Bishop Brothers 1
© 2021 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt
© Übersetzung Martina Campbell
© Covergestaltung Andrea Gunschera
© Originalausgabe Kennedy Fox 2018
ISBN Taschenbuch: 9783967820126
ISBN eBook-mobi: 9783967820133
ISBN eBook-epub: 9783967820140
www.sieben-verlag.de
Prolog
Teil 1
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Teil 2
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Epilog
„It's not a silly little moment
It's not the storm before the calm
This is the deep and dyin' breath of
This love we've been workin' on …”
Slow Dancing in a Burning Room, von John Mayer
In Gedenken an Deseret
Du hast mir beigebracht, wie man Mist schaufelt, wilde Pferde sattelt
und zähmt, und wie wichtig es war, wieder aufzusteigen, als ich heruntergefallen war.
Das ist für dich.
F.
River
Vor zwölf Jahren …
Ich betrete das Krankenzimmer, sehe Rylie im Bett liegen und eile sofort an ihre Seite. Sie ist an Geräte und Sauerstoff angeschlossen, und auch wenn das bei ihr normal ist, ist es wie ein Stich in den Magen, sie so zu sehen.
„Riles“, wispere ich, halte ihre Hand und drücke sie dreimal. „Hörst du mich?“
Mit einem Nicken erwidert sie meinen Händedruck. Sie senkt den Kopf und versucht, die Augen zu öffnen. Die Medikamente machen sie müde, sodass sie nicht immer wach bleiben kann, auch wenn sie es versucht.
„Ich liebe dich, kleine Schwester“, sage ich, wie ich es immer tue. Normalerweise antwortet sie: „Ich liebe dich, große Schwester“, und dann lächeln wir beide.
Mein Vater holt mich ein und stellt sich an die andere Seite des Bettes. „River“, sagt er tief und tadelnd. „Was hatte ich dir gesagt, übers Weglaufen?“
„Hätte ich früher gewusst, dass sie hier ist, hätte ich mich nicht so beeilt, um so schnell wie möglich hier zu sein“, antworte ich im selben Tonfall. Mein Vater hat mich gerade von der Schule abgeholt und mir gesagt, dass Rylie wieder im Krankenhaus ist.
„Ich habe dir schon gesagt, dass es nicht nötig war, dich aus der Schule zu holen. Sie hat nur Fieber.“ Er sagt das, als sei es keine große Sache, während einer Krebsbehandlung Fieber zu haben.
Ich verdrehe die Augen, verberge mein Unverständnis darüber und konzentriere mich auf Rylie. „Was hat der Arzt gesagt?“ Ich lese die Geräteanzeigen und weiß nur zu gut, was sie bedeuten.
Meine Mutter kommt mit einem Kaffeebecher ins Zimmer. „Er macht weitere Untersuchungen“, antwortet sie.
Sie trägt eine große Sonnenbrille. Wahrscheinlich, um ihre dunklen Augenringe zu verstecken. Mom schläft schlecht wegen des Stresses und Dad arbeitet pausenlos. Meistens sind es nur Mom, Rylie und ich, und auch wenn ich meinen Vater liebe, wünschte ich, dass er in Zeiten wie diesen öfter da wäre.
Dad geht zu Mom, küsst sie kurz auf die Wange und sucht in seinen Taschen nach seinen Schlüsseln. „Ich muss ins Büro zurück. Ruf mich an, wenn es etwas Neues gibt, ja?“
„Du gehst schon wieder?“ Ich sehe ihn finster an.
„Ich bin heute früher gegangen, River. Ich muss noch ein paar Sachen fertig machen.“
„Aber Rylie ist krank.“ Ich spreche das Offensichtliche aus und bin wütend, dass er uns in dieser Situation allein lässt.
„Ich weiß, Liebes.“
Er gibt mir einen Kuss auf den Kopf, als wäre ich ein Baby, doch das bin ich nicht. Ich brauche sein Geschmuse nicht mehr. Ich bin Studentin im ersten Semester und sehe mit an, wie meine neunjährige Schwester seit zwei Jahren gegen Leukämie kämpft.
„Ich arbeite so schnell ich kann“, sagt er und eilt aus dem Zimmer.
Sofort erkenne ich die Enttäuschung im Gesicht meiner Mutter. Es ist immer dasselbe. Rylie verbringt mehr Zeit im Krankenhaus als zu Hause, und ihn hierzuhaben, würde uns trösten, doch er überlässt diese Rolle meiner Mutter. Sie legt immer ein künstliches Lächeln auf und tut so, als wäre sie stark genug für Rylie und mich.
Kurz danach kommt der Arzt mit Rylies Krankenakte und sagt uns, dass er sie über Nacht zur Beobachtung dabehalten möchte. Wahrscheinlich hat sie eine Infektion, die das Fieber ausgelöst hat.
„Bis wir die Infektion lokalisiert haben, bleibt sie am Sauerstoff und am Monitor. Sie wird nachher auf eine andere Station verlegt.“
„Danke, Dr. Potter“, murmelt meine Mutter.
Die kahlen Krankenhauswände, die kühle Luft, die cremefarbenen Flure – das ist alles, was ich in den vergangenen drei Jahren sah. Vor über zwei Jahren war Rylie krank geworden und wir waren mindestens einmal pro Woche in der Notaufnahme, bis sie die Diagnose bekam und mit der Chemotherapie begann.
„Ich rufe deinen Dad an“, sagt sie, bevor sie geht.
Ich sehe ihr den Stress und die Erschöpfung an. Mom hat ihren Job gekündigt und pflegte Rylie von Anfang an. Sie und Dad gehen nicht mehr aus, zumindest nicht gemeinsam, und wenn sie sich nicht wegen Rechnungen streiten, dann über seine vielen Arbeitsstunden. Ich habe viele ihrer Streitereien gehört und mich manchmal gefragt, ob Dad uns am liebsten verlassen und sich eine neue Familie suchen würde. Mom hat ihn schon beschuldigt, fremdzugehen, was er nie abstreitet, sondern immer nur sagt, sie sei verrückt.
Die Spannungen sind groß in Zeiten wie diesen. Vor Rylies Diagnose hatten sie auch Vollzeit gearbeitet, aber hatten darauf geachtet, wenigstens pünktlich nach Hause zu kommen, damit wir als Familie zusammen essen konnten. Wir sprachen mit Mom über ihren Tag, und Dad erkundigte sich nach unseren Hausaufgaben. Es war vorhersehbar, aber schön.
Es ist leicht, das Leben als selbstverständlich zu nehmen, bis es eine Wende macht und sich alles ändert.
Ich hasse es, Rylie so zu sehen. Das hat sie nicht verdient, und ich bin oft wütend, dass sie das durchmachen muss, und nicht ich. Ich würde sofort mit ihr tauschen. Sie war erst sieben, und auch wenn sie mich täglich genervt hat, liebte ich sie so sehr. Mom erzählte mir, wie sehr ich sie um eine Schwester angebettelt hatte, und als sie schwanger wurde, war ich furchtbar aufgeregt. Zusammen aufzuwachsen war zwar nicht nur eitel Sonnenschein, aber mir war bewusst, wie froh ich war, sie in meinem Leben zu haben.
Ich lege die Hand an ihre Wange und spüre, wie kühl sie trotz des Fiebers ist. Die Krankenhäuser sind immer klimatisiert und viel zu kalt. Ich hasse das. Wie immer, wenn Mom nicht dabei ist, lege ich mich zu Rylie ins Bett. Ich achte auf ihre Schläuche und Kabel, und so kann ich ihr wenigstens etwas Wärme geben und sie trösten.
„Sag mir, wenn ich dir wehtue, Riles, okay?“ Ich habe nur geflüstert, aber als sie meine Hand drückt, weiß ich, dass sie mich verstanden hat.
Ich lege das Kinn auf ihren Kopf und umarme sie, schließe die Augen und bete innerlich zu Gott. „Ich hab dich lieb, kleine Schwester.“
Eine Stunde später kommt eine Krankenschwester, um Rylie zu verlegen.
Nachdem das geschehen ist, kommt Mom und teilt mir mit, dass Dad mich abholen kommt.
„Warum kann ich nicht hierbleiben?“
„Du musst zu Abend essen und deine Hausaufgaben machen“, sagt sie beinahe emotionslos.
„Ich werde nicht gehen!“, rufe ich. „Ich bleibe bei Rylie.“
Zwanzig Minuten später kommt Dad und befiehlt mir, mit nach Hause zu kommen.
„Ich bringe dich morgen wieder her. Gehen wir. Sofort.“
Ich küsse Rylie auf die Wange und drücke ihre Hand dreimal. Sie erwidert den Druck und ich lächele und verspreche ihr, sobald ich kann wiederzukommen. Wenn Rylie über Nacht bleiben muss, bleibt Mom immer bei ihr. Dad tut das nie.
Am nächsten Morgen rufe ich Mom vor der Schule an, und sie sagt, dass es nichts Neues gibt. Ich lasse mir von ihr versprechen, mich in der Schule anzurufen, falls sich etwas ändert, damit ich es sofort erfahre, und auch wenn sie zustimmt, fühle ich, dass sie es sowieso nicht tun wird.
Nachdem ich von Mom den ganzen Tag nichts gehört habe, holt Dad mich ab und fährt mich ins Krankenhaus. Auf der Fahrt ist er seltsam schweigsam. Das könnte alles Mögliche bedeuten, da er sowieso kein gesprächiger Mensch ist, doch etwas stimmt nicht.
„Was ist los, Dad?“
Er sucht einen Parkplatz in der Tiefgarage des Krankenhauses. „Nichts, River.“
Ich verenge die Augen und frage mich, warum er lügt. Sobald er geparkt hat, eile ich aus dem Auto und renne den ganzen Weg bis zu Rylies Zimmer. Ärzte und Schwestern schwärmen rein und raus, halten Papiere in den Händen und checken die Geräte.
„Mom, was ist los?“ Ich keuche und ringe um Atem.
Sie trägt wieder ihre Sonnenbrille, doch diesmal schluchzt sie fast, bevor sie spricht. „Sie hat eine Blutvergiftung.“
Kaum hat sie das ausgesprochen, piepst ein Gerät Alarm. Der Herzmonitor. Die Ärzte hatten früher schon von dieser Gefahr gesprochen, sodass ich weiß, dass es eine lebensbedrohliche Komplikation einer Infektion ist.
„Nulllinie!“, ruft eine Schwester und alles bricht in Hektik aus.
Noch nie habe ich eine derartige Panik empfunden, und es gab bisher einige Gründe dafür, aber als ich den flachen Strich auf dem Monitor sehe, bleibt mir die Luft weg. Ich schreie und weine und habe keinen Sauerstoff mehr in den Lungen.
Dad umarmt mich von hinten und drückt mich an sich, während ich nach Rylie schreie. Hysterisch sehe ich zu, wie sie versuchen, sie mit dem Defibrillator wiederzubeleben.
Ich weiß noch, wie ihr Haar gerochen hat. Sie war von allem, was pink war besessen und von Erdbeeren, und immer wenn ich etwas Fruchtiges rieche, denke ich sofort an sie.
Rylie bei ihrem Todeskampf zuzusehen, war schmerzhaft. An ihren guten Tagen lächelte sie mich an, und ich schwöre, dass sie stärker war als ich. Ihr war immer wichtig, dass es mir gut ging, was verrückt war, denn mir würde es erst wieder gut gehen, wenn sie geheilt wäre. Doch auch dann hätte ich immer an das Schlimmste gedacht, wenn sie auch nur eine Erkältung bekommen hätte.
Die Erinnerungen an alles, was wir in diesen Jahren durchgemacht haben, flackern durch meine Gedanken. Und als ich mich für einen Beruf hatte entscheiden müssen, wusste ich sofort, was ich lernen wollte. Himmel, ich hatte es jahrelang erlebt. Der Rest war nur Stoff aus Lehrbüchern, und ich wusste, dass ich ihn pauken konnte. An der Seite von Menschen zu sein, die ihre Schlimmste Zeit durchmachen, war das, was ich konnte und wollte.
Entschlossener als je zuvor machte ich die Krankenschwesterausbildung und saugte alles auf, was man darüber wissen muss. Meine Eltern lebten sich auseinander und ließen sich schließlich scheiden. Unsere Familie ist zerbrochen, doch davon lasse ich mich nicht erdrücken. Und wenn ich mal nicht stark sein kann, helfen mir die Gedanken an Rylie, mich wieder neu zu konzentrieren. Was sie durchgemacht hat beweist, dass sie wirklich immer die Stärkste von uns war.
Alex
Ich sehe den Morgendunst über den Hügeln, als ich über die Weide zum Stall gehe. Es hat etwas Besonderes, vor dem Hahnenschrei oder dem Sonnenaufgang aufzustehen, was mich auf Touren bringt. Vielleicht ist das Ranchleben in mir verankert, doch ich will es gar nicht anders haben.
„Was soll der Scheiß?“, ruft Dylan, der Eimer mit Futter für die Pferde trägt.
Ich betrachte seine Stiefel und kann nicht anders, als zu lachen. Er steht mitten in einem Haufen Scheiße. Stöhnend streift er die Sohlen an der feuchten Wiese ab, doch das ist nicht wirklich hilfreich.
Dylans und meine Mutter sind schon seit der Kindheit Freundinnen, sodass wir uns in den Windeln kennengelernt haben und seither unzertrennlich sind. Seit der Highschool arbeitete er jeden Sommer für meinen Vater, bis es zu seinem Vollzeitjob wurde. Er wurde zu meinem Partner auf der Ranch, auch wenn er nicht immer der beste Einfluss ist. Er hat immer irgendeinen Unsinn im Kopf, ohne an die Konsequenzen zu denken, was uns beide über die Jahre in jede Menge Schwierigkeiten gebracht hat.
„Sei froh, dass du nicht mit dem Gesicht voran reingefallen bist.“ Ich lache. „Das kann einem so richtig den Tag versauen.“
„Klingt, als hättest du das schon öfter erlebt.“ Er schnaubt und weiß genau, dass er damit recht hat.
Dylan hat Probleme, seine Stiefel sauber zu bekommen, weil er die Hände voll hat.
„Einmal bin ich gestolpert und war von oben bis unten mit Kuhscheiße eingesaut, und Jackson hat mir nicht erlaubt, mich umzuziehen. Ich musste den ganzen Tag so arbeiten. Irgendwann ist es getrocknet, aber ich schwöre, ich hatte den Geschmack tagelang im Mund.“
„Jackson kann so ein Arschloch sein“, sagt Dylan.
„Das muss eine Bishop-Eigenschaft sein.“ Ich lache in mich hinein.
Im Stall schütten wir das Futter in die Tröge der Pferde. Dann gehen wir zu den Schweinen, Hühnern und Kühen. Als wir damit fertig sind, lugt die Sonne kaum über den Horizont, und ich weiß, dass wir uns beeilen müssen, wenn wir rechtzeitig fertig werden wollen. Zwar ist das Füttern der Tiere täglich dasselbe Ritual, aber was wir danach tun, ändert sich wöchentlich, und wir besprechen es meistens sonntags beim Frühstück mit meinem Vater.
Dylan und ich machen uns auf den Weg zur Ostseite des Anwesens, wo wir Zäune reparieren müssen. Eine körperlich anstrengende Arbeit, doch ich beklage mich nicht. Mir gefallen auch die harten Seiten des Rancherlebens, auch wenn sie mich manchmal fast umbringen. Ich bin zu einem Bishop geboren und erzogen worden und helfe meinen Eltern auf der Ranch seit ich laufen kann. Eines Tages werden ich und meine drei Brüder sie übernehmen, doch momentan haben wir alle unseren Aufgabenbereich, um den landwirtschaftlichen Betrieb am Laufen zu halten.
Wir fahren den alten Feldweg an den Weiden entlang und von Weitem kann ich bereits eine Gruppe Arbeiter sehen, die Metallstangen abladen und auf den Boden legen. Nachdem wir geparkt haben und auf sie zu gehen, erkenne ich schon, dass mein ältester Bruder Evan mies gelaunt ist. Man sieht es ihm am genervten Gesicht an. Sein blondes Haar ist durcheinander und klebt ihm verschwitzt an Stirn und Wangen. Evan arbeitet meist im Krankenhaus, aber an seinen freien Tagen zerrt Dad ihn auf die Ranch, um zu helfen. Er erklärt ihm stets, dass er immer noch ein Bishop ist, also bringt sich Evan so gut er kann ein. Doch wenn er da ist, regt er mich nur auf. Er ist einige Jahre älter als ich, sodass wir nicht zusammen aufwuchsen wie meine älteren Brüder, aber es macht mir dennoch Spaß, auf seine Sticheleien einzugehen.
„Wer stinkt hier nach Scheiße?“, fragt Evan über seine Schulter hinweg, während er die Stangen verteilt, damit wir anfangen können.
Dylan wirft mir einen Blick zu. „Meinst du, dass er es wirklich riechen kann?“
Ich schüttele den Kopf und schmeiße ihm ein Paar Arbeitshandschuhe zu. „Also ich schon, seit du reingetreten bist.“
Ich schaue zu, wie Evan mit dem kleinen Bagger ein Loch aushebt. Dylan und ich mischen Zement an. Loch für Loch füllen wir mit den Zaunstäben, richten sie aus und befestigen sie mit dem Zement.
„Ich habe was Gutes zu erzählen“, sagt Dylan und gießt Zement in ein Loch.
„Ach ja? Will Mallory dich etwa zurückhaben?“ Ich ziehe ihn gern mit seiner Ex auf, weil ich ihn von Anfang an vor ihr gewarnt habe. Mehrmals sogar.
„Hölle, nein. Ich würde sie nicht mehr zurücknehmen.“
Ungläubig sehe ich ihn an und schnaube. „Das hast du letztes Mal auch gesagt.“
„Schnauze! Echt jetzt, nachdem ich rausgefunden habe, wie oft sie mich betrogen hat, würde ich sie nicht mal mit deinem Schwanz mehr nageln.“ Dylan lacht angewidert.
„Widerlich! Das beleidigt meinen Schwanz. Ich will keine öffentliche Matratze vögeln.“ Ich ramme den Stab in das Loch.
„Weil du selbst die öffentliche Matratze bist.“ Er lacht über mich.
Ich knurre. Er hat Glück, dass ich keine Hand freihabe, sonst würde ich ihm sein blödes Grinsen aus dem Gesicht prügeln.
Er räuspert sich und hebt das Kinn. „Alle mit einer engen Pussy und einem geilen Gestell mal herhören!“, ruft er und hebt die Hand noch dazu. „Kommt auf einen Ritt mit dem wilden Hengst Alex Bishop! Ungefähr einsneunzig, dunkelblonde Haare und ein freches Mundwerk! Er mag ein arroganter Arsch sein, aber seine Mama hat ihn gut erzogen. Er wird dich groß ausführen, bevor er dich fickt, bis du deinen Namen vergisst. Also, Ladys, wer will zuerst?“
Ich schnaube bei diesem albernen Theater, schüttele den Kopf, kann ihm aber nicht wirklich widersprechen. „Tja, jeder weiß, dass man einen wilden Hengst nicht zähmen kann.“ Ich grinse, hebe meinen Cowboyhut an und rücke ihn auf dem Kopf zurecht.
Dylan verdreht die Augen. Wir arbeiten weiter und mir fällt der Beginn unserer Unterhaltung wieder ein. „Also, Arschloch, was wolltest du erzählen?“
„Erinnerst du dich an die Tombola beim Herbstfest letzten Monat?“ Er grinst wissend.
Ich verenge die Augen und denke daran zurück. „Ja. Da konnte man eine romantische Reise nach Key West gewinnen.“
Dylan nickt. „Genau! Rate mal, welcher Glückspilz gewonnen hat.“
„Nicht du, oder?“
„Doch, Mann! Zwei Wochen, alles inklusive. Wenn mir der Boss Urlaub gibt, packe ich meinen Koffer, reite in den Sonnenuntergang und saufe so viel Bier, wie ich kriegen kann.“
„Das klingt wie der bemitleidenswerteste Country-Song, den ich je gehört habe.“
„Sorry, bei mir stehen eben keine Frauen Schlange, um auf meinen Sattel zu springen, also fahre ich lieber allein, als auf einen kostenlosen Urlaub zu verzichten.“
„Ganz sicher, dass du nicht doch Mallory anrufen willst?“, necke ich ihn erneut.
Dylan lässt die Schaufel fallen. Ich merke, dass er auf mich losgehen will und ergreife die Flucht. Er macht dasselbe Gesicht wie damals in der siebten Klasse, als er mich dabei erwischte, wie ich seinen Langzeitschwarm Summer Sanders küsste. Tja, was soll ich sagen? Sie hatte sich an mich herangemacht.
Das Einzige, worin er mir überlegen ist, ist seine Schnelligkeit. Er wirft mich zu Boden. Schnell nehme ich ihn in den Schwitzkasten, bevor er den ersten Schlag setzen kann. Dylan versucht, aus meinem Griff zu entkommen, und wir beide halten inne, als der Motor des Baggers stoppt.
Sekunden später zieht Evan mich am Kragen hoch und starrt mich an.
„Vielleicht kommt Dylan im Kampf nicht gegen dich an, aber ich werde deinen Arsch gleich bis nach San Antonio treten, wenn du nicht sofort weiterarbeitest.“
Ich stoße ihn von mir. Da wir in Eldorado wohnen, wäre das ein drei Stunden langer Arschtritt. Ich glaube, er spinnt wohl. „Nur, weil ich dein jüngerer Bruder bin, heißt das nicht, dass du mein Boss bist. Also nimm den Stock aus dem Arsch und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.“ Ich marschiere zurück zu dem Loch mit dem Zement. Ich schaue noch einmal zurück und sehe, dass sich Dylan den Arsch ablacht.
„Schnauze, Arschloch!“, rufe ich ihm zu.
Er kommt mir hinterhergerannt. „Du hast angefangen und Mallory ins Spiel gebracht.“ Er rammt mich mit seiner Schulter.
Ich grinse und streite es nicht ab. Zu gern ziehe ich ihn mit ihr auf. Mallory ist das Musterbeispiel für eine versnobte, reiche Frau, die sich für eine Südstaatenschönheit hält, die darüber erhaben ist, jeden, der für sein Geld arbeiten muss, freundlich zu behandeln. Ich mochte sie nie, deshalb verarsche ich ihn ihretwegen wo ich nur kann. Dafür von Evan angemacht zu werden, ist die Sache wert.
„Na ja, du weißt ja, wie schlecht Evan drauf sein kann. Wahrscheinlich wird er Dad erzählen, dass wir beide wieder nur Blödsinn gemacht haben. Arschloch. Vielleicht wäre er nicht so ein Idiot, wenn er ab und zu mal flachgelegt werden würde.“ Ich schüttele den Kopf.
„Mr. Bishop ist das egal, solange die Arbeit gemacht wird. Das weißt du doch.“
Zwar hat er recht, doch Dad hätte auch kein Problem damit, mich in den Senkel zu stellen, wenn er den Eindruck bekäme, dass ich nicht meinen fairen Anteil auf der Ranch erledige.
„Also, weiter im Text“, sagt Dylan. „Bevor ich so unschön unterbrochen wurde …“ Er lacht leise und blickt zu Evan.
Wir nehmen uns ein paar Stangen und lassen sie klappernd weiter hinten auf den Boden fallen.
„Da die Reise für zwei Personen ist, dachte ich mir, dass du mitkommen könntest.“ Er schüttelt die Arme aus, nachdem er die schweren Stangen getragen hat.
„Moment mal.“ Ich runzele die Stirn. „Du willst, dass ich mit dir auf eine romantische Reise gehe?“ Mein Blick fällt auf Evan, der versucht, ein Grinsen zurückzuhalten. Ich verenge die Augen und sehe wieder Dylan an.
„Natürlich ist es kein Date, du heißer Cowboy, denn ehrlich gesagt bist du nicht mein Typ. Aber die Reise ist kostenlos und da gibt es sicherlich viele einsame Mädels, und da dachte ich, wir könnten es doch gemeinsam machen. Außerdem habe ich sonst niemanden, den ich mitnehmen könnte, also sei wenigstens mein Begleiter. Hilf mir, eine Frau zu finden.“ Er hebt die Mundwinkel und ich kenne seine Gedanken genau. „Paaaartyyyy!“, fügt er hinzu. Er schwingt seinen Cowboyhut und tanzt herum.
Ich schüttele den Kopf über seine Faxen, aber bevor ich ihm antworten kann, hüstelt Evan.
„Ihr zwei fahrt nirgendwo hin, bevor der Zaun fertig ist. Das kann ich euch versprechen“, schnauzt er.
„Kümmere dich um dich selbst. Grab deine Löcher und halte dich da raus“, antworte ich im selben Ton. „Solltest du nicht eigentlich im Krankenhaus sein und Leben retten oder so? Du hältst uns sowieso nur auf.“
Evan schnaubt. Er hasst es, wenn ich seinen Job im Krankenhaus erwähne. Er hat eine respektable Karriere gemacht und hart gearbeitet, um Arzt zu werden, aber er ist seit Jahrzehnten der erste Bishop, der sich außerhalb der Ranch betätigt. Ich würde nicht meine Familienpflicht erfüllen, wenn ich ihn damit nicht bei jeder Gelegenheit aufziehen würde.
„Wenn du so weitermachst, wird heute jemand sein Leben verlieren.“ Er sieht Dylan an. „Vielleicht sogar zwei.“
Der Rest des Nachmittags geht schnell vorbei. Als ich uns zum Haupthaus zurückfahre, sind meine Schultern verspannt vom Pfähle setzen und stundenlangem Zementschaufeln. Dylan und ich sind erschöpft, doch wir werden noch die ganze verdammte Woche an dem Zaun arbeiten müssen. Ehrlich gesagt bin ich immer noch sauer, dass ich überhaupt daran arbeiten muss. Und daran ist nur Jackson Schuld.
Vor ein paar Monaten hat er eine Party geschmissen, was schnell außer Kontrolle geriet, als er anfing, in seinem Jeep herumzufahren. Er hatte getrunken und sich noch bescheuerter als sonst benommen, als er Offroad fuhr, die Kontrolle verlor und in den Zaun gebrettert war. Den ganzen nächsten Morgen haben wir damit verbracht, die Kühe wieder einzufangen. Jackson war der Einzige, den die ganze Situation amüsiert hat. Er meinte, das sei die beste hundertachtzig Grad Drehung gewesen, die er je mit seinem lehmbedeckten Jeep hingelegt hat.
Blödmann. Laut Mamas Gerüchteküche hat er sich wegen einer Frau besoffen. Was ich bezweifele, denn Jackson Bishop hat keine ernsthaften Beziehungen – oder überhaupt welche. Aber sie erwähnte den Namen Kiera. Jetzt ergab es schon mehr Sinn und ich verzieh ihm ein bisschen.
Kiera Young und Jackson kennen sich schon seit dem Kindergarten. Ihre Eltern und unsere waren befreundet und wir waren genauso oft auf deren Ranch wie sie auf unserer. Für mich war sie wie eine ältere, nervige Schwester, aber nicht für Jackson. Er hatte schon immer etwas für sie übrig, hatte aber nie den Mumm, es ihr zu sagen. Wir wissen alle, dass sie genauso fühlt, aber sie geht weiter mit anderen Kerlen aus, was Jackson verrückt macht, sodass er zu viel trinkt und sich wie ein Narr benimmt. Beide sind stur und weigern sich, ihre Gefühle zuzugeben.
Nach monatelanger Planung entschied Dad, den ganzen Holzzaun entlang des Feldweges durch einen aus Draht zu ersetzen. Sollte er wieder einmal beschädigt werden, würde nur das Fahrzeug Schaden nehmen und wir würden nicht mehr die Kühe verlieren.
Dylans Aufregung bringt mich auf das Gespräch zurück. „Ich war noch nie in Key West“, sagt er, „und als ich gewonnen hatte, habe ich sofort online recherchiert. Wenn es nur halb so toll ist, wie es aussieht, komme ich nie wieder nach Hause! Das Nachtleben, die Strände, die Landschaft“, plappert er. „Du wirst mir danken, dass ich dich mitschleife.“ Dylan strahlt, als wir zum Haupthaus fahren.
„Ich habe aber noch gar nicht zugestimmt“, erinnere ich ihn. „Kommt drauf an, ob wir beide frei kriegen. Vielleicht muss ich Dad erst ein bisschen beschwatzen.“ Wenn wir bei der Arbeit nichts vorholen, gibt er uns garantiert nicht gemeinsam Urlaub. „Oder sogar etwas viel. Die Arbeit muss so oder so gemacht werden, und wenn ich nicht da bin, muss es ein anderer tun.“
„Ich kaufe ihm eine Flasche Crown Royal Reserve.“ Dylan lacht in sich hinein.
„Um ihm Honig um den Bauch zu schmieren oder ihn besoffen zu machen?“
„Beides.“
Ich parke in der Einfahrt und sehe Mama, die ihren Lebensmitteleinkauf aus ihrem Kofferraum lädt. Dylan und ich eilen ihr zu Hilfe.
„Mama, du hättest mich anrufen sollen“, schimpfe ich. „Ich wäre früher gekommen.“ Ich greife nach so vielen Tüten wie möglich. Dylan tut dasselbe, damit wir nicht mehrmals laufen müssen.
„Ich wusste doch, dass du beschäftigt bist. Es ist keine große Sache“, sagt sie freundlich, geht vor und hält uns die Tür auf.
Im Haus sehe ich Jackson auf der Couch schlafen. Er hat die Stiefel noch an und schnarcht laut. Nachdem ich die Tüten auf den Küchentisch gestellt habe, gehe ich ins Wohnzimmer und Dylan folgt mir leise. Ich beuge mich dicht über Jackson und warte auf den richtigen Moment. Dann brülle ich: „Feuer!“
Seine Beine treten in die Luft und er schießt hoch. Mit roten Wangen blickt er durch den Raum. „Was soll der Scheiß, Alex?“ Er reibt sich übers Gesicht.
Sofort kommt Mama aus der Küche geeilt. Sie hat einen Kochlöffel in der Hand und sieht auf Jackson herab. „Ich habe ein Stück Seife für dein Mundwerk parat, wenn du weiterhin so in meinem Haus fluchst, junger Mann“, schimpft sie.
Grinsend kreuze ich die Arme vor der Brust.
„Mama“, beginnt er, doch sie unterbricht ihn.
„Still. Und nimm die Stiefel von meinen Möbeln.“ Sie geht aus dem Zimmer, bevor Jackson noch etwas sagen kann.
„Aufwachen, Arschloch“, wispere ich.
Als Mama außer Sichtweite ist, kämmt er sich mit den Fingern durch die Haare und versucht, zu verinnerlichen, was geschehen ist. „Du Mistsau“, murmelt er. „Fast hätte ich mich eingepisst.“
„Gut. Das ist die Rache dafür, dass ich den ganzen Tag den scheiß Zaun neu setzen durfte. Das hättest du ganz allein tun sollen, da du den Schaden angerichtet hast.“
„Klar doch, dann kannst du ja die Pferde dressieren und die Touren für die Gäste des B&B machen.“
Bei dem Gedanken an die Bed & Breakfast Pension auf der Ranch verziehe ich das Gesicht.
„Dachte ich mir“, sagt Jackson. „Sei froh, dass du Zäune bauen darfst, Bro.“
Sein Ton ist giftig. Jackson liebt die Ranch, aber es gibt die Arbeit mit Pferden und die Arbeit mit Menschen. Jackson versteht sich besser mit den Pferden.
Jackson erhebt sich von der Couch und Evan kommt hereingestürmt. Sein Gesicht ist wütend.
„Du schuldest mir was“, zischt er und deutet auf Jackson. „Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was für eine scheiß Arbeit der verfluchte Zaun macht?“
Ich räuspere mich und bin froh, dass Jackson bekommt, was er verdient. Doch er grinst nur.
„Ihr müsst beide mal chillen“, sagt Jackson mit einem Lachen. Er nimmt uns nicht ernst.
„Jungs!“, ruft Mama aus der Küche und durchbricht die Spannung im Raum.
Sie hat einen siebten Sinn was uns angeht, und verhindert oft Streit, bevor er richtig ausbrechen kann. Evan verdreht die Augen und geht in die Küche. Dylan und ich folgen ihm. Für den Moment lassen wir Jackson unversehrt im Wohnzimmer zurück.
Mama legt panierte Hühnchenteile in die heiße Pfanne und schiebt selbst gemachtes Maisbrot in den Ofen. Sie wäscht sich die Hände, trocknet sie ab und wischt sich mit dem Handrücken die blonden Haare aus den Augen. Dann stemmt sie die Hände in ihre Taille und sieht uns an, wie immer, wenn sie etwas befiehlt. „Hört zu, ich will heute keine Streitereien hören, habt ihr das verstanden?“
„Aber …“, unterbricht Evan.
„Nein! Ich will nichts davon wissen. Euer Vater kommt jeden Moment nach Hause und ich möchte ein friedliches, nettes Abendessen.“
Sie dreht sich um und kümmert sich um das brutzelnde Fleisch in der Pfanne.
Schweigend beginnen wir drei, die Einkaufstüten auszupacken. Mama zeigt uns, wohin wir alles räumen sollen. In diesem Haus aufgewachsen, weiß ich zwar, wo alles hingehört, aber sie hat ein eigenes System, nach dem wir uns zu richten haben.
Als Mama den Kartoffelbrei stampft, kommen John und Dad durch die Hintertür. John ist Jacksons Zwillingsbruder. Ich höre seinen Schritt und seine Stiefel bevor ich ihn sehe. In der Küche legt er seinen Hut auf den Tisch und sieht zu Evan hinüber.
„Seid ihr mit den Pfosten fertig geworden?“
„Ja, die sitzen alle im Zement. Morgen nur noch streichen“, antwortet Evan.
„Gut“, sagt Dad, geht zum Kühlschrank und holt sich ein Glas mit Eiswürfeln und Wasser.
Mama befiehlt uns alle an den Tisch und Dylan verabschiedet sich.
„Willst du wirklich nicht zum Essen bleiben? Es ist genug da“, sagt Mama zu ihm.
„Ich gehe lieber nach Hause. Wenn ich schon wieder das Abendessen verpasse, wird mich meine Mutter noch enterben“, erklärt Dylan und zuckt mit den Schultern.
„Ja, wir wissen alle, wie brutal Mütter sein können.“ Ich lächele meine Mutter übertrieben süßlich an.
„Na dann mach dich lieber schnell auf den Weg.“ Mama umarmt ihn kurz und er geht.
Sie macht das Essen fertig und John und ich decken den Tisch. Wir tragen die Hühnerteile rein, den Kartoffelbrei, das Maisbrot, und stellen alles auf den langen, traditionellen Familienesstisch. Dann setzen wir uns auf unsere Plätze wie eine große, glückliche Familie. Dad spricht wie immer ein kurzes Dankesgebet und Mama tut ihm seinen Teller auf.
John erzählt vom B&B und dass es die nächsten acht Wochen schon ausgebucht ist. Dad informiert uns darüber, dass die Heuballen von den Feldern und von der Ostseite des Anwesens eingeholt und in der Scheune verstaut werden müssen. So laufen die meisten Tischgespräche ab. Die Bishops sind Arbeitstiere und reden Tag und Nacht nur über die Ranch.
Ich bin etwas nervös, Dad um Urlaub zu bitten, aber wenn ich in ein paar Wochen freihaben will, muss ich es ihm rechtzeitig sagen. Das ist das einzig Blöde, wenn man für seine Eltern arbeitet. Sie haben keine Scheu, Nein zu sagen.
„Dad“, sage ich über das Geplauder hinweg. Alle werden stiller und ich rede weiter. „Ist es möglich, dass ich demnächst ein paar Tage Urlaub machen kann?“ Es ist ruhig im Raum geworden. Ich höre nur noch Jacksons lautes Kauen.
„Hm“, macht er und sieht kaum zu mir auf. „Wann soll das stattfinden?“
Kurz schaue ich zu Mama und bin gespannt, ob sie mich unterstützen wird. „In zwei Wochen.“
Er nickt und belädt seine Gabel mit Essen. „Für wie lange?“
Ich räuspere mich und schlucke schwer. „Ähm, ich bräuchte zwei Wochen.“
„Wofür?“, fragt John, aber ich ignoriere seine Frage.
Dad schüttelt den Kopf, ohne überhaupt darüber nachzudenken. „Du weißt, dass wir vor der Ferienzeit noch eine Menge zu tun haben …“
„Scott“, unterbricht Mama ihn. Wenn sie ihn beim Vornamen nennt, bedeutet es immer etwas Ernstes. „Ich glaube, es ist vollkommen in Ordnung, wenn du dir freinehmen willst, mein Sohn.“ Überrascht hebe ich die Augenbrauen. „Alex arbeitet hart und er hat eine Pause verdient. Außerdem kann Jackson das einplanen und er und Dylan können sich um seine Arbeit kümmern.“
„Echt jetzt?“ Jackson stöhnt und sieht mich genervt an.
„Ähm, also …“ Ich schlucke, bevor ich weiterspreche. „Dylan muss sich auch freinehmen. Wir wollen zusammen auf einen Trip gehen.“
„Auf keinen Fall“, sagt Dad und trinkt einen Schluck Eistee. „Das ist viel zu viel Aufwand. Ich kann nicht zwei Leute auf einmal ersetzen.“
Seine Worte sind endgültig und ich weiß, dass Widerspruch zwecklos ist.
Mama räuspert sich. Ein klares Signal für Dad. Er sieht sie an und sie führen ein schweigendes Gespräch. Mama spitzt die Lippen und hebt eine Augenbraue. Wir alle wissen, wenn sie dieses Gesicht macht, bestimmt sie, auch wenn es Dad betrifft.
Er hüstelt und trinkt noch einen Schluck. „Wir werden schon irgendwie zurechtkommen“, sagt er schließlich leise. Man sieht ihm an, dass er nicht glücklich darüber ist.
Mein Blick begegnet Jacksons. Er macht stumme Mundbewegungen. „Arschloch.“
Ich kann nur grinsen, denn ich werde verdammt noch mal nach Key West reisen. Für zwei Wochen, und es gibt nichts, was der Blödmann dagegen tun kann. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal Urlaub hatte, und schwöre mir, dass es ein unvergesslicher Trip werden wird.
Nachdem wir Mama geholfen haben, den Tisch abzuräumen, hole ich mein Handy hervor und sehe, dass mir Dylan schon geschrieben hat.
Dylan: Und? Gibt es schon was Neues?
Ich: Ich hoffe, du hast schon gepackt!
Dylan: Echt jetzt? Wir können fahren?
Ich: Yep! Wir werden Key West Cowboy-mäßig aufmischen!
River
„River!“
Mein Name wird gerufen, während ich den Flur entlang eile, in Richtung des piependen Alarms. Ich biege um die Ecke und erkenne, dass er aus Zimmer 448 kommt. In dem McKenna Black liegt. Mrs. Black ruft nach mir. Meine Helferin Jenny ist bereits bei ihr und sie warten auf mich.
Ich kenne die Akten meiner Patienten auswendig. Ihre persönlichen Daten und ihre medizinischen. Das gehört zu meinem Job im Milwaukee Kinderkrankenhaus, wo ich auf der Intensivstation arbeite. Unabhängig davon, wie kurz sie nur hier sind, erlaubt mir mein fotografisches Gedächtnis, die Informationen im Detail zu behalten.
„Wie ist ihr Sauerstofflevel?“, frage ich Jenny und stelle den Alarm ab.
Sofort gibt sie mir den Zustand des Babys. Ich nehme das Stethoskop, das ich um den Hals trage, und höre das Herz ab. „Sie krampft“, sage ich und lege die Kleine auf die Seite. McKenna ist erst fünf Wochen alt und in kritischem Zustand, nachdem die Diagnose bakterielle Meningitis gestellt wurde. Sie ist seit einer Woche hier und wurde auf eine achtundzwanzig Tage lange Antibiotikum-Behandlung gesetzt. Leider sind solche Nebenwirkungen bei dieser Art Infektion nicht ungewöhnlich.
„Was? Sie krampft?“, fragt Mrs. Black hinter dem metallenen Gitterbettchen entsetzt.
„Ruf Dr. Weasley“, sage ich zu Jenny. „Sie braucht ein krampflösendes Mittel, bevor das noch mal passiert.“
„River, was bedeutet das?“ Mrs. Blacks Stimme ist voller Panik.
Ehe ich antworten kann, spricht Jenny dazwischen. „Dr. Weasley ist heute nicht da.“
Ich winke ab. „Dann wer auch immer Dienst hat. Sie braucht das Mittel, bevor es schlimmer wird.“
„Schlimmer? Warum? Was ist los?“ Mrs. Black ist unüberhörbar besorgt und fast hysterisch. Sie hat seit Wochen Angst um ihre Tochter und es bricht mir fast das Herz. Leider erlebe ich so etwas hier täglich.
Ich beobachte, wie sich die Werte des Babys stabilisieren und atme erleichtert aus. „Momentan ist alles in Ordnung, Mrs. Black“, sage ich sanft zu der Frau. Ich versuche, die Familien meiner Patienten so gut wie möglich kennenzulernen, denn dann kann ich sie besser beruhigen und sie vertrauen unserer Behandlung. Ich weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt, an ihrer Stelle zu sein und sich allein und hilflos zu fühlen. „Es war ein epileptischer Anfall. Der Arzt wird ihr etwas geben, damit das nicht wieder passiert.“
„W-was ist das genau?“
„Der Körper spannt sich an und die Muskeln krampfen. Das kommt höchstwahrscheinlich von der Infektion, und auch wenn es nicht ungewöhnlich ist, möchten wir es unter Kontrolle halten. Es könnte die Dinge verschlimmern.“
„Verschlimmern?“ Sie schnappt nach Luft.
Verdammt, das hätte ich weglassen sollen. Ich versuche immer, so ehrlich wie möglich zu sein, aber manchmal lasse ich etwas weg, das nur zu mehr Sorgen führen könnte.
„Die Infektion in ihrem Rückenmark kann Krämpfe auslösen, je nachdem, wo sie sich befindet. Aber ihre Krämpfe haben schon nachgelassen und die Werte sind wieder normal. Das Medikament soll nur verhindern, dass es noch mal passiert. Okay?“ Ich lege eine Hand auf ihre zitternden Finger auf dem Babybett.
Sie nickt und blickt weiterhin auf McKenna. Ihr kleiner Körper ist voller Schläuche. Ihr Gesicht ist von den Flüssigkeiten geschwollen, die kleinen Arme liegen in Schalen, damit die Infusionsnadeln drin bleiben. Ein Anblick, den Eltern nie sehen sollten, doch auf der Intensivstation sehe ich das täglich.
Stunden später und nachdem McKenna ihr Medikament bekommen hat, kann ich endlich eine Pause machen. Ich arbeite in Zwölfstundenschichten und bin jetzt seit zehn Stunden im Dienst. Ich sitze in der Cafeteria und will gerade etwas essen, da setzt sich Natalie vor mich.
„Du siehst scheiße aus.“ Sie beißt in eine rohe Karotte und kaut laut darauf herum.
„Du hättest mich sehen sollen, bevor ich meine Haare gemacht und mich geschminkt habe.“ Ich trinke einen großen Schluck Kaffee. „Ich kann meine Füße nicht mehr fühlen und bin sicher, dass meine Knöchel doppelt so dick sind wie normal.“
„Ist deine Schicht nicht gleich zu Ende?“ Sie schaut auf die Uhrzeit ihres Handys. „Deine Pause ist ganz schön spät.“
Ich nicke. „Ich musste auf den Bereitschaftsarzt warten, der mir ein Medikament für eine Patientin geben musste, und danach wollte ich erst beobachten, wie sie es verträgt. Ihre Mutter war panisch und ich wollte sie nicht alleinlassen.“
„Du weißt schon, dass deine Helferin auch bei der Mutter hätte bleiben können, damit du für zwanzig Minuten weggehen konntest?“
Natalie arbeitet in der Radiologie und ermahnt mich ständig, auf mich selbst zu achten, oder ich bekäme einen Burnout, aber ich kann mir nicht helfen. Ich liebe meinen Job und meine Patienten.
„Mir geht es gut, Mama.“
„Du brauchst dringend Urlaub“, sagt sie ungerührt. „Häng deinen blassen Hintern mal in die Sonne.“
Ich schnaube. „Klar doch. Urlaub alleine!“ Ich verdrehe die Augen. „Und dein Hintern ist mindestens so blass wie meiner.“
„Ich habe mich den ganzen Sommer nackt auf der Dachterrasse gesonnt, das kommt also nicht hin.“ Sie grinst.
„Vielen Dank auch.“ Ich rümpfe die Nase. „Diese Bilder kriege ich so schnell nicht mehr aus dem Kopf.“
Sie rollt mit den Augen und ich lache.
„Wirklich, du könntest Urlaub gebrauchen. Oder eine Ablenkung. Such dir einen heißen Typen und bums ihn um den Verstand.“ Sie wackelt mit den Augenbrauen und grinst anzüglich.
Ich kaue mein Essen, schüttele den Kopf und lache. „Irgendwen zu vögeln ändert auch nichts an der Tatsache, dass ich die letzten sechs Monate an einen Mann verschwendet habe, der irgendwie vergessen hat zu erwähnen, dass er verheiratet ist.“ Ich atme tief ein und entlasse beim Ausatmen die Wut, die mir auf der Brust liegt, seit ich vor drei Wochen seinen Ehering in seiner Hosentasche gefunden habe.
„Ach, vergiss den … wie hieß der überhaupt noch mal?“ Sie verzieht angewidert das Gesicht. Sie hat ihn nie gemocht, auch wenn sie ihn nur ein paarmal gesehen hat. „Arschloch!“
„Andrew“, erinnere ich sie. Bei seinem Namen steigt mir Galle in den Hals.
„Andrew, Arschloch, klingt genauso.“ Sie verzieht die Lippen. „Scheiß auf ihn. Mach eine Single-Reise und reiß dir einen heißen Appetithappen auf!“
Sie meint es wirklich ernst, was mich erschreckt. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, drängt sie so lange, bis ich nachgebe. Wir sind schon seit der Grundschule befreundet, waren auf demselben College und wissen alles voneinander.
„Einen heißen Appetithappen?“ Ich hebe eine Augenbraue. „Wir haben die Schule seit über zehn Jahren hinter uns“, sage ich grinsend. „Der einzige heiße Appetithappen, den ich sehen will, ist ein großer, fetter Truthahnbraten.“ Ich lächele und freue mich auf Thanksgiving mit meiner Familie nächsten Monat in Eagle River, woher ich stamme. Für das College war ich hergezogen und nachdem ich die Stelle im Krankenhaus bekam, war ich geblieben.
„Okay, also dann keine Single-Reise.“ Sie runzelt die Stirn.
Ich greife nach meiner Handtasche, wühle darin herum, bis ich das Medikament finde. Ich öffne die Plastikflasche und hole eine Pille heraus. Mit einem großen Schluck Wasser spüle ich sie hinunter.
„Was ist das?“ Sie neigt den Kopf zur Seite, um die Aufschrift der Flasche zu lesen, und beißt erneut von ihrer Karotte ab.
„Meine STD-Medizin. Die Geschlechtskrankheit war ein Abschiedsgeschenk von Andrew.“ Sie erstickt fast an ihrer Karotte und ich lache.
„River! Das ist nicht witzig.“ Sie klopft sich auf die Brust und hat Tränen in den Augen.
„Aber dein Blick war zum Kreischen.“ Ich wische mir die Lachtränen ab.
„Du bist echt gemein und hast die Krankheit verdient.“ Sie sieht mich verärgert an.
Als ich das Lachen überwunden habe, stecke ich die Flasche wieder in meine Handtasche. „Ach was, du übertreibst. Das ist eine Medizin gegen meine Nebenhöhlenentzündung. Aber die ist schon fast weg.“
„Oh mein Gott!“ Sie schlägt mit der Faust auf den Tisch und der Schlag dröhnt durch die Cafeteria. Ich zucke zusammen.
„Himmel, Natalie!“, schimpfe ich. „Ich bin zu Tode erschrocken!“
Sie deutet mit dem Finger auf mich. „Das hast du verdient!“ Sie grinst frech. „Egal, jedenfalls habe ich eine super Idee. Adam und ich fahren für zwei Wochen nach Key West. Du musst unbedingt mitkommen!“
Ich sehe sie an, als wäre sie verrückt geworden. „Ich gehe nicht mit dir in einen Pärchenurlaub, Nat. Das wäre total schräg.“
„Ach Quatsch! Wir hätten viel Spaß!“
„Ich wäre das fünfte Rad am Wagen.“
„Kaum. Adam will jeden Morgen angeln gehen. Du kannst mir am Strand Gesellschaft leisten. Wir können Margaritas trinken und die lokalen männlichen Augenweiden betrachten. Und danach können wir zu dritt tolle Sachen unternehmen, wie Schnorcheln gehen oder Segeln.“
„Echt verlockend, aber ich will mich trotzdem nicht an ein Pärchen anhängen. Das klingt, als wäre ich euch nur eine Last.“
„Ach, hör auf damit. Adam und ich sind doch wie ein altes Ehepaar. Ehrlich gesagt würde es mir viel mehr Spaß machen, wenn du dabei wärst. Sobald Adam anfängt von Fischen und Würmern zu reden, schlafe ich sowieso ein.“
„Ach, du willst also, dass ich deinen Lückenbüßer mache, das wird ja immer besser.“
„Na und?“ Sie grinst. „Genieße einfach die Sonne, den Strand, das Meer und vergiss den verheirateten Arschlochmann mit der Geschlechtskrankheit.“
„Noch mal zum Mitschreiben, ich habe keine Geschlechtskrankheit!“, zische ich.
Sie winkt ab, als wäre das völlig irrelevant. „Denk einfach darüber nach, okay? Du buchst dir ein Einzelzimmer, wir können am Pool zusammen frühstücken und am Strand ein Buch lesen, und abends kannst du dich betrinken und dir einen heißen Single suchen, den du wie eine echte Schlampe mit auf dein Zimmer schleppen kannst.“
Ich stöhne, muss aber über ihren Enthusiasmus lachen. Sie fleht mich geradezu an. „Ich weiß nicht so recht. Zwei Wochen? Wahrscheinlich bekomme ich so kurzfristig nicht so viel Urlaub.“ Ich stochere im Rest meines Essens herum und denke darüber nach.
„Du arbeitest pausenlos, River. Dir steht Urlaub zu.“ Sie steht auf und greift nach ihrer Zip-Tüte mit den Karotten. „Überlege es dir.“ Sie zwinkert mir zu und geht.
Ich beende meine Schicht und der Gedanke an zwei Wochen Strand und wie schön es wäre, einmal rauszukommen, beschäftigt mich. Nachdem ich mich abgemeldet habe, laufe ich an die Bushaltestelle nahe dem Krankenhaus und warte.
Ich checke mein Handy und finde ein paar neue Sprachnachrichten. Als ich Andrews Stimme höre, spanne ich mich an.
Andrew: Hi, Baby. Du fehlst mir. Ich weiß, dass du mich jetzt hasst, aber ich verspreche, dass ich es dir erklären kann …
Ehe er weiterlügen kann, lösche ich die Nachricht und klicke die nächste an. Ebenfalls von ihm.
Andrew: Ich kann nicht aufhören, an dich zu denken. Bitte komm zu mir zurück! Ich werde …
Löschen.
Und von wem ist wohl die dritte Nachricht? Korrekt. Vom Arschloch.
Ich stecke das Handy ein und sehe den Bus kommen. Ein zweiter Bus überholt ihn, fährt durch eine Pfütze und spritzt Dreckwasser auf meine Schuhe und die Arbeitskleidung. Der Mann neben mir tritt zur Seite und betrachtet mich von oben bis unten.
Heilige Scheiße! Ich bin komplett durchnässt, bis auf die Haare. Nicht, dass das eine Rolle spielen würde, denn es sieht sowieso aus, als würde ein Vogel darin nisten. Es ist früher Oktober in Süd-Wisconsin, was bedeutet, dass es nur noch um die fünf Grad warm ist. Blöderweise habe ich meine Winterjacke nicht dabei und werde mir jetzt im Bus den Hintern abfrieren.
Zu Hause ziehe ich die nassen Klamotten aus und gehe in die Küche. Die Fahrt durch die Stadt war die Hölle und ich bin bis auf die Knochen durchgefroren. Ich lasse die Schuhe, den Kittel und den BH auf dem Boden liegen. Meine Mitbewohnerin ist eine ehemalige Mitschülerin aus dem College, die selten zu Hause ist. Meistens übernachtet Sasha bei ihrem Freund, was sie zu einer angenehmen WG-Bewohnerin macht. Solange sie ihren Teil der Miete zahlt, ist es mir egal, ob sie da ist oder nicht. Das Einzige, worüber ich mich beschweren könnte, ist ihr Kater, um den ich mich kümmern muss, weil sie anscheinend diese Verpflichtung total vergisst.
„Hi, Leo“, sage ich, als er auf mein Bett springt und um Aufmerksamkeit buhlt. Ich streichele ihn kurz und gehe dann ins Bad, um zu duschen.
Das heiße Wasser fühlt sich wunderbar an und entspannt meine Muskeln. Meine Beine und Füße schmerzen vom vielen Laufen heute und ich kann es kaum erwarten, mit meinem E-Book-Reader ins Bett zu kriechen. Doch als ich mich abtrockne und das Handtuch um mich wickele, höre ich Geräusche im Flur.
Was zur Hölle?
Ich halte das Handtuch über der Brust fest und spähe aus der Tür. Sashas lange, braune Haare fallen ihr über den Rücken und sie hat die Beine um einen Kerl geschlungen und trockenvögelt ihn an der Wand. Blinzelnd bin ich erstaunt, sie um diese Zeit an einem Dienstagabend hier zu sehen, da sie früh morgens anfängt zu arbeiten. Ich betrachte mir den Kerl, mit dem sie herumknutscht, und stelle fest, dass es nicht ihr Freund ist.
Es ist das Arschloch.
Als ich am nächsten Tag zur Arbeit gehe, bin ich immer noch schockiert. Natürlich habe ich kaum geschlafen. Nicht, weil meine Mitbewohnerin meinen Ex im Bett hat, sondern weil Andrew ein lauter Liebhaber ist. Rückblickend verstehe ich jetzt, wieso. Auf diese Weise will er seinen winzigen Penis kompensieren und gibt vor, lieber Oralsex zu praktizieren als eine Frau zu vögeln.
Ich rolle mit den Augen, als mir das klar wird. Kein Mann muss unbedingt so viel Krach machen, wenn er sich zwischen den Beinen einer Frau mit dem Mund zu schaffen macht. Die Frau sollte dabei laut sein. Zumindest, wenn er alles richtig macht.
Als ich die Sache Natalie geschrieben hatte, bestand sie darauf, dass dies ein Zeichen sei. Dass ich mit ihr nach Florida kommen soll. Nachdem ich ihn gesehen und gehört hatte, brauchte ich in der Tat mehr als dringend einen Urlaub.
In der Pause treffe ich mich mit Natalie.
„Nicht zu glauben, dass er dir erst eine Nachricht schickt und nur ein paar Stunden später mit Sasha in deinem Apartment erscheint“, sagt Natalie zum dritten Mal, weil sie genauso schockiert ist wie ich.
Willkommen im Club. Ich finde es auch unfassbar.
„Wahrscheinlich hat er sie für mich gehalten. Schließlich bin ich blond und sie braunhaarig. Das kann man schon mal verwechseln.“ Ich schnaube.
„Himmel, ich bin so froh, dass du mit dem Mistkerl Schluss gemacht hast. Ich sollte Adam hinschicken, damit er ihm in den Arsch tritt.“ Sie regt sich immer mehr auf.
„Natalie.“ Ich lege eine Hand auf ihre. „Ich bin dir dankbar, aber Adam würde nur verletzt werden.“
Sie verzieht den Mund. „Hey, er ist muskulös.“
Ich lache leise. „Stimmt. Ich will auch nicht das Gegenteil behaupten, aber Andrew futtert Steroide zum Frühstück, und dagegen kommt keiner an. Außerdem ist er ein Blender, Lügner und Fremdgeher, und niemandes Zeit und Energie wert.“
Sie schaut immer noch bedauernd drein. „Es tut mir leid, dass du das auf diese Weise herausfinden musstest.“
Ich zucke mit den Schultern und senke den Blick. „Leben und lernen, nicht wahr?“ Ich blinzele und sehe sie an. „Übrigens hat er seine Sechstausenddollar-Uhr bei mir vergessen.“ Ich grinse.
„Heilige Scheiße!“ Sie schnappt nach Luft. „Was für eine Uhr kostet so viel? Dafür sollten noch fünfhundert Dollar und ein Stripper mitgeliefert werden.“
Ich breche in Lachen aus. Deshalb bin ich mit Natalie befreundet. Stets schafft sie es, mich auch in den schwersten Zeiten zum Lachen zu bringen.
„Das ist so ein Designerteil. Hat er zu seiner Beförderung letztes Jahr bekommen.“