Aus dem Amerikanischen von Michael Krug

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe Extinction Cycle: Dark Age 1 – Extinction Shadow

erschien 2019 im Verlag Great Wave Ink Publishing.

Copyright © 2019 by Nicholas Sansbury Smith & Anthony J. Melchiorri

Copyright © dieser Ausgabe 2021 by Festa Verlag, Leipzig

Titelbild: Arndt Drechsler-Zakrzewski

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-925-1

www.Festa-Verlag.de

Für meinen Co-Autor und guten Freund Dr. Anthony J. Melchiorri. Dein wissenschaftlicher Beitrag hat dabei geholfen, die Saga des Extinction Cycle zum Leben zu erwecken, und ich freue mich wahnsinnig, wieder mit dir zusammenzuarbeiten, um den Lesern das nächste Kapitel zu präsentieren.

Die Grenzen, die das Leben vom Tod trennen, sind bestenfalls schemenhaft und vage. Wer kann sagen, wo das eine aufhört und das andere beginnt?

– Edgar Allan Poe

Einführung

in den Extinction Cycle:

Was bisher geschah …

Vom Schöpfer des Extinction Cycle,

Nicholas Sansbury Smith

Lieber Leser,

wenn du den Extinction Cycle noch nicht kennst, stehst du kurz vor dem Beginn einer völlig neuen Saga. Sie basiert auf der preisgekrönten, sieben Bücher umfassenden Reihe, die auf Amazon Top-Bewertungen erhalten hat und von der eine halbe Million Exemplare verkauft wurden. Kritiker beschreiben den Extinction Cycle als »World War Z und The Walking Dead treffen The Hot Zone – Tödliches Virus«. Publishers Weekly ergänzt: »Smith hat erkannt, dass man Zombie-Apokalypsen zum Wiederanfachen des Interesses daran lauter, länger und blutiger gestalten muss … Smith steigert die Katastrophe effizient im Verlauf der Seiten. Leser, die deftige Action mit jeder Menge Blut und Eingeweide mögen, finden davon jede Menge.«

Extinction Cycle: Dark Age ist die Fortsetzung der ursprünglichen Geschichte und spielt acht Jahre nach den Ereignissen von Buch 7, Am Ende bleibt nur Finsternis. Bevor du darin eintauchst, lies bitte diesen kurzen Überblick über die Reihe – so erfahren neue und alte Leser, was sie erwartet.

Im Extinction Cycle wollte ich mit authentischer militärischer Action und fundierter Wissenschaft sowohl Zombies als auch postapokalyptischen Szenarien einen packenden neuen Anstrich verleihen. Vergiss alles, was du über Zombies weißt. In dieser Geschichte entstehen sie nicht durch schwarze Magie oder auf sonstige übernatürliche Weise. Die Infizierten sind die Folge einer militärischen Biowaffe namens VX-99, die erstmals in Vietnam im Rahmen eines Regierungsprogramms zur Entwicklung von Supersoldaten eingesetzt wurde. Die Chemikalien in VX-99 aktivieren Proteine, die in schlummernden Genen codiert sind und Menschen von wilden Tieren unterscheiden – ein realer Prozess, der als epigenetische Veränderungen bekannt ist. Mit anderen Worten: Diese Waffe verwandelte Menschen in Monster.

Diese als Abartige bezeichneten Kreaturen werden zu perfekten Raubtieren, da sie sich nach den epigenetischen Veränderungen weiterentwickeln. Das Ergebnis im Extinction Cycle ist katastrophal, und die Infektion breitet sich weltweit aus. Regierungen und Militärapparate fallen, die Zivilisation bricht innerhalb weniger Monate zusammen. Während die Menschheit verzweifelt versucht, ein Heilmittel zu finden und die Monster zu besiegen, wird sie an den Rand der Ausrottung getrieben. Am Ende von Buch 7 hängt das Überleben der Menschheit am seidenen Faden.

Acht Jahre später haben sich die Überlebenden in den Vereinigten Staaten (mittlerweile die Alliierten Staaten genannt) in etwa 100 Außenposten niedergelassen. Die meisten dieser ummauerten Gemeinden liegen im Mittelwesten und an der Ostküste. Die Westküste ist aufgrund der schweren Kriegsschäden weitgehend verlassen. Präsidentin Jan Ringgold und ihre Administration haben unermüdlich am Wiederaufbau gearbeitet und die grundlegende Infrastruktur, die Agrarindustrie, die Fabrikation und das Energienetz wiederhergestellt.

Einige entscheidende Persönlichkeiten haben daran mitgewirkt, dass die Menschheit den großen Krieg gegen die Ausrottung überlebt hat. Sie treiben den Fortschritt auch in der Zeit danach voran. Team Ghost, ein Delta Force Team der Armee, war unverzichtbar dabei, den Krieg zu gewinnen und die Geißel der Abartigen zurückzudrängen. Die Männer sind unter der Führung von Master Sergeant Joe »Fitz« Fitzpatrick nach wie vor im Einsatz. Seit acht Jahren führen sie Missionen in Feindgebiet aus, jagen Abartige und retten menschliche Gefangene.

Zu den weiteren Helden dieser Ära gehören Captain Reed Beckham und Dr. Kate Lovato. Mittlerweile sind sie verheiratet und leben mit ihrem Sohn Javier Riley, Master Sergeant Parker Horn und dessen Töchtern im Außenposten Portland, Maine.

Mit dem Ende der Amtszeit von Präsidentin Jan Ringgold steht eine Neuwahl bevor – die der Wahlkandidat und amtierende Vizepräsident Dan Lemke aufgrund der enormen Fortschritte der aktuellen Regierung mühelos gewinnen sollte. Das Land erholt sich allmählich, und abgesehen von vereinzelten Angriffen durch Abartige und Plünderer sind die Außenposten sicher.

Die überlebenden Abartigen und die menschlichen Überläufer bleiben im Schatten, verhungern und sterben nach und nach aus. Zumindest denkt das Militär das … In Extinction Cycle: Dark Age wird sich zeigen, wie falsch man mit dieser Vermutung liegt.

Bitte anschnallen, es geht mit dem nächsten Kapitel des Extinction Cycle zurück in die Welt der Abartigen und der Helden, die sich ihnen in den Weg stellen. Herzlich willkommen zurück an alle alten Leser. Ich bin so froh, dass ihr mich ermutigt habt, zu dieser Geschichte zurückzukehren. Ich verspreche, es wird aufregend, dafür sorgen neue Wendungen – und einige eurer Lieblingsfiguren sind auch wieder dabei!

Neue Leser laden wir herzlich ein, sich auf dieses postapokalyptische Abenteuer einzulassen. Wir hoffen, dass euch die wissenschaftlichen Aspekte, die Action und die Charaktere in diesem wachsenden Universum gefallen.

Vielen Dank euch allen fürs Lesen. Bitte meldet euch gern bei Tony oder bei mir, wenn ihr Fragen habt oder einen Kommentar loswerden möchtet. Unsere Kontaktdaten findet ihr hinten im Buch.

Alles Gute.

Nicholas Sansbury Smith, New York Times-Bestsellerautor von Hell Divers und The Extinction Cycle

Anthony J. Melchiorri, Bestsellerautor von The Tide.

Als Übersicht listen wir hier die Lesereihenfolge für die Welt des Extinction Cycle auf.

Staffel 1: The Extinction Cycle von Nicholas Sansbury Smith

Das Schlimmste der Natur und der Wissenschaft treibt die Menschheit in dieser preisgekrönten Bestseller-Reihe über die Mission eines Teams zur Rettung der Welt an den Rand der Ausrottung.

Vorgeschichte: Extinction Red Line

Buch 1: Verpestet

Buch 2: Mutierte Bestien

Buch 3: Krieg gegen Monster

Buch 4: Entartung

Buch 5: Von der Erde getilgt

Buch 6: Metamorphose

Buch 7: Am Ende bleibt nur Finsternis

Nebengeschichten zum Extinction Cycle

Das Universum des Extinction Cycle wächst mit Romanen, Novellen und Kurzgeschichten über heldenhafte Gefechte, die Verwandlung von Menschen in Bestien, hartgesottene Krieger, die gegen eine überwältigende Übermacht in den Kampf ziehen, und vielem mehr. All das stammt von einigen der führenden Stimmen des Genres postapokalyptischer Erzählungen. Diese Geschichten tragen sich während der ersten Staffel des Extinction Cycle zu.

Staffel 2: The Extinction Cycle: Dark Age von Nicholas Sansbury Smith und Anthony J. Melchiorri

Die Überlebenden dachten, der Zyklus der Ausrottung hätte geendet – aber in den Schatten lauern bösartige, intelligente Kräfte und schmieden Pläne, um den Zyklus wieder in Gang zu setzen und der Menschheit für immer den Garaus zu machen. Acht Jahre nach den Ereignissen von Buch 7: Am Ende bleibt nur Finsternis schließt sich Team Ghost mit neuen Helden zusammen und versucht zu retten, was von der Welt noch übrig ist.

Vorwort

von D. J. Molles,

New York Times-Bestsellerautor von Unter Toten

Vertrauen.

Müsste man in die Wildnis hinaus und sich dafür einen Führer aussuchen, würde man sich einen wünschen, dem man vertrauen kann. Man möchte sicher sein, dass er das Wetter präzise zu deuten vermag, die richtigen Wege auswählt und einen von A nach B bringt, ohne dass man von Stromschnellen mitgerissen oder von Wölfen gefressen wird oder giftigen Efeu als Klopapier benutzt.

Ein neues Buch in die Hand zu nehmen, ist so ähnlich. Man muss dem Autor so vertrauen, wie man einem Führer vertrauen würde. Man will sicher sein, dass der Autor seine Versprechen hält, einen in eine verrückte, von ihm erschaffene Welt eintauchen lässt, von A nach B bringt, dabei unterhält und ein paar Wendungen einbaut, damit es interessant bleibt.

Nicholas Sansbury Smith ist als ein solcher Führer ein Vollprofi, ein Veteran. Und die Wildnis, in die man sich begibt? Das Universum des Extinction Cycle. Die Reisegefährten? Team Ghost. Die Wege, die du beschreiten wirst? Haha! Es gibt da draußen keine Wege, Freunde. Diesmal stoßen wir in unbekannte Gefilde vor.

Extinction Shadow ist eine brandneue Fortsetzung der Bestsellerreihe Extinction Cycle. Und obwohl dich Smith in unbekanntes Terrain mitnimmt, kannst du dir sicher sein, dass er weiß, was er tut. Die Reise mag haarsträubend sein, aber er wird dich (größtenteils) in einem Stück ans Ziel bringen.

Wenn du zu Extinction Shadow greifst und bereits ein Fan der ursprünglichen Reihe bist, dann kannst du dich auf deine Lieblingscharaktere freuen – vielleicht ein Gebet für sie sprechen und dich an die schöne Zeit erinnern, die du beim Mitverfolgen ihrer Abenteuer in der anderen Reihe hattest. Mit dieser Reihe stürzt du dich mitten hinein ins Geschehen – Gnade gibt es keine, und die Überlebenschancen sind gering.

Keine Sorge, falls du völlig neu im Universum des Extinction Cycle bist! Du musst kein Experte für die Welt der ursprünglichen Reihe sein. Vertrau einfach deinem erfahrenen Führer. Durch eine Kombination aus rasanter Handlung, militärischem Realismus und glaubwürdiger Wissenschaft – was die Sache nur noch eine Spur gruseliger macht – liefert Smith sowohl für alte als auch für neue Leser ab.

Vertrau also deinem altgedienten Führer und begib dich in die Wildnis von Extinction Shadow. Aber vergiss nicht, rundum Ausschau zu halten. Und achte in der Luft auf den Geruch von faulendem Obst …

Viel Glück da draußen.

D. J. Molles, New York Times-Bestsellerautor der Reihe Unter Toten

1

Das Knistern eines Lagerfeuers war ein vertrautes Geräusch im Außenposten Turkey River. Da mittlerweile der Herbst angebrochen war, würde es noch häufiger zu hören sein. Der Rauch sollte Insekten fernhalten, was jedoch nicht immer funktionierte.

Master Sergeant im Ruhestand Cedric Long schlug nach einer Stechmücke an der Höhle, die früher sein linkes Auge beherbergt hatte. Prompt verschmierte er das verfluchte Vieh auf seiner Wange. Es war bereits randvoll mit Blut gewesen. Die winzigen Vampire erinnerten ihn an die Monster jenseits der Mauern. Die Monster, die ihm während des Krieges das Auge genommen hatten.

Abartige.

Die Folge eines Fehlschlags einer chemischen Waffe. Die ehemaligen Menschen, die sich in perfekte Raubtiere verwandelt hatten, würden viel Schlimmeres anrichten als ein Schwarm blutrünstiger Moskitos, sollten sie es in den Außenposten schaffen.

Aber das würde nicht passieren.

Nicht an diesem Abend und auch nicht an einem anderen Tag, an dem Cedric Wache hielt.

Der Außenposten Turkey River zählte zu den sichersten Gemeinden der nunmehr Alliierte Staaten genannten Nation – dank der Männer, die vor Cedrics Ankunft hier gedient hatten. Durch seine Gegenwart war der Ort nur noch stärker geworden.

Das hatte ihm Commander Justin Bell gesagt, und Commander Bell war kein Lügner. Mittlerweile ging Bell auf die 40 zu, doch während des großen Krieges gegen die Ausrottung, der vor acht Jahren geendet hatte, war er ein junger Mann gewesen. Die Monster, die tief in den ehemaligen Vereinigten Staaten von Amerika lauerten, waren ihm alles andere als fremd.

Der Befehlshaber hatte gekämpft und geblutet, um für die Sicherheit dieses Außenpostens zu sorgen.

Cedric kniff in der Dunkelheit die Augen zusammen. Seit über drei Monaten hatte kein Angriff stattgefunden. Er wusste, dass die Abartigen immer noch in den Schatten hausten. Sorgen bereiteten ihm jedoch vor allem Menschen.

Banditen. Plünderer. Überläufer.

Wie man diese Leute auch nannte, sie wollten sich lieber etwas nehmen, das ihnen nicht gehörte, statt dafür zu arbeiten. Und die Bösartigsten unter ihnen hatten sich mit den Abartigen verbündet.

Viele Außenposten hatten weniger Glück als Turkey River, wo es durch das fruchtbare Land reichlich frische Nahrungsmittel und klares Wasser gab. Durch die reichen Vorräte wurde der Ort zur Zielscheibe – und zu einem politischen Brennpunkt.

Präsidentin Jan Ringgold war vor einer Woche mit Vizepräsident Dan Lemke vorbeigekommen. Da ihre zwei Amtszeiten fast vorüber waren, kandidierte Lemke als ihr Nachfolger. General im Ruhestand Mark Cornelius, Lemkes Gegner und Vorsitzender der Freiheitspartei, hatte sich für einen Besuch in einer Woche angekündigt.

Cedric saß an einem Picknicktisch in der Mitte des Gemeindegebiets und genoss ein spätes Abendessen aus Kartoffelbrei, Mais, Brot und Wasser aus dem angrenzenden Fluss, dem die Gemeinde ihren Namen verdankte.

Zwei Pick-ups parkten auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Ladeflächen quollen beinahe über vor geerntetem Mais von den umliegenden Feldern. Die Lebensmittel innerhalb der Mauern reichten locker aus, um die 300 auf dem Areal lebenden Menschen zu ernähren. Der Löwenanteil an Getreide, Mais und Bohnen, die sie produzierten, wurde per Bahn zu den fast 100 anderen Außenposten in den Alliierten Staaten befördert.

Cedric dachte an die Massenmigration aus den westlichen Staaten zu Orten wie Turkey River vor mehr als acht Jahren. Damals hatte sich die Regierung auf Konsolidierung sowie Schutz und Wiederaufbau der Agrarindustrie im Mittelwesten und der Produktionsbetriebe an der Ostküste konzentriert.

Mittlerweile lebte der größte Teil der Bevölkerung in Gemeinden wie Turkey River. An den anderen Tischen um ihn herum aßen still die Familien derer, die diese Migration mitgemacht hatten.

Cedric saß allein und genoss seine Mahlzeit. Die Einsamkeit störte ihn nicht. Allerdings war es nicht immer so gewesen. In seinem früheren Leben hatte er sich auf gemeinsame Mahlzeiten mit seiner Frau und seinen Söhnen gefreut. Sie gab es inzwischen nicht mehr. Nur noch ihn. Abgesehen davon hatten die meisten Kinder hier Angst vor ihm und flüsterten hinter seinem Rücken über den »Piraten« mit der Augenklappe.

Auch das störte ihn nicht. Er war selbst mal ein Kind gewesen und konnte sich gut vorstellen, wie seine eigenen Jungs reagiert hätten. Sie hätten ihn mit seiner vernarbten Haut und dem fehlenden Auge vielleicht für ein Monster gehalten. Tatsächlich jedoch waren sie mit dem Wissen gestorben, dass es weitaus schlimmere Monster gab als einen entstellten alten Mann.

Die meisten der Kinder unter acht Jahren im Außenposten Turkey River hatten das Glück, dass sie noch nie die Kreaturen sehen mussten, gegen die Cedric gekämpft hatte. Bestimmt hörten sie die Schüsse und die einsamen Schreie von sterbenden Abartigen. Aber sie waren noch nie einem der von Schorf überzogenen, mit Fängen bewehrten Geschöpfe von Angesicht zu Angesicht begegnet.

Im Gegensatz zu seinen Söhnen.

Cedric verdrängte die schmerzlichen Erinnerungen. Seine Aufgabe bestand nicht mehr darin, Vater und Ehemann zu sein. Er war nur ein einfacher Soldat, der die Menschen beschützte, die hier lebten, und die Lebensmittel, die sie ernteten. Zumindest gab ihm das einen Sinn im Leben.

Eine Glocke bimmelte, als der Mond höher in den Herbsthimmel stieg. Cedric verschlang den Rest seines Abendessens. Er holte einen Flachmann aus seiner Schutzweste hervor und spülte es mit einem Schluck Whiskey hinunter.

Der Alkohol wärmte seine Eingeweide. Satt und entspannt stand er auf. Er griff sich seinen M4A1-Karabiner und trat mit einem halben Dutzend anderer Männer den Weg zur nächtlichen Patrouille an. Das Team war nur ein Rädchen im Getriebe der Sicherheitsvorkehrungen des Außenpostens.

Zwei Soldaten bemannten die Kampfposition mit dem M240 vor dem Rathaus. Wachen liefen auf Flachdächern auf und ab, die Waffen vor der Brust, während sie die Blicke über den schlafenden Außenposten wandern ließen. Wohin Cedric auch sah, die Soldaten wirkten entspannt.

Es gab hier draußen nicht viel, was für Aufregung sorgte.

Die meisten Männer hatten außer kleineren Geplänkeln mit Plünderern seit Jahren keine Action mehr erlebt.

Verdammt, es war der beste Posten in Cedrics Laufbahn. Seitdem das Blutervirus zum ersten Mal um die Welt gerast war, hatte er verschiedenste Aufgabengebiete gehabt, von einem Kreuzfahrtschiff, das im ersten Jahr des Ausbruchs im Atlantik kreuzte, bis hin zum Sicherheitsdienst im Weißen Haus, das ins Greenbrier Hotel übersiedelt war.

Cedric hatte sogar Captain Reed Beckham, dessen Frau Dr. Kate Lovato Beckham und deren gemeinsamen Sohn Javier Riley bewacht, als der Junge noch ein Kleinkind war. Als Cedric das Rentenalter erreicht hatte, wurde er hierher versetzt.

»Turkey River ist eine moderne Ruhestandsgemeinde, mein Freund«, hatte Beckham gemeint und Cedric mit seiner Handprothese auf die Schulter geklopft. »Reichlich zu essen, gute Nachbarn und so friedlich, dass man sich am Nachmittag tatsächlich ein wohlverdientes Nickerchen genehmigen kann.«

Präsidentin Ringgold hatte Cedric sogar persönlich für seine Dienste gedankt. In der Woche darauf war er in einen Zug nach Nord-Iowa gestiegen.

Feld der Träume schien gar nicht so weit weg von der Wahrheit zu sein.

Cedric spielte mit dem Gedanken, seinen Flachmann erneut herauszuholen und sich einen zweiten Schluck Whiskey zu gönnen. Aber er war alt und klug genug, um zu wissen: Das Böse schlief nie. Die Abartigen mochten in letzter Zeit nicht angegriffen haben, aber jenseits der Mauern, der Wachtürme, der Stacheldrahtzäune, der Sensoren und der Minenfelder lauerten sie nach wie vor dort draußen.

Und warteten …

Cedric setzte den Marsch über den Hauptplatz und vorbei an den Häusern und Geschäften fort. Wie in den meisten Außenposten gab es auch in diesem alles vom Gemischtwarenladen bis hin zum Postamt mit Solarzellen, die man auf den meisten Dächern montiert hatte. Er ging an beiden Gebäuden vorbei und begab sich auf den Bürgersteig, um auf der schmalen Straße den Platz für einen Pick-up freizugeben.

Eine sechs Meter hohe Stahlmauer umgab die kreisförmig angelegte Gemeinde. Cedric verließ sie durch ein Tor, das zu einer Brücke über einen Bach führte. Auf der anderen Seite warteten sechs Soldaten. Zwei Deutsche Schäferhunde saßen auf den Hinterbeinen und konnten es kaum erwarten, mit den Nasen an die Arbeit zu gehen.

»Abend, Sarge«, grüßte ihn ein Private namens Malcom.

»Abend«, gab Cedric zurück.

Die Männer machten sich auf den Weg. Sie alle kannten den Ablauf. Das Alpha-Team ging nach rechts, das Bravo-Team nach links. Jedes nahm einen Hund mit. Cedric bildete eine Ausnahme. Commander Bell hatte ihm als einer Art Einzelkämpfer eine eigene Route gegeben. Er marschierte auf die nächste Verteidigungslinie zu, mehrere Stacheldrahtzäune.

Auf der anderen Seite erfasste das Mondlicht ein Meer von Mais und Sojabohnen, gepflanzt in der fruchtbaren Erde jenseits der Minenfelder.

Das Tor an der Straße war geschlossen, da die Erntearbeiten für diesen Tag beendet waren. Niemand durfte nach Einbruch der Dunkelheit nach draußen, es sei denn, Commander Bell erteilte den Befehl dazu.

Wachtürme ragten über die Zäune auf, und Cedric hob die Hand in Richtung der Männer in Turm 4. Die beiden Soldaten dort waren ungefähr so alt wie er damals, als er vor über 40 Jahren ursprünglich in die Armee eingetreten war. Beide zu jung, um im Krieg gegen die Monster gekämpft zu haben.

Die Chancen standen gut, dass keiner der beiden je auch nur annähernd einem Abartigen von Angesicht zu Angesicht begegnet war. Cedric hingegen hatte Narben, die von seinen Kämpfen zeugten, darunter die leere Augenhöhle.

Er lächelte, als er daran zurückdachte, wie er die Bestie tötete, die ihm das angetan hatte. Wer hätte gedacht, dass eine Leuchtfackel so viel Schaden anrichten konnte, wenn man sie an der richtigen Stelle platzierte?

»Seht ihr mit Infrarot etwas?«, rief Cedric zu den Wachen hinauf.

»Negativ, Sarge, nur Hirsche.«

»Ach du Scheiße, dann sollten wir vielleicht jagen gehen«, gab Cedric zurück. Es war lange her, dass sie einen Hirsch auch nur aus der Ferne gesehen hatten. Wie die Menschen waren auch die Tiere von den Abartigen beinahe ausgelöscht worden.

Cedric setzte den Marsch entlang der Umzäunung fort, suchte die Umgebung auf der Außenseite nach aufblitzenden Bewegungen ab und schnupperte in der Luft nach dem Geruch von faulendem Obst, den die Bestien verströmten.

Die Abartigen hatten eine rasante Evolution und Anpassung auf ihrer Seite. Epigenetische Veränderungen hatten diese Ausgeburten der Hölle in perfekte Raubtiere verwandelt – sie konnten ihre Haut tarnen und im Dunkeln sehen. Einige hatten sich in Europa in furchterregende Kreaturen verwandelt, von gigantischen Käfern bis hin zu monströsen, fleischfressenden Würmern.

Die meisten dieser Bestien waren mittlerweile bloß noch Staub. Nur die erste Generation der Abartigen hatte die Munition und die Biowaffen überlebt, die von der Regierung entwickelt worden waren, um sie zu töten.

Amerika befand sich auf dem Weg zurück zur Normalität. Auch einige europäische Länder erholten sich allmählich. Über Südamerika, Afrika und Asien wusste Cedric zwar nicht viel, aber die spärlichen Neuigkeiten, die es nach Turkey River schafften, erfüllten ihn mit der Hoffnung, dass die Menschheit mit der Zeit zu voller Blüte wiederauferstehen würde.

Cedric ging eine Stunde lang, bis seine Gelenke allmählich zu schmerzen anfingen und die Kälte des Abends letztlich durch seine Kleidungsschichten drang. Er ließ das Gewehr auf dem Riemen hängen und rieb die Handschuhe aneinander.

Dann marschierte er weiter, ignorierte die Schmerzen im Kreuz und die hartnäckige Arthritis in den Fingern. Es machte ihm nichts aus, den Ruhestand mit dem zu verbringen, was er am besten konnte. Allerdings fragte er sich, wie viele Jahre ihm noch blieben, bevor ihn Commander Bell in irgendeinen langweiligen Wachturm versetzte.

Das wird so bald nicht passieren.

Als die Wirkung des Whiskeys nachließ, kroch ihm die Kälte in die Füße. Seine Zehen wurden nach und nach taub. Er fand einen Sitzplatz auf einer Schaukel, die am soliden Ast einer Eiche hing, überaus beliebt bei den Kindern, die im Ort lebten.

Cedric setzte sich und wackelte mit den Zehen, um das Blut zum Zirkulieren zu bringen. Er holte sein Funkgerät heraus und kontaktierte die Teams Alpha und Bravo. Beide hatten keinerlei Feindkontakt gesichtet. Als Nächstes ersuchte er um Berichte von den Wachtürmen.

Alles klar, lauteten die Rückmeldungen.

Eine weitere ruhige Nacht im Außenposten Turkey River.

Cedric stand auf und nahm den Weg zu seiner nächsten Zwischenstation in Angriff. Die Scheunen mochte er bei seinen Rundgängen immer am meisten.

Ein Farmer namens Will schlief auf einem Stuhl vor dem Scheunentor. Der Kopf war auf eine Schulter gesunken. Cedric räusperte sich und weckte den Mann.

Will schoss hoch und hob abwehrend eine Hand. »Was … Was ist los?«

»Bleib locker«, beruhigte ihn Cedric. »Ich schau nur nach dem Rechten.«

Will sah sich um, dann schien er sich zu entspannen und setzte sich wieder.

»Weiß deine Frau, dass du hier draußen bist?«, fragte Cedric.

Ein schiefes Grinsen breitete sich über Wills Züge aus. »Sie ist der Grund, warum ich hier draußen bin.«

Cedric schmunzelte. »Bist du wieder in die Hundehütte verbannt?«

»Besser als die Scheune, oder?« Will stand auf und streckte sich.

Cedric verkniff sich ein Lachen.

In einer so kleinen Gemeinde wusste jeder über die Angelegenheiten des anderen Bescheid. Daher galt es als gemeinhin bekannt, dass Will und seine Frau seit Monaten auf Kriegsfuß standen.

Ein Tumult aus den Pferchen lenkte Cedric ab, und Will begleitete ihn auf dem Weg zum Vieh. Die Tiere drängten sich alle in die Ecken ihrer Gehege.

Will spuckte einen Pfropfen Kautabak auf den Lehmboden.

»Was zum Teufel hat die denn so aufgescheucht?«, fragte er.

Cedric holte sein Funkgerät heraus. »Alpha, Bravo, tut sich bei euch was?«

»Negativ.«

»Negativ.«

Sämtliche Wachtürme meldeten dasselbe. Nichts auf Infrarot, keine Bewegung durch die Nachtsichtgeräte. Cedric wusste, dass sich die Abartigen manchmal der Erkennung entziehen konnten. Aber sie konnten weder den Minen noch den Zäunen ausweichen. Ebenso wenig waren sie gegen Kugeln gefeit.

Cedric richtete das Gewehr auf die Getreidefelder hinter den Stallungen und bedeutete Will mit einer jähen Kinnbewegung, dass er in die Sicherheit des umzäunten Areals zurückkehren sollte.

»Geh nach Hause zu deiner Frau und verriegelt die Türen«, sagte er.

Will entfernte sich rückwärts von der Scheune, stolperte beinahe, drehte sich um und rannte los. Die meisten Männer hätten dasselbe getan, Cedric jedoch spannte die Kiefermuskulatur an und suchte die Felder nach Monstern ab.

Mondlicht erhellte die weißen Rotorblätter zweier gewaltiger Windturbinen, die sich in der Ferne drehten und den Außenposten mit Energie versorgten, indem sie Windenergie nutzbar machten.

Sein Funkgerät knisterte an der Weste, als er nach Feinden Ausschau hielt.

»Master Sergeant, was ist da draußen los?«, ertönte die barsche Stimme von Commander Bell.

»Bin mir nicht sicher, Sir. Irgendwas hat die Tiere verschreckt.«

»Kommen Sie zu mir auf die Brücke«, antwortete Bell.

Cedric fluchte.

So viel zu einer ruhigen Nacht.

Er lief zurück in Richtung der Brücke.

Als sich das Tor öffnete, kamen zehn weitere Männer und drei Hunde heraus. Von der Ostseite des Außenpostens ertönte das kehlige Gebell der anderen Deutschen Schäferhunde bei den Teams Alpha und Bravo. Eine Leuchtrakete schoss in den Himmel, explodierte über den Getreidefeldern und tauchte sie in einen roten Schein.

»Alle, die nicht in einem Wachturm sind, zurückziehen zur Brücke«, befahl Bell über Funk.

In den Türmen wurden Suchscheinwerfer eingeschaltet. Die Strahlen wanderten über die Felder, über denen die Leuchtrakete detoniert war. Die Stängel raschelten im Wind.

Bell, einen guten Kopf größer als fast jeder Mann auf der Brücke, trat vor die Gruppe hin. Alle fünf Hunde knurrten. Ihr Fell sträubte sich zu Borsten.

Cedric straffte den steifen Körper.

»Zeig dich, du verseuchter Mistkerl«, murmelte Bell.

Der Scheinwerfer von Turm 4 strich über das Feld. Cedrics Auge bewegte sich mit dem Licht. Der Wachmann hielt den Strahl plötzlich über einer Stelle des Maisfeldes an. Kurz darauf kehrten die Teams Alpha und Bravo mit ihren Hunden zurück.

»Commander, ich hab ’ne Wärmesignatur im Nordwesten, nahe dem Bereich, in dem ich vorhin einen Hirsch gesichtet hab«, ertönte die Stimme von Isaac in Turm 4. »Bin nicht sicher, was es ist.«

»Können Sie schießen?«, gab Bell zurück.

»Sir … ist ziemlich weit draußen.«

Bell kehrte zu den Männern auf der Brücke zurück. »Macht euch bereit. Ich will, dass ein Team mit Hunden rausgeht und nachsieht, sobald es tot ist«, sagte er. »Wenn’s ein Abartiger ist, lasst ihr ihn dort. Dann versuchen wir morgen früh herauszufinden, woher er gekommen ist.«

»Und wenn’s Wild ist?«, fragte Cedric.

»Dann kriegen wir ein feines Hirschsteak«, erwiderte Bell.

Bei der Äußerung schien sich die Stimmung der anderen Männer zu bessern.

»Geben Sie den Schuss ab, T4«, ordnete Bell über Funk an.

Ein Knall zerriss die Stille der Nacht.

Krähen stoben überall um das Gelände herum auf. Einen unheimlichen Moment lang bildete das Krächzen der Vögel das einzige Geräusch weit und breit.

»Ziel am Boden«, meldete Isaac über Funk.

»Guter Schuss, T4«, lobte Bell. Er ließ den Blick erneut über die ihn umstehenden Soldaten wandern. »Wer geht raus, um nachzusehen?«

Cedrics Hand schoss in die Höhe. »Ich gehe, Sir.«

»Wer noch?«, fragte Bell.

Die Männer mieden seinen Blick und sahen beschämt auf den Boden. Cedric konnte ihnen keinen Vorwurf daraus machen. Schon ein Abartiger genügte, um ein Team von Grünschnäbeln zu erledigen, und vermutlich fürchteten sie, dass sich da draußen mehr Bestien herumtreiben könnten.

»Malcom, Agan, Kelly, ihr begleitet Cedric. Nehmt zwei Hunde mit. Der Rest von euch zieht sich in die Anlage zurück«, ordnete Bell an.

Cedric führte die drei anderen Soldaten über die Brücke. Die Hunde zogen an den Leinen die Straße hinunter zum Haupttor. Sie blieben stehen, als sie den Wachturm erreichten, der das Minenfeld hinter dem Tor überblickte.

»Bist du sicher, dass du das Ziel erwischt hast?«, rief Cedric hinauf.

Isaacs Kopf tauchte oben auf. »Es rührte sich nicht, Sarge.«

Cedric blickte die Straße hinab, die durch die Maisfelder verlief. Ein Schauder ging durch seinen Körper. Er schrieb es der Kälte zu, sorgte sich jedoch, dass es Angst sein könnte.

»Weiter, Cedric«, befahl Bell. »Führen Sie Ihr Team raus und sehen Sie nach, was da los ist.«

»Ja, Sir«, erwiderte Cedric.

Sie entriegelten das Haupttor und schoben es auf.

Cedric führte das Team nach draußen und hörte, wie sich das Tor mit einem Klicken hinter ihnen schloss.

»T4, gib Bescheid, wenn sich die Wärmesignatur bewegt«, verlangte er über Funk.

»Verstanden«, meldete Isaac zurück.

»Gefechtsabstände, wachsam bleiben«, sagte Cedric. Dann trat er den Weg auf die Straße mit den Hunden an beiden Seiten an. Sie schnupperten am Boden und in der Luft, während ihre Schnauzen nach dem Gestank der verseuchten Bestien suchten, der an faulende Zitronen erinnerte.

Cedric hielt Ausschau nach Bewegung. Außer dem Wogen der Getreidestängel im Wind sah er nichts. Sie brauchten nur wenige Minuten zu dem Bereich, den der Scheinwerfer von Turm 4 erfasst hatte.

Das Team hielt vor der Reihe der Maispflanzen. Keiner der Hunde fletschte die Zähne oder knurrte.

Vielleicht wirklich bloß ein Hirsch, dachte Cedric. Er setzte das Gewehr an der Schulter an. Die anderen drei Soldaten folgten seinem Beispiel, richteten die Mündungen auf den Mais.

»Ich geh da nicht rein«, flüsterte Malcom.

Cedric spielte mit dem Gedanken, dem jungen Soldaten zu befehlen, sich zusammenzureißen und trotzdem reinzugehen. Stattdessen jedoch sagte er: »Dann bleib auf Position.« Er konnte kein verängstigtes Kind gebrauchen, das im Dunkeln hinter ihm Projektile abfeuerte.

Der böige Wind nahm zu, während sie dort standen. Er wehte heftig durch die Felder und drehte die Windturbinen schneller. Die Äste der Eichen in der Ferne schwankten und knarrten.

»Seht ihr das?«, fragte Kelly leise. Er zeigte auf die Spitzen der Stängel, die sich zu teilen schienen, als bewegte sich etwas zwischen ihnen hindurch.

»T4, hast du was auf Infrarot?«, fragte Cedric.

»Negativ.«

»Irgendetwas kommt da …«, sagte Kelly.

Cedric hob eine Hand. »Nicht schießen.«

Der Wind beruhigte sich, und die Maisstängel richteten sich auf.

»Ich geh rein«, kündigte Cedric an. »Agan, hast du den Mumm, mir zu folgen?«

Der große Mann nickte und betrat hinter Cedric das Feld. Sie ließen sich vom Scheinwerferlicht leiten. Die Stängel streiften kratzend ihre Haut am Hals und im Gesicht.

Durch die Lücken dazwischen sichtete Cedric etwas, das unter dem Schein des Lichts in Embryonalhaltung auf dem Boden lag.

Er richtete die Mündung seiner Waffe darauf und legte den Zeigefinger auf den Abzug.

Ein plötzliches Kreischen in der Ferne ließ ihn zusammenzucken.

»Da draußen ist noch einer«, flüsterte Agan.

Cedric bewegte sich auf die im Dreck liegende Gestalt zu. Seine Eingeweide krampften sich zusammen. Es handelte sich nicht um eine der Kreaturen – sondern um einen verdreckten Menschen. Blut hatte die Erde durchtränkt, aber der Mann schien noch am Leben zu sein, denn seine Rippen hoben und senkten sich langsam.

Agan ließ das Gewehr sinken.

Cedric setzte dazu an, über Funk Meldung zu erstatten. Ein weiteres schrilles Geheul hallte durch die Nacht.

Der Ruf eines Monsters.

»Hilf mir mit ihm«, sagte Cedric.

Gemeinsam trugen die beiden Soldaten den Verletzten zurück zur Straße, wo Malcom und Kelly mit den Hunden standen. Die Tiere kauerten dort mit dem Schwanz zwischen den Beinen.

»Reißt euch zusammen«, befahl Cedric den anderen Männern. »Da draußen ist nur eine dieser Kreaturen, und wir sind zu viert. Wenn ihr wegrennt, geht ihr drauf.«

»Scheiß drauf, das Risiko geh ich ein«, sagte Kelly.

Damit ließ er die Hundeleine los und machte sich aus dem Staub.

Aus dem Funkgerät drangen knisternd verwirrte Stimmen. Cedric ignorierte sie, als sie den Verwundeten vorsichtig hinlegten.

»Er ist schwer verletzt«, meinte Agan.

Ein weiteres Kreischen ertönte, diesmal aus der entgegengesetzten Richtung.

Da ließ sie auch Malcom im Stich und lief hinter Kelly her.

Die beiden zurückgebliebenen Hunde knurrten und bellten wild.

Schüsse knallten durch die Nacht. Aus dem Funkgerät dröhnten explosionsartig panische Stimmen.

»Agan, gib uns Rückendeckung«, sagte Cedric.

»Okay, Sarge.«

Cedric bückte sich und drehte den Mann vorsichtig um. Blut bedeckte seine Seite. Die Kugel hatte ihn knapp unter den Rippen getroffen. Der Unbekannte war jung, vielleicht Mitte 30 – Schlamm verkrustete seine Züge dermaßen, dass es sich schwer abschätzen ließ.

Cedric wusste, dass sie ihn nicht zurücktragen konnten. Aber er würde ihn auch nicht hierlassen. Sie mussten ihn auf die Beine hieven und bewegen.

Er schlug dem Mann mit einer behandschuhten Hand auf die Wange und versuchte ihn zu Bewusstsein zu bringen. Der Unbekannte zuckte vor Schmerz zusammen und atmete schwer.

»Du musst aufstehen«, sagte Cedric. Er presste eine Hand auf die Wunde und schaute zu Agan hoch.

»Du gibst uns auf dem Weg zurück zum Tor Deckung«, ordnete er an.

Agan nickte sofort.

Als Cedric dem Verwundeten auf die Beine helfen wollte, packte der Mann sein Handgelenk und drückte fest zu. Seine Augen wurden groß, als hätte ihn Wahnsinn umfangen.

»Es ist zu spät …«, murmelte er. »Ihr könnt nicht dorthin zurück …«

Weitere Schüsse fielen, und das Kreischen eines zweiten Abartigen ertönte.

Dann setzten die Schreie ein.

Cedric warf einen Blick über die Schulter zum Tor, wo Malcom und Kelly immer noch darauf warteten, wieder hineingelassen zu werden. In der Ferne detonierte eine Landmine. Die Explosion dröhnte wie die einer Granate.

Als Cedric zurück zu den beiden Soldaten am Tor schaute, waren sie verschwunden. Schatten rasten mit ihnen ins Feld. Ein menschlicher Schmerzensschrei erhob sich wie das Geheul des Windes.

Agan bewegte sich rückwärts. »Sarge«, flüsterte er.

Zwei Abartige kletterten an Turm 4 hinauf. Sie griffen aus entgegengesetzten Richtungen hinein und überraschten Isaac und den anderen Wachmann.

Die Bestien rissen die Soldaten heraus und warfen sie ins Minenfeld auf der anderen Seite des Zauns. Ein weiterer dumpfer Knall ertönte, als die beiden Männer in Stücke gesprengt wurden.

Die Bestien kletterten höher auf den Turm, bevor sie sich auf der Spitze hinkauerten. Dünne Haare wehten auf der bleichen Haut der Kreatur auf der linken Seite. Der Form der nackten Brust nach handelte es sich um ein Weibchen. Das Männchen auf der anderen Seite legte den Kopf in den Nacken und stimmte Geheul an.

Mehrere andere Abartige antworteten auf den Ruf.

»Wir müssen weg«, murmelte der Verwundete.

Cedric befreite sich aus dessen Griff und richtete sich auf. Im Inneren der Anlage kletterten Dutzende Monster auf die Dächer.

»W-wie …«, stammelte er. »Wie haben Sie es nach drinnen geschafft?«

»Ich bin von draußen gekommen … um zu warnen …« Der Verletzte zeigte in die entgegengesetzte Richtung des Außenpostens. »Ich wollte euch warnen«, wimmerte der Mann.

Cedric zögerte, während er versuchte, die Lage zu verarbeiten. Der Mann musste einer der Siedler sein, die versuchten, sich unabhängig von den Außenposten durchzuschlagen.

»Sarge, was machen wir?« Agans Stimme kippte vor Angst.

Die beiden Schäferhunde nahmen Reißaus und liefen in die Felder, so schnell sie konnten.

Von Grauen zeugende Schreie erfüllten die Nacht. Cedric malte sich aus, wie die Ungeheuer durch den Außenposten wüteten und die Menschen im Inneren der Anlage verschlangen.

»Sarge«, drängte Agan. »Was sollen wir tun?«

Zum ersten Mal in seiner Laufbahn tat Cedric, wofür er andere Männer immer verurteilt hatte. Er wandte sich vom Kampfgeschehen ab und folgte den Hunden in die Dunkelheit.