an ihrem Hals. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Bitte schließ mich jetzt nicht aus.“

Sie nahm die Hand von meinem Arm als hätte ich sie verbrannt. „Ich kann einfach nicht.“ Mit beiden Händen stieß sie gegen meine Brust und wollte Abstand zwischen uns schaffen.

„Warum nicht?“, fragte ich diskussionsbereit. So leicht wollte ich sie nicht aufgeben lassen.

„Lass mich los“, forderte sie und schubste mich erneut.

„Kitty“, bettelte ich und versuchte, mit ihr verbunden zu bleiben. „Bitte.“

„Nimm deine verdammten Flossen von meiner Schwester!“

Eine tiefe Stimme hatte das gebrüllt.

Ich hielt inne und schaute über Kittys Schulter.

Fuck. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ein Bruder. Ein großer Bruder. Ein brüderlicher Bruder. Nicht von der Art: „Hey, das ist mein Bruder“, sondern: „Hey, das ist mein großer böser Bruder, der dir ordentlich in den Arsch treten wird.“

Verdammte Scheiße.

„Ich werde es nicht noch einmal sagen. Nimm die Pranken von Maxine. Sie hat dich nett darum gebeten, aber ich werde nicht so nett sein.“

„Maxine?“ Endlich kannte ich ihren Namen, auch wenn ich ihn nicht auf diese Weise erfahren wollte.

Sie hatte Tränen in den Augen. „Lass mich bitte los.“

Ich sah sie an und es gefiel mir nicht, dass ich sie unglücklich machte. „Okay, Mann, aber nur, weil sie mich darum bittet, nicht du.“ Ich nahm die Hände fort und ließ Maxine zurücktreten. Schnell ging sie außer Reichweite.

„Gehen wir nach Hause, Max“, sagte der Typ zu ihr.

Max. Ein knallharter Name. Passte zu ihr.

Das konnte doch nicht wirklich das Ende sein? Ich wollte es nicht. Auf keinen Fall wollte ich sie gehen lassen, ohne zumindest ihre Telefonnummer zu ergattern.

„Max“, sagte ich und streckte die Hand nach ihr aus. „Sehen wir uns wieder?“

Bevor sie antworten konnte, trat ihr Bruder zwischen uns. Er war mindestens fünfzehn Zentimeter größer als ich. Ein Tier. Meine Brüder würden Reißaus nehmen, aber ich war noch nie ein Feigling, hatte mich vor keinem Kampf gedrückt. Mann, ich hatte mich sogar wegen unwichtigem Kleinkram geprügelt. Max war das Risiko wert.

Er starrte mich nieder. „Sie will nichts mit dir zu tun haben.“

Ich trat in seine persönliche Wohlfühlzone. „Ich glaube, sie kann für sich selbst sprechen.“

„Denzel“, sagte sie und legte eine Hand auf seinen Arm. „Lass uns bitte einfach gehen.“

„Warte!“, rief ich, noch nicht bereit, mich zu verabschieden.

„Komm schon, Max. Dieser Blödmann ist deine Zeit nicht wert und ich habe keinen Bock, schon wieder wegen einer Prügelei im Knast pennen zu müssen.“

Wow, verfickt noch mal. Der hätte ein Gallo sein können.

Obwohl ich gern mit ihm gekämpft hätte, um zu beweisen, dass ich es wert war, wusste ich doch, dass das nichts bringen würde. Wenn irgendein Arsch Izzy belästigen würde, würde er bei ihr nichts erreichen, indem er ihren Bruder vermöbelte. Ich durfte mein Temperament und Verlangen nach ihr nicht mein Urteilsvermögen beeinflussen lassen.

Sie griff nach ihrer Handtasche. „Ich bin soweit.“

Ich ballte die Fäuste und musste mich zusammenreißen, nicht nach ihr zu greifen.

Ohne ein weiteres Wort drehten sich Max und Denzel um und gingen zum Ausgang. In Gedanken betete ich, dass sie sich noch einmal zu mir umdrehen sollte. Mit angehaltenem Atem wartete ich darauf.

Bevor sie durch die Tür ging, warf sie mir einen kurzen Blick zu, und verschwand dann im Schatten ihres Bruders.

Ich atmete zischend ein und hatte das Gefühl, von einer Ladung Steine überrollt worden zu sein. Noch nie hatte ich etwas so Kraftvolles erlebt. Und dass es mir so schnell und ohne Vorwarnung entrissen wurde, schmerzte höllisch.

Das war noch nicht das Ende. Durfte es nicht sein. Ich würde gnadenlos nach ihr suchen. Ich musste sie näher kennenlernen. Ich sehnte mich nach ihr. Das Gefühl ihrer Haut, wie ihr Mund schmeckte – ich wollte mehr davon. Und noch nie hatte ich aufgegeben, wenn ich etwas gewollt hatte. Nicht, ohne dafür zu kämpfen.

Kapitel 2

Anthony

Ausweichen und Erobern

Die nächsten zwei Freitagabende verbrachte ich im Ritz, in der Hoffnung, Max zu treffen. Stattdessen traf ich auf Candy.

Erneut erklärte ich ihr, dass ich kein Interesse hatte. Sollte Maxine auftauchen und mich mit Candy sehen, wäre alles vorbei. Candy war ein hartnäckiges kleines Ding, doch ich tat mein Bestes, sie abzuschütteln.

Am dritten Freitagabend kippte ich meinen Drink ab und ging auf den Ausgang zu. Wieder ein verschwendeter Abend und ein Fehlschlag.

Mit den Händen in den Hosentaschen ging ich auf dem Gehweg zum Parkhaus. In Ybor City war heute mehr los als sonst. Viele Menschen auf den Gehwegen und gefüllte Café-Tische im Freien. Die Lichter der Stadt glitzerten und eine Energie lag in der Luft, die ich sonst nicht mitbekam, wenn ich abends einen Gig hatte. Wenn ich spät aus dem Ritz kam, wollte ich nur noch nach Hause und achtete nicht auf meine Umgebung.

Als ich am Corona King vorbeiging, hielt ich instinktiv an und sah durch die Scheiben.

Maxine saß nahe der Tür bei einem Bier. Sie sah mich nicht, denn sie tippte etwas auf ihrem Handy und bekam ihre Umgebung nicht mit.

Ich ging außen um die Tische herum und blieb aus ihrem Sichtfeld, jedoch auf sie zu. Dies könnte meine einzige Chance sein, noch einmal mit ihr zu reden. Diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Sie bemerkte mein Näherkommen nicht und dass ich direkt hinter ihr stand. Heute trug sie kein T-Shirt. Sondern Jeans, High Heels und ein schulterfreies weißes Top mit Spitzenärmeln. Ihr schwarzes glattes Haar hatte sie zum Pferdeschwanz gebunden, der ihr über den Rücken fiel. Sie sah umwerfend aus, noch schöner, als ich sie in Erinnerung hatte.

„Ist dieser Stuhl besetzt?“

Sie hielt kurz inne und tippte langsamer auf das Handy ein. „Ja, besetzt“, sagte sie ohne einen Blick auf mich.

„Und was ist mit den beiden anderen Stühlen?“ So schnell gab ich nicht auf. Ich kannte mich mit sturen Frauen aus, und früher oder später konnte ich deren Stahl erweichen.

„Die auch.“ Sie tippte weiter, als wäre ich nicht da.

„Dann werde ich aufstehen, wenn deine Freunde da sind.“ Ich nahm einen Stuhl und ließ mich nieder.

„Himmel Herrgott noch mal“, murmelte sie, schloss kurz die Augen und legte das Handy auf den Tisch.

„Ich bin zufällig vorbeigekommen und habe dich hier allein sitzen sehen. Da musste ich einfach kurz Hallo sagen. Alles andere wäre unhöflich.“ Ich entspannte mich auf dem Stuhl und legte die Ellbogen auf die Armlehnen.

Ich musste mich beherrschen, nicht ihre vollen Lippen zu küssen. Stattdessen rieb ich nervös meine Finger aneinander, in dem Versuch, das Verlangen zu beruhigen.

„Kommst du gerade vom Singen?“, fragte sie und sah geradeaus.

Bisher hatte sie mich noch nicht direkt angesehen. Die Fortschritte von dem Abend neulich waren dahin.

Scheiße.

„Du hast mich gesehen“, wisperte ich und straffte die Brust.

„Was?“ Sie spielte mit dem Etikett an ihrer Bierflasche.

„Du hast mich singen sehen.“

„Du warst nicht zu überhören. Hast gejault wie ein Affe.“ Sie verdrehte die Augen.

„Du bist eine schlechte Lügnerin, Max.“ Ich liebte den Klang ihres Namens. Obwohl Kitty Cat immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben würde. Max klang tough, und sie war mehr als das. Ich wusste es. Ein Blick auf sie und mir war klar, dass sie die interessanteste Frau der Welt war. Auf jeden Fall musste ich sie kennenlernen, wenn auch nichts sonst. Und ich würde nicht aufgeben, bevor das geschehen war.

„Wie heißt du noch gleich?“ Sie knüllte das Etikett zusammen, das sie von der Flasche gepult hatte.

Normalerweise hätte es mich getroffen, dass eine Frau meinen Namen vergaß. Doch diesmal nicht. Sie wusste meinen Namen. Sie wollte mir weismachen, dass ich nicht wichtig genug war, um sich an mich zu erinnern. Doch ihre Körpersprache hatte sie wieder verraten. Als sie meine Stimme gehört hatte, war sie erstarrt. Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, kannte sie mich noch sehr wohl.

„Warum lügst du, Max? Du weißt genau wer ich bin.“ Ich beugte mich auf dem Stuhl vor, legte meine Hand auf den Tisch und die Finger dicht an ihre.

„Ich weiß noch, dass du ein Arschloch bist.“ Sie senkte den Blick und zuckte mit den Schultern. Trotzdem erkannte ich ihr leichtes Grinsen.

„Siehst du? Du erinnerst dich an mich.“ Ich lachte in mich hinein und bewegte die Finger noch näher an ihre.

„Kaum“, log sie. Dann konzentrierte sie sich auf ihr Getränk.

Die Flasche war fast leer. „Möchtest du noch etwas zu trinken?“

„Nein, danke. Ich werde gleich gehen.“

„Ich dachte, du wartest auf Freunde.“

„Schon, aber wir werden woanders hingehen.“

„Kann ich mitkommen?“ Ich wusste, dass sie ablehnen würde, aber ich wollte sie nicht vom Haken lassen.

„Nein.“

Die Kellnerin erschien neben dem Tisch. „Kann ich euch noch etwas bringen?“

„Ich nehme, was sie nimmt, und sie will auch noch etwas.“ Ich ließ Max nicht aus den Augen.

„Ich will nichts mehr“, antwortete sie und sah mich endlich direkt an.

Ich blickte zur Kellnerin. „Sie nimmt noch einen.“

„Also noch zwei“, sagte sie und ging.

„Hör zu, Anthony …“

„Also erinnerst du dich doch an meinen Namen“, unterbrach ich sie.

Sie stieß seufzend den Atem aus. „Ich nehme an, dass du nicht immer so ein Arsch bist, aber heute Abend habe ich wirklich keine Zeit für dich.“

„Dann morgen.“

„Da auch nicht.“

„Ich kann warten.“

„Ich werde nie Zeit für dich haben.“ Ohne zu blinzeln, sah sie mich an.

„Du bist eine tolle Schauspielerin. Hast du schon mal daran gedacht, in einem Film mitzuspielen?“

„Was?“ Sie verzog das Gesicht.

„Du sagst sehr überzeugend Dinge, die du gar nicht so meinst. Wüsste ich nicht, wie du schmeckst und wie sich deine Atmung beschleunigt, wenn ich dich berühre, hätte ich dir vielleicht sogar geglaubt.“

„Hör auf.“ Sie hob eine Hand. „Ich kann nicht, Anthony.“

„Bist du verheiratet?“ Ich sah prüfend auf ihre Hände, aber dort befand sich nichts, das wie ein Ehering aussah.

„Nein, aber das bedeutet nicht, dass ich interessiert wäre.“

„Das wage ich zu bezweifeln.“

„Du kannst bezweifeln was du willst, die Antwort ist immer noch Nein.“

Bevor ich antworten konnte, stellte uns die Kellnerin zwei Bier hin und fragte, ob es noch etwas sein sollte. Wir winkten beide ab, bereit, unseren Disput fortzusetzen. Ich musste sie umstimmen. Oder ihr zumindest begreiflich machen, dass sie ihre Gefühle abstreiten konnte so viel sie wollte, sie aber dennoch existierten.

„Wer ist das, Max?“, fragte eine weibliche Stimme hinter Max.

Fuck.

Anscheinend war das mit den Freunden keine Lüge. Also würde sie den Abend nicht allein verbringen, doch ich war dabei, die Party zu crashen.

„Niemand wichtiges“, behauptete sie frech.

Ich stand auf und hielt der hübschen Frau die Hand hin. „Ich bin Anthony, ein Freund von Max.“

Sie legte ihre Hand in meine und klimperte mit den Wimpern, während sie mich betrachtete. „Oh. Ich bin Renita, aber meine Freunde nennen mich Nita.“

Ich hauchte ihr einen Kuss auf die Hand. „Es ist schön, endlich eine Freundin von Max kennenzulernen, Nita.“

„Ebenso. Max, wo hast du diesen Adonis die ganze Zeit versteckt?“ Nita starrte mich an und leckte sich die Lippen.

Wenigstens eine Frau hier hatte kein Problem damit, ihre wahren Gefühle zu zeigen.

„Nita, ich kenne diesen Mann überhaupt nicht. Er ist verrückt. Ich habe ihm schon gesagt, dass ich nicht interessiert bin.“

Nita setzte sich an den Tisch und stützte das Kinn auf ihre Handfläche auf. „Oh, das wird spannend.“ Sie klimperte erneut mit den Wimpern.

„Um Gottes willen“, flüsterte Max.

„Max tut gern so, als ob wir uns nicht kennen würden. Aber ich habe ihren Puls unter meinen Fingerspitzen gefühlt, als ich sie geküsst habe.“ Lächelnd schaute ich kurz zu Max und dann wieder zu Nita.

Nita blieb der Mund offen stehen. „Fuck. Das ist das sexyste, was ich je gehört habe.“

„Du musst öfter ausgehen, Nita“, sagte Max leicht schnippisch und trank einen Schluck Bier.