Buch
Viele Deutsche glauben, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Sie verbinden die zweitgrößte Weltreligion vor allem mit dem Terror im Namen Gottes, der Unterdrückung von Frauen und Minderheiten sowie einer Ablehnung westlicher Werte. Die Gründe für diese Assoziationen resultieren aus dem Erstarken radikalislamischer Milieus, die sich zunehmend auch in Deutschland ausbreiten. Die Islamforscherin Susanne Schröter klärt über die Ursprünge, Erscheinungsformen und Akteure dieser Gruppierungen auf – einer radikalen Minderheit der Muslime in Deutschland, deren Ziel die Umgestaltung und Unterwerfung von Gesellschaft, Politik, Kultur und Recht unter islamistische Normen ist, und die so unsere pluralistische Demokratie bedrohen. Ein ebenso fundierter wie hochaktueller Überblick für alle, die sich über Islamismus in Deutschland informieren wollen.
Autorin
Susanne Schröter, geboren 1957 in Nienburg/Weser, studierte Ethnologie, Soziologie, Politikwissenschaften und Pädagogik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie lehrte und forschte unter anderem an der University of Chicago und der Yale University, wurde 2004 Inhaberin des Lehrstuhls für Südostasienkunde an der Universität Passau und 2008 auf die Professur für »Ethnologie kolonialer und postkolonialer Ordnungen« und an die Goethe-Universität Frankfurt berufen. Dort war sie 11 Jahre lang Principal Investigator im Exzellenzcluster »Herausbildung normativer Ordnungen« und leitet seit 2014 das »Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam«. Sie ist neben anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten Vorstandsmitglied des »Deutschen Orient-Instituts«, Senatsmitglied der »Deutschen Nationalstiftung« und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der »Bundeszentrale für politische Bildung«.
Susanne Schröter
Im Namen
des Islam
Wie radikalislamische Gruppierungen
unsere Gesellschaft bedrohen
Pantheon
Das Buch ist 2019 unter dem Titel Politischer Islam beim Gütersloher Verlagshaus erschienen und wurde für die Pantheon-Ausgabe aktualisiert.
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Pantheon-Ausgabe April 2021
Copyright © 2019 by Gütersloher Verlagshaus
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München
Umschlagabbildungen: © shutterstock/Dvorko Sergey;
© shutterstock/esfera
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-28195-3
V001
www.pantheon-verlag.de
Vorwort
I HISTORISCHE URSPRÜNGE DES POLITISCHEN ISLAM
1. Was bedeutet politischer Islam?
2. Wahhabismus und Salafismus – Ideologien des politischen Islam
3. Die Verlockungen des Westens und die Geburt der Muslimbruderschaft
4. Moderate Muslimbrüder?
II DER GLOBALE SIEGESZUG DES POLITISCHEN ISLAM
1. Die islamische Revolution im Iran
2. Abschied vom lächelnden Islam in Südostasien
3. Neo-osmanische Träume in der Türkei
4. Islamisten an der Macht
III DEUTSCHLAND – OPERATIONSGEBIET DER MUSLIMBRUDERSCHAFT?
1. Die Anfänge der Muslimbruderschaft in Deutschland
2. Konvertiten als Speerspitze des deutschen Islamismus
3. Netzwerke
4. Der Herr der Winkelzüge
IV TÜRKISCHER ISLAMISMUS IN DEUTSCHLAND
1. Deutschtürkische politische Ambivalenzen
2. Nationalisten, »Graue Wölfe« und ein Rockerclub
3. Die DITIB: Religionsgemeinschaft oder politisches Instrument Erdogans?
4. Die »Milli-Görüs«-Bewegung
V DER LANGE ARM DER IRANISCHEN MULLAHS
1. Der Stellvertreter des obersten Führers in Hamburg
2. Die »Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland«
3. Islamistische Propaganda im Internet
4. Das »Al-Mustafa-Institut« in Berlin: Ideologieexport im wissenschaftlichen Gewand
5. Iranischer Islamismus, iranische Dissidenten und die deutsche Politik
6. Verbindungen zur Hisbollah
VI KRIEG IM NAMEN DES ISLAM
1. Die Etablierung einer dschihadistischen Internationale
2. Der dschihadistische Untergrund in Deutschland
3. Rechtfertigungen des Dschihad
4. Salafismus als Subkultur
VII DIE UNTERWERFUNG DER FRAUEN
1. Liebe im Land des Dschihad
2. Gehorsam und häusliche Gewalt
3. Mord im Namen der Ehre
4. Die Sündhaftigkeit des weiblichen Körpers
VIII KONFLIKTZONEN
1. Religiöses Mobbing und Gewalt in Schulen
2. Die Instrumentalisierung des Fastens und Betens
3. Zwanzig Jahre Kopftuchstreit
4. Islamischer Extremismus bei Geflüchteten
IX MUSLIMISCHER ANTISEMITISMUS: DIE TABUISIERTE GEFAHR
1. Gewalt gegen Juden in Frankreich
2. Muslimischer Antisemitismus in Deutschland
3. Judenfeindlichkeit in der islamischen Geschichte
4. Leugnungen, Relativierungen und der schwierige Kampf gegen Antisemitismus
X DEUTSCHLAND UND DER POLITISCHE ISLAM
1. Die ungebrochene Faszination des Radikalen
2. Islamisten als Kooperationspartner des Staates
3. Islamische Diversität
4. Herausforderungen und Leitlinien einer zukünftigen Islampolitik
Literatur
Anmerkungen
Die Mehrheit der Deutschen glaubt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Sie verbindet die zweitgrößte Weltreligion weniger mit hehren ethischen Prinzipien oder einer tiefen Spiritualität als mit Gewalt im Namen eines unbarmherzigen Gottes, der Unterdrückung von Frauen und Minderheiten sowie einer allgemeinen Ablehnung westlicher Werte. Für diese Assoziationen gibt es viele nachvollziehbare Gründe. Zu ihnen zählen an erster Stelle die terroristischen Anschläge und Anschlagsversuche, die im Namen des Islam durchgeführt wurden, aber auch die offenkundige Distanz vieler Muslime zu unserer Gesellschaft, die sich beispielsweise in Jubelveranstaltungen für Erdogan, Bekenntnissen zur Scharia oder dem aggressiven Einfordern von Sonderrechten äußert. Allen Präventions- und Deradikalisierungsprojekten zum Trotz breiten sich radikalislamische Milieus in Deutschland aus, die besonders bei Jugendlichen großen Anklang finden. Unbestreitbar ist weiterhin, dass so manche islamische Vereinigung, die hierzulande als respektabler Partner von Politik und Zivilgesellschaft gefeiert wird, von ausländischen Islamisten finanziert und gesteuert wird. Ein Beispiel ist die DITIB, der größte muslimische Dachverband, der vollständig unter Kontrolle der staatlichen türkischen Religionsbehörde steht und durch Kriegspropaganda, antichristliche und antisemitische Homepages sowie durch Spitzeldienste für den türkischen Geheimdienst in die Kritik geraten ist. Im öffentlichen Raum, vor allem in Schulen und mittlerweile auch an Universitäten, mehren sich mittlerweile Vorfälle, die selbst diejenigen ratlos machen, die Multikulturalität und Vielfalt bislang begrüßt und gefördert haben. Dabei geht es um den Missbrauch von Gebetsräumen, um Respektlosigkeit gegenüber Frauen, um religiöses Mobbing und um zahlreiche Versuche, islamische Normen durchzusetzen.
Die genannten Probleme resultieren, so das zentrale Argument dieses Buches, aus dem Erstarken des politischen Islam. Der politische Islam stellt eine Sonderform des Islam dar und sollte nicht als charakteristisch für die gesamte Weltreligion gesehen werden, die auch in Deutschland eine Vielzahl von Facetten besitzt. Durch machtbewusstes und strategisch geschicktes Agieren seiner Funktionäre übt der politische Islam allerdings großen gesellschaftlichen Einfluss aus und dominiert zunehmend die Bühne staatlicher Islampolitik und zivilgesellschaftlicher Dialogveranstaltungen.
Viele Menschen sind angesichts der Komplexität der gegenwärtigen Situation, des Unvermögens, zwischen einem politischen und anderen Spielarten des Islam zu unterscheiden, sowie vieler sich zuspitzender Probleme überfordert – nicht zuletzt, weil ihnen das Wissen fehlt, um Situationen richtig einzuschätzen und angemessene Handlungsstrategien zu entwickeln. Das betrifft Lehrer und Lehrerinnen, die durch einen komplizierter werdenden Schulalltag navigieren müssen, Sozialarbeiter, die gefährdete Jugendliche begleiten, ehrenamtlich Engagierte, die sich um Geflüchtete kümmern oder an interreligiösen Dialoggruppen beteiligen. Herausgefordert sind auch die Angehörigen der Polizei, die um den Schutz der Bevölkerung vor gewalttätigen Extremisten bemüht sind, die Mitarbeiter von Ämtern und Ministerien, die für die Konzipierung und Umsetzung von Integrationsmaßnahmen verantwortlich zeichnen, die Angehörigen der Justiz, die mit Augenmaß eingreifen müssen, wenn schon einiges schief gegangen ist, und last but not least die Mitglieder politischer Parteien, die die Rahmenbedingungen für unsere pluralistische Gesellschaft erstellen und verantworten.
Das Buch richtet sich an diese Menschen sowie an alle, die sich für den Islam in der gesellschaftlichen Gegenwart interessieren. Es liefert Hintergrundwissen und hilft bei der Einordnung muslimischer Vereine, die in kommunalen Dialogforen mitarbeiten, Partner der Bundesländer beim islamischen Religionsunterricht sind und eine Stimme in der »Deutschen Islamkonferenz« haben.