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Über das Buch

Als der Wolfsschützerin Carla Gorman ein Video in die Hände fällt, in dem man sieht, wie mehrere Wölfe auf gewissenlose Art getötet werden, beginnt sie sofort zu ermitteln. Sie legt sich auf die Lauer und kommt bald einer Gruppe von Wolfsjägern auf die Spur. Doch plötzlich glaubt sie ihren Augen nicht zu trauen, als sie unter ihnen Jason entdeckt. Jason, mit dem sie immer wieder aneinandergerät und der dennoch ihre große Liebe ist. Kann es tatsächlich sein, dass er bei diesen Verbrechern und Tierquälern mitmacht?

Die fesselnde Fortsetzung der Liebesgeschichte von Carla und Jason!

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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

1

Die Wölfe kamen um Mitternacht. Sieben blutgierige Bestien, die knurrend auf die Männer und Frauen am Lagerfeuer zuliefen und sich von allen Seiten auf ihre Opfer stürzten. Der Anführer des Rudels sprang einem der Männer an die Gurgel und riss ihn zu Boden, einer der jüngeren Wölfe stürzte sich auf eine Frau und tötete sie mit gezielten Bissen. Die Reißzähne der Bestien leuchteten im Schein des Feuers, ihr Fauchen hallte unheilvoll durch den Wald. Sie gaben sich erst zufrieden, als alle Mitglieder des Suchtrupps in ihrem Blut lagen, und der Anführer das Siegesgeheul seines Rudels ausstieß.

Carla beendete die Übertragung mit einem Tastendruck und wandte sich an ihr Publikum, ungefähr hundert, meist jüngere Zuhörer, die in einem Vortragsraum der University of Alaska in Fairbanks mehr über Wölfe erfahren wollten. »Was Sie gerade gesehen haben, war einer von zahlreichen Action- und Horrorfilmen, die Wölfe als blutrünstige Bestien zeigen. Sie rächen sich für den Tod einer Wölfin, fallen über einen Jagdtrupp her und zerfleischen ihre Opfer auf grausame Weise. Ein Zerrbild, das in keiner Weise der Wirklichkeit entspricht, bei zu vielen Menschen aber in den Köpfen vorherrscht.«

Sie hatte den Vortrag schon viele Male gehalten und brauchte nicht einmal auf ihr Manuskript zu blicken, das sie zur Sicherheit auf ihrem Pult liegen hatte. Mit mehreren Fotos, die sie auf ihrem Laptop gespeichert hatte, begleitete sie ihre Worte. »Seinen schlechten Ruf als gefährliches Raubtier bekam der Wolf schon in der Bibel. In den Legenden und Sagen vieler Völker war er der Inbegriff des Bösen. Selbst bei Walt Disney hat er seinen Auftritt als ›Großer Böser Wolf‹. Die Medien arbeiten sich heute noch an ihm ab und stellen ihn meist als reißerische Bestie dar, die sich an Kälbern und Schafen vergreift. Dass Wölfe nur während besonders strenger Winter in die Täler kommen und nur kranke und schwache Nutztiere töten, will niemand hören.«

Sie blickte in die Gesichter ihrer Zuhörer und erkannte, dass sie die richtigen Worte gewählt hatte. Sie waren neugierig geworden. Interessiert hingen sie an ihren Lippen, als sie ihnen verriet, wie ähnlich Wölfe den Menschen waren, wie viele unterschiedliche Charaktere es gab, wie geordnet eine Jagd ablief und wie groß der Zusammenhalt in einem Wolfsrudel war. »Uns Menschen gehen sie am liebsten aus dem Weg. Vielleicht fühlen sich manche Jäger gerade dadurch von ihnen herausgefordert und suchen gar nicht erst nach einem Vorwand, um sie aufzuspüren und abzuknallen. Dabei sind Wölfe ein wichtiger Teil unseres Ökosystems.«

Carla hatte Biologie studiert und sich auf Wölfe spezialisiert. Seit ihrer College-Zeit arbeitete sie für Wolf Aid, eine Gesellschaft, die über Wölfe informierte und das schlechte Image dieser Tiere aufbessern wollte. »In Copperville betreiben wir ein Wolfcenter für verletzte und bedrohte Wölfe«, antwortete sie auf die Frage eines Zuhörers. »Zu viele Tiere werden von unvorsichtigen Autofahrern verletzt oder von Jägern angeschossen und würden in der Wildnis einen grausamen Tod sterben, wenn wir uns nicht um sie kümmerten. Bei uns finden sie ihre Freude am Leben wieder. Besuchen Sie uns doch mal, Sie alle, unsere Wölfe würden sich freuen, Sie kennenzulernen.«

Sie lief ein paar Schritte durch den Saal und blieb am Fenster stehen. Wie immer im arktischen Sommer war es auch abends taghell. Sie blickte auf den Parkplatz hinab und bemerkte einen jungen Mann in einem weinroten Anorak, der vor ihrem Pick-up stehen blieb und einen Zettel aus seiner Tasche kramte. Er schrieb etwas darauf und klemmte ihn hinter einen der Scheibenwischer.

»Jason!«, flüsterte sie. »Was tust du denn hier?«

Wie immer, wenn sie Jason sah, wurde sie von widersprüchlichen Gefühlen heimgesucht. Er war ihre große Liebe und doch wieder nicht. Sie hatte ihm gestanden, wie sehr sie ihn liebte, und er hatte ihr geschworen, sie auf gleiche Weise zu lieben. Und doch hatten sie nur wenig Zeit miteinander verbracht.

Sie war Tierschützerin und er Wolfsjäger.

»Miss Gorman?«

Sie erschrak und wandte sich der Zuhörerin zu, die ihren Namen gerufen hatte. »Ja?« Für einen Moment hatte sie alles um sich herum ausgeblendet. »Verzeihung, Sie …«

»Ich hatte gefragt, was Sie bewegt hat, sich für Wölfe einzusetzen?«

»Vor allem ihr schlechter Ruf«, antwortete Carla. »Umso mehr ich während meines Studiums über Wölfe gelernt habe, desto mehr habe ich mich darüber geärgert, wie ungerecht man sie behandelt. Selbst die Indianer, die einen Wolf als stark und weise verehren, fürchten sich vor ihm. Ich begann, mich noch eingehender mit Wölfen zu beschäftigen, wollte den Leuten erklären, dass sie zu Unrecht verteufelt werden. Wölfe sind keine Schoßhündchen, das ist mir klar, sie sind Raubtiere und tun alles, um in der Wildnis überleben zu können, aber ihr Zusammenhalt ist vorbildlich. Ich kenne wenige Tiere, die so um ihre Artgenossen besorgt sind. Bei einem Ausflug in die Wildnis lernte ich die Leute von Wolf Aid kennen und bewarb mich einen Tag später. So ging es los. Inzwischen kann ich mir eine andere Arbeit gar nicht mehr vorstellen.«

Carla musste sich zwingen, die Fragestunde nicht vorzeitig abzubrechen und zu ihrem Pick-up zu laufen. Noch fast eine halbe Stunde löcherten die Leute sie mit Fragen, bis sie endlich gehen konnte. Kühler Wind und leichter Regen empfingen sie auf dem Parkplatz. Sie zog die Kapuze in die Stirn, fischte den Zettel hinter dem Scheibenwischer hervor und setzte sich in ihren Wagen.

»Ich warte im Pump House auf dich, Jason«, las sie.

Das Pump House war ein bekanntes Steaklokal und lag zehn Minuten entfernt am Chena River. Mit seiner rustikalen Einrichtung, dem historischen Wandschmuck, darunter ein historischer Hundeschlitten, und den auf antik getrimmten Lampen erinnerte es an einen Saloon aus der Goldgräberzeit.

Jason saß in Sichtweite am Fenster und winkte ihr zu. »Carla!«, begrüßte er sie lächelnd. »Ich hatte schon Angst, du hättest den Zettel nicht gesehen.«

»Jason!« Sie wollte ihn umarmen und wusste selbst nicht, warum sie zögerte. Schließlich wartete sie, bis er sich ihr näherte und sie auf die Wange küsste. Auch er schien verlegen. »Haben wir was zu feiern, oder warum treffen wir uns hier?«

»Muss man denn immer was zu feiern haben, wenn man in ein teures Lokal geht?« Sie setzten sich und griffen nach den Speisekarten, ohne hineinzublicken. »Ich hab ein bisschen was gespart und dachte, ich lade dich ein.«

»Woher wusstest du, dass ich in Fairbanks bin?«

»Hab ich im Internet gelesen.«

»Und warum der Zettel? Warum hast du nicht angerufen?«

Er grinste wie ein Junge, dem ein Streich gelungen war. »Fand ich irgendwie romantischer. Eigentlich wollte ich dich abholen, mit einem Blumenstrauß und so, aber ich wusste ja nicht, ob du mich noch magst. Hätte dumm ausgesehen, wenn du mich vor allen Leuten zum Teufel geschickt hättest.«

»Fishing for compliments?«

»Ich hab mich oft genug zum Narren gemacht.«

»Stimmt auch wieder«, erwiderte sie grinsend. Sie schlug die Speisekarte auf und merkte erst jetzt, wie hungrig sie war. »Du bezahlst, hast du gesagt? Okay, dann will ich gnädig sein und nehme das kleine Steak mit Gemüse.«

»Und einen doppelt so großen Nachtisch, nehme ich an.«

Ihr Grinsen wurde breiter. »Gute Idee.«

Jason hatte sich kaum verändert. Er war ein stattlicher Mann mit breiten Schultern und einem kantigen Gesicht mit leicht hervorstehenden Wangenknochen. Seine dunklen Augen konnten sehr sanft aussehen wie jetzt, aber auch unerbittlich und hart wirken, wenn er angegriffen wurde. Seiner natürlichen Bräune sah man an, dass er viel Zeit an der frischen Luft verbrachte.

»Wo warst du die ganze Zeit?«, fragte Carla.

»In Montana«, antwortete er.

»Wölfe jagen?«

Sein Lächeln schwand. »Du denkst wohl, ich hab den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als einen Wolf nach dem anderen abzuschießen. Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass ich nichts gegen Wölfe habe und nur auf sie schieße, wenn es keine andere Lösung gibt. Ich bin kein Wolfskiller, verstanden?«

»Tut mir leid.«

»Ich war auf der Ranch meiner Eltern«, fuhr er fort. »Du weißt ja, dass sie eine Guest Ranch im Bitterroot Valley haben. Wenn ich im Sommer nicht bei ihnen aushelfe, kommen sie nicht über die Runden. Seit mein Vater es an den Nieren hat, kann er nicht mehr so wie früher.«

»Und warum bist du dann schon wieder hier?«

»Meine Eltern haben sich mit einem Nachbarn zusammengetan. Ihm einen Teil der Ranch überschrieben, reichlich Dollar dafür kassiert und dürfen die Guest Ranch weiterführen. Die Sorge um die Rinder sind sie los, darum kümmern sich jetzt der Nachbar und seine Leute. Ein perfekter Deal für sie.«

»Aber der Verkauf hat ihnen doch sicher wehgetan?«

»Sicher, aber sie sind auch realistisch genug, um zu erkennen, dass sie es allein nicht mehr schaffen. Außer mir gäbe es keine Erben, und ich hab mich längst entschlossen, in Alaska zu bleiben. Hier sind die Frauen attraktiver.«

»Die Frauen? Mehrzahl?«

»Sicher … obwohl ich nur eine mag.«

»Ihr Name fängt mit C an?«

Jason hatte seinen Spaß an dem Wortwechsel. »Wie denn sonst? Auch wenn mich besagte Lady für einen gemeinen Killer hält. Ich hoffe, dir ist klar, dass ich niemals bei solchen Rachefeldzügen wie vor Kurzem in Wyoming mitmachen würde. Du weißt schon, als Jäger eine wilde Hetzjagd veranstaltet und über dreißig Wölfe getötet haben.«

»Und das mit Zustimmung der Regierung!« Carla verhehlte ihren Ärger nicht. »In Wyoming können räuberische Tiere, wie es so schön in den Gesetzestexten heißt, ohne Lizenz getötet werden. Jeder, der eine Waffe halten kann, darf in der Gegend herumballern, wie es ihm passt.«

»In Wyoming und auch in Montana gibt es mehr Rancher und Farmer als irgendwo sonst. Du musst auch ihre Seite sehen. Die sind natürlich sauer, wenn Wölfe ihre Kälber und Schafe reißen. Was nicht heißt, dass sie eine wilde Jagd auf Wölfe veranstalten sollten. Es wäre besser, einen erfahrenen Jäger zu verpflichten, der sich nur um Wölfe kümmert, die sich regelmäßig an Nutztieren vergreifen. Aber das musst du den Leuten erst mal klarmachen.«

»Einen erfahrenen Jäger wie dich?«

»Ich hab genug in Alaska zu tun.«

»Gibt es denn gar keinen anderen Job für dich, Jason?« Carla klang beinahe verzweifelt. »Es kann doch keinen Spaß machen, ein ganzes Leben lang Wölfe abzuschießen. Warum machst du nicht bei uns im Wolfcenter mit?«

»Vom Saulus zum Paulus? Ein Wolf im Schafspelz?«

»Ich meine das ernst, Jason. Auch mit uns beiden würde es dann besser klappen. Häng den blöden Job an den Nagel und mach irgendwas anderes.«

Die Bedienung brachte ihre Steaks, und sie ließen es sich schmecken. Carla aß inzwischen weniger Fleisch als noch vor einigen Jahren, aber auf ein gutes Steak und den Wolfburger im Roadhouse von Copperville ließ sie nichts kommen. Wolfburger waren schmackhafte Doppelcheeseburger mit dicken Speckscheiben. Dazu gab es eine eiskalte Diet Coke, ihr Lieblingsgetränk, selbst wenn draußen arktische Temperaturen herrschten. Immer wenn sie sich trafen, überlegte sie, wie es wohl wäre, wenn Jason und sie ihre Beziehung offiziell machten, vielleicht sogar zusammenzogen. Und jedes Mal verwarf sie den Gedanken gleich wieder. Die Vorstellung, dass er aufbrach, um Wölfe zu töten, während sie sich im Wolfcenter um verletzte Wölfe kümmerte, war geradezu absurd.

Als sie beim Kaffee angelangt waren, zögerte Jason, bevor er sagte: »Du weißt, wie sehr ich mich freue, dich wiederzusehen, Carla. Und ein Grund, warum ich in Alaska bleiben will, ist, weil ich dann in deiner Nähe sein kann.« Das klang fast wie ein Antrag, doch Jason wollte auf etwas anderes hinaus. »Aber heute gibt es noch einen anderen Anlass für meine Einladung.«

Ihr Blick verfinsterte sich. »Und welchen?«

»Ich möchte dir helfen.«

»Du willst mir helfen? Und wie, wenn ich fragen darf?«

Er zog sein Smartphone aus der Tasche, drückte auf einige Tasten und reichte es ihr. »Sieh dir den Film an! Dauert ungefähr zwei Minuten. Aber mach dich auf einiges gefasst, die Bilder sind nichts für schwache Gemüter.«

Carla griff nach dem Smartphone und blickte Jason verwirrt an, bevor sie den Film startete. Was sie auf dem Display sah, ließ sie vor Entsetzen den Atem anhalten und trieb ihr die Tränen in die Augen. Zwei Männer, die Gewehre auf dem Rücken trugen, knieten vor einer Erdhöhle, anscheinend einem Wolfsbau. Einer hielt einen Tank, wie man ihn zum Tauchen benutzte, nur wesentlich kleiner, in beiden Händen, der andere führte den Gummischlauch, der an den Behälter angeschlossen war, in die Höhle und grinste.

Carla wechselte einen schnellen Blick mit Jason, sagte aber nichts.

Noch war über eine Minute zu überstehen. Sie musste mit ansehen, wie die Männer fünf reglose Wolfswelpen aus der Höhle zogen, sich anlachten und einen der jungen Wölfe, der anscheinend noch atmete, mit bloßen Händen erwürgten.

Carla warf das Smartphone auf den Tisch und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. Sie stöhnte so laut, dass einige Leute an den Nebentischen auf sie aufmerksam wurden und neugierig herüberblickten. Doch das war ihr egal. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie sich von dem furchtbaren Anblick erholt hatte. »Diese Verbrecher«, schimpfte sie, »diese gemeinen Verbrecher! Als ob es nicht reicht, wenn sie Wölfe vergiften und aus Hubschraubern jagen. Jetzt vergasen sie die armen Welpen, nur weil sie auf diese Weise das kostbare Fell nicht beschädigen.«

»Vielleicht kannst du was damit anfangen«, sagte Jason. »Ich hab dir eine Kopie auf dein Handy geschickt. Und damit das gleich klar ist: So würden ich und kein anderer Jäger, der etwas auf sich hält, gegen Wölfe vorgehen. Bei einer Jagd sollte immer das Gesetz des ›Fair Chase‹ gelten, das Opfer sollte eine faire Chance haben. Auch für mich ist das Vergasen von Wölfen ein Verbrechen, noch dazu von Welpen, und ich hoffe sehr, dass du mit den Aufnahmen etwas anfangen kannst. Rechtlich gesehen haben wir nichts in der Hand, glaube ich. Nach den neusten Gesetzen kann man Wölfe auf alle möglichen Arten töten.«

Sie reichte ihm das Smartphone zurück und schüttelte ungläubig den Kopf. »So was Furchtbares habe ich schon lange nicht mehr gesehen, und ich bin einiges gewöhnt. Danke fürs Schicken. Wir müssen unbedingt etwas gegen diese bestialischen Tierquäler unternehmen.« Obwohl ihr Kaffee längst kalt geworden war, griff sie nach ihrem Becher. »Woher hast du das Video?«

»Keine Ahnung … es kam anonym.«

»Und warum schicken sie es ausgerechnet dir?«

»Einem Wolfsjäger, meinst du? Keine Ahnung.«

»Ist doch seltsam, das musst du zugeben.«

Jason steckte das Handy weg. »Vielleicht wollte mich irgendjemand ärgern. Einigen Wolfsjägern stößt es ziemlich sauer auf, dass ich Wölfe nur töte, wenn es unbedingt sein muss. Nicht wie diese Typen in Wyoming, die eine wahre Hetzjagd auf Wölfe veranstaltet haben. Ich glaube sowieso nicht, dass die Typen in dem Video als Jäger arbeiten. Das sind biedere Amateure.«

»Und deshalb doppelt gefährlich.«

»Wie alle Amateure.«

»Dann kennst du die beiden Männer nicht?«

»Ich hab nicht die geringste Ahnung, wer sie sind. Aber man sieht auch nicht viel von ihnen. Nicht mal die Gesichtserkennung des FBI könnte da was ausrichten.« Er räusperte sich und bemühte sich um ein Lächeln. »Was ist mit dem Nachtisch? Das Mousse au Chocolat soll besonders gut schmecken.«

»Mir ist der Appetit vergangen.« Carla stand auf, um nach der Toilette zu suchen. »Ich bin gleich zurück.«

Sie betrat den Waschraum, stützte sich mit beiden Händen auf das Waschbecken und schloss für einen Moment die Augen. Die schrecklichen Bilder, die sie in dem Video gesehen hatte, waren nur schwer zu verdauen. Wie konnten Menschen hilflosen jungen Tieren so etwas antun? War es nicht schlimm genug, sie abzuknallen oder in eisernen Fallen zu Tode zu quälen?

Sie wusch ihr Gesicht mit kaltem Wasser und kehrte ins Lokal zurück. Jason war verschwunden. Sie lief zur Tür und sah gerade noch, wie er in seinem Pick-up vom Parkplatz fuhr. Enttäuscht kehrte sie zum Tisch zurück. Die Bedienung räumte schon ab. »Ihr Begleiter hat bereits bezahlt«, sagte sie.

Carla bedankte sich und ging ebenfalls. Geduckt lief sie im strömenden Regen zu ihrem Pick-up und stieg ein. »Warum tut er das?«, fragte sie sich laut. »Warum verabschiedet er sich nicht wie ein normaler Mensch?«

Sie griff nach ihrem Handy und drückte seine eingespeicherte Nummer. Eine Computerstimme teilte ihr mit, dass der Teilnehmer im Augenblick nicht erreichbar war. Der Feigling hatte sein Handy ausgeschaltet. So leicht wollte sie ihn nicht davonkommen lassen. Sie schrieb ihm eine E-Mail: »Was soll das? Bereust du schon wieder, mich getroffen zu haben? Wenigstens höflich könntest du sein. Aber glaube nicht, dass ich dir nachlaufe! Leb wohl!«

Sie steckte das Handy weg und startete den Motor. Selbst die Scheibenwischer kämpften vergeblich gegen das Unwetter an, und obwohl es im Hochsommer auch nachts hell blieb, war die Sicht durch den heftigen Regen begrenzt. Da sie wenig Lust verspürte, sich durch das Unwetter zu quälen und am nächsten Morgen mit dem Video bei Fish & Wildlife vorsprechen wollte, checkte sie in einem Motel am Stadtrand ein und informierte Amy über Voice Mail, dass sie erst am frühen Nachmittag im Wolfcenter auftauchen würde.

2

Obwohl Carla die schwarzen Vorhänge zugezogen hatte und kaum Helligkeit in ihr Motelzimmer drang, fand sie nur schwer in den Schlaf. Unermüdlich kreisten die schrecklichen Bilder, die sie in dem Video gesehen hatte, in ihrem Kopf herum. Schaffte sie es endlich, an etwas anderes zu denken, kam ihr Jasons seltsames Verhalten in den Sinn. Was war bloß in ihn gefahren? Machte ein großes Geheimnis aus ihrem Treffen, indem er ihr einen Zettel an die Frontscheibe heftete, zeigte ihr während des Essens, wie sehr er sie mochte, nur um sich im nächsten Augenblick, ohne sich von ihr zu verabschieden, aus dem Staub zu machen. Das passte doch alles nicht zusammen. Was war nur mit ihm los?

Vielleicht hatten sie sich zu lange nicht gesehen, und sie war nicht mehr daran gewöhnt, dass er sich manchmal etwas seltsam benahm. Auch als er sie im Winter vor einem Waldbrand gerettet hatte, war er wenige Minuten später verschwunden gewesen. Und telefonisch oder über E-Mail war er sowieso selten zu erreichen. Entweder war sein Smartphone abgeschaltet, oder erjagte Wölfe in entlegenen Gebieten, wo es kein Netz gab. Warum ließ sie sich das alles gefallen? Warum gab sie ihm nicht den Laufpass? Die Frage ließ sich einfach beantworten, zumindest für sie: Weil sie den verdammten Kerl liebte!

Am nächsten Morgen holte sie sich einen Kaffee und Toast aus dem Lokal gegenüber und überquerte gerade die Straße, als sie eine Gestalt im Hoody von ihrem Wagen wegrennen und in einen schwarzen Jeep springen sah. Der Jeep fuhr so dicht an ihr vorbei, dass sie vor Schreck den Becher fallen ließ und der Kaffee sich über den Asphalt ergoss. Sie fluchte und wurde noch wütender, als sie ihren Wagen erreichte und feststellte, dass der Hoody-Träger den linken Vorderreifen zerstochen hatte. Anscheinend hatte ihn nur ihr rechtzeitiges Auftauchen daran gehindert, auch die anderen Reifen zu zerstechen.

Seufzend machte sie sich daran, den Reifen zu wechseln. Sie machte so etwas nicht zum ersten Mal, winkte sogar dankend ab, als ihr der Hausmeister des Motels anbot, ihr zu helfen. Nach getaner Arbeit wusch sie sich gründlich die Hände, brummte einigermaßen zufrieden, als sie sich im Spiegel betrachtete und checkte aus. Sie war immer noch wütend, aber nicht überrascht. Der Hoody-Mann war nicht der Einzige, dem ein Pick-up mit dem Logo von Wolf Aid sauer aufstieß. Einmal hatte ein Wolfsgegner ihren Wagen mit Graffiti beschmiert und ein anderes Mal die Motorhaube zerbeult. Auch wenn es ihr manchen Ärger ersparen würde, war sie zu stolz, die Folie mit dem Logo abzuziehen.

Den Täter anzuzeigen, würde nicht viel bringen. Sie hatte sich weder die Nummer des Jeeps gemerkt, noch hatte sie den Hoody-Mann deutlich genug erkannt, um ihn beschreiben zu können. Außerdem musste sie sich darauf konzentrieren, die beiden Jäger aus dem Video aufzuhalten und hinter Gitter zu bringen. Daran müsste auch der Fish & Wildlife Service interessiert sein, eine Behörde des Innenministeriums, die sich dem Schutz der Natur und der Erhaltung der Artenvielfalt verpflichtet hatte. In jüngster Zeit war sie jedoch dadurch aufgefallen, selbst in die Natur einzugreifen.

Fish & Wildlife war in einem lang gestreckten einstöckigen Gebäude an der College Road untergebracht. Carla hatte schon öfter mit der Behörde zu tun gehabt, vor allem mit Doug Mulligan, einem der regionalen Supervisors, der sich um die Wildnis nördlich von Fairbanks kümmerte. Kein unsympathischer Mann, aber schlecht auf Wölfe zu sprechen, weil sie angeblich die riesige Fortymile-Karibuherde zu stark dezimieren würden. Während der letzten zwölf Monate hatte er über neunzig Wölfe durch professionelle Jäger abschießen lassen, um das Gleichgewicht der Natur zu bewahren, wie er sagte.

»Haben Sie einen Termin?«, fragte die Dame an der Rezeption, als Carla sich vorgestellt und nach ihm gefragt hatte. »Mister Mulligan ist sehr beschäftigt, und ich glaube kaum, dass er Zeit für Sie hat. Wenn Sie eine Nachricht für ihn hierlassen wollen? Ich werde ihm sagen, dass Sie hier waren, okay?«

»So lange kann ich leider nicht warten«, erwiderte Carla, die solche Reaktionen schon gewohnt war. Sie drehte sich abrupt um und verschwand in einem der langen Flure, bevor die Dame an der Rezeption sie daran hindern konnte. Von früheren Besuchen wusste sie, wo Mulligan sein Büro hatte.

Die Vorzimmerdame war viel zu überrascht, um Carla aufzuhalten, als diese mit einem freundlichen Nicken zügig ihr Büro durchquerte und das Zimmer des regionalen Supervisors Doug Mulligan betrat. Erst mit einer Verzögerung von mehreren Sekunden erschien die Dame hinter ihr und rief: »Tut mir leid, Sir! Ich wollte nicht …«

»Das geht schon in Ordnung«, beruhigte sie der sportlich gekleidete Mann hinter dem Schreibtisch. Und als sie verwirrt die Tür geschlossen hatte, sagte er: »Carla Gorman … immer gut für einen dramatischen Auftritt. Haben Sie mir nicht erst vor drei Wochen vorgeworfen, die Natur unseres Landes zu zerstören?«

»Hatte ich nicht recht?«

»Nein, natürlich nicht. Setzen Sie sich!«

»Und warum heuern Sie dann ein ganzes Heer von Jägern an und lassen Wölfe reihenweise abschießen? Im News-Miner haben Sie sich sogar damit gebrüstet, mit den Abschüssen endlich für ein Gleichgewicht der Natur zu sorgen und den Lebensunterhalt von vielen Tausend Menschen zu sichern, obwohl Sie doch am besten wissen müssten, dass Sie damit maßlos übertreiben. Noch dazu mit einem Foto von toten Wölfen, die säuberlich aufgereiht im Schnee lagen. Warum verteufeln Sie Wölfe? Um der Regierung zu gefallen?«

Mulligan war Carlas direkte Art gewöhnt und lächelte sogar. »Wie immer frei heraus, Miss Gorman. Sind Sie nur gekommen, um mit mir zu streiten, oder haben Sie ein ernsthaftes Anliegen? Meine Zeit ist kostbar, wissen Sie. Und über die Abschüsse haben wir schon tausend Mal diskutiert.«

»Weil Sie nicht nachgeben wollen.«

»Warum sollte ich?« Mulligan sah den Wortwechsel anscheinend als sportlichen Wettstreit und blieb bei seinem Lächeln. Er lehnte sich nach vorne. »Unsere Behörde ist für das große Ganze verantwortlich. Vor allem für die Fortymile-Karibuherde, die Tausende Menschen, und das ist nicht gelogen, mit Nahrung versorgt. Die indigene Bevölkerung, oder um es volkstümlich zu sagen, die Indianer und Inuit, sind auf die Jagd angewiesen. Immer noch. Und die wachsende Zahl von Wölfen hat für eine dramatische Reduzierung der Herde gesorgt. Wussten Sie, dass die Fortymile-Herde vor hundert Jahren noch aus über 250 000 Tieren bestand? Inzwischen sind es noch 50 000, und wenn wir die Wölfe gewähren ließen, ginge die Zahl weiter zurück. Wir wissen doch alle, dass Wölfe den Bestand der Herde bedrohen, oder sehen Sie das anders?«

Carla war in ihrem Element. Wie immer, wenn sie ihren Standpunkt verteidigte, blitzten ihre Augen. »Natürlich reißen Wölfe auch Karibus, so verlangt es der Kreislauf der Natur. Aber sie sind nicht die Hauptschuldigen am Niedergang der Herde. Durch den Klimawandel gibt es zu wenig Nahrung für sie, die Pflanzen und Sträucher verdorren. Die Fruchtbarkeit der Weibchen hat stark nachgelassen, aus welchen Gründen auch immer. Und einige Karibujäger gehen noch rücksichtsloser als Wolfsjäger vor. Sie können Wölfe nicht für alles verantwortlich machen. Oder wollen Sie die Wölfe ausrotten?«

»Sie wissen genau, dass wir das nicht wollen. Aber in Alaska ist ein gesundes Ökosystem nur garantiert, wenn wir regulierend in die Natur eingreifen und so viele Wölfe abschießen lassen, dass es zu keiner nachteiligen Veränderung der Natur kommt. Ich weiß, Sie wollen der Natur ihren freien Lauf lassen, aber das geht heutzutage nicht mehr. Dafür gibt es Nationalparks. Und selbst in nationalen Schutzgebieten wie dem Yukon-Charley Rivers National Preserve kann man inzwischen Wölfe jagen, aber nur eine bestimmte Anzahl und nur während der Saison. Wir von Fish & Wildlife halten uns von diesen National Preserves fern. Unsere Jäger sind erfahren und ehrwürdig und zudem an strenge Vorschriften und Abschussquoten gebunden.«

Ein Einwand, den Carla oft hörte. »Die Parkgrenzen sind doch nur eine billige Ausrede. Wölfe wissen nicht, wo ein Schutzgebiet endet, und ihre Jäger warten nur darauf, dass ein Rudel die Grenze überquert, und schießen sofort. Und das ist nicht die einzige Verfehlung, die Sie sich leisten. Sie jagen die Wölfe aus Flugzeugen und Hubschraubern und töten Mütter und ihre Jungen in Höhlen. Ist das vielleicht fair? Das ist unmenschlich, Mister Mulligan!«

»Diese Jagdmethoden wenden wir nur selten an«, erklärte Mulligan, »wir sind keine Monster, Miss Gorman.«

Carla zog ihr Handy hervor. »Dann sind Sie mit mir sicher einer Meinung, dass Jäger, die hilflose Welpen in ihren Höhlen mit Kohlenmonoxid vergiften, empfindlich bestraft werden sollten. Sehen Sie sich das kurze Video an!«

Sie reichte Mulligan ihr Handy, und er betrachtete die Aufnahmen. Während die Jäger vor der Höhle knieten und sich an den hilflosen Tieren vergriffen, veränderte sich seine Miene. Sein Gesicht wurde blass, und auf seiner Stirn erschienen tiefe Falten. Auch ihn schien das Video schwer zu verstören. »Woher haben Sie das?«, fragte er heiser. »Wer hat Ihnen das geschickt?«

»Anonym«, antwortete Carla. Jason wollte sie nicht nennen.

»Sie haben recht, das ist eine Schweinerei.«

»Fish & Wildlife duldet die Vergasung von Wölfen, oder etwa nicht?«

»Nur in Ausnahmefällen«, erwiderte Mulligan. »Wenn ich mich recht entsinne, ist es erst einmal passiert, und wir haben unsere Jäger inzwischen angewiesen, auf diese Jagdmethode zu verzichten.« Er reichte ihr das Handy zurück. »Aber die beiden Männer arbeiten nicht für uns. Das sind Privatleute.«

»Woher wollen Sie das wissen?«

»Ich kann es natürlich nicht beschwören, aber unsere Leute würden Uniform oder Mützen mit unserem Logo tragen, außerdem haben sie es nicht nötig, Wölfe auf diese unmenschliche Art zu jagen. Wir sind keine Tierquäler. Ich würde Ihnen vorschlagen, sich an den Nationalpark-Service zu wenden.«

»An den NPS?« Carla blickte ihn verwundert an. »Seit wann lassen die Ranger solche Jagdmethoden zu? Sie wollen das Gleiche wie wir von Wolf Aid. Eine Natur, in der sich Flora und Fauna ungestört entfalten können.«

»Mag sein, aber es gehen Gerüchte um, dass es zu mehreren Verstößen im Yukon-Charley Rivers National Preserve gekommen sei. Zeigen Sie das Video den Rangern, vielleicht erkennen die, wo es aufgenommen wurde.« Er lächelte schon wieder. »Und noch etwas, Miss Gorman. Wir wollen alle das Gleiche. Nationalpark-Service, Fish & Wildlife und Wolf Aid. Wir wollen die Natur in ihrer ganzen Pracht bewahren, für uns und für unsere Kinder.«

So schön der Satz klang, so verlogen war er. Auf der kurzen Fahrt zum Büro des Nationalpark-Service dachte sie daran, wie sehr sich zahlreiche Organisationen schon verbogen hatten, um bisher geschütztes Land wirtschaftlichen Interessen zu opfern, und wie oft die Regierung vor allem in Washington schon Gesetze geändert hatte, um die Förderung von Öl und anderen Bodenschätzen zu erleichtern. Nur verantwortungsvolle Naturschützer wagten es, sich gegen gierige Konzerne zu stellen.

Vor dem zweistöckigen Bau des Nationalpark-Service parkte Carla. Wenn sie schon in Fairbanks war, wollte sie die Zeit nutzen, um möglichst schnell herauszufinden, wo das Video entstanden war. Sie fragte nach einem Biologen, der mit ihr studiert hatte, und traf ihn vor seinem Büro. »Andy«, begrüßte sie ihn. »Ich hab was Wichtiges und müsste dich unbedingt sprechen.«

»Klar«, sagte er, »komm rein!«

Andy Savage war zwei Jahre älter als sie und wirkte in seinem Uniformhemd und mit den sorgfältig gescheitelten Haaren eher bieder. Im Leichtathletik-Team der University of Alaska war er nur knapp an einer Olympia-Qualifikation vorbeigeschrammt. Er war verheiratet und hatte eine kleine Tochter.

»Was gibt’s?«, fragte er. »Ärger wegen der neuen Gesetze? Die meisten von uns sind auch dagegen, dass der Staat ab sofort bestimmen kann, wie in den National Preserves gejagt werden darf. Den Behörden in Alaska ist es doch egal, ob die Jäger sich anständig verhalten. Die dulden auch, wenn die Jäger zweifelhafte Methoden anwenden, oder drücken zumindest beide Augen zu. Was interessiert die schon, dass sich der Nationalpark-Service bei seiner Gründung verpflichtet hat, die Pflanzen- und Tierwelt in bestimmten Gebieten für künftige Generationen zu erhalten? Aber das dürfen wir nicht laut sagen. Ich hoffe sehr, dass der neue Präsident einiges rückgängig macht.«

»Ich hab gehört, im Yukon-Charley Preserve gibt es Probleme.«

»Woher hast du das? Von Fish & Wildlife? Kann schon sein – obwohl ich den Eindruck habe, dass sie vor allem von sich ablenken wollen, seit sie es mit dem Naturschutz nicht mehr so genau nehmen.«

Carla kramte ihr Smartphone aus der Tasche. »Ich bin wegen eines Videos hier, das man mir anonym zugeschickt hat. Du kennst dich doch aus im Yukon-Charley Preserve. Hast du eine Ahnung, wo es entstanden sein könnte? Aber erschrick nicht, die Aufnahmen gehen einem ziemlich an die Nieren.«

Andy war nicht besonders empfindsam und verzog lediglich den Mund, als das Video ablief. »Ekelhaft! Das kommt davon, wenn man bestimmte Wolfsjäger von der Leine lässt. Wer weiß, was die antreibt. Die Lust am Töten? Kopfgeld für Wölfe? Verkaufen sie die Felle? Rechtlich belangen kann man sie nach den neuen Gesetzen kaum, zumindest würde niemand etwas gegen sie unternehmen. Man müsste ihnen schon nachweisen, dass sie entweder über keinen Jagdschein verfügen oder gegen die limitierten Abschusszahlen oder Schonzeiten verstoßen.« Er blickte vom Handy hoch. »Und du hast keine Ahnung, woher das kommt?«

»Leider nein. Kennst du die Jäger?«

»Nein … aber man erkennt sie auch kaum.«

»Und wo wurde das Video aufgenommen?«

»Schwer zu sagen«, antwortete er, »die Höhle könnte überall liegen. Das heißt, auf einer Einstellung sieht man für einen Augenblick einen Fluss durch die Bäume schimmern, das könnte der Charley River sein. Aber wie gesagt, ein schlüssiger Beweis ist das nicht.« Er reichte ihr das Smartphone zurück. »Mail mir das Video, dann leite ich es an Superintendent Birch weiter.«

»Mach ich. Ruf mich an, falls du was erfährst!«

Sie verabschiedete sich und kehrte zu ihrem Pickup zurück. Inzwischen war es Mittag geworden, und der Himmel zeigte sich von seiner sonnigen Seite. Die Wälder, die sich außerhalb von Fairbanks nach allen Seiten ausdehnten, wirkten noch grüner, und die gewaltigen Bergmassive der Alaska Range hoben sich deutlich gegen den blauen Himmel ab. Wie ein gewaltiger Riese in einem weiten Mantel erhob sich der Mount Denali aus dem gleichnamigen Nationalpark, unerschütterlich und von einer so erhabenen Größe, das alles andere in seiner Nähe noch winziger erschien. Ein Anblick, der Carla auch nach den vielen Jahren, die sie schon in Alaska lebte, noch faszinierte.

An der Ausfahrt zum Highway ließ sie mehrere Fahrzeuge durch und wollte gerade nach links abbiegen, als noch ein Wagen vorbeikam. Ein schwarzer Jeep! Sie blickte ihm erstaunt nach, reagierte erst nach einer langen Schrecksekunde und folgte ihm. Während sie fuhr, notierte sie sich das Kennzeichen auf eine Zeitschrift, die sie am vergangenen Morgen gekauft und auf den Beifahrersitz gelegt hatte. Fest entschlossen, den Fahrer des Jeeps zur Rede zu stellen und ihm mit einer Anzeige zu drohen, drückte sie das Gaspedal durch.