Für unsere Dozentinnen und Dozenten, unsere Lehrerinnen und Lehrer
und für uns – ihre Bewunderer

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©2021 Gunter Scholz
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

1. Auflage

ISBN 978-3-753-43297-7

Der Dozent an sich

Wie jeder gute Text, so beginnt auch dieses Buch mit der biederen Vorstellung der Personen, denen hier ein Denkmal gesetzt werden soll. Es geht um Dozenten, die sich meist einem Fachgebiet zugehörig fühlen, weil sie darin berufliche Erfahrungen oder besondere akademische Leistungen vollbracht haben oder zumindest selbst daran glauben, Besonderes vermitteln zu können. Meist wurden sie durch ihren beruflichen Werdegang in die Nähe der Unterrichtsthemen verbracht, die sie vermitteln. Viele arbeiten hauptberuflich als Dozenten. Noch mehr arbeiten aber nebenberuflich, was für diese den großen Vorteil mit sich bringt, ihre aktuelle Berufserfahrung in die Lehre einbringen zu können. Gelingt ihnen das, so haben sie bei ihren Schülern weit weniger Akzeptanzprobleme als der Kollege, der schwarze Löcher beschreibt, ohne je eines gesehen zu haben.

Die an Universitäten fest angestellten Dozenten stehen hier nicht im Mittelpunkt, obwohl viele Aspekte des Dozentendaseins auch sie betreffen, insbesondere der Umgang mit ihren Schülern. Ihnen fehlt aber eine Kernproblematik, die das Verhalten der Honorardozenten stark beeinflusst. Diese akquirieren sich oft von Lehrauftrag zu Lehrauftrag und müssen ihr Thema und sich selbst anpreisen, um es zu verkaufen. Ihnen sitzt die erwerbslose Zeit zwischen zwei Aufträgen genauso im Nacken, wie die vom Honorargeber mit der Abwicklung der Lehrveranstaltungen beauftragten Angestellten. Hat der nebenberufliche oder freiberufliche Dozent mit der Bewältigung dieser Herausforderungen eigentlich schon genug Beschäftigung, so kommt die Unterhaltung seines Publikums als Kern seiner Tätigkeit natürlich noch dazu.

Während sich Lehrer an allgemeinbildenden Schulen weder Lehrpläne noch -ziele ausdenken müssen, sich nicht um volle Klassen bemühen müssen und sich voll auf pünktliches Erscheinen, die Elternabende und ihre Vermögensverwaltung konzentrieren können, während verbeamtete Dozenten an Fachhochschulen (FHs) und Universitäten sich nicht um Lehrmaterialien, nicht um motivierte Zuhörer, sondern nur um den Sieg im täglichen Gegeneinander von Lehrkräften und Hausmeistern kümmern müssen, hat der sogenannte freie Dozent alles zu regeln, was für die Durchführung seiner Lehre unverzichtbar ist. Er führt quasi ein kleines Ein-Mann-Lehrinstitut, in dem er Vorstand, Aufsichtsrat, Manager und Betriebsrat gleichzeitig ist. Wer soweit Einblick in das Geschäft der hier beschriebenen Dozenten gewonnen hat, hat automatisch Hochachtung gewonnen. In dieser Anerkennung liegt für den Dozenten ein gewisser Ausgleich zu seinem Mehraufwand gegenüber den fest angestellten Kollegen. Diese starten von einem niedrigeren Akzeptanzniveau und neiden deshalb oft den in der Praxis verankerten Kollegen deren Kompetenzvorsprung.

Wie viele Parallelen zu den uns allen bekannten Lehrern an allgemeinbildenden Schulen sich zwischen den Textzeilen zeigen, mag jeder Leser in Bewältigung seines Schultraumas für sich entscheiden. Da es schon mehr als genug Bücher über das Leben und Leiden der Schullehrer gibt, ist die Zeit überreif für die Stars der Weiterbildung.

Ich hoffe, auch Leserinnen sind bis an diese Textstelle vorgedrungen. Sicher hat der Autor sie bisher an vielen Stellen wütend werden lassen. Immer dann, wenn er über Dozenten schreibt könnten sich Dozentinnen und ihre Geschlechtsgenossinnen übergangen, vergessen oder gar diskriminiert fühlen. Den Dozentinnen, Lehrerinnen, Schülerinnen, Zuhörerinnen und anderen Menschen, die präziser durch die jeweils weibliche Bezeichnung erfasst worden wären, sei versichert, dass bei jedem Tippen der ausschließlich männlichen Variante der Autor mit nicht abnehmendem schlechtem Gewissen auch an die weiblichen Betroffenen gedacht hat. Wegen der besseren Lesbarkeit des Textes hat der Autor sich auf die männliche Form beschränkt und damit auch dem Verlag einen Gefallen getan, der nun für die gleiche Gesamtaussage des Textes ein paar Seiten Papier weniger bedrucken muss. Der Autor bleibt der Hoffnung, mit seiner Entscheidung vielleicht einen kleinen Wald vor der Abholzung für die Papierproduktion gerettet zu haben.

Die bereits kurz umschriebene Gruppe der Dozenten, die hier im Fokus bleibt, könnte auch über die Themenbereiche charakterisiert werden, auf die sie spezialisiert sind. Sie haben die berufliche Weiterbildung fest im Griff, sie sind bei Personalmanagern großer Unternehmen erste Wahl für die Qualifizierung von Führungskräften und sie coachen gerne Manager. Die Themen, wie die Umstände ihrer Arbeit, prägen die Dozenten und machen ihr Geschäft zu einer lohnenswerten Aufgabe für eine kritische, aber immer wohlwollend gemeinte Analyse. Der Autor selbst ist seit etlichen Jahrzehnten gerne als nebenberuflicher Dozent unterwegs. Dem zweifelnden Leser sei an dieser Stelle zwar, wie bei anstößigen Büchern üblich, versichert, alle Beschreibungen und Episoden seien hierin frei erfunden, aber alles ist dennoch die Reproduktion gesammelter, wahrer Erfahrungen.

Warum freiberuflich?

Der Dozent ist jemand, bei dem es nicht zu einer ordentlichen Professur, gar zu einer C4-lebenslangen Dauerversorgung gereicht hat. Er kompensiert dieses Manko durch besonderen Einsatz, und zwar vor allem bei Studentinnen. Damit schafft er bei diesen eine Anerkennung, um die die gut situierten Beamtenlehrer die Dozenten beneiden. Besonders gut funktioniert das in Disziplinen der Geisteswissenschaften. Leider gibt es hier verhältnismäßig wenig Dozenten, aber viele Studentinnen. In den Naturwissenschaften oder in den technischen Studiengängen ist es umgekehrt. Hier gibt es viele Dozenten, die aus der Praxis der Unternehmenswelten kommen, aber wenige Studentinnen. Und die, die es in diese Fächer verschlagen hat, sind durch ihren Selbstbehauptungswillen und die ständige Herausforderung, mehr als ihre männlichen Kommilitonen leisten zu müssen, mit deren negativen männlichen Eigenschaften ausgestattet. Die Motivation, ihnen imponieren zu wollen, ist also begrenzt.

Auch wenn der Autor den Marketing-Grundsatz Sex sells kennt, so wird er ab sofort der Versuchung widerstehen, dass eben genutzte Stereotyp vom Dozenten als Teilnehmerinnen jagenden Gockel weiter zu nutzen. Es ist nämlich falsch. Der obere Absatz dient lediglich dazu, das Thema aufzugreifen und führt zu folgendem Fazit. Selbstverständlich steht für den Dozenten seine Lehrerrolle allein im Mittelpunkt all seines Denkens und Unterrichtens, was automatisch zu einer völligen Gleichbehandlung aller Geschlechter führt. Dass Dozenten referierend durch die Reihen ihrer Zuhörer schleichen, liegt also nicht an den Dekolletees der weiblichen Zuhörerinnen, sondern an dem aktivierten Schrittzähler des Dozenten.

Dozenten lassen sich in Prüfungskommissionen wählen. Darin sitzen sie manchmal ahnungsloser als die Prüflinge. Selbst das Niveau von Realschulabgängern erreichen sie nicht, bewerten aber Klausuren und Antworten bei mündlichen Prüfungen. Oftmals enden Prüfungsverfahren mit der nüchternen Feststellung, dass eigentlich der Prüfer hier durchgefallen ist und nicht der Prüfling. Da diese Variante in der Prüfungsordnung nicht vorgesehen ist, fällt eben bei unfähigen Prüfern der Prüfling durch. Kennt jemand ein erfolgreich verlaufenes Widerspruchsverfahren bei nicht bestandenen mündlichen Prüfungen? Erfolgreich in dem Sinne, dass der Prüfling im Nachhinein seine verdiente Punktzahl zugesprochen bekam und sich eventuell die Prüfungskommission für ihre mangelnde Prüfleistung noch entschuldigte? Prüfer sein ist in erster Linie für Dozenten eine Frage des Prestiges. In der Firma (natürlich ganz nebenbei in der Kantine) sagen zu können: „Was ich gestern wieder an der Uni erlebt habe…Ich bin ja da nicht nur Dozent, sondern auch in der Prüfungskommission…“, schafft herausgehobene Distanz zu Kollegen, die weit von Uni und Fachhochschulen entfernt jeden Tag nur das wohl ihrer Firma kennen.

Der zweite Grund für eine Beteiligung als Dozent an Prüfungen ist die eigene Job-Sicherung. Prüfer aus dem Beamtenstamm der akademischen Prüfinstitutionen sehen für sich keinen Profilierungsgrund, ihnen ist der Job ja sicher, ob Prüfertätigkeit oder nicht. Dozenten, die gerne die freibleibenden Prüfersitze ausfüllen, werden wegen der Bequemlichkeit der universitären Fachbereiche von diesen eingesetzt. Das ist die akademische Win-Win-Situation: Professoren können sich vor arbeitsintensiven Prüfungen drücken und Dozenten sichern sich ihre Nebenbeschäftigung.

Der dritte Grund für eine nebenberufliche Dozententätigkeit liegt in den Verdienstmöglichkeiten. Nach 90 Minuten Vorlesung rechnen Dozenten noch beim Packen ihrer Unterlagen am Katheder aus, wieviel Honorar sie jetzt wieder abrechnen können. Nur diese Ablenkung lässt so manche nach einer Lehrveranstaltung von Lernenden aufgeworfene Frage erträglich erscheinen. Und so gelingt es denn auch meist den betroffenen Dozenten, ihr völliges Unverständnis gerade noch in eine Formulierung zu packen, die ihr Entsetzen über die mangelnde Aufnahmefähigkeit ihrer Zuhörer ein wenig entschärft. „Habe ich die Antwort nicht gerade in einer ausführlichen 90-minütigen Abhandlung gegeben?“

Dozenten sind schlau

Dozenten haben immer einen Wissensvorsprung. Wenigstens in der Lehrsituation und natürlich nur in dem Fach, das zu unterrichten sie selbst gewählt haben. Und nur dann, wenn sie die Inhalte der Fächer, die sie selbst gewählt haben auch selbst strukturieren konnten. Dass sie in dieser Situation ihren Zuhörern fachlich voraus sein sollten, versteht sich von selbst, da die Zuhörer ihnen genau deshalb zuhören. Sie wollen etwas lernen. Aber selbst dieser konstruierte Vorsprung an Kompetenz reicht bei einigen Dozenten nicht aus. Sie werden von wirklichen Fachleuten aus ihrem Publikum entlarvt, wenn diese bemerken, dass der Dozent eine Information zur Informationstechnologie gerade seinem Skript von vor fünf Jahren entnommen hat oder die Mehrwertsteuer in den gezeigten Rechenbeispielen noch immer bei 17 % liegt. Dozenten wissen alles, jedenfalls alles, was die Lernenden nicht besser wissen.

Dozenten sind nicht nur in Lehranstalten Dozenten. Im Privatleben, das sich bei nebenberuflich Tätigen sowieso schon mit der Nebenbeschäftigung durchmischt, proben sie ihre Rolle als Lehrkraft schon einmal, vielleicht auch einmal zu oft, wenn das Dozentensein in Fleisch und Blut übergegangen ist und den Charakter geprägt hat. Sie sitzen beim Fernsehquiz und beantworten jede Frage möglichst bevor alternative Antwortmöglichkeiten angeboten werden oder bevor einer der Fernseh-Kandidaten seine Sprache wiederfindet. Natürlich liegt die Trefferquote ihrer Antworten im Durchschnitt der im Studio anwesenden Spieler, aber der Dozent im Fernsehsessel zuhause scheidet ja nicht aus nach einer falschen Antwort, sondern macht sehr zum Verdruss seiner Familie immer weiter. Dabei steigert er sich von falscher Antwort zu falscher Antwort, weil jedes Mal der Druck wächst, nun aber mal richtig zu antworten. Wird die Wende verfehlt, so wird schließlich die ganze Sendung samt deren Konzept und das Fragenniveau verflucht. Die Antworten des Dozenten waren nämlich an sich richtig, nur die Fragen waren falsch.

Damit könnte ein Lebensmotto von Dozenten umschrieben sein: „Ich habe immer recht“. Dabei wird der sehr eingeengte Rahmen unterschlagen, in dem dieser Satz trägt. Da hätten wir zum Beispiel die Situation „Lehraufgabe“. Hier verknüpft der Dozent seinen Lehrplan mit einer Aufgabe, in der gerade von ihm Referiertes in eine selbstständig vom Lernenden zu lösende Aufgabe einfließt. Selbstaktives Lernen, bei pädagogischen Besserwissern sehr beliebt, bei Lernenden total unbeliebt, verschafft dem Dozenten erst einmal eine Pause, für die er erstens aus eben genanntem Grunde pädagogisch belobigt und zweitens vom Auftraggeber bezahlt wird. Nebenbei, Dozenten gehen hierbei manchmal ohne jedes Fingerspitzengefühl vor, wenn sie dann am Pult ihre Thermoskanne mit Kaffee und Kaffeeduft öffnen und dazu eine frisch am Bahnhof erworbene Schnittlauch-Brezel auspacken. Sie tun das vor Wissbegierigen, die nach ihrem Arbeitstag weder am Abfahrts- noch am Ankunftsbahnhof genug Zeit hatten, sich eine Verpflegung zu kaufen und nun nicht nur wissenshungrig eine für sie ungewohnte Aufgabenstellung bearbeiten sollen, sondern auch neben der fast akademischen Herausforderung der Fragestellung zusätzlich vom Chor knurrender Mägen abgelenkt werden.

Der Dozent hat derweil nur eine Aufgabe: Er muss darauf aufpassen, dass in die vorbereiteten Lösungsbögen keine Fettflecken von seiner Butterbrezel geraten. Natürlich hat er bei der Aufgabenstellung zu beachten, dass bei der dafür gegebenen Bearbeitungszeit keine Überschneidung mit vorgesehenen Pausen passiert. Pausen sind den Teilnehmern heilig, genau wie dem Dozenten. Inhaltlich dienen die Pausen bei Dozenten und Schulungsteilnehmern allerdings völlig unterschiedlichen Zwecken.

Während die einen vor die Tür flüchten müssen, um die stickige sauerstofflose Atemluft des Schulungsraums gegen die Tabakrauch geschwängerte Kaltluft zu tauschen, muss der Dozent in seinen Unterlagen nachschauen, welche Inhalte, Schaubilder oder Aufgaben als nächstes vorgeführt werden sollen und ob der Lehrstoff im vorbereiteten Ordner noch genug Substanz für den Rest des Schulungstages hat. Oder sollte der rote Lehrfaden durch Gruppenarbeit, Suchaufgaben oder Lesetexte zu einem roten Gummiband werden und die Zeit bis zum Ende der Lerneinheit etwas gedehnt werden? Dozenten werden ja nach Stunden und nicht nach Leistung bezahlt. Und warum war man eigentlich immer der letzte, der sich beim Pförtner nach getanem Unterricht abmeldete? Alle Klassen hatten doch gleiche Endzeiten. In der Beantwortung der Frage kann der Dozent für sich noch Effizienzpotenzial erkennen.

Als Dozent darf man sich während der Pausen nicht allzu weit von der Lerngruppe entfernen. Teilnehmer nutzen die Zeit für Fragen oder die eigene Selbstdarstellung, weil sie sich eventuell Vorteile davon versprechen, Eindruck bei jemandem zu schinden, der bei seiner Vorstellung den Eindruck erweckt hat, die Wirtschaft dieses Landes, ach wie untertreibt der Autor hier, die ganz Europas, in- und auswendig zu kennen, mit den Wirtschaftsbossen dieser Welt auf „du“ zu sein und täglich mehrere Stunden mit internationalen Headhuntern zu telefonieren. Mögen hieraus Gründe für die Pausenanwesenheit der Lernenden resultieren, so darf der Dozent allein deshalb den Raum nicht verlassen, weil die Teilnehmer ihm ansonsten von den bereitgestellten Getränken nichts übriglassen.

Bei Veranstaltern kann man sich nicht unbedingt auf funktionierende Beamer oder interaktive Whiteboards verlassen oder gar darauf, dass die gewünschte Tischordnung bereitsteht. Aber darauf, dass immer zu wenig attraktive Getränke bereitgestellt werden ist überall Verlass. Insbesondere, wenn der Dozent als selbständiger Reisender auch für den Rahmen der Veranstaltung verantwortlich ist, darf man sich darauf verlassen, dass die einfachsten Kekse präsentiert werden, an denen sich nicht mal jemand Fremdes heimlich vergreift, wenn diese schon längere Zeit vor dem Seminarraum bereitgestellt wurden.

Leistung und Gegenleistung

Beliebte Themen der besonders teuren Dozenten kommen aus dem Bereich der Führungskräfteschulungen. Sicher verhandeln kann man bei ihnen lernen, oder agiles Führen. Wie sie ihre seit Jahren gleichen Botschaften nennen, hängt vom Namen der Sau ab, die der pädagogische Zeitgeist der Weiterbildung gerade durchs Dorf treibt. Wer nach dem Jahr 2010 noch kein Seminar absolviert hat, in dem irgendwie das Wort agil im Titel untergebracht werden konnte, taugt ja wohl nichts als Führungskraft. Dozenten haben dabei einfach Glück, dass diese Titel und die von Unkundigen dahinter vermutete Kompetenz, den Nichtteilnehmern an solchen Seminaren verborgen bleibt. Die stolzen Besitzer einer Agil