1 – über a tempo
a tempo - Das Lebensmagazin
a tempo Das Lebensmagazin ist ein Magazin für das Leben mit der Zeit. Es weckt Aufmerksamkeit für die Momente und feinen Unterschiede, die unsere Zeit erlebenswert machen.
a tempo bringt neben Artikels rund um Bücher und Kultur Essays, Reportagen und Interviews über und mit Menschen, die ihre Lebenszeit nicht nur verbringen, sondern gestalten möchten. Die Zusammenarbeit mit guten Fotografen unterstützt hierbei den Stil des Magazins. Daher werden für die Schwerpunktstrecken Reportage und Interview auch stets individuelle Fotostrecken gemacht.
Der Name a tempo hat nicht nur einen musikalischen Bezug («a tempo», ital. für «zum Tempo zurück», ist eine Spielanweisung in der Musik, die besagt, dass ein vorher erfolgter Tempowechsel wieder aufgehoben und zum vorherigen Tempo zurückgekehrt wird), sondern deutet auch darauf hin, dass jeder Mensch sein eigenes Tempo, seine eigene Geschwindigkeit, seinen eigenen Rhythmus besitzt – und immer wieder finden muss.
2 – inhalt
3 – editorial An der Hecke des Paradieses von Jean-Claude Lin
4 – im gespräch Kann Intelligenz künstlich sein? Edwin Hübner im Gespräch mit Martin Lintz
5 – thema Beuys, wer bist du? von Albert Vinzens
6 – augenblicke social plastics. Kann das weg oder wird das Kunst? von Uschi Groß
7 – herzräume Rotkäppchen von Brigitte Werner
8 – erlesen Claus-Peter Lieckfeld «Die Wiederkommer» gelesen von Gerhard Trommer
9 – mensch & kosmos Allen ein Freund sein von Wolfgang Held
10 – alltagslyrik – überall ist poesie Sonne sagen – Sonne sein von Christa Ludwig
11 – kalendarium Mai 2021von Jean-Claude Lin
12 – was mich antreibt An einem Sonnabend von Simone Lambert
13 – unterwegs Gefühle und Gelassenheit von Daniel Seex und Jean-Claude Lin
14 – sprechstunde So gesund macht uns das Meer von Markus Sommer
15 – blicke groß in die geschichte Ein Licht, das nie erlosch. Der griechische Unabhängigkeitskampf von Konstantin Sakkas
16 – von der rolle Wes Andersons fabelhafte Welt Der Film «Grand Budapest Hotel» von Elisabeth Weller
17 – hörenswert Mit allen Registern: Charles Marie Widor von Thomas Neuerer
18 – wundersame zusammenhänge Fülle – nicht Mangel von Albert Vinzens
19 – literaratur für junge leser Jochem Myjer: «Die Gorgel und das Geheimnis des Gletschers» gelesen von Simone Lambert
20 – mit kindern leben Oma auf dem Spielplatz von Bärbel Kempf-Luley und Sanne Dufft
21 – sehenswert Schönheit und Gewalt gesehen von Konstantin Sakkas
22 – eine seite lebenskunst Ich habe den Menschen gesehen. Zum 150. Geburtstag von Christian Morgenstern von David Marc Hoffmann
23 – sudoku & preisrätsel
24 – tierisch gut lernen Doch lieber ein Nestflüchter sein? von Renée Herrnkind und Franziska Viviane Zobel
25 – suchen & finden
26 – ad hoc Manchmal werden Wünsche wahr … von Ulrike Geist
27 – bücher des monats
28 – impressum
3 – editorial
AN DER HECKE DES PARADIESES
Liebe Leserin, lieber Leser!
Das Kehren ist für mich eine überaus befriedigende Tätigkeit. Ohne den Lärm eines Staubsaugers, mit einem einfachen, aber guten Besen, den Dreck, die Krümel, den Staub in einem Zimmer zu beseitigen, empfinde ich als sinngebende, erfüllende Tätigkeit. Unter meinen Sohlen knirscht es dann nicht mehr auf dem Parkett oder den Fliesen und in den Ecken wie unter dem Bett oder den Regalen sammeln sich keine Staubflusen mehr. Mit Christian Morgenstern, der 1902 unter seinen Aphorismen notierte: «Kunst heißt Ordnung schaffen – dies Wort Nietzsches fällt mir auf Schritt und Tritt ein, seit ich wieder in Italien bin.» kann ich mich sogar als Künstler wähnen.
Der große Vorzug am Kehren ist, dass ich nicht mal nach Italien reisen muss, um diese Kunst erfahren zu können. Ich brauche nur meine vier Wände, einen Boden ohne Teppich und einen Besen – und die Energie, um den Besen zu führen, ist die ganz eigene hervorgebrachte. Das ist wohl ein kleiner, stiller Unterschied zum Staubsauger, zur Maschine überhaupt, dass ein Werkzeug in seiner einfachen Gestalt nur die Selbstenergie des Menschen braucht. Vielleicht konnten in früheren Jahrhunderten die Menschen, die einem Handwerk ohne den Lärm einer Maschine nachgingen, ob als Gärtner, Schuhmacher, Schmied, Schreiner oder Maurer, eher ein spirituelles Leben führen als heutzutage jene, die lärmende Maschinen steuern müssen. 1891 notierte Christian Morgenstern: «Die Kunst hat einst ihre Mission vollendet, wenn sie die Menschen wieder zur Natur zurückgeführt hat.» Ob die Kunst danach tatsächlich keine Aufgabe mehr innehat, sei einmal dahingestellt. Für das Wirken eines Künstlers wie Joseph Beuys muss das eine wesentliche Triebfeder gewesen sein.
Erst um die zwanzig Jahre alt war der am 6. Mai 1871 in München geborene Christian Morgenstern damals. Noch keine dreiundvierzig Jahre alt starb er am 31. März 1914. Was er anstrebte, wonach er stets verlangte, hat er unauslöschlich in sein Werk und Leben eingeschrieben: «Mir ist mein ganzes Leben zu Mut, als ginge mein Weg oft an der Hecke des Paradieses vorbei. Dann streift mich warmer Hauch, dann mein, ich, Rosen zu sehn und zu atmen, ein süßer Ton rührt mich zu Tränen, auf der Stirn liegt es mir wie eine liebe, friedegebende Hand – sekundenlang. So streife ich oft vorbei an der Hecke des Paradieses …». Im Paradies werde ich wohl keinen Besen mehr brauchen, aber vielleicht doch eine Gitarre, um den Gesang der Dichter zu begleiten.
Seien Sie, liebe Leserin, lieber Leser, in diesem hoffentlich wonnigen Mai von Herzen gegrüßt!
Ihr
4 – im gespräch