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ÜBER DEN NEUFELD VERLAG

DerN E U F E L DV E R L A Gist ein unabhängiger, inhabergeführter Verlag mit einem ambitionierten Programm.

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der jeder willkommen ist!

Bei Gott sind Sie willkommen!

Und zwar so, wie Sie sind.

Uns liegt am Herzen, dass Menschen erfahren:

• Der christliche Glaube ist keine Religion, sondern lebt von Beziehung.

• Es gibt nichts Besseres, als mit Jesus zu leben.

• Es lohnt sich, die Bibel für das eigene Leben zu lesen.

• Die Gemeinschaft mit anderen Christen fordert uns heraus und hilft uns.

Menschen mit Behinderung bereichern uns!

Sie haben uns etwas zu sagen und zu geben, zum Beispiel:

• Sie erinnern uns daran, dass jeder Mensch einzigartig ist.

• Sie zeigen uns, dass der Wert eines Menschen nichts mit seiner Leistungsfähigkeit zu tun hat.

• Sie bremsen uns immer wieder aus und halten uns vor Augen, was im Leben wesentlich ist.

• Sie lassen uns erkennen, dass das Leben erfüllt sein kann – auch wenn es manchmal anders kommt als geplant.

ZU DIESEM BUCH

In diesem bisher unveröffentlichten Buch liefert Bestsellerautor Henri Nouwen überzeugende Gedanken dazu, warum Christsein relevant und schön, klug und in unserer modernen Welt notwendiger denn je ist.

An einem der Tiefpunkte seines Lebens hielt Henri Nouwen Vorträge über die Bedeutung der Jesus-Nachfolge in einem Zeitalter der Angst.

Henri Nouwen sieht, wie wir uns zwischen Rastlosigkeit, die uns in Atem hält, und frustrierter Untätigkeit, die uns lähmt, durch unser Leben bewegen. Er macht uns auf die Stimme von Jesus aufmerksam, der zu mir und zu dir sagt: „Komm, folge mir nach.“

Nouwen lädt ein, diese leise Stimme der Liebe zu hören und sich darauf einzulassen – und auf diesem Weg mit Jesus von der Angst befreit zu werden.

Henri J. M. Nouwen gehört zu den bekanntesten geistlichen Schriftstellern der Gegenwart. Durch seine radikale Ehrlichkeit und Offenheit haben unzählige Menschen sich in seinen Büchern wiedererkannt: die Fragen, Zweifel und Abgründe ihres Lebens, die Bedürfnisse und Sorgen ihres Herzens.

IMPRESSUM

Dieses Buch als E-Book: ISBN 978-3-86256-785-0

Dieses Buch in gedruckter Form:
ISBN 978-3-86256-162-9, Bestell-Nummer 590 162

Aus dem Englischen übersetzt von Bernardin Schellenberger

Copyright © 2019 by The Henri Nouwen Legacy Trust, Toronto, Ontario/Canada

Eine englische Ausgabe dieses Buches erschien 2019 unter dem Titel Following Jesus: Finding Our Way Home in an Age of Anxiety bei Convergent Books, New York, einem Imprint von Random House

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.

Bibelzitate, soweit nicht anders angegeben, wurden der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1993 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart, entnommen.

Lektorat: Dr. Thomas Baumann
Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson
Umschlagabbildungen: Nathan McBride; Christopher Sardegna/unsplash.com
Abbildung Frontispiz: Kevin F. Dwyer
Satz: Neufeld Verlag

© 2021 Neufeld Verlag, Sauerbruchstraße 16, 27478 Cuxhaven

Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

www.neufeld-verlag.de

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ZUM AUTOR

Henri J. M. Nouwen, geboren am 24. Januar 1932 im niederländischen Nijkerk, wurde 1957 zum katholischen Priester geweiht. Nach seiner Promotion an der Universität Nijmegen wurde er Professor für Psychologie und Pastoraltheologie u. a. an den Universitäten Notre Dame, Yale und Harvard in den USA.

Er lebte mit Trappistenmönchen im Kloster, unter Armen in Peru und rang leidenschaftlich mit Fragen sozialer Gerechtigkeit. Nach einer lebenslangen Suche fand Henri Nouwen schließlich nach Hause, als er 1986 der Einladung von Jean Vanier folgte und sich der Arche-Bewegung anschloss; einer Lebensgemeinschaft von Menschen mit und ohne geistige Behinderung. Bis zu seinem Tod war er geistlicher Leiter der Arche-Gemeinschaft Daybreak in Toronto/Kanada.

Henri Nouwen verfasste mehr als 40 Bücher über Spiritualität, die sich weltweit über sieben Millionen mal verkauften und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden.

Er starb am 21. September 1996.

www.HenriNouwen.org

Henri J. M. Nouwen

Jesus nachfolgen

Nach Hause finden
in einem Zeitalter der Angst

Herausgegeben
von Gabrielle Earnshaw

Aus dem Englischen übersetzt
von Bernardin Schellenberger

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INHALT

Zu diesem Buch

Leserstimmen zu diesem Buch

Zum Autor

Impressum

VORWORT VON RICHARD ROHR

EINFÜHRUNG

1. DIE EINLADUNG

„Komm und sieh“

2. DIE BERUFUNG

„Komm und folge mir nach“

3. DIE HERAUSFORDERUNG

„Liebt eure Feinde“

4. DER PREIS

„Nimm dein Kreuz auf dich“

5. DIE BELOHNUNG

„Meine Freude wird die deine sein“

6. DIE VERHEISSUNG

„Ich werde allezeit bei euch sein“

Nachwort der Herausgeberin

Danksagung

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Über den Neufeld Verlag

KAPITEL EINS

DIE EINLADUNG

„Komm und sieh“

Als Johannes der Täufer mit zwei seiner Jünger am Jordan stand, kam Jesus vorbei. Johannes blickte ihn scharf an und sagte: „Seht, da ist das Lamm Gottes.“ Die zwei Jünger, die das hörten, folgten Jesus. Jesus wandte sich um, sah sie ihm nachfolgen und sagte: „Was wollt ihr hier?“ Sie erwiderten: „Rabbi [was „Lehrer“ heißt], wo wohnst du? Er gab ihnen zur Antwort: „Kommt und seht!“ So gingen sie mit ihm, sahen, wo er wohnte, und blieben den Rest des Tages bei ihm. Das war ungefähr zur zehnten Stunde.

Johannes 1,35–39

Stell dir vor, du bist für einen Augenblick in dieser Geschichte dabei. Stell dir vor, du stehst da vor Johannes dem Täufer. Er ist ein energischer Mensch. Stell ihn dir in seinem Kamelhaarmantel vor. Er ist anders als alle andern. Er sagt mit strenger Stimme: „Tut Buße! Tut Buße! Ihr seid ein sündiges Volk. Tut Buße! Tut Buße! Tut Buße!“

Die Leute stehen da und hören das. Sie haben irgendwie das Gefühl, dass in ihrem Leben etwas fehlt. Sie spüren irgendwie, dass sie mit allem möglichen beschäftigt und deshalb erschöpft sind – oder dass sie bloß untätig herumsitzen und nie etwas Entscheidendes passiert.

Sie gehen zu diesem eigenartigen Menschen – diesem wilden Mann – und hören ihm zu. Johannes und Andreas, zwei der Jünger von Johannes, stehen bei ihm. Eines Tages kommt Jesus vorbei. Johannes blickt ihn scharf an und sagt: „Das ist das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.“

Johannes wusste, dass seine Leute Sünder waren und der Buße bedurften, aber er wusste auch, dass er die Sünden dieser Menschen nicht wegnehmen konnte; dass das Wegnehmen von Sünden keine Möglichkeit des Menschen war. Er sagte nur: „Tut Buße! Tut Buße! Tut Buße!“ Aber als Jesus vorbeikam, sah Johannes ihn scharf an und sagte zu Johannes und Andreas: „Seht, das ist das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt. Das ist der Gottesknecht. Er ist gekommen, um zu leiden. Das ist der, welcher gesandt wurde, das Opfer zu werden, das Lamm Gottes, sodass er eure Sünden wegnehmen kann.“

Bleibe einfach in diesem Bild.

Bleibe da, wo Johannes und Andreas sind, begierig, ein neues Leben anzufangen, mit einem neuen Konzentrationspunkt, einem Neuanfang, einem neuen Herzen, einer neuen Seele. Diese zwei jungen Männer fangen an, Jesus nachzufolgen, und Jesus dreht sich um, sieht sie ihm nachfolgen und sagt: „Was wollt ihr?“ Und was sagen sie? Sagen sie: „Herr, wir möchten deine Anhänger sein“, „Herr, wir möchten deinen Willen tun“, „Herr, wir möchten, dass du unsere Sünden hinwegnimmst“? Sie sagen nichts von alledem! Stattdessen fragen sie ihn: „Wo wohnst du?“

Wir hören hier irgendwie gleich zu Anfang dieser Geschichte die sehr wichtige Frage: „Wo wohnst du? Was ist dein Platz? Wie fühlt es sich an, bei dir zu sein?“

Jesus sagt: „Kommt und seht.“

Er sagt nicht: „Kommt in meine Welt.“ Er sagt nicht: „Kommt, ich will euch ändern.“ Er sagt nicht: „Werdet meine Jünger“, „Hört auf mich“, „Tut, was ich euch sage“, „Nehmt euer Kreuz auf euch.“ Nein. Er sagt: „Kommt und seht. Seht euch um. Lernt mich kennen.“ Das ist die Einladung. Sie blieben bei ihm. Sie gingen und sahen, wo er lebte, und blieben den Rest des Tages bei ihm. Johannes sagt, das sei ungefähr zur zehnten Stunde gewesen, also etwa um vier Uhr nachmittags.

Jesus lud sie ein und sie kamen zu ihm und sie wohnten bei ihm. Sie begaben sich freiwillig an seinen Platz. Sie sahen einen ganz anderen Menschen als Johannes den Täufer, der laut ausrief: „Tut Buße, tut Buße, tut Buße! Die Zeit ist angebrochen!“ Stattdessen sagte Jesus bloß: „Kommt und seht, wo ich lebe.“

Sie sahen Jesus, das Lamm Gottes. Den demütigen Knecht. Arm, sanftmütig, warm, Frieden stiftend, reinen Herzens. Sie sahen ihn. Schon damals. Sie sahen das Lamm Gottes.

Das ist alles sehr behutsam. Man spürt eine Zärtlichkeit, eine Demut.

„Kommt und seht.“

„Sie blieben den Rest des Tages bei ihm.“

Jesus lädt sie ein, sich einfach bloß umzusehen.

Sei da. Sieh dir mit den Augen deines Herzens diese Geschichte an, die du gehört hast.

Wir sind eingeladen

Jesus spricht die Einladung aus, ins Haus Gottes zu kommen. Das ist eine Einladung dazu, Gottes Wohnort zu betreten.

Das ist keine Einladung mit barschen Aufforderungen. Es ist die Geschichte vom Lamm Gottes, das zu uns sagt: „Komm. Komm in mein Haus. Sieh dich um. Fürchte dich nicht.“ Lange vor seinem radikalen Aufruf, alles hinter sich zu lassen, sagt Jesus: „Kommt und seht, wo ich bin.“

Jesus ist ein Gastgeber, der sich wünscht, dass wir um ihn sind. Jesus ist der Gute Hirte des Alten Testaments, der sein Volk an seinen Tisch einlädt, auf dem der Becher des Lebens überfließt.

Dieses Bild, dass Gott uns in sein Haus einlädt, findet sich in der gesamten Heiligen Schrift.

Der Herr ist mein Haus. Der Herr ist meine Zufluchtsstätte.

Der Herr ist die Decke über mir. Der Herr ist meine Zuflucht. Der Herr ist mein Zelt. Der Herr ist mein Tempel. Der Herr ist mein Wohnort. Der Herr ist mein Heim. Der Herr ist die Stätte, an der ich alle Tage meines Lebens leben möchte.

Gott möchte unser Raum sein, unser Haus. Er möchte, dass wir alles haben, das uns das Gefühl gibt, daheim zu sein. Er ist wie ein Vogel, der uns unter seinen Flügeln birgt. Er ist wie eine schwangere Frau, die uns in ihrem Schoß trägt. Er, sie ist die grenzenlose Mutter, die liebevolle Gastgeberin, der umsichtige Vater, der fürsorgliche Beschützer, der uns einlädt, bei ihm zu sein.

Das gibt das Gefühl, in einem sicheren Bereich zu sein, worin alles gut ist. In unserer gefährlichen Welt voller Gewalttätigkeit, Chaos und Vernichtung gibt es diesen Ort, an dem wir sein möchten. Wir möchten im Haus Gottes sein – um uns sicher zu fühlen, umarmt, geliebt, versorgt. Wir sagen mit dem Psalmisten: „Wo anders möchte mein Herz denn verweilen als im Hause des Herrn?“ (vgl. Psalm 84 und 27).

Da gewinnt das Wort „Heim“ an Bedeutung. Jesus sagt: „Ich gehe ins Haus meines Vaters, um für euch ein Heim zu bereiten, denn im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ (Johannes 14,2). Jesus spricht da von diesem großen Heim, diesem Haus, worin uns ein Festmahl erwartet und der Kelch überfließend ist, und worin das Leben ein einziges großes Fest ist.

Das Johannesevangelium beginnt mit einer unglaublichen Vision dieses Heims. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war mit Gott, und das Wort war Gott, und im Wort war alles, was geschaffen war, und das Wort ist Fleisch geworden und hat sein Zelt unter uns aufgeschlagen“ (vgl. Johannes 1,1–3.14). „Heim“ ist das, worum es bei der Inkarnation geht. Wer im Evangelium liest, hört Jesus sprechen: „Ich habe mein Heim in euch eingerichtet, und so könnt ihr euer Heim in mir einrichten“ (vgl. Johannes 15,4–8). Diese Vision vom Haus Gottes geht tiefer und immer noch tiefer. Plötzlich verschmelzen alle diese Bilder ineinander und uns geht auf, dass wir Gottes Heim sind und dazu eingeladen sind, unser Heim dort einzurichten, wo Gott Gottes Heim eingerichtet hat. Uns geht auf, dass genau da, wo wir sind, genau hier in diesem Körper, mit diesem Gesicht, mit diesen Händen, mit diesem Herzen, wir der Ort sind, an dem Gott wohnen kann.

Hören wir sorgfältig hin: Jesus möchte, dass du und ich Teil der intimen Familie Gottes werden. „Wie mich der Vater liebt, so liebe ich euch“ (Johannes 15,9). Jesus sagt: „Ihr seid nicht mehr Sklaven, Fremde oder Außenseiter; nein, ihr seid Freunde, weil alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euer ist, alle die Werke die ich tue, ihr tun könnt, und sogar noch größere. Ich bin nicht der ganz Große und ihr die ganz Kleinen – nein: Alles, was ich tun kann, das könnt auch ihr tun“ (vgl. Johannes 15,15–16).

Die intime Beziehung zwischen Vater und Sohn hat einen Namen. Sie ist Geist, Heiliger Geist. „Ich will, dass ihr meinen Geist habt.“ „Geist“ bedeutet „Atem“. Dieser Begriff stammt vom antiken griechischen Begriff pneuma. „Ich will, dass ihr meinen Atem habt. Ich will, dass ihr an diesem innersten Bereich meiner selbst Anteil habt, sodass die Beziehung zwischen euch und Gott die gleiche ist wie die zwischen mir und Gott, und das ist eine göttliche Beziehung.“

Ihr sollt mit eurem Herzen hören, dass ihr eingeladen seid, in der Familie Gottes zu wohnen. Ihr seid eingeladen, ab sofort Teil dieser tief innerlichen Kommunion zu sein.

Geistlich zu leben heißt, Teil der Familie Gottes zu sein.

Wenn wir sagen: „Ich sage dies im Namen Jesu“ oder: „Ich tue das im Namen Jesu“, so meinen wir damit wirklich: „Ich tue das ausgehend von Gott.“ Heutzutage meinen viele Menschen, dass dann, wenn wir etwas im Namen Jesu tun, wir dies tun, weil Jesus nicht da ist und wir das also als seine Stellvertreter, seine Repräsentanten tun. Aber das ist damit nicht gemeint. Im Namen Jesu zu sprechen, uns auf den Namen Jesu zu berufen, im Namen Jesu zu handeln heißt, dass dieser Name da ist, wo ich bin. Wo bist du? „Ich lebe in diesem Namen und das ist dort, wo ich wohne; dort, wo mein Wohnort ist.“ Wenn du erst einmal dort lebst, kannst du in die ganze Welt hinausgehen, ohne diesen Ort jemals zu verlassen.

Außerhalb dieses Orts, außerhalb des Herzens Jesu sind alle unsere Worte und alle unsere Gedanken so gut wie nichts. Was immer du tust, verlass dabei nie diesen Ort, denn nur an diesem Ort bist du in Gott. Nur von diesem Ort her kommt die Erlösung, und es ist Erlösung, was wir in diese unsere Welt hineinbringen müssen.

Die Einladung lautet: „Komm und sieh den Ort Gottes.“ Anfangs meinen wir, das sei einfach sein Heim, sein physischer Platz, aber im Johannesevangelium wird das so entwickelt, dass Johannes uns zeigt, dass der Ort Gottes das Innenleben Gottes selbst ist – des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes, die eine Liebesfamilie bilden, in die hinein wir eingeladen sind. Die Nachfolge Jesu ist der Weg zum Eintritt in diese Liebesfamilie.

Wir müssen Jesus nicht nachfolgen. Zuerst ist da die Einladung: „Komm, komm. Komm und sieh!“

Welche Antwort geben wir?

Hinhören

Wir lassen uns auf die Einladung Jesu ein, indem wir auf Menschen wie Johannes den Täufer hören. Hätte Johannes nicht gesagt: „Seht! Das ist das Lamm Gottes“, hätten Johannes und Andreas ihn womöglich gar nicht kennengelernt. Diese Erzählung aus dem Evangelium zeigt, dass wir auf jemanden hören müssen, der uns auf Jesus verweist. Wir finden Jesus nicht von uns aus.

Dieser Mensch mag nicht aufregend, attraktiv oder leicht zugänglich sein. Der Mensch, der auf Jesus zeigt, mag uns gewaltig auf den Wecker gehen, und zwar wegen unserer Vorurteile. Womöglich kommt uns eine Abneigung gegen ihn und wir sagen: „Seht doch, wie der sich anzieht“, oder: „Ich mag diese Art Leute nicht, die dauernd von Jesus reden.“

Ich möchte dich darauf aufmerksam machen, dass wir auf diese Menschen hören müssen, auch wenn sie nicht unbedingt von der Art sind, dass sie gleich unsere Sympathie haben. Vielleicht sind sie zu arm. Oder sie sind zu reich. Oder sie haben einen seltsamen Akzent. Oder sie sprechen eine andere Sprache. Irgendeinen Grund gibt es immer, zu sagen: „Na ja, die haben ihre eigenen Probleme.“

Aber immerhin: Sie zeigen auf Jesus.

Wir haben es notwendig, Menschen zuzuhören, die anzuhören uns nicht unbedingt leichtfällt. Das können eine recht einfache Frau, ein recht einfacher Mann sein, die uns die Frage stellen: „Liebst du Jesus?“ Sag dann: „Komm her. Worum geht’s?“ Hör dann gut zu. Bleib aufmerksam.

Es könnte auch ein sehr mächtiger Mensch sein, der von Jesus spricht, womöglich sogar der Papst selbst, und du könntest sagen: „Na ja, du tust dich leicht, im Vatikan zu leben, mit all dem Aufwand um dich herum.“ Aber darum geht es nicht. Hör hin.

Es könnte auch ein recht ungewöhnlicher Mensch sein, der sich nicht an alle Regeln hält. Aber sei aufmerksam, wenn dich jemand auffordert, „Jesus nachzufolgen“. Nimm diese Stimme sehr ernst.

„Sieh hin! Sieh das Lamm Gottes!“

Wir können tausend Argumente dafür anführen, nicht hinzusehen, nicht zuzuhören. Aber pass gut auf.

Horche.

Wenn du das nicht tust, findest du Jesus womöglich nie. Diejenigen, die auf Jesus zeigen, zeigen von sich selbst weg. Nimm das ernst.

Im Alten Testament wird erzählt, dass Samuel im Tempel schlief und der Herr ihn anrief: „Samuel, Samuel!“ Da ging er zum Priester Eli und sagte: „Ich höre immer diese Stimme!“ Zuerst sagte Eli: „Geh wieder ins Bett.“ Aber schließlich ging Eli auf, dass Gott den Jungen rief, und er sagte zu ihm: „Gott spricht zu dir.“ Später, als Samuel wieder diese Stimme hörte, gab er zur Antwort: „Herr, hier bin ich. Dein Diener hört“ (1. Samuel 3,1–9). Ohne Eli hätte Samuel nicht erkannt, dass Gott zu ihm sprach. Ohne Johannes den Täufer hätten Johannes und Andreas nicht auf Jesus geschaut.

Wir müssen auf die Menschen in unserem Leben hören, sogar auf die gebrochenen, und sie sehr ernst nehmen.

Fragen

Nach dem Hören müssen wir Fragen stellen.

Johannes und Andreas fragen: „Wo wohnst du?“ Es ist sehr wichtig, dass wir wissen wollen, wer Jesus ist, wenn wir ihm folgen wollen; dass wir ihm wirklich folgen wollen.

„Herr, wo wohnst du? Wir möchten bei dir sein. Wir möchten dich genauer kennenlernen.“

Wir müssen Fragen stellen. Ich muss Fragen stellen.

Hör nicht auf, immer wieder Fragen zu stellen.

„Herr, wie ist das, bei dir zu sein? Ich möchte dir nachfolgen, aber ich bin mir dessen nicht ganz sicher.“

Frag immer wieder.

„Ich habe Menschen Dinge tun sehen, die ich wirklich nicht mag. Zeig mir, wie du bist, damit ich das selbst sehen kann. Zeig es mir. Wo wohnst du?“

An diesem Punkt setzt unser Gebet an. Unsere Gebete fangen an, wenn wir sprechen: „Herr, gib mir ein Gefühl dafür, wer du bist. Manche sagen dieses über dich, andere jenes, aber ich möchte selbst spüren, wer du für mich bist.“

Scheue dich nicht, so zu fragen.

Jesus sagt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern ich nenne euch Freunde, weil ich euch alles sage“ (Johannes 15,15). Wir müssen beten, um das zu verstehen. Bete: „Herr, ich möchte dich kennenlernen. Lass mich spüren, wer du bist, damit ich auf Grund dieser Erfahrung sprechen kann.“ Halten wir uns den Evangelisten Johannes vor Augen, der gesagt hat: „Wir haben ihn mit unseren eigenen Augen gesehen, mit unseren eigenen Ohren gehört und mit unseren eigenen Händen berührt“ (1. Johannes 1,1). Das wünsche ich mir für uns: Dass wir von dem sprechen wollen, was wir gesehen und was wir gehört haben.

Wohnen

Die dritte Reaktion auf die Einladung ist die, bei Jesus zu wohnen. „Sie gingen also mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war ungefähr die zehnte Stunde“ (vier Uhr nachmittags, Johannes 1,39).

Um Jesus nachzufolgen, muss man bereit sein, sich zu sagen: „Diese halbe Stunde will ich jetzt bei Jesus wohnen. Ich weiß, dass ich zerstreut sein werde. Ich weiß, dass mir hundert Gedanken kommen und unzählige Einfälle, was ich alles tun müsste. Aber ich weiß, dass du mich liebst und einlädst, auch wenn ich zerstreut und ängstlich bin. Ich will jetzt einfach bei dir wohnen.“