Deutsche Erstausgabe (ePub) Mai 2021
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2020 by E. Davies
Titel der Originalausgabe:
»Stolen Hart«
Published by Arrangement with E. Davies
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2021 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock; AdobeStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Druckerei: CPI Deutschland
Lektorat: Bernd Frielingsdorf
ISBN-13: 978-3-95823-883-1
Besuchen Sie uns im Internet:
www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen
von Susanne Ahrens
Liebe Lesende,
vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.
Vielen Dank!
Euer Cursed-Team
Klappentext:
Aaron und Quinn könnten unterschiedlicher nicht sein: Während Aaron in Hart’s Bay für seine freche Art bekannt ist und immer einen zweideutigen Spruch auf den Lippen hat, ist der zurückhaltende Quinn das komplette Gegenteil. Er ist ein hoffnungsloser Romantiker und auf der Suche nach der großen Liebe, wohingegen Aaron leugnet, das so was überhaupt existiert. Trotzdem fliegen zwischen ihnen die Funken, weshalb sie kurzerhand eine Abmachung treffen: Einen Monat lang geben sie einander, was sie brauchen. Für Aaron ist das unverbindlicher Sex, für Quinn sind es romantische Dates. Jeder will den anderen von seiner Sichtweise auf die Liebe überzeugen – allerdings müssen sie bald feststellen, dass diese Sache zwischen ihnen so viel mehr ist als nur eine Wette. Das dem anderen gegenüber zuzugeben, erfordert jedoch enorm viel Mut…
Für alle blauäugigen Träumer,
denen das Herz gebrochen wurde.
Aaron
In der Woche seit Eröffnung seiner Kaffeebar Howya Bean hatte Aaron gelernt, dass Kaffeeservieren weniger mit Bohnen als mit Menschen zu tun hatte.
Hart's Bay war klein genug, dass jeder den Namen, das Gesicht und die Streitigkeiten seiner Nachbarn kannte. Und was am wichtigsten war: den Beziehungsstatus.
Aaron kannte bereits – sowohl im biblischen Sinn als auch anderweitig – den größten Teil der schwulen Bevölkerung der Stadt. Von daher passte er verdammt gut auf, wenn ein schwuler Single seinen Laden allein betrat.
Quinn war diese Woche schon zwei Mal hier gewesen, jedes Mal ein Date mit einem anderen Mann. Es sah danach aus, als hätte er an diesem nieseligen Samstagmorgen einen Dritten in der Warteschleife. Es war unmöglich, den breitschultrigen Mann mit dem unbeschwerten Lächeln zu übersehen. Aaron war nie dankbarer gewesen, dass er einen guten Grund hatte, seine Gäste nach ihrem Namen zu fragen. Besonders diejenigen, bei denen er sich an den Tresen lehnen musste, weil ihm die Knie weich wurden.
Quinn füllte die Tür in ihrer ganzen Breite aus und auch größtenteils in der Höhe. Er musste gute 1,85 Meter sein. Er bewegte sich mit einer gelassenen Eleganz, die verriet, dass er sich in seiner Haut wohlfühlte. Das zog Aaron an wie das Licht eine Motte.
Letzte Woche war Quinn in einem enttäuschend dicken Flanellhemd aufgetaucht. Zum Glück hatte er die Ärmel hochgerollt und seine freigelegten Unterarme hatten Aaron so gründlich abgelenkt, dass er zwei Mal den falschen Kaffee eingebucht hatte.
Bei seinem zweiten Besuch hatte Quinn sich für ein gestärktes Oberhemd und eine Krawatte unter einem schlicht hinreißend gemusterten Pullover entschieden. Er hatte mit jeder Faser nach einem Mann ausgesehen, den man seinen Eltern vorstellen konnte. Das hieß, falls die eigenen Eltern nicht zu der Sorte gehörten, die einen wissen ließen, dass man schlecht für ihr Bild in der Öffentlichkeit war.
Auch heute musterte Aaron Quinn, als dieser seine Winterjacke öffnete. Wieder eine nette Wahl – ein graues T-Shirt unter einem blauen Oberhemd aus Damast. Wichtiger war jedoch, dass sich das T-Shirt über eine Brustmuskulatur spannte, in der Aaron zu gern die Nase vergraben hätte. Wenn Quinn doch nur seine äußeren Kleidungsschichten ablegen würde. Dann könnte Aaron mehr sehen. Vielleicht sollte er die Heizung höher drehen.
Aaron schluckte, als Quinn sich ihm näherte. Jeder rationale Gedanke schoss durch die Eingangstür davon, bevor sie sich mit einem fernen Klingeln schloss. Los geht's. »Morgen, Quinn«, grüßte Aaron freundlich lächelnd. »Einen Vanilla-Latte?«
Er hatte die Worte gedanklich eingeübt, damit er nicht stumm dastand. Quinn so nah zu sein, dass er ihn berühren konnte, weckte in Aaron den Wunsch, herauszufinden, welchen Anblick er von den Knien aus bieten würde.
Ein wohliger Schauder rann ihm über die Haut, als Quinn sein Lächeln träge erwiderte. Quinns dunkelgrüne Augen erregten ebenso Aarons Interesse wie sein Hosenschlitz. Sein dunkelblondes Haar war auf dem Kopf etwas länger und nach hinten gekämmt.
»Oh, guten Morgen.« Quinn wirkte vage überrascht. Er hatte vermutlich keine Ahnung, dass Aaron sich den Schwung seiner Lippen eingeprägt hatte, ganz zu schweigen von seinem Namen oder seiner üblichen Kaffeebestellung. »Ja, das wäre klasse, danke.«
Aarons Finger tanzten über das Tablet, um die Bestellung einzugeben, dann wirbelte er zu den Kaffeemaschinen, während Quinn zahlte. Er konzentrierte sich auf das, was er beherrschte – die Knöpfe und Hebel der Maschinen, die in den richtigen Händen flüssiges Gold produzierten –, und gewann dadurch genug Selbstbewusstsein zum Plaudern.
Quinn warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Bin ein bisschen zu früh gekommen.«
Oh Gott. Die Versuchung war gewaltig. In jeder anderen Situation hätte Aaron sich ebenso auf ein Wortspiel gestürzt wie auf den 1,85 Meter großen, lächelnden Hengst. Nein, sagte er sich streng und biss sich auf die Unterlippe, während er in die andere Richtung sah und nach einer Tasse griff.
»Bist du? Irgendetwas Nettes vor am Wochenende?«, fragte er. Sein Blick huschte zu Quinn.
Quinn lachte leise und schob seine Brieftasche zurück in die Tasche. »Ich hoffe es. Mal sehen, wie es heute läuft.«
Aaron erstickte beinahe an der Frage, ob er ein weiteres Date mit einem der Männer hatte, mit denen er sich bereits getroffen hatte, oder mit einem neuem. Ein bisschen heißer Tratsch mochte das unvernünftig eifersüchtige Ungeheuer in seinem Bauch zufriedenstellen.
Aber Quinn rückte keine weiteren Einzelheiten heraus und Aaron wusste es besser, als nachzubohren. Er wollte Quinn nicht abschrecken.
Nur weil er Tagträume von diesem rasiermesserscharfen Kiefer unter dessen Lippen und diesem runden Hintern in seinen Händen gehabt hatte… bedeutete das noch lange nicht, dass er das seinen Gästen mitteilen sollte. Aaron hatte nie BWL studiert, aber selbst er wusste, dass das zu den ersten Lektionen als Inhaber gehörte.
»Dann wünsche ich dir viel Glück.« Er zwinkerte, als er die Tasse über den Tresen gleiten ließ. Die Dienstkleidung, die er für die Kaffeebar gewählt hatte, bestand aus einem gestärkten weißen Hemd und einer dunklen Jeans, die die Beule in seinem Schritt verbarg. Puh.
»Danke.« Quinn schenkte Aaron ein weiteres Mal sein unbeschwertes Lächeln mit diesen perfekten weißen Zähnen und ging auf einen Tisch zu, während Aaron in seinem Rücken quer über den Tresen schmolz.
Verdammt, Quinn war heiß. Aber für ihn war Aaron nur Teil der Umgebung. Er musste sich damit abfinden. Nach ein paar Sekunden fasste Aaron sich und wischte die Maschinen ab.
Was für ein Mann würde heute hereinkommen, um sich mit Quinn zu treffen? Die letzten beiden waren ziemlich mittelmäßig gewesen. Quinn konnte definitiv etwas Besseres finden.
Mit dem ersten der beiden hatte Aaron letzten Sommer geschlafen. Gott sei Dank schien er sich nicht an ihn zu erinnern. Aaron hingegen erinnerte sich sehr wohl an die amateurhaften Blowjobs des Typs.
Den zweiten Mann hatte er nicht gekannt, aber er war ihm im Gespräch so langweilig vorgekommen, wie der erste im Bett gewesen war. Aaron hatte mit der Musikanlage herumgespielt, um gegen die Monotonie anzukämpfen, während Quinn sich durch das Date gehangelt hatte.
Würde der Neue jung, schlank und offenherzig sein? Oder doch eher ruhig und reserviert? Suchte Quinn nach einem diskreten Mann, der als hetero durchging und jedes Wochenende Fußball spielte? Gott, Aaron wollte wissen, auf welchen Typ Mann er stand.
Er hoffte auf rund 1,75 Meter groß, spritzig im Sinne von lässt sich gern vollspritzen, unanständiger als Großtante Mabel an Thanksgiving und Kaffeebarbetreiber.
Offensichtlich war Quinns Typ vor allen Dingen kommt dauernd zu spät. Während Aaron hinter dem Tresen sauber machte, behielt er die Lage im Auge. Niemand der Neuankömmlinge machte auch nur ansatzweise den Eindruck, als Quinns Verabredung infrage zu kommen.
Zu den Gästen gehörten ein paar Jungs der Baufirma der Harts, einige seiner Freunde aus der Kunstgalerie und Victor, dem der Supermarkt am Hart Square gehörte. Victor war definitiv nicht Quinns Date, da er gemeinsam mit Jesses Mutter – Laura Stone – hereinkam. Aaron war sich recht sicher, dass die beiden inzwischen zusammen waren. Laura war immer ein bisschen überdreht, aber das liebte Aaron an ihr. Sie hatte ihm sogar einen Adventskranz für seine Ladentür vorbeigebracht.
Die volle Stunde kam und verstrich. Um Viertel nach begann Quinn auf seinem auf dem Tisch liegenden Handy herumzutrommeln. Mit gefurchten Brauen starrte er aus dem Fenster. Seine Tasse war mittlerweile leer.
Aaron glitt mit einem frischen Vanille-Latte hinter dem Tresen hervor und stellte ihn vor Quinn ab. Das leise Klirren der Tasse ließ Quinn erst zum Tisch sehen, dann aufblicken.
»Versetzt worden?«, fragte Aaron mitfühlend lächelnd. »Hier. Geht aufs Haus.«
Quinns köstlich volle Lippen öffneten sich eine Sekunde überrascht, bevor er lächelte. »Oh, das ist unglaublich nett von dir. Danke.« Er sah auf sein Handy, doch anscheinend war keine Nachricht darauf aufgetaucht. »Ja, es sieht so aus, als hätte er kalte Füße bekommen.«
»Männer.« Aaron schnalzte mit der Zunge, während er Quinns leere Tasse und Löffel einsammelte. »Kaffee ist zuverlässiger.«
»Wie wahr.« Quinn erhob seufzend seine frische Tasse darauf, bevor er trank. »Dein Kaffee ist großartig. Das ist der perfekte Laden für ein erstes Date, weißt du?«
»Ist mir aufgefallen.« Aaron grinste. »Warum die Eile? Versuchst du, eine Verabredung für die Feiertage zu finden?«
Er verharrte auf der anderen Seite des Tresens, obwohl er versucht war, sich auf den Stuhl gegenüber Quinn sinken zu lassen und ein Gespräch zu beginnen. Aber er wollte diese Grenze nicht überschreiten. Guter Kundenservice war eine der beiden Disziplinen, mit denen Aaron sich auskannte – einen süßen Typ zu bedienen, die andere. In seinem alten Job hatte er das eine mit dem anderen verbunden, aber im winzigen Hart's Bay war nicht genug Platz für bedeutungslose Affären. Hier musste er das eine brav vom anderen trennen.
»Nicht ganz.« Quinn stützte das Kinn auf die Faust und den Ellbogen auf den Tisch, während er zu Aaron aufsah. »Ich wollte dieses Jahr einen festen Freund finden.«
»Und dir geht die Zeit aus«, sprach Aaron für ihn weiter. »Verstehe.«
»Aber der Druck durch die Familie ist schon ein Problem. An den Feiertagen geht es verrückt zu, oder?« Quinn schob hinreißend schmollend die Unterlippe vor. »Als wären sie verzweifelt darauf aus, mich zu verheiraten.«
Aaron schnippte seufzend mit den Fingern. »Da sag ich nur Amen.« Er hatte einen Neuanfang im Leben gewagt und gerade erst ein neues Geschäft eröffnet, doch seine Eltern interessierten sich weder für das eine noch für das andere. Sie wollten, dass er einen netten, ordentlichen, ruhigen Mann kennenlernte, sodass er nicht länger eine tickende Zeitbombe für schlechte Presse darstellte.
Quinn lachte. »Wenn es nur so einfach wäre.«
»Tja, wenn ich dir irgendwelche Empfehlungen geben soll, lass es mich wissen«, sagte Aaron grinsend. »Ich kenne eine Menge Männer, die was Festes suchen. Ich bin schnell abgehauen, sobald sie das erwähnt haben.« Er neigte sich nach vorn und flüsterte: »Und sie sind alle viel interessanter als deine letzten beiden Kandidaten.«
»Danke«, sagte Quinn. Sein Blick huschte vom Fenster zu Aaron und wieder zurück. »Und danke für den Kaffee. Darf ich deinen Namen erfahren?« Die Regenwolke über Quinns Kopf schien sich zu heben, als er Aaron zulächelte.
»Aaron«, brachte er hervor. Seine Stimme war vor Aufregung dünn.
»Aaron also. Danke dir.«
»Gern geschehen«, erwiderte Aaron locker. Er drehte sich um und verschwand in seinem kleinen Refugium hinter dem Tresen, um ein Quietschen zu unterdrücken. Zu hören, wie Quinn seinen Namen aussprach, stellte verrückte Sachen mit seinem Herzen an.
Sicher, er hätte lieber gehört, dass sein Name tief und laut geknurrt wurde, während Quinn ihn auf dem Fußboden vögelte… Aber für den Moment würde er sich damit zufriedengeben.
Bin ich ein Arschloch, weil ich froh bin, dass sein Date nicht aufgetaucht ist? Aaron biss sich beim Saubermachen auf die Unterlippe. Nur, damit ich mit ihm reden konnte? Er versuchte, um Quinns willen Enttäuschung zu empfinden, und schaffte es nicht.
Verdammt, natürlich suchte Quinn nach einer Romanze. Es schien, als gälte das für jeden hier draußen. Das machte es für Aaron umso schwerer, seine Eifersucht im Zaum zu halten.
Er war nicht nur eifersüchtig, weil andere Liebe fanden, sondern auch darauf, dass sie sie finden wollten. Aaron wünschte, er könnte anderen Menschen dasselbe Vertrauen entgegenbringen.
Seit letztem Silvester, als sein Ex-Freund ihn aus der gemeinsamen Wohnung geworfen hatte, hatte Aaron sich darauf konzentriert, sich auf nichts Festes einzulassen. Das hatte weitaus mehr Spaß gemacht, als verheult seine Habseligkeiten einzupacken und sich den ganzen Januar lang zu betrinken.
Aber auch wenn Aaron die Speisekarte ausgiebiger getestet hatte als seine Freunde, fand einer nach dem anderen sein Glück. In der Zwischenzeit war er damit beschäftigt, auf Grindr am Leben vorbeizuwischen.
Er weigerte sich, bei den Punkten, auf die es ankam, Kompromisse einzugehen. Sein Sextrieb war der Mittelpunkt seines Lebens. Fantastischer Sex sorgte dafür, dass auch alles andere gut lief. Mit jemandem zusammen zu sein, der auf dem Papier perfekt war, aber bei dem nicht die Funken flogen? Nein, danke. Das war Aarons Vorstellung von der Hölle.
Keine von Aarons schmutzigen Partys, Treffen in Darkrooms oder schnellen Nummern mitten am Tag hatten irgendwo hingeführt. Was gut war, wie er sich einredete.
Er hatte keine Ahnung, wie zum Teufel es seinen Freunden gelungen war, Männer zu finden, die so perfekt zu ihnen passten. Rusty war gelassen, verantwortungsbewusst und bezähmte Ezras emotionale Fluchtreflexe. Colt dagegen war feurig genug, um Rain zu zügeln – den beiden gehörte dieses Gebäude und während des Umbaus hatte Aaron sich mit ihnen angefreundet. Justin, einer der Jungs aus der starken, schweigsamen Baucrew, hatte den süßen, ausgelassenen kleinen Harry am Arm. Und Finn war ebenso ehrgeizig wie Jesse enthusiastisch.
Vielleicht war Aaron einfach zu eigenartig, als dass es eine andere Hälfte für ihn da draußen geben könnte – jemanden, der bereit war, die Wälle einzureißen, die er im Verlauf des vergangenen Jahres errichtet hatte.
Verloren in seinen Gedanken entging es ihm beinahe, als Quinn aufbrach. Zum Glück erregte die tiefe Stimme von der Tür aus seine Aufmerksamkeit. »Danke für den Kaffee. Wir sehen uns.«
»Schönen Tag noch!«, antwortete Aaron automatisch und strahlte Quinn an, bis der eine Hand hob und hinausging. Anschließend verblasste Aarons Lächeln. Er legte die Arme auf den Tresen und seufzte. Da ging sein alberner Tagtraum, heute noch Sex zu haben, dahin.
Er ließ sich weiter nach vorn sinken, bis seine Stirn auf der Arbeitsplatte auflag. Selbst wenn niemand im Café war, der ihm Aufmerksamkeit schenkte, gab er sich überdramatisch.
Für einen Mann, der so oft wie möglich hart geritten und anschließend beiseite geworfen werden musste, waren Aarons letzte Wochen einer Dürreperiode gleichgekommen. Das Chaos und der Stress, diesen Laden zu eröffnen – streichen, Möbelanlieferung, nach Bankterminen im Auto heulen –, hatten ihn überwältigt.
Ein anständiger Fick würde bei all seinen Problemen helfen. Besonders gegen den dämlichen einsamen Schmerz, der sich in seiner Brust regte, als er sich aufrichtete und zum Ende des Tresens ging. Von dort konnte er die Glasbrücke zum Parkplatz sehen, der zwischen den Läden und der Kunstgalerie lag. Er sah zu, wie Quinn in seinen Wagen stieg und wegfuhr.
Es war unmöglich, sich einsam zu fühlen, wenn ein Mann bis zum Anschlag in ihm steckte, oder? Aber wann immer er sich heute vorstellte, dass ihn jemand mit seinem Gewicht aufs Bett drückte und die Finger in Aarons Haar vergrub, hatte er Quinns Gesicht.
Vielleicht könnte er sich auf eine Ausnahme seiner Nicht mit den Einwohnern rumvögeln-Regel einlassen. In den ruhigen Phasen zwischen den einzelnen Gästen checkte Aaron Grindr und das andere halbe Dutzend Datingapps auf seinem Handy. Er prüfte jede einzelne, konnte jedoch kein Profil entdecken, das nach Quinn aussah.
Das ließ nur zwei Möglichkeiten offen: Entweder gehörte Quinn eines der gruseligen leeren Profile in der Gegend oder er war ein hoffnungsloser Romantiker, der sich nicht online umsah. So oder so musste Aaron warten, bis Quinn wiederkam, bevor er sich ins Spiel bringen konnte.
Gäste anzubaggern war leicht. Aaron hatte es Dutzende Male getan. Er hatte immer einen Weg gefunden, sie zu ermutigen, ihm ihre Handynummer zu hinterlassen – und später ihr Sperma in seinem Gesicht. Zurückweisungen machten ihm nichts aus.
Also warum schwitzten dann seine Handflächen bei der Vorstellung, Quinn bei seinem nächsten Besuch in der Kaffeebar anzugraben? Offensichtlich trieb die Durststrecke seltsame Blüten. Er hatte sowieso keine Chance bei Quinn.
Aaron hatte vor einem Jahr entschieden, dass er nie wieder einem Mann erlauben würde, ihm das Herz zu brechen. Doch Quinn suchte eindeutig nach jemandem zum Heiraten. Er hätte sich nicht mehr von Aaron unterscheiden können. So, wie seine Augen geleuchtet hatten, als er darüber gesprochen hatte, einen Freund zu finden? Puh. Keine Chance. Liebe stand anderen Leuten gut, aber dasselbe galt für Kondome. Und die waren deutlich billiger zu haben.
Wenn Aaron das Quinn nur klarmachen könnte – vorzugsweise, bevor Quinn bei einem Verlierer landete, der nicht einmal pünktlich zu einer Verabredung erscheinen konnte.
Okay, ich tu's, versprach Aaron sich an diesem Abend, als er mit schmerzendem Rücken und Füßen die Tür abschloss. Seine Mitbewohner – sie arbeiteten alle in der Kunstgalerie in Sichtweite des Cafés – waren bereits nach Hause gefahren, sodass er zu Fuß gehen musste.
Wenigstens war die Stadt so klein, dass er nur zehn Minuten brauchen würde. Eine gute Gelegenheit, sich abzukühlen und den Arbeitstag hinter sich zu lassen, bevor ihn zu Hause das übliche Chaos erwartete.
Aaron streckte sich und schauderte in der kalten Dezemberluft, dann machte er sich langsam auf den Heimweg.
Wenn er das nächste Mal vorbeikommt, dachte er, gehört er für die Nacht mir.
Quinn
Sobald Quinns Löffel das heiße Wasser berührte, ächzte er auf. »Das ist überhaupt kein Kaffee, du Vollidiot.«
Statt des Granulats für Instantkaffee hatte er einen Löffel Pulver für Bratensoße in die Tasse gehäuft. Er rührte halbherzig um und sah zu, wie es sich auflöste. Das Gebräu würde ihn sicher wach machen, aber zu welchem Preis? Bah – allein der Gedanke ließ ihn schaudern.
Seufzend stellte er die Tasse beiseite und riss den Küchenschrank auf, um eine neue hervorzuholen. Er würde später darüber lachen. Um sechs Uhr an einem Wintermorgen und nachdem er in der vergangenen Nacht stundenlang mit seinem Kissen gekämpft und sich gefragt hatte, was an ihm so beschissen war, dass man ihn versetzt hatte… tat er sich schwer, Zugang zu seinem Humor zu finden.
Er schob die falsche Dose in das oberste Fach des Schranks und holte den Kaffee hervor. Sobald er fertig angerührt war, trank Quinn einen Schluck und verzog das Gesicht. Nachdem er eine Woche lang regelmäßig die neue Kaffeebar am Hafen von Hart's Bay besucht hatte, war er allmählich verwöhnt.
Kaffee war die eine Leckerei, die er sich gönnte. Als Personal Trainer musste er seinen Kunden ein gutes Beispiel in Sachen Gesundheit und Ernährung bieten. Aber Kaffee? Eher würde er das Atmen einstellen.
Quinn schloss eine Hand um die Tasse und lehnte sich mit der Hüfte gegen den Tresen, während er auf seinem Handy auf dem Küchentresen herumtippte.
Heute Morgen hatte er keine Kunden. Die meisten trainierten vor oder nach der Arbeit – also früh morgens oder abends. Er hatte immer besonders wenig zu tun, wenn die Leute für den Rest des Jahres das gesunde Leben aufgaben.
Ursprünglich hatte er vorgehabt, sich heute noch einmal mit Eric zu treffen, falls alles gut lief. Doch da sich das Arschloch nicht die Mühe gegeben hatte, gestern zu ihrem Date zu erscheinen, sah es ganz danach aus, als hätte Quinn etwas Zeit für sich.
»Wenn man vom Teufel spricht.« Gerade als Quinn seine Nachrichten durchging, erschien eine Botschaft von Eric. Sie war gegen zwei Uhr morgens abgesendet worden. Sorry. Hab's nicht geschafft. Familiennotfall. Verschieben wir's auf Sonntag?
Zuerst sah Quinn auf Instagram nach. Das war die einzige Social-Media-App, die er nutzte, und technisch gesehen ging es ihm dabei nur darum, für sein Geschäft zu werben. Doch ab und zu spionierte er auch seine Kunden aus, um sie im Auge zu behalten. Besonders schwule Klienten, die vielleicht süße Single-Freunde wie Eric hatten.
Quinn brauchte nur ein paar Sekunden, um die Lüge auffliegen zu lassen: Er stieß auf ein Foto einer Gruppe lächelnder Männer mit freien Oberkörpern, die sich gestern Abend in einer Bar getroffen hatten, inklusive Eric. Als er sich das Bild genauer ansah, entdeckte er, dass Erics Hand auf jemandes Hintern lag.
Er schnaubte höhnisch. »Familiennotfall, am Arsch.« Wenn er ein wenig nachtragender gewesen wäre, hätte er Eric eine vernichtende Antwort geschickt. Aber Quinn vergeudete keine Energie an Arschlöcher, die es nicht wert waren, also ignorierte er dessen Nachricht.
Es war viel angenehmer, sich etwas Zeit für sich zu nehmen. Er hatte es gestern wirklich genossen, am Fenster des Cafés zu sitzen und zuzusehen, wie die Passanten die nahen Boutiquen betraten und wieder verließen.
Wann in diesem Jahr, in dem er dauernd auf Verabredungen aus gewesen war, hatte Quinn sich schon selbst auf ein Date eingeladen, ohne zu versuchen, einen potenziellen zukünftigen Ehemann anzulocken?
Wenigstens hatte ihm der süße Barista Aaron einen Kaffee spendiert. Tja, er war süß – und interessanter als jede seiner letzten Verabredungen. Irgendwie wünschte Quinn sich eine Ausrede, um sich noch einmal mit ihm zu unterhalten. Vielleicht war es ja kein Witz gewesen, als Aaron angeboten hatte, Quinn mit einigen Leuten bekannt zu machen. Er schien jeden zu kennen, der bei ihm vorbeikam, und dazu die passenden Lieblingsbestellungen.
Der einzige andere Ort in der Stadt, an dem ebenso viel getratscht wurde, war Cher's End Table, die örtliche Kneipe. Aber dorthin wollte Quinn nicht gehen, um sich jemanden für eine Nacht oder ein Date zu suchen – und was noch wichtiger war: Aaron würde nicht dort sein. Sicher, er wurde dafür bezahlt, dass Quinn auf einen Kaffee vorbeikommen wollte, aber er hatte genau das geschafft.
Nach dem Frühstück würde Quinn bei ihm vorbeigehen, sich einen anständigen Kaffee besorgen und dazu ein bisschen Tratsch. Wenn jemand von potenziellen Kandidaten für Verabredungen wusste, dann sicher Aaron. Und mit ein bisschen Glück war Aaron vielleicht selbst single. Immerhin wäre es möglich, dass Quinns Glück in Sachen Liebe zu ihm zurückkehrte, nachdem es sich das ganze Jahr lang verpisst hatte.
***
Pech gehabt.
Quinn fühlte sich mies, weil seine erste Reaktion auf das freundliche Winken der jungen Frau hinter der Kasse Enttäuschung war.
»Hallo«, sagte er dennoch lächelnd und versuchte, seine Enttäuschung zu verbergen, damit sie nicht davon ausging, etwas falsch gemacht zu haben. »Einen Vanilla-Latte bitte.«
Natürlich mussten auch andere Leute hier arbeiten. Quinn hatte bisher nicht darüber nachgedacht, aber es war offensichtlich. Aaron konnte nicht zehn Stunden am Tag und sieben Tage die Woche hier sein.
»Gern. Für hier oder zum Mitnehmen?«
»Für hier«, sagte Quinn und schluckte seine Schuldgefühle hinunter.
Ein Teil von ihm fand, er sollte auf Instagram gehen und eine vergünstigte Session anbieten oder eines seiner Studios anrufen und fragen, ob sie heute etwas für ihn zu tun hatten. Aber seine frühere Erkenntnis, dass er sich ewig nicht selbst eingeladen hatte, hielt ihn zurück. Abgesehen davon war es ja möglich, dass Aaron heute später in die Bar kam.
Nachdem Quinn bezahlt hatte, sah er seiner Barista dabei zu, wie sie den Kaffee zubereitete, und bemühte sich, subtil seine Frage loszuwerden. »Kommt Aaron heute auch?«
»Oh, sicher. Er sollte bald hier sein. Sonntags kommt er normalerweise etwas später.« Sie lächelte ihm zu. »Möchtest du den Manager sprechen?«
»Nein, ganz und gar nicht.« Quinn winkte ab. »Ich wollte nur unser Gespräch fortsetzen.«
Sie lächelte ihm listig zu. »Verstehe. Nun, such dir einen Tisch aus. Ich bin mir sicher, dass er bald kommt.«
»Danke.« Quinn nickte den Gästen zu, die er kannte, aber ihm war heute nicht danach, Small Talk mit ihnen zu halten. Stattdessen ging er mit seiner Tasse zu demselben Tisch für zwei, an dem er beim letzten Mal gesessen hatte.
Das Café war L-förmig aufgebaut und lag am Ende des Gebäudes. Der Sitzbereich war dem Gebäude mit all seinen Fenstern vorgelagert. Die anderen Läden lagen zur Rechten und dahinter der große Parkplatz. Quinn konnte den Seiteneingang der Kunstgalerie erkennen und sogar einen Teil des Hart Square zwischen dem dazugehörigen Gebäude und dem nahen Supermarkt.
Er sah zu, wie seine Nachbarn ihrem Tagwerk nachgingen. Bei der dunklen Gestalt auf dem Kai musste es sich um den ansässigen Seehund handeln – die Anwohner der Stadt hatten Lucy praktisch als gemeinsames Haustier adoptiert.
Als langsam ein Boot in den Hafen einlief, glitt sie vom Anleger. Nachdem dessen Steuermann es vertäut und die Rampe zum Parkplatz hochgegangen war, hob Lucy den Kopf aus dem Wasser, drehte sich einmal um sich selbst und wuchtete sich wieder auf den Anleger. Der Mann vom Boot ging zur Kunstgalerie und betrat sie durch den Seiteneingang. Kurz darauf öffnete sich die Tür erneut und jemand anderes trat ins Freie.
Nicht irgendjemand – es war Aaron.
Quinn lächelte in sich hinein und schaute in seine Tasse, als ob Aaron ihn sonst trotz der Entfernung dabei erwischen könnte, wie er ihn beobachtete. Aber sein ganzer Körper brannte plötzlich wie ein Weihnachtsbaum.
Das war einer der Gründe, warum er wieder hergekommen war – um herauszufinden, was zum Henker es damit auf sich hatte.
Entspann dich, bleib cool. Führ dich nicht seltsam auf, sagte Quinn sich, doch er konnte förmlich spüren, dass Aaron über den Parkplatz hinweg auf das Café zukam. Man eroberte niemanden, indem man sich verzweifelt gab. So viel hatte ihm ein Jahr gescheiterter Dating-Experimente bewiesen.
Eine Minute verstrich, dann öffnete sich klappernd die Tür.
»Morgen, Yolanda! Wie läuft die Schlacht?« Aarons gut gelaunte Stimme schwebte durch die Kaffeebar und Quinn musste dem Drang widerstehen, den Gruß zu erwidern.
Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie Yolanda winkte. »Oh, bestens. Ich habe alles unter Kontrolle. Diese Notiz, die du mir hinterlassen hast: Das sollte heißen, dass ich zuerst die kleine Tüte nehmen soll, stimmt's?«
»Na klar.«
»Puh.« Yolanda lachte. »Dann habe ich es richtig gemacht.«
Quinn lächelte in sich hinein. Die positive Energie zwischen den beiden war angenehm zu beobachten. Offensichtlich behandelte Aaron seine Belegschaft gut. Und ihre Interaktion machte unverkennbar, dass Aaron der Manager oder Besitzer sein musste. Das war irgendwie scharf. Quinn würde gern mal sehen, wie Aaron den Chef heraushängen ließ. Er sprudelte so bereits schon vor Persönlichkeit über.
»Und…« Yolanda räusperte sich. »Du hast Gesellschaft.«
Quinn spähte zu den beiden hinüber. Aaron grinste ihm zu und hielt als Warte einen Moment-Zeichen einen Finger in die Höhe. Er nickte und sah zu, wie Aaron durch den Raum ging und die Stammkunden begrüßte. Sein Herz pochte, als Aaron fertig war und direkt auf ihn zukam. Nun musste er ein Gespräch beginnen.
Hey, du bist süß und lustig, danke, dass du mich gestern aufgemuntert hast, und ich wollte Hallo sagen und dich fragen, ob du Singles kennst, die was Festes suchen, besonders, falls du zu ihnen gehörst.
Oh Mann. Nachdem er ein Jahr lang sein Glück versucht hatte und abgewiesen worden war, hätte man glauben sollen, dass er sich ein dickeres Fell hatte wachsen lassen. Aber hier saß er nun und war tierisch nervös.
»Du bist wieder da.« Aaron zog lächelnd den Stuhl gegenüber Quinns hervor und ließ sich darauf fallen. »Wer ist dieses Mal der Glückliche?« Er überschlug die Beine und grinste spielerisch. »Ich hoffe, es ist dir nicht unangenehm, aber ich habe das Gefühl, dass ich bald an der Reihe sein sollte.«
Oh verdammt. Da ging Quinns Herz dahin. Es schmolz angesichts von Aarons frechem kleinem Grinsen und seiner Kühnheit.
»Bist du«, gab er zurück. »Du hast mir gestern Hilfe angeboten und… na ja, mir gehen die Optionen aus.«
Aaron legte keuchend die Hand auf die Brust. »Eigentlich bin ich es eher gewöhnt, um drei Uhr morgens die letzte Rettung zu sein. Das ist eine angenehme Abwechslung.«
Quinn durchschaute das selbstironische Grinsen sofort. Er musste Aaron nicht kennen, um die Maske zu sehen, die er trug. Er hielt sich wirklich für die letzte Option und das war lächerlich.
Quinn lehnte sich mit verkniffenen Lippen nach vorn. »Ich wette, du bist nicht ihre letzte Rettung. Und falls doch… scheiß drauf.«
»Tu ich normalerweise. Macht Spaß«, sagte Aaron mit einem aufrichtigen kleinen Auflachen. Es ließ Quinn zurücklächeln. »Aber mein Angebot steht. Möchtest du die schwulen Single-Männer in der Nähe kennenlernen?«
Wenn ich dich im Januar getroffen hätte, wärst du meine erste Wahl gewesen, dachte Quinn. Er behielt den Gedanken für sich und nickte lediglich.
Aaron zwinkerte ihm zu. »Top? Bottom? Power Bottom? König des Blowjobs? Fetische? Ein XXL-Schwanz oder eher das Modell fester Freund? Wie sehen die Spezifikationen aus?«
Röte zog sich über Quinns Wangen. Er konnte Aaron kaum ansehen. Er war es so was von nicht gewöhnt, in der Öffentlichkeit über sein Sexleben zu reden, aber der Junge schien keinen Filter zu besitzen und auch nichts zu verurteilen.
»Oder du bist ace? Das ist auch in Ordnung. Allerdings wirken meine Cupido-Kräfte in erster Linie in meinem eigenen Tanzbereich.«
»Äh… nein, das ist es nicht«, sagte Quinn lachend und rieb sich das Gesicht. »Ich suche einfach nach jemandem, mit dem ich mich verstehe, bevor wir uns um den ganzen Schlafzimmerkram kümmern.«
Aaron lachte leise. »Das liegt weit außerhalb meines Erfahrungsbereichs. Also, was passiert denn, wenn ihr euch versteht? Nach den netten, unschuldigen Abendessen und dem Besuch im Autokino oder was immer Jungs mit Klasse dieser Tage so unternehmen?«
Quinn blinzelte. »Was meinst du mit passieren?«
»Was geschieht, wenn ihr plötzlich merkt, dass ihr beide Bottoms seid und keiner die wichtige, doppelköpfige Ausstattung mitgebracht hat, um das Problem zu lösen?« Aaron grinste. »Ich meine, zugegeben… So, wie meine letzten Monate waren, würde ich alles nehmen, was ich kriegen kann. Diese Bude zu eröffnen hat den lustigen Freizeitaktivitäten einen ernsthaften Dämpfer verpasst.«
Quinn lachte. »Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr über so was wie Kompatibilität nachgedacht«, gab er zu. Aarons lockere Zunge sorgte dafür, dass er sich etwas entspannte und nicht ganz so verlegen war. »Ich hatte seit Jahren keinen festen Freund. Und ich hasse die Vorstellung, mich via Handy auf den Fleischmarkt zu werfen. Ich ziehe es vor, offline jemanden kennenzulernen.«
»Aha.« Aaron starrte ihn an. »Eines der seltenen Exemplare, die nicht auf Grindr sind. Deshalb habe ich dich also noch nie gesehen.«
Quinn lachte erneut. »Ja, und ich wollte es auch wirklich dabei belassen. Aber inzwischen habe ich das Gefühl, alles und jeden ausprobiert zu haben… Vielleicht bleibt mir nichts anderes übrig.«
»Als auf Grindr wahre Liebe zu suchen?« Aaron keuchte. Als Quinn nickte, schnalzte er mit der Zunge. »Oh, Süßer. Das wird nicht geschehen. Dort sucht niemand etwas Festes. Vertrau mir.«
Wieder kroch jener Unterton in Aarons Stimme. Sein schwungvoller Tonfall verbarg die Traurigkeit beinahe, doch Quinn bemerkte sie.
»Also, was tue ich jetzt?« Quinn strich sich seufzend durch die Haare. »Ich habe es mit Blind Dates mit Freunden von Freunden versucht. Ich habe mich mit viel zu vielen Männern in Kneipen getroffen. Und… ja, ich habe es auch satt, keinen Sex zu bekommen. Aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben.«
Quinns Kehle verengte sich, als er aus dem Fenster auf die unruhigen Wellen im Hafen sah.
Jahrelang hatte er von jemandem geträumt, mit dem er in einen schlichten, schönen Rhythmus fallen könnte. Er musste nicht mit Blumen und Balladen umworben werden. Alles, was er wollte, war ein Mann, dessen Augen aufleuchteten, wenn er zur Tür her-einkam.
Aaron beugte sich nach vorn, als wollte er etwas sagen. Doch stattdessen tätschelte er Quinns Hand und ein Schlag zuckte durch ihre Hände.
Aaron keuchte. »Autsch!«
»Hey!« Lachend zog Quinn die Hand zurück. »Na, das nenne ich mal elektrifizierend.«
Aaron schüttelte den Kopf. »Verrückt. Dabei habe ich mich gar nicht wie üblich auf dem Teppich herumgewälzt.« Er klimperte mit den Wimpern. »Vielleicht ist das das Problem.«
Quinn lachte erneut auf. Aaron war das genaue Gegenteil von ihm und glücklich damit, sich nur ein einziges Mal mit einem Mann zu treffen. »Das muss nett sein. Es ist viel leichter, Männer für eine Nacht zu finden als für… du weißt schon, die Zukunft.«
»Ist es«, stimmte Aaron mit einem nachdenklichen Brummen zu. Er verschränkte die Arme. »Aber ich warte schon seit Jahren darauf, dass mich jemand um ein Date bittet.« Er wandte nicht den Blick von Quinn ab. Die Einladung stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
Oh Scheiße. Aaron flirtete eindeutig mit ihm, oder? Und das tat er bereits die ganze Zeit über. »Ist das ein Angebot?«, fragte Quinn.
»Ich dachte, du merkst es nie«, seufzte Aaron und hob einen Moment die Hände über den Kopf, als wäre er dankbar – oder als würde er triumphieren.
Ein Lächeln legte sich auf Quinns Gesicht und ihm wurde leicht ums Herz. »Darauf habe ich gehofft«, gestand er. »Als du mir gestern angeboten hast, mich mit jemandem bekannt zu machen, bin ich davon ausgegangen, dass du nicht zu haben bist.«
»Ich bin in vielen Stellungen zu haben und das so oft wie möglich«, konterte Aaron und klimperte übertrieben mit den Wimpern.
Wieder brach Quinn in Gelächter aus. Er lächelte heute mehr als in den ganzen Wochen zuvor. Diese wenigen Minuten des Gesprächs mit Aaron hatten gereicht, um seine Laune zu heben. »Aber du hast nichts gegen was Festeres einzuwenden?«
»Nee«, sagte Aaron. »Aber ich glaube nicht, dass Liebe real ist. Wenn doch, hält sie nicht. Das Beste, was man tun kann, ist, sich jemanden zu suchen, der gut im Bett ist, und sich zu versprechen, dass das auch dann noch durchhält, wenn der Funke verflogen ist.« Er grinste Quinn bedeutungsvoll zu. »Und die Ware zu testen, bevor man sie kauft. Und zwar sehr gründlich.«
Quinn neigte den Kopf. Aaron waren sehr offen in seinen Aussagen und jede einzelne deutete an, dass sich mehr hinter ihnen verbarg. »Oh, Sex ist nicht ausgeschlossen.« Er setzte sich anders hin und war sich der Härte in seiner Jeans angesichts dieses offenen Gesprächs sehr bewusst. Eine nette Nacht im Bett mit jemandem, den er wirklich mochte? Das klang geradezu himmlisch. »Aber ich will jemanden, der für die Idee offen ist, dass mehr daraus werden könnte. Selbst, wenn es schwer vorstellbar ist.«
»Oh, gut.« Aaron gab vor, erleichtert zu sein. »Auf dem Tisch, an der Wand, auf dem Rücksitz, im Darkroom. Ich bin für alle möglichen Ideen offen, besonders, wenn sie große, harte Freunde mitbringen.«
Quinn bedeckte sein Gesicht und seine brennenden Wangen. Er konnte nicht anders, als zu lachen. »Du bist schon eine Nummer, oder? Oh… sag es nicht«, fügte er rasch hinzu, als Aaron in sich hineinlachte.
»Der war zu leicht zu haben. Genau wie ich«, schnurrte Aaron und zwinkerte, als Quinn schnaubte. »So, machst du mir jetzt einen Antrag, sodass ich dramatisch akzeptieren und in deine Arme sinken kann?«, fragte er mit geneigtem Kopf und flatternden Wimpern.
Quinn grinste. »Ich überlege noch, ob ich es darauf ankommen lassen soll«, erwiderte er. »So unglaublich es auch klingt, eine Nacht mit dir zu verbringen… Ich würde gern rausfinden, ob auch mehr zwischen uns sein könnte.«
Aaron verengte die Augen, dann schnipste er mit den Fingern. »Oh, ich habe eine hervorragende Idee.«
»Oh-oh«, zog Quinn ihn auf. »Erzähl mal.«
Aaron leckte sich die Lippen und rieb sich die Hände. Er wirkte plötzlich nervös und biss sich auf die Unterlippe. »Na ja… du hättest gern etwas, das länger als eine Nacht hält. Und ich hätte gern etwas, das länger als meine Finger ist, stimmt's?«
Quinn lachte aus vollem Halse auf. »Ja.«
Aaron war ganz anders als die Männer, mit denen Quinn sich bisher getroffen hatten. Sie waren nett gewesen, still, mit normalen Jobs und einem normalen Leben. Der interessanteste aus der Runde hatte zum Spaß Ginflaschen gesammelt. Ein riesiger Unterschied zum temperamentvollen, anzüglichen Aaron.
»Wie wäre es, wenn wir es einen Monat lang miteinander versuchen?« Aaron neigte sich nach vorn. »Ich rette dich vor den langweiligen, unzuverlässigen Männern, mit denen du dich im wahren Leben getroffen hast.« Mit einem anzüglichen Grinsen malte er Anführungszeichen in die Luft. »Wir können mit einem Date anfangen. Und wenn wir uns verstehen, sehen wir von da an weiter. Entweder erfährst du dabei, dass Fickkumpel etwas Großartiges sind oder ich lerne bei der Gelegenheit, dass feste Beziehungen nicht immer auf Drama und schlechte Zeiten hinauslaufen. Fairerweise muss man ja sagen, dass es dauert, bis sich Gefühle entwickeln. Also geben wir der Sache Zeit bis Ende Dezember.«
Aaron feixte frech, aber das schreckte Quinn nicht ab. Ihm stockte der Atem. Das war wirklich eine großartige Idee. Nicht nur, dass Aaron mit ihm ins Bett wollte, er war auch bereit, es auf einen Versuch ankommen zu lassen? Quinn wollte sich kneifen, um sich zu versichern, dass er nicht träumte. »Das ist… das ist ein fantastischer Deal.«
»Stimmt«, bekräftigte Aaron gut gelaunt. »Und ich biete ihn nicht jedem an, weißt du?«
»Warum dann mir?« Quinn wollte es wissen. Wenn Aaron zuvor darüber gesprochen hatte, vor einer festen Bindung wegzulaufen, warum war er dann bereit, drei Wochen lang mit Quinn auszugehen? Aaron zögerte und bevor er etwas sagen konnte, fügte Quinn hinzu. »Sei bitte ehrlich. Für einen Moment keine Witze.«
Aaron lächelte ihm knapp zu. Seine Stimme wurde leise. »Okay. Ich habe es seit meiner letzten Beziehung vermieden, mit jemandem auszugehen. Das ist jetzt ein Jahr her. Ich weiß nicht, ob da draußen mehr auf mich wartet. Ich bezweifle es. Aber ich bin bereit, mir eine Chance zu geben.«
Rosige Flecken erschienen auf Aarons Wangen, sein Blick glitt zum Tisch. Er rang die Hände über der Tischplatte.
Spontan legte Quinn die Hand auf Aarons. Er wollte den Idioten schlagen, der Aaron so gründlich das Herz gebrochen hatte, dass er nicht länger an die Liebe glaubte. »Es tut mir leid«, murmelte er. »Danke, dass du mir das erzählt hast.«
»Puh. Dann kann ich ja meinen Verteidigungsschild aus Humor wieder hochfahren.« Aaron grinste und drehte die Hand nach oben.
Als Quinns Finger über Aarons Handgelenk strichen, glitten ihre Handflächen ineinander und entzündeten etwas unter Quinns Haut, das er fast vergessen hatte: Verlangen. Verdammt, allein die verschiedenen Seiten von Aaron, die er innerhalb weniger Minuten gesehen hatte, fesselten ihn.
»Also sind wir im Geschäft?«, fragte Quinn und sein Lächeln wurde breiter. »Für den restlichen Dezember?«
»Du hast bis Silvester um Mitternacht Zeit, mich dazu zu bringen, mich zu verlieben. Ha! Als ob.«
»Und du hast bis Mitternacht Zeit, um mich davon zu überzeugen, dass es so etwas wie wahre Liebe nicht gibt und fantastischer Sex sowieso besser ist.«
Aaron reichte ihm mit einem Schnauben die Hand. »Einverstanden. Ich würde es mit Spucke besiegeln, aber das spare ich mir lieber für meinen Arsch. Wir werden diesen Monat eine Menge Gleitgel brauchen.«
Bei diesen Worten gab Quinns Gehirn Vollgas, was schmutzige Bilder anging. Aaron war nicht die Art Mann, der es Quinn erlauben würde, es in irgendeinem Bereich seines Lebens langsam und sanft angehen zu lassen… schon gar nicht im Bett. Quinn hatte das Gefühl, dass er Schwierigkeiten haben würde, mit ihm Schritt zu halten.
Sie gaben sich die Hand und Aarons aufgeregtes Lächeln war eine Erleichterung. Es passte zu den Schmetterlingen, die in Quinns Bauch flatterten.
»Also, heute Abend Essen im Millie's? Wann macht der Laden hier zu?« Es hatte keinen Zweck, um den heißen Brei herumzureden. Wenn er Aaron überzeugen wollte, dass etwas Festes das Beste für sie wäre, wollte er keine Sekunde verschwenden.
Aaron strahlte. »Perfekt. Treffen wir uns dort um sechs?«
»Um sechs.« Quinn trank seinen Latte aus und stellte die Tasse ab, bevor er sich erhob. »Wir sehen uns dann.«
Zumindest hatte er eine feste Verabredung. Er mochte Aaron noch nicht besonders gut kennen, aber er war bereits überzeugt, dass Aaron ihn nicht versetzen würde. Er hatte einfach ein gutes Gefühl bei ihm, das war alles. Ein wirklich gutes Gefühl.
Bitte lass mich nicht falschliegen.