Klaus-Peter Wolf
Ostfriesensturm
FISCHER E-Books
Klaus-Peter Wolf, 1954 in Gelsenkirchen geboren, ist freier Schriftsteller und lebt mit seiner Frau, der Kinderbuch-Autorin und Liedermacherin Bettina Göschl, in Norden, in der Stadt, in der auch seine Kommissarin Ann Kathrin Klaasen lebt. Seine erste Geschichte schrieb er mit 8 Jahren und verkaufte sie sofort für zehn Pfennig. Er hat zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhalten, seine Bücher wurden insgesamt über 13 Millionen mal verkauft und in 26 Sprachen übersetzt, die Verfilmungen der Ann-Kathrin-Klaasen-Romane sind Quoten-Renner zur besten Sendezeit. Klaus-Peter Wolfs Romane sind nicht nur spannende Erzählungen, sondern auch Röntgenbilder einer Gesellschaft, oft liegen Gut und Böse sehr nah beieinander und sind nicht immer eindeutig zu trennen. Als Schirmherr für den Förderverein Stationäres Hospiz Norden e.V. engagiert er sich ehrenamtlich. Wenn der Autor nicht am nächsten Roman schreibt, dann kann man ihn in seiner neuen Rolle als Teebotschafter und ehrenamtlicher Tortentester vor Ort in Norden treffen.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
In einer leerstehenden Ferienwohnung auf Wangerooge wird die Leiche eines Mannes gefunden. Die Tötungsart lässt vermuten, dass hierfür das organisierte Verbrechen verantwortlich ist, ein Verdacht, der Ann Kathrin Klaasen und ihr Team sofort in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Nur kurz darauf geschieht ein weiterer Mord in einem Tierpark. Nachdem alle Touristen Ostfriesland verlassen mussten, durchsucht die Polizei unter Hochdruck leer stehende Ferienwohnungen. Ein Auftragskiller in Ostfriesland? Wo versteckt er sich? In ihrem 16. Fall ermitteln Ann Kathrin Klaasen, Frank Weller, Rupert und das gesamte Team aus Norden unter noch nie dagewesenen Bedingungen.
»Da trifft Krimi auf Psychothriller und Gesellschaftsroman...« Elisabeth Höving, WAZ
Originalausgabe
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2022 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstraße 114, 60596 Frankfurt am Main
Coverabbildung: Martin Stromann/Ostfrieslandbild/SKN
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-491192-2
Wenn man zwischen sich und der Hektik der Welt mal die Tür zumachen will, braucht man nicht unbedingt eine Tür. Manchmal tut es auch eine Bank am Meer … meine steht gerade in Norddeich…
Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen, Kripo Aurich, Mordkommission
»Manche sehen mit Maske einfach besser aus als ohne …«
Hauptkommissar Rupert, Kripo Aurich, Mordkommission
»Wir sind analoge Kämpfer in einer digitalen Welt. Aber wir können unseren Instinkten vertrauen. Das haben wir den anderen voraus.«
Hauptkommissar Frank Weller, Kripo Aurich, Mordkommission
Es war ein triumphales Gefühl, als ihre schlimmsten Albträume Wirklichkeit wurden. Jetzt war sie nicht mehr die Gestörte. Die lebensuntüchtige Angstpatientin. Nun waren ihre Therapeuten die Dummen, denn sie hatte recht behalten.
Stolz betrachtete Anke Reiter ihre rissigen Finger. Nie wieder würde sie sich dafür schämen müssen. Vorbei das klammheimliche Verstecken der Hände.
Von wegen Zwangsstörung! Darüber konnte sie nur noch lachen.
Ihr Ehemann, ihre Eltern, ihre Schwester Sabine und drei Therapeuten hatten versucht, ihr einzureden, sie lebe in einer Welt, die es gar nicht gäbe.
Sie hatten sich so viel Mühe gegeben und ihr Brücken gebaut, in die sorglose Spaßgesellschaft überzuwechseln, in der sie alle zu leben glaubten.
Ihr Mann verkaufte Versicherungen gegen jede Gefahr des Lebens. Als könne man sich mit Geld freikaufen! Für sie war das alles Lug und Trug.
Jetzt befanden sie sich endlich alle in ihrer Welt.
Herzlich willkommen!
Jetzt war sie nicht mehr verrückt, sondern im Nachhinein betrachtet nur klug und vorausschauend. Jede Tagesschau gab ihr recht. Plötzlich war sie nicht mehr krank, sondern die Gesellschaft.
Ihre schlimmsten Befürchtungen waren inzwischen wissenschaftlich bewiesen worden. Es war wie eine Erlösung für sie, als hätte sie die Angst für alle anderen spüren müssen, so, wie der einzig Sehende in einer Gruppe Blinder auf die Gefahren des Weges aufmerksam machen muss.
Die Panikattacken, die Angst vor der Angst, das alles war wie verflogen. Jetzt waren die anderen dran, Schiss zu haben. Ihr ging es zunehmend besser.
Sie fühlte sich innerlich stark genug, das Haus zu verlassen, Auto zu fahren, ja, eine Fähre zu betreten, ohne vorher Tabletten einzuwerfen.
Neuerdings war sie, Anke Reiter, die Starke! Die Visionärin! Nie wieder würde ihr Mann sie blöd anmachen, weil sie Vorräte angelegt, Seife, Klopapier, Nudeln und Konserven gebunkert hatte.
Sie hatte den Keller ganz allein umgebaut. Sven fand die Regale überproportioniert. »Das alles ist viel zu groß«, sagte er immer wieder kopfschüttelnd. »Das ist kein Vorratsraum, das ist ein Katastrophenschutzprogramm.«
Die Tage, an denen sie einfach so, ohne große Probleme, einkaufen gehen konnte, waren mit den Jahren immer seltener geworden. Das machte die Bevorratung schwierig. Vieles hatte sie online bestellt und Svens milden Spott ertragen. Jetzt wäre er froh gewesen, wenn sie jederzeit Zugang zu dem Keller gehabt hätten, den er mit zynischem Gesichtsausdruck »deinen eigenen Supermarkt« genannt hatte. Doch nun saßen sie hier in Norddeich fest, als Gefangene in ihrer eigenen Ferienwohnung. Nun, da sie das Gefühl hatte, endlich frei zu sein und überall hingehen zu können, fürchtete er sich rauszugehen. »Um Himmels willen«, hatte er gerufen und statt aus dem Fenster zu sehen, nur auf sein Handy gestarrt. Es war neuerdings zu einer Art Gebetbuch geworden. Zu einem Orakel, das in unsicherer Zeit die Zukunft weissagen sollte, wobei niemand sagen konnte, wie es wirklich weitergehen sollte.
Wissenschaftler, die nichts wussten, hatten die Regierung übernommen. Blasse, übermüdete Menschen, die ihre Ahnungslosigkeit zum Prinzip erhoben, äußerten Mutmaßungen wie mathematische Gleichungen.
Ironischerweise war der Himmel wolkenlos und lud zu Spaziergängen am Deich ein. Die Nordsee hatte alles Wilde, Ungestüme verloren, ja war fast zu einem Teich geworden. Dabei hatte das Jahr stürmisch begonnen. Ein Orkantief namens Sabine hatte den Kindern schulfrei beschert und den gesamten Bahnverkehr lahmgelegt. Es hieß ausgerechnet Sabine!
Auf Wangerooge war der Strand komplett weggespült worden. Svens Lieblingsinsel hatte es schwer getroffen. Er hatte sogar hundert Euro gespendet, weil die kleine Inselgemeinde nicht in der Lage war, die gewaltigen Kosten allein zu stemmen.
Sie erkannte im Sturmtief Sabine das erste Zeichen. Ihre Ängste wurden Wirklichkeit. Sie hatte sich geweigert, Zug zu fahren. Immer schon! Sie misstraute Menschenmassen und wollte sich nicht in die Abhängigkeit eines anonymen Fahrplans begeben. Im Zug, im Flugzeug oder auf einem Schiff hatte sie nichts mehr in der Hand, war abhängig von dem, was andere taten. Sie ertrug es nicht, so ausgeliefert zu sein. Da war ihr das Auto schon lieber.
Sie stellte sich ihren Wagen vor wie ein Teil ihrer Wohnung, wie ein Zimmer mit Fenstern und Türen. Dort roch es auch nach ihr. Es kamen nicht plötzlich fremde Menschen herein wie in ein Zugabteil. Nur so war es ihr überhaupt möglich gewesen, mit Sven zusammen die Ferienwohnung zu kaufen.
Ein Hotel ging für sie gar nicht. Urlaub auf Balkonien war für sie jahrelang die einzige Möglichkeit. Aber dann hatte sie es geschafft, eine Ferienwohnung in Norddeich als Teil ihres Zuhauses anzuerkennen. Dort musste die gleiche Bettwäsche sein wie in Gelsenkirchen. Selbst das Geschirr war von zu Hause. Die Gardinen ebenfalls. Von ein paar vertrauten Möbelstücken hatte Sven Doubletten organisiert. Das war nicht schwer. Das meiste hatten sie ja bei IKEA gekauft. Das Wohnzimmer in Norddeich unterschied sich kaum von dem in Gelsenkirchen, nur dass sie hier eben näher am Meer waren und manchmal Möwen auf der Fensterbank saßen.
Die Autobahnfahrt war trotzdem jedes Mal ein großes Problem für sie. Sven tankte den Wagen zu Hause voll und fuhr dann, ohne anzuhalten, bis vor die Tür der Ferienwohnung. Einmal – vor gut einem Jahr – hatte er auf einem Autobahnrastplatz gestoppt, um zum WC zu gehen. Sie hatte fast einen Schreikrampf bekommen. Es war ganz fürchterlich für sie gewesen. Das sollte nicht noch einmal vorkommen!
Sie tranken während der Fahrt nichts. Niemals. Obwohl sie natürlich zu ihrer eigenen Sicherheit immer mindestens drei Liter Wasser dabeihatte. Doch der Vorrat wurde nicht angetastet.
Sie redeten kaum. Das Radio lief, und sie brachten es einfach so schnell wie möglich hinter sich. Während der Fahrt bekam sie mehrmals Hitzewallungen und schwitzte zwei-, dreimal alles durch.
Sie wusste, dass Sven es nicht leicht mit ihr hatte, aber er ertrug alles. Er versorgte sie, wenn sie es nicht schaffte, einzukaufen, und freute sich wie ein Schneekönig, wenn sie an einem guten Tag mit ihm über den Dörper Weg bummelte und ein Eis bei Riva mit ihm aß. Sie konnten dort im Strandkorb sitzen. Das gab ihr Sicherheit. Strandkörbe halfen ihr, innere Ruhe zu finden.
Sie wusste, was sie an Sven hatte. Ohne ihn hätte sie gar nicht so leben können. Sie belohnte ihn dafür mit sexuellen Dienstleistungen, die bei ihm keine Wünsche offen ließen. Er glaubte, er habe eine leidenschaftliche Frau, aber manchmal kam es ihr so vor, als spiele sie alles nur. Was sie wirklich empfand, hielt sie geschickt zurück. Manchmal war es Widerwillen. Nicht selten sogar Ekel. Dann wieder kam ihr alles echt vor, toll und genau richtig. Plötzlich, aus heiterem Himmel, kamen dann die Attacken zurück. Nackte Panik sperrte sie ins Haus ein. Unmöglich, die Wohnung zu verlassen. Allein beim Gedanken daran wurde ihr schwindlig.
Mit ihren Kochkünsten hätte sie mühelos alle Kandidaten beim Perfekten Dinner überflügeln können. Sie sah die Sendung oft und wusste, dass sie besser war, aber sie hätte es nicht ausgehalten, ein Kamerateam in ihre Küche zu lassen und dazu noch Gäste ins Wohnzimmer. Und noch schlimmer – sie wäre niemals in eine fremde Wohnung gegangen, um dort mit fremden Leuten zu essen. Nein. Das konnte niemand von ihr verlangen.
Sven hatte immer wieder lange Radtouren nach Lütetsburg, Greetsiel oder Neßmersiel gemacht, während sie in der Wohnung saß und dicke Romane las, Socken strickte oder Kochrezepte ausprobierte.
Das mit den Radtouren war nun vorbei. Der Aufenthalt in ihrer Ferienwohnung war inzwischen illegal geworden. Sie hatten die letzte Aufforderung, alle Zweitwohnungsbesitzer und Feriengäste hätten die ostfriesischen Inseln und das Festland zu verlassen und nach Hause zu fahren, ignoriert. Nein, sie wollte nicht zurück nach Gelsenkirchen. In ihrem Haus in der Bochumer Straße gab es acht Mietparteien. Zwei standen unter Quarantäne. Sie wollte nicht in das Haus zurück. Wollte die Türklinken nicht anfassen, die Luft nicht einatmen. Nein, sie würde hierbleiben, ganz klar. Hier fühlte sie sich sicher.
Lange Zeit, viele Jahre, war die Wohnung im dritten Stock in der Bochumer Straße ihre feste Burg gewesen. Ihr letzter Schutzort. Jetzt hatte dieses Scheißvirus ihr auch das kaputt gemacht.
Von der Idee der niedersächsischen Landesregierung, die Touristen aus Ostfriesland zu verbannen, fühlte sie sich zunächst gar nicht betroffen. Aber plötzlich ging es nicht nur um Touristen, Hotel- und Pensionsgäste, sondern auch um Zweitwohnungsbesitzer.
Sie hatte ein hartes Nein dazu. Sie wollte sich von hier nicht vertreiben lassen. Irgendeinen sicheren Ort brauchte doch jeder Mensch, und sie ganz besonders.
Mit Clemens und Christina Wewes, den Hausbesitzern, von denen sie die Ferienwohnung vor zwei Jahren gekauft hatten, waren sie praktisch befreundet. Die zwei waren sofort hilfsbereit gewesen und hatten die Garage geräumt, damit Sven ihren Wagen darin parken konnte. Sonst stand der immer auf einem der zwei Parkplätze direkt vor dem Haus. Doch ein Auto mit Gelsenkirchener Kennzeichen kam in diesen Zeiten in Ostfriesland nicht gut an. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Polizei geklingelt hätte.
Der Ostfriesische Kurier mit der Überschrift Inseln greifen durch lag auf dem Tisch.
»Touristen und Vermieter machen sich ab Montag strafbar, wenn sie weiter in ihrem Urlaubsgebiet bleiben oder Urlauber beherbergen«, hatte sie ihrem staunenden Sven vorgelesen.
Es gab noch mehr Informationen in der Zeitung, die sie vor kurzem für völlig undenkbar gehalten hätte. Die Sparkasse hatte ihre Filialen geschlossen. Restaurants und Cafés mussten dichtmachen. Dabei stand in derselben Zeitung, in der die verschärften Maßnahmen angekündigt wurden, dass es keine Neuerkrankungen gäbe. 27 Personen im Landkreis Aurich waren positiv getestet worden. 187 weitere standen unter häuslicher Quarantäne.
Der Sohn der Wewes, Niklas, hatte sich sogar angeboten, für sie einkaufen zu gehen, weil Fremde in diesen Zeiten rasch auffielen. Einerseits dachte Anke, ja, so nett sind die Ostfriesen, bieten gleich ihre Hilfe an. Andererseits gefiel ihr das Wort Fremde nicht. Sie wollte keine Fremde sein. Nicht hier, wo sie gerade begann, sich heimisch zu fühlen. Sie hatte so sehr darum gerungen, sich diesen Ort zu eigen zu machen.
Sie hatte Kaffee aufgebrüht und aus gefrorenen Beeren mit ihrem Pürierstab ein Eis gemacht. Sven mochte Eis. Ihr selbstgemachtes besonders gern. Er schlürfte seinen Kaffee und sagte: »In Gelsenkirchen haben wir den Keller voll, und hier muss einer für uns heimlich einkaufen gehen …«
Sie hatte ihn lächelnd beruhigt: »Nur frische Sachen. Alles andere habe ich …«
Er winkte ab: »Ich weiß.«
Natürlich gab es hier nicht halb so viele Lebensmittel wie im Keller in Gelsenkirchen-Ückendorf, aber trotzdem immer noch genug. Zwölf Stücke Seife hatte er allein gestern gezählt. Nirgendwo gab es noch Desinfektionsmittel zu kaufen. Die Regale waren leer geräubert. Aber seine Frau hatte noch zwei Dutzend 500-ml-Flaschen in der Bochumer Straße und sechs hier.
Er hatte ihr etwas zu sagen, das spürte sie wie einen heraufziehenden Ehekrach. Er bewegte dann immer den Kopf so komisch, als hätte er sich den Hals verrenkt. »Ich muss«, sagte er mit Bedauern in der Stimme, »nach Gelsenkirchen zurück. Ins Büro.«
»Aber«, wandte sie ein, »du kannst doch Home-Office machen, wie alle …«
Er schüttelte den Kopf. Er hatte weiße Haare, die ihn nicht alt aussehen ließen, sondern reif und attraktiv.
»Es gibt ein paar Dinge, die ich nur im Büro regeln kann. Als Selbständiger …«
Sie vollendete den oft gehörten Satz für ihn: » … arbeitet man selbst und ständig.«
Er lachte, als hätte er den Spruch gerade zum ersten Mal gehört. Das hatte aus ihm einen erfolgreichen Versicherungsmakler gemacht. Er konnte zuhören, über Witze lachen, die er schon rückwärts furzen konnte, und wenn er eine dumme Frage zum tausendsten Mal beantwortete, dann tat er es so, als sei ihm selten eine intelligentere Frage gestellt worden und er müsse über die Antwort tatsächlich noch nachdenken.
Er breitete die Arme großzügig aus und machte ihr ein Angebot, von dem er wusste, dass sie es ablehnen würde: »Du kannst natürlich mitkommen …«
»Nein«, wehrte sie ab, »nein, ganz sicher nicht.«
Ihr war mulmig zumute bei dem Gedanken, alleine hier in der Ferienwohnung zu bleiben, als unerwünschte Person in Ostfriesland. Aber wenn jemand sich darauf verstand, sich einzuigeln und tot zu stellen, dann sie.
»Clemens und Christina sind ja da«, sagte er.
»Mach dir um mich keine Sorgen. Ich komme schon klar. Ich mache niemandem auf und rede mit niemandem. Ich treffe keine Leute und gehe nicht raus … Ich tue im Grunde alles, was unsere Regierung gerade von uns verlangt …«
Er gab ihr nicht ganz recht: »Ja«, sagte er vorsichtig, »außer, dass du hierbleibst, was du nicht darfst, machst du wirklich alles richtig.«
Sie widersprach: »Die Wohnung gehört uns. Wir haben sie gekauft, und wir zahlen hier Zweitwohnungssteuer. In diesem Staat ist die Freizügigkeit ein hohes Gut. Jeder darf gehen, wohin er will und sich gewaltfrei überall versammeln.«
Er lachte: »Das musst gerade du sagen!«
»Ach, ist doch wahr«, schimpfte sie. »Das ist der Weg zurück in die Kleinstaaterei. Wo kommen wir denn hin, wenn jeder Landrat das Grundgesetz außer Kraft setzen darf?«
Sie hörte sich selbst gern so reden. Sie klang dann angstfrei. Mehr noch: mutig.
»Es gibt Tote«, sagte er trocken. »Der Kampf gegen dieses Virus ist wie Krieg führen.«
Sie schüttelte sich. »Ich will nichts davon hören.«
Er trank den Kaffee aus und bat sie noch um ein weiteres Eis. Er tat es mehr, um ihr einen Gefallen zu tun. Er wusste, wie gut es ihr tat, wenn er mochte, was sie zubereitet hatte.
»Ich werde in zwei, höchstens drei Tagen zurück sein, Schatz.«
»Ich komme schon klar«, erwiderte sie, und es hörte sich für ihn ein bisschen so an, als würde sie genau das Gegenteil davon glauben. Trotzdem war er erleichtert. Er hatte befürchtet, sie könnte ein großes Drama daraus machen. Das war zum Glück nicht geschehen.
Er hatte nicht vor, ins Büro zu fahren, aber das würde sie nicht herausfinden, denn, da war er ganz sicher, sie würde diese Ferienwohnung nicht verlassen.
Dieser Märzmorgen war erfrischend kalt und wolkenlos. Ann Kathrin Klaasen und ihr Mann Frank Weller gingen auf der Deichkrone spazieren. Ann Kathrin genoss den Blick rüber zu den Inseln nach Juist und Norderney. Die Luft war so klar, dass die Inseln scheinbar näher ans Festland rückten. Es sah aus, als könne man ganz einfach dorthin schwimmen oder bei Ebbe hinlaufen. Die tödlichen Gefahren verbarg die stille Nordsee.
Weil es so menschenleer war, beschlich Weller das kindliche Gefühl, alles würde ihm gehören. So, dachte er, müssen Könige empfinden oder Gutsbesitzer, wenn sie auf ihre Ländereien blicken.
Die Windstille machte die Vogelstimmen umso erlebbarer. Die Vögel hatten sich viel zu erzählen, und es lag auch Streit in der Luft, das hörte er deutlich heraus. Weller fragte seine Frau: »Was fressen unsere an Pommes und Eiswaffeln gewöhnten Möwen eigentlich, wenn keine Touristen da sind und alle Fisch- und Bratwurstbuden geschlossen haben?« Er deutete nach Norddeich in die Stadt.
Aber Ann Kathrin sah aufs Meer und antwortete ihm nicht. Sie war in sich versunken und genoss diese merkwürdige touristenfreie Zeit. Gleichzeitig schämte sie sich aber auch deswegen. Wie konnte sie etwas genießen, das für so viele Menschen eine Katastrophe war? Für die Feriengäste, die die Inseln verlassen mussten, für die Cafébesitzer, für die Restaurantmitarbeiter – halt für alle, die vom Tourismus lebten. Viele standen plötzlich vor dem Nichts. Sie ahnte, dass nun eine Zeit begann, in der Existenzängste die Menschen fluten würden. Die Aggressivität würde steigen, aber gleichzeitig – so hoffte sie – würden auch Edelmut und Barmherzigkeit zunehmen. Diese fundamentale Krise, da war sie sicher, würde das Beste und das Schlechteste in den Menschen zutage fördern.
Weller hätte zu gern ein Gespräch begonnen. Er mochte Anns Stimme. Sie erreichte ihn auf eine wohltuende Weise, wie Musik, die der Seele guttat. Er zeigte auf die Windräder: »Guck mal, Ann. Wieso drehen die sich, wenn hier kein Lüftchen weht?«
Ann Kathrin betrachtete versonnen die Ausläufer sanfter Wellen, die vorsichtig an den Deichbefestigungen leckten, als wollte das Meer prüfen, ob der Boden auch fest genug war.
Die Nordsee war für Ann Kathrin eine erschreckend lebendige Kraft und wie beim Menschen konnte die Stimmung des Meeres rasch umschlagen. Was gerade noch nach Badespaß und Erholung aussah, konnte schnell zu einer tödlichen Bedrohung werden.
Wellers Handy spielte Piraten Ahoi! Er sah aufs Display und stöhnte: »Rupert.«
Ann Kathrin ging weiter zu den Schafen. Es waren Hunderte, die jetzt den Deich bevölkerten. Ihr Grasrupfen lag wie ein Grundgeräusch unter allem. Ein Schäfer war nicht zu sehen, nicht mal sein Hund.
Sie stellte fest, dass es erstaunlich viele schwarze Schafe gab. Sie waren jung und standen in einer Gruppe zusammen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Um die Tiere nicht zu erschrecken, bewegte sie sich vorsichtig. Sie ging ganz langsam auf sie zu. Obwohl sie jede schnelle Bewegung vermied, wichen die Schafe ihr aus. Sie hielten immer den gleichen Abstand zu ihr. Die jungen Tiere einen größeren als die ausgewachsenen.
Ruperts Nachricht brachte Weller sofort auf Trab. Er lief mit dem laut geschalteten Handy auf Ann Kathrin zu. Die Schafe stoben in alle Richtungen auseinander.
Ann Kathrin verzog den Mund und drehte sich zu Weller um. Die Sonne gab ihren Haaren dabei einen wundersamen Glanz, als hätten ihre Haarspitzen zu glühen begonnen.
»Auf Wangerooge kontrollieren die Kollegen gerade die Ferienwohnungen«, rief Weller.
Ann Kathrin hob abwehrend die Hände. Ob alle Touristen vorschriftsmäßig abgereist waren, interessierte sie nicht. »Wir sind«, sagte sie leicht verärgert über die Störung, »die Mordkommission, nicht das Ordnungsamt und auch nicht der Tourismusservice.«
Weller blieb stehen. Er atmete schwer. War er kurzatmig geworden? Ein schlechtes Zeichen in dieser Zeit. Er japste: »Ja, aber in einer nicht geräumten Ferienwohnung haben sie einen Toten gefunden.«
Ann Kathrin wurde hellhörig und guckte, als müsse sie sich für ihr Verhalten entschuldigen. Weller sah das nicht so. Sie hatte völlig recht. Sie waren nicht für jeden Mist zuständig.
Ann Kathrin war immer noch nicht vollständig von der Zuständigkeit überzeugt. »Ist er am Virus gestorben?«
»Keine Ahnung, ob er infiziert war, aber Rupert sagt, ihm wurde der Schwanz abgeschnitten.«
Ann Kathrin hielt Weller die ausgestreckte Hand hin. Er gab ihr das Handy, froh, es loszuwerden. Er guckte in seine Handflächen, als müsse er sich jetzt dringend die Hände waschen.
Wie für Ann Kathrin typisch, hielt sie sich nicht mit langen Vorreden auf. Sie wies Rupert sofort zurecht: »Ich bevorzuge den Ausdruck entmannt.«
»Ja, sag ich doch. Sie hat ihm den Schwanz abgeschnitten.«
»Sie? Du gehst von einer Frau aus?«
»Klar, Prinzessin. Kein Mann würde so etwas machen. Also, wenn du mich fragst, sie haben Stress bekommen. Sie ist durchgedreht, hat ihm sein bestes Stück abgesäbelt und ist dann mit den letzten Touristen von der Insel … Die hatten die Wohnung noch bis nach Ostern gemietet. Das wäre also normalerweise noch gar nicht aufgefallen, wenn nicht …«
Ann unterbrach ihn: »Bitte nenn mich nicht Prinzessin.«
»Ja, ist ja gut, Prinzessin.«
»Was machst du überhaupt auf Wangerooge, Rupert?«
Vor Weller wichen die Schafe nicht aus. Jetzt, da er ruhig stand, näherten sie sich ihm. Zwei kuschelten sich geradezu an ihn. Ihm gefiel das. Er bückte sich. Weller kniete zwischen einem weißen und einem schwarzen Schaf. Sie rieben ihre Köpfe an seinem. Was für ein Bild, dachte Ann Kathrin und zwinkerte ihm zu. Weller kraulte die Schafe.
»Ich hatte hier sowieso zu tun«, rechtfertigte Rupert sich, »und dann habe ich die Kollegen bei der Überwachung der Abreisen unterstützt. Einige Touristen sind ganz schön sauer gewesen …«
So wie Rupert: Ich hatte hier sowieso zu tun sagte, ahnte Ann Kathrin, dass es um eine Affäre ging. Er hatte immer irgendwo eine Liebschaft laufen.
»Wo«, fragte Ann Kathrin, »befindet sich der abgeschnittene Penis jetzt?«
»Ja, das weiß ich doch nicht. Jedenfalls nicht mehr da, wo er hingehört.«
»Guck in seinem Mund nach«, forderte Ann Kathrin.
Rupert empörte sich: »Ich soll was? Ich bin doch kein Gerichtsmediziner!«
»Hat er Blut im Gesicht?«, fragte Ann Kathrin.
»Ja. Alles voll. Besonders Kinn und Lippen. Ich dachte, sie hat ihm vielleicht eine reingehauen …«
»Guck nach«, wiederholte Ann Kathrin knapp.
Weller streichelte die Schafe und sprach mit ihnen: »Das Schaf, weil’s brav, gilt drum als dumm …«, reimte er.
Ann Kathrin hörte Rupert herumwuseln und laut atmen. Dann fluchte er: »Scheiße! So eine Scheiße!«
Er hätte es jetzt gar nicht mehr melden müssen, sie wusste auch so, was er gefunden hatte. Es dauerte eine Weile, bis er sich beruhigt hatte. Es war nicht leicht für ihn, zuzugeben, dass sie recht gehabt hatte. Sie ersparte ihm auch das.
»Es muss nicht die eifersüchtige Ehefrau gewesen sein«, folgerte sie.
Weller, der alles mitgehört hatte, erhob sich und kam zu ihr. Ann sagte: »Es ist eine alte Methode des organisierten Verbrechens, jemanden zu bestrafen, der …«
»Die Frau vom Boss gevögelt hat?«, riet Rupert.
»Nein. Den zu richten, der zu viel redet«, ergänzte Ann Kathrin.
»Du meinst«, fragte Rupert, »es könnte ein Informant von uns sein?«
»Zum Beispiel«, bestätigte Ann. Sie zupfte mit rechts Schafwolle von Wellers Pullover und hielt mit links sein Handy nah vor sein Gesicht, weil sie sah, dass Weller etwas sagen wollte.
»Wo ist die Frau?«, fragte Weller.
Ann Kathrin reichte ihrem Mann das Handy. Schafwolle hing auch in seinen Haaren. Sie zupfte die Flusen heraus.
Rupert hatte Weller verstanden. »Sie kann nicht weit sein. In ihrer Wohnung, nehme ich mal an. Corona macht uns doch jetzt jede Personenfahndung leicht. Einfacher war es nie. Wo sollen die Leute denn hin, wenn alles geschlossen ist? Sie wird zu Hause sein. Wo sonst? Sie wohnt in Oldenburg in der Maastrichter Straße. Das ist nicht weit vom alten Stadion Donnerschwee, wo jetzt die EWE-Arena ist.«
Weller sah Ann Kathrin an. Eigentlich hatten sie nach dem Deichspaziergang in Norden im Café ten Cate gemeinsam mit Monika und Jörg Tapper frühstücken wollen, aber alle Cafés waren geschlossen worden und durften nur Außer-Haus-Verkauf anbieten. Weller wollte wenigstens Brötchen und ein paar Stückchen Kuchen holen, aber in Ann Kathrins Blick sah Weller, dass auch daraus nichts werden würde.
Niklas Wewes, genannt Niki, war sechzehn Jahre alt und schwankte zwischen völliger Selbstüberschätzung und dem Gefühl, ein Nichts zu sein. Schutzlos ausgeliefert den Kräften einer Gesellschaft, die ihre Willkür als Regelwerk verkaufte. Er fühlte sich auf eine verwirrende Art zu Anke Reiter hingezogen. Ihr selbstgemachtes Eis war ihm im Grunde viel zu sauer. Seine Wangen zogen sich beim Essen zusammen und er hatte Mühe, die Lippen nicht angewidert zu verziehen. Er aß es ihr zuliebe. Nie hätte er gewagt, ihr zu sagen, dass er lieber Stracciatella- oder Sanddorneis von Riva mochte. Er tat, als würde sie das beste Eis der Welt machen. Für ihr Ego war das Balsam, und sie gab ihm immer eine Extraportion, die er brav aufaß.
Wenn er zu Besuch kam, lief meist der Fernseher. Sie hatte die Angewohnheit, das Gerät einzuschalten, sobald jemand klopfte oder klingelte. Jetzt flimmerte ein Bericht über die abgesagte Leipziger Buchmesse über den Bildschirm.
Anke Reiter hätte es vehement geleugnet, aber sie machte sich durchaus schick, wenn Niklas kam. Nicht in dem Sinne, wie sie sich für einen Abend im Theater oder im Restaurant aufgebrezelt hätte, dazu fühlte sie sich ohnehin nur sehr selten in der Lage. Und erst recht nicht so, wie für eine Liebesnacht mit ihrem Mann Sven, aber sie warf immerhin einen kurzen Blick in den Spiegel, ordnete ihre Frisur und überprüfte den Lippenstift.
In der Ferienwohnung lief sie gern in einem schwarzen Seidenunterkleid herum, das Sven ihr zum Hochzeitstag geschenkt hatte. Nie hätte sie Niki so geöffnet. Sie redete sich ein, er sei ein Kind für sie, aber doch durchaus auch ein Verehrer. Harmlos zwar, aber ein Verehrer. In seinen Träumen spielte sie gern eine Rolle. Realität würde nie daraus werden.
Jetzt saß er wieder bei ihr und löffelte sein Fruchteis. Er wirkte schüchtern, ja linkisch, wusste nicht, wo er hinschauen sollte. Einem Blickkontakt mit Anke hielt er nicht stand, ohne zu erröten. Seine Wangen brannten dann, als hätte sie ihm ihren heißen Tee ins Gesicht geschüttet. Auf ihre Knie wollte er auch nicht gucken. Er rührte im Eis herum.
Anke cremte sich die Hände ein. Sie machte das ein Dutzend Mal am Tag, aber sie waren trotzdem rau und rissig. Sie, die von so vielen sozialen Ängsten geplagt wurde, hatte das wohltuende Gefühl, diese Situation voll im Griff zu haben.
Er hatte Ränder unter den Augen.
»Geht’s dir nicht gut, Niki? Bist du krank?«, fragte sie.
Er ließ den Löffel im Beereneis stecken, fuhr sich mit der rechten Hand erst durchs Gesicht, dann durch die Haare.
»Haben Sie etwas gehört, Frau Reiter?«
Er verfiel immer wieder ins Sie und nannte sie respektvoll Frau Reiter, obwohl sie ihm das Du mehrfach angeboten hatte. Manchmal gelang es ihm auch, sie Anke zu nennen, meist aber erst beim Abschied.
Sie schüttelte den Kopf und winkte ab. Aber er hatte diese Räume gut ein Jahr lang nach dem Tod seiner Oma bewohnt, bis seine Eltern dann das Apartment als Ferienwohnung verkauft hatten.
Natürlich war ein 80 Quadratmeter großes Jugendzimmer übertrieben, und seine Eltern brauchten das Geld. Nach dem Tod der Oma, der das Haus eigentlich gehörte, war er hier oben eingezogen, denn so, wie die Wohnung damals aussah, war sie als Ferienwohnung ungeeignet gewesen. Der Vater scheute einen Umbau und der Mutter graute es davor, im Hochsommer ständig hinter Gästen her zu wischen.
»Die anderen machen Urlaub, und ich soll arbeiten«, hatte sie sich beschwert.
Niklas wusste, wie hellhörig das Badezimmer war.
»Mein Vater«, sagte er, »ist magenkrank. Er übergibt sich öfter. Ich hoffe, es hat Sie nicht zu sehr gestört.«
Sie sah ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Verständnis an und wehrte ab: »Nein, nein, keineswegs.« Aber er sah an ihrem Gesicht, dass sie es natürlich gehört hatte.
Die Worte seines Vaters klangen noch in ihm nach: Ich verrecke, ich geh kaputt …
Anke fragte nicht nach der Krankheit des Vaters. Wusste sie etwas?
Niklas wurde wieder schlagartig bewusst, dass er keinem Menschen trauen durfte. Auch ihr nicht. Er würde lieber sterben, als ihr die Wahrheit zu sagen. Er hatte es seiner Mutter versprochen.
Einen Tag vor seiner Einschulung hatte er seine Mutter getröstet. Er hatte ihre Tränen mit einem nicht mehr ganz sauberen Papiertaschentuch aus seiner Hose abgetrocknet. Es klebte noch ein Kaugummirest daran. Das hatte sie zum Lachen gebracht. Oder, genauer gesagt, zu einem flüchtigen Lächeln.
Er hatte die rechte Hand gehoben und ihr sein großes Ehrenwort gegeben, niemals zu verraten, was sie ihm anvertraut hatte. Er hatte an dem Tag eigentlich aufgehört, ihr Sohn zu sein und war zu ihrem Verbündeten geworden. Zu ihrem Komplizen.
Am liebsten wäre Niklas jetzt wieder runter zu seiner Mutter gegangen, aber heute war Montag. Immer montags zwischen zehn und elf kam Uwe Spix. Normalerweise war Niklas dann in der Schule und Vater Clemens hatte als Koch in der Hotelküche seine Vorbereitungen für den Mittagstisch zu treffen.
Niklas wusste immer genau, wann Spix kam. Seine Mutter lüftete vorher jedes Mal das Schlafzimmer und bezog die Betten frisch. Sie verbrachte mehr Zeit im Bad und trug, anders als sonst, einen Rock. Spix behauptete immer, Frauenbeine gehörten nicht in Hosen.
Diesmal hatte Niklas eine Falle für Spix vorbereitet. Aber plötzlich bekam er Angst. Nein, es tat ihm nicht leid. Er bekam einfach nur Angst. Er wäre am liebsten runtergelaufen, um alles zu verändern, zu verstecken, ja ungeschehen zu machen. Aber das ging jetzt nicht mehr.
Was, dachte er, wenn alles auffliegt? Was dann?
Seine Mutter nannte den Drecksack nur Sphinx. Vielleicht, weil sie ihn fürchtete und er zwar ein menschliches Gesicht hatte, aber ein Herz aus Stein. Um ihn zu besänftigen, trug sie Röcke. Aber es war für Niklas, als würde man Holz ins Feuer werfen, um es zu löschen.
Frank Weller und Ann Kathrin Klaasen atmeten in Oldenburg vor der Haustür noch einmal tief durch. Neben dem Briefkasten hing ein Insektenhotel, das regen Besuch hatte. Es war immer schwer, eine Todesnachricht zu überbringen. Frank Weller wollte es seiner Frau nur zu gern abnehmen, vermutlich, weil er selbst besonders große Schwierigkeiten damit hatte. Er übte es leise, während eine Wespe um ihn herumschwirrte und immer wieder versuchte, in sein linkes Ohr zu krabbeln.
»Liebe Frau Müller, mein Name ist Frank Weller … Das ist Kommissarin Klaasen. Wir sind von der Mordkommission und haben Ihnen eine traurige Mitteilung zu machen …«
Er räusperte sich und sah auf seine Schuhspitzen. Ann Kathrin vertrieb die Wespe an seinem Ohr und berührte dann seinen rechten Arm. »Lass mich das machen, Frank.«
Er war erleichtert, wehrte aber ab: »Nicht nötig. Ich krieg das hin. Man gewöhnt sich nur einfach nie daran … Es ist echt der mieseste Teil des Jobs.«
Die Wespe versuchte es jetzt am anderen Ohr. Weller hinderte Ann Kathrin daran, die Wespe zu vertreiben: »Nicht, du machst sie nur ganz wild.«
Eine Kreissäge übertönte Wellers Stimme. Am Bahndamm bereinigte die Deutsche Bahn die Strecke. Etwas daran regte Weller auf. Er vermutete, dass dort schon längst kein Zug mehr fuhr: »Hier hatten die klugen Städteplaner die Beverbäke verrohrt, damit ja kein Leben mehr im Bach existieren kann. Außer Ratten natürlich. Die finden so was toll. Jetzt versucht man, das alles mühsam zu renaturieren und nun sägen die auch noch die Bäume und Sträucher ab. Beton heißt die neue Religion.«
Amüsiert betrachtete Ann Kathrin ihren Mann. Er brauchte etwas, worüber er sich aufregen konnte. Er musste sich Luft verschaffen. Der Tod an sich fasste Weller an, und die Art, wie dieser Herr Müller gefunden worden war, ging ihm nahe. Er kam da wohl an eigene Kastrationsängste, vermutete sie.
Frau Amelie Müller öffnete im durchgeschwitzten Sportdress. Um ihren Hals baumelte ein Kopfhörer. Irgendwo im Haus mussten Fitnessgeräte stehen, folgerte Ann Kathrin.
Sie sprach lauter, als sie vorgehabt hatte. Sie hoffte, nicht zu sachlich-kalt rüberzukommen: »Frau Müller?«
Die Frau bewegte sich, als stünde sie noch auf dem Stepper und antwortete unwirsch: »Ja, so heiße ich. Steht ja auf der Klingel.«
Ann Kathrin hatte viele solcher Momente erlebt, aber dieser hier war anders. Manchmal musste sie gar nichts sagen, sich nicht einmal vorstellen und jemand rief gleich den Namen des Opfers aus oder: »Was ist mit meinem Mann?!« Zweimal war jemand kollabiert, noch bevor sie die Todesbotschaft überbracht hatte. Frau Müller dagegen sah aus, als hätte sie vor, die Tür einfach wieder zuzuknallen.
»Ann Kathrin Klaasen. Mordkommission Aurich. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir die Leiche Ihres Mannes auf Wangerooge gefunden haben.«
Frau Müller machte einen Schritt auf Ann Kathrin zu und brüllte nach draußen: »Daniel?! Bist du tot auf Wangerooge?«
Menschen reagierten auf solche Nachrichten oft mit Übersprungshandlungen. Ein Vater aus Wittmund hatte einmal, nachdem sie ihm mitgeteilt hatte, sein Sohn sei getötet worden, damit begonnen, im Aquarium Zierfische zu fangen, und behauptet, sein Sohn sei oben in der Badewanne.
Weller wischte sich die feuchten Hände an der Hose ab. Die Wespe ließ ihn jetzt in Ruhe. Ann Kathrin war darauf gefasst, dass die Frau gleich ohnmächtig werden würde. Der Vater aus Wittmund war über dem Aquarium zusammengebrochen und wäre ohne Hilfe vermutlich ertrunken.
Ein Mann in gelben Stiefeln, an denen feuchte Erde klebte, lugte um die Hausecke. Er winkte mit einer Gartenschere. Er hatte wilde, abstehende Haare und sah ein bisschen nach verwirrtem Professor aus.
»Was ist denn jetzt schon wieder? Wenn die Forsythien blühen, müssen die Rosen geschnitten werden!«
»Ist das Ihr Mann?«, fragte Weller und ahnte Schlimmes.
Frau Müller antwortete kurzatmig: »Wenn Sie das Gegenteil beweisen können, sind Sie ein gemachter Mann, Junge!«
Weller zückte sein Handy und rief Rupert an.
Ann Kathrin versuchte noch, Licht ins Dunkel zu bringen. Hinter sich hörte sie Weller mit Rupert schimpfen: »Was bist du eigentlich für ein Idiot?!«
Ann Kathrin fragte Frau Müller: »Sie haben aber eine Ferienwohnung auf Wangerooge, oder ist das auch eine Ente?«
Herr Müller, der aus der Entfernung nur die Hälfte verstanden hatte und wieder zu seinen Rosen zurückwollte, rief, bevor er hinter dem Haus verschwand: »Sag der Torte, wir verkaufen die Wohnung auf Wooge nicht! Wir sind doch nicht bescheuert! Eine Ferienwohnung mit Meerblick gibt es nirgendwo mehr.«
Amelie Müller nickte und grinste Ann Kathrin an: »Da hören Sie es.«
»Wer«, fragte Ann Kathrin, »wohnt im Moment in Ihrer Ferienwohnung?«
»Keine Ahnung«, blaffte Amelie Müller zurück. »Sehe ich aus, als ob ich mich um jeden Scheiß kümmern würde? Ich putze da nicht hinter den Gästen her.«
Ann Kathrin atmete durch und stellte ihre Füße schulterbreit: »Wer übernimmt die Vermietung für Sie?«
»Upstalsboom natürlich. Die machen das toll.«
»Und wer wohnt im Moment in Ihrer Ferienwohnung?«, wiederholte Ann Kathrin.
Frau Müller zuckte verächtlich lachend mit den Schultern: »Na, das weiß ich doch nicht. Die buchen im Internet. Vermutlich ist jetzt aber niemand da. Sie haben das ja verboten!«
»Ich?«
»Ja, Sie sind doch von der Polizei, oder nicht?«
Ann Kathrin blickte sich zu Weller um.
»Nein«, schnauzte Weller ins Handy, »eben nicht! Der schneidet gerade seine Rosen!«
»Wissen Sie, was das für uns heißt?«, fauchte Frau Müller. »Die Leute müssen von der Insel runter, wegen Scheiß-Corona. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es dieses Virus überhaupt gibt. Wer ersetzt uns jetzt den Schaden? Unsere Ferienwohnung ist eine Kapitalanlage. Unsere Alterssicherung! Erst macht dieser Staat die Renten kaputt, und jetzt nehmt ihr uns noch die letzte Einnahmequelle? Aber wir verkaufen trotzdem nicht! Uns kriegt ihr nicht klein! Das hat mein Mann ja wohl gerade klargemacht!« Sie stemmte ihre Fäuste in die Hüften. »So. Ist sonst noch etwas?«
Ann Kathrin zögerte einen Moment und überlegte, ob es besser wäre zu gehen. Aber dann haute sie die Information raus: »Wir haben eine Leiche in Ihrer Ferienwohnung gefunden. Wenn unsere Informationen richtig sind«, schränkte sie vorsichtshalber ein.
»Laber nicht rum!«, schnauzte Weller im Hintergrund. »Wir sind bei den Besitzern der Wohnung. Wie heißt der Feriengast, verdammt nochmal? Du benimmst dich wie der letzte Anfänger, weißt du das … Nein, der Mann ist nicht tot! Kapier das doch endlich!«
Weller drückte das Gespräch weg und stöhnte: »Was für ein Vollpfosten!«
Frau Müller wiederholte ihre Frage und begann, die Tür zu schließen: »Ja? Ist sonst noch etwas?«
Ann Kathrin sagte es wie eine Ermahnung: »In Ihrer Ferienwohnung liegt ein Toter!«
Die Frau hob beide Arme und schüttelte die Finger: »Ich war’s nicht, Frau Kommissarin.«
»Von Mord habe ich nichts gesagt, Frau Müller.«
»Nein, aber dass Sie von der Mordkommission sind«, konterte Amelie Müller hart.
»Wissen Sie, wie die Gäste in Ihrer Ferienwohnung heißen?«
»Nein, hab ich doch schon gesagt! Das macht Upstalsboom für uns. Bin ich denn hier im Wiederholungsverein? Muss man alles zweimal sagen? Ist das eine neue Methode von euch, oder sind Sie nur begriffsstutzig? Man kann die Wohnung online buchen! Ich muss selbst im Internet nachgucken, ob sie für mich frei ist, wenn ich hinwill. Bisher lief das alles sehr gut. Aber jetzt werden die Touristen – von denen wir alle leben – von den Inseln gejagt.« Verbittert fügte sie hinzu: »Es interessiert doch keine Sau da oben, ob uns das wirtschaftlich ruiniert oder nicht.«
Sie schlug die Tür wütend zu. Ann Kathrin wollte sich nicht abwimmeln lassen und noch einmal klopfen, doch Weller berührte sie sanft an der Schulter und sagte: »Lass gut sein, Ann. Bringt doch nichts. Ist einfach die falsche Adresse hier.«
»Und jetzt?«, fragte sie und sah ihn ratlos an.
Sie teilten die Vorliebe für gute Cafés miteinander. Weller breitete die Arme aus und schlug vor: »Jetzt fahren wir ins Café Klinge und genießen dort in Ruhe ein Stückchen Torte.«
So, wie Ann Kathrin guckte, rechnete Weller mit dem Einwand irgendeiner Diätvorschrift. Stattdessen sagte sie: »Die Cafés sind geschlossen, Frank. Buchhandlungen auch. Corona. Schon vergessen?«
»Für Leute wie uns wird es schwierig, Orte zu finden, an denen man sich gerne aufhält«, bedauerte er. Doch das ließ sie nicht gelten: »Der Deich, Frank. Das Meer! Unsere Terrasse …«
Christina Wewes versuchte, Spix loszuwerden. »Bitte, Uwe, sei doch vernünftig. Niki ist oben und Clemens kann jeden Moment zurückkommen.«
»Hat dein Mann es nicht mehr nötig zu arbeiten?« Sein Tonfall war gereizt, latent aggressiv.
Um Verständnis heischend flüsterte sie: »Wer braucht einen Koch, wenn die Restaurants nicht öffnen dürfen? Und die Schulen sind auch zu. Corona ändert alles.«
»Aber nicht unsere Abmachung.«
»Nicht so laut! Du weißt doch, wie hellhörig hier alles ist …«
Spix lehnte sich gegen das Sideboard und stützte sich mit dem rechten Arm ab, als stünde er hier an der Theke. »Ach, habt ihr etwa noch Gäste? Du weißt schon, dass das illegal ist, oder?«
Christina sagte nichts dazu. Sie spürte seine Ansprüche wachsen. Er hatte gern Macht über Menschen. Zu einer Beziehung auf Augenhöhe war er gar nicht fähig. Er wurde erst frei, wenn er etwas gegen sein Gegenüber in der Hand hatte. Die meisten Menschen seiner Umgebung kannten ihn als eher zurückhaltend, ja schüchtern. Er war fünfzig und zum zweiten Mal geschieden.
Für einige alleinstehende Frauen in Norden und Norddeich war er eine hochattraktive Partie. Je mehr er sie auf Abstand hielt, umso intensiver rangen sie um seine Gunst. Die Damen in seiner Altersklasse wussten, was sie wollten und genierten sich nicht, es zu zeigen oder klar auszusprechen. An seinem Geburtstag wurde er mit selbstgemachten Ostfriesentorten überhäuft. Aber er hatte Probleme, sich auf eine neue Beziehung einzulassen. In seinen beiden Ehen hatte er sich am Ende beherrscht gefühlt, als sei er der Knecht seiner Frau geworden. Das wollte er nicht noch einmal erleben. Im Grunde hatte er Angst vor Frauen, vielleicht versuchte er deshalb, sie zu beherrschen.
Christina Wewes hatte ihn insoweit längst durchschaut. Doch das Wissen nutzte ihr wenig. Er gab ihr gegenüber sogar damit an, dass er in den Sommermonaten, wenn an der Küste Saisonarbeiter benötigt wurden, aber Kellnerinnen und Kellner keine preiswerten Wohnmöglichkeiten fanden, seine zwei Gästezimmer gegen sexuelles Entgegenkommen vermietete. Er war nicht der Typ, der Frauen heimlich an den Hintern grapschte. Er stellte von vornherein klare Bedingungen: tausend Euro pro Monat kalt oder dreihundert Euro pro Monat warm. Aber dann mit einmal Sex pro Woche.
Im letzten Sommer hatte er eine Lehramtsstudentin aus Bochum bei sich und eine polnische Servicekraft aus Lublin. Beide hatten sich auf sein Angebot eingelassen.
Die Polin, die besser Deutsch sprach als so mancher Ostfriese, hatte zwar als Zeichen ihres katholischen Glaubens ein goldenes Kreuz um den Hals hängen, fragte aber bei ihrer Abreise, ob man das Arrangement in der nächsten Saison gleich wieder verabreden könne. Vor zwei Wochen war sie erneut angereist.
Die Studentin aus Bochum hatte ihm beim Abschied ins Ohr geflüstert: »Möge dich der Blitz beim Scheißen treffen, du Mistsau!«
Spix hatte beide Frauen einmal zum Kaffee zu Clemens und Christina mitgebracht. Er fand es toll, mit drei Frauen Pflaumenkuchen zu essen, die alle mit ihm schliefen, aber keine von ihnen wirklich aus freien Stücken. Jede wusste es von der anderen. Auch das gefiel ihm.
Christinas Mann hatte keine Ahnung. Er servierte zum Kaffee stolz seinen selbstgemachten Aufgesetzten mit roten und schwarzen Johannisbeeren aus dem eigenen Garten.
Clemens hielt Uwe für seinen Freund. Aber Clemens glaubte auch, Alkohol sei sein Freund. Er hatte schon vor langer Zeit das Gefühl dafür verloren, was für ihn gut und richtig war.
Spix drehte das Konfirmationsfoto auf dem Sideboard um. Er fand, Clemens und Niklas sollten nicht zugucken. Er klopfte auf das Holz. »Komm«, sagte er, »zieh dich aus. Lass uns ein bisschen Spaß haben.«
»Bist du verrückt? Die Tür kann jeden Moment aufgehen.«
»Wenn es hier nicht mehr geht, dann kommst du ab jetzt zu mir. Ist eh bequemer für mich.«
Sie drehte sich weg und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wusste, warum sie nicht zu ihm gehen wollte. Er hatte ihr von den versteckten Kameras erzählt, mit denen er seine Mädchen, wie er die Frauen gern besitzergreifend nannte, fotografiert und gefilmt hatte. Hier in ihrem eigenen Haus hatte sie so etwas wenigstens im Griff. Aber bei ihm wäre sie seinen versteckten Kameras ausgesetzt. In seinen eigenen vier Wänden, fürchtete sie, würde er sich noch ungehemmter aufführen als hier bei ihr. Dort würde er bestimmt noch mehr zum Herrscher, ja zum Besitzer werden.
Als ihr bewusst wurde, in welcher Zwickmühle sie sich befand, seufzte sie unwillkürlich.
»Was ist jetzt, Baby?«, drängelte er. »Bleiben wir bei dir, oder gehen wir zu mir?«
Rupert stand auf dem Balkon in der Ferienwohnung und sah auf die Nordsee. Hinter ihm wurde die Leiche abtransportiert. Bevor der Tatort gereinigt werden konnte, mussten die Kriminaltechniker ihre Pflicht tun. In ihren weißen Schutzanzügen konnte Rupert Männlein und Weiblein nicht unterscheiden. Sie trugen zusätzlich Mund-und-Nasenschutz. Noch ahnte er nicht, dass bald alle für lange Zeit so herumlaufen würden.
In den Talkshows regten sich die einen Politiker darüber auf, dass es nicht genügend Schutzmasken zu kaufen gab, andere bestritten, dass man diese überhaupt brauchte und bezeichneten sie sogar als Virenschleudern.
Rupert hatte bei der ganzen Sache kein gutes Gefühl. So ein Virus war einfach ein Scheißgegner. Man konnte ihn nicht mit einer rechten Geraden ausknocken und auch nicht mit der Heckler & Koch, die in Niedersachsen leider immer noch Dienstwaffe war, in Schach halten.
Inzwischen kannte Rupert den Namen des Toten. Er hieß Heiko Janßen und war aus Emden. Jansen, mal mit einem s, mal mit zwei s oder mit ß, war in Ostfriesland ein gebräuchlicher Nachname. Die Kriminaltechniker hinter Rupert unterhielten sich. Den Stimmen nach eine Frau und ein Mann. Rupert erkannte die zwei durch ihr merkwürdiges Geflachse miteinander. Sie wurden in Polizeikreisen auch das Pärchen genannt.
Sie redeten ohne Unterbrechung bei ihrer Arbeit, als würde bei Stille eine Katastrophe drohen. Sie führten regelrechte Zwei-Personen-Stücke auf, kleine Sketche, oder spielten Witze nach. Oft sprachen sie den Text spontan, veränderten ihn immer wieder, wiederholten sich aber auch ständig. Es war ihre Art, mit der Situation umzugehen.
»Wer waren die ersten Menschen?«
»Die Neandertaler.«
»Quatsch! Das waren doch Neandertaler, keine Menschen. Die ersten Menschen kamen aus Afrika. So gesehen waren wir früher alle Schwarze.«
»Aber die ersten zwei Menschen waren Ostfriesen.«
»Ostfriesen? Du spinnst doch! Laut Bibel waren das ja wohl Adam und Eva.«
»Ja, schon klar. Aber Eva war eine geborene Janßen. Wusstest du das nicht?«
Die zwei lachten erst gar nicht über ihre eigenen Scherze, sie machten sie nur – und fertig. Es war eine Überlebensstrategie und schien Rupert gar nicht so verkehrt zu sein. Er mischte sich nicht ein. Er hörte ihnen genauso gelassen zu wie dem Rauschen der Nordsee. Der einzige Rausch, der einen gleich beim ersten Mal süchtig macht, aber trotzdem nicht gesundheitsschädlich ist, ist das Meeresrauschen, dachte er.
Rupert wohnte mit seiner Geliebten im Hotel Hanken